Den Extremklassiker Kein Wasser kein Mond am westlichen Eckpfeiler der Schafbergwand hatte ich schon lange auf dem Radar. Die bereits 1985 von Martin Scheel mit mehreren Begleitern eröffnete Route geniesst weit über die Landesgrenzen hinaus Berühmtheit und ist sowohl für ihren Anspruch wie auch ihre Qualität bekannt. Auf dem Papier sieht's mit total 4 Seillängen, nur 100m Routenlänge und einem Maximalgrad von 7c gar nicht so extrem aus. Andererseits ist bis heute keine Onsight-Begehung von diesem Testpiece bekannt und ausser für Spitzenkönner handelt es sich definitiv um ein Projekt an der Grenze.
Der steile und kompakte westliche Eckpfeiler der Schafbergwand mit der Route. |
So auch für meinen Kletterpartner. Obwohl er über mehrere Jahre verteilt der Route bereits ein halbes Dutzend Besuche abgestattet hatte, blieb ihm die komplette RP-Begehung bisher verwehrt. Und dies notabene, obwohl er im Klettergarten deutlich höher wie im Grad 7c unterwegs ist. Aber so viel zur Schwierigkeit der Linie nur vorweg. Seine Anfrage, ob ich ihn bei einem weiteren Versuch begleiten würde, war natürlich sehr willkommen, verschiedentlich hatte ich schon mit einer Begehung geliebäugelt, sie jedoch noch nie realisiert. So machten wir uns am Tag mit dem spätesten Sonnenuntergang des Jahres auf den Weg, um die Route im sanften und wärmenden Licht der Abendsonne zu klettern. Zumindest dieser Plan ging gut auf: nachdem wir bis Mitte Nachmittag noch der Steigerung des Bruttosozialprodukts gefrönt hatten, starteten wir um 16.30 Uhr mit der Kletterei.
L1, 35m, 7a: Die erste Hälfte von L1 bietet zwar keine schlechte Kletterei, ist aber noch etwas durchzogen mit ein paar Grasbüscheln. Die Schwierigkeiten liegen dort nur bei ca. 6a, dafür steckt ausser einem alten NH auch kein Material. Mit den Camalots 0.75 & 1 sowie einer SU-Schlinge ist das Gelände aber abzusichern. Der wesentliche Teil beginnt dann mit dem ersten der drei BH. Geht es erst noch gut an ein paar griffigen Schuppen im 6c-Bereich dahin, so beginnt der Ernst nach dem Klippen des dritten BH. Technische Kletterei verlangt gute Fusstechnik und liefert einen ersten Vorgeschmack auf das, was weiter oben noch wartet. Die Crux nach dem letzten Haken ist wohl gut gesichert aber zwingend, der folgende, einfacher werdende Runout erfordert das erste Mal Entschlossenheit. Steht man dann in einfacherem Gelände, so sichert ein mittlerer Keil oder Camalot 0.3 die letzten, einfachen 5m zum Stand hin ab.
Auftakt in L1, der Vorsteiger hat eben die selbst abzusichernde Zone überwunden und den ersten Bohrhaken geklippt. |
Die Crux der ersten Länge eben sauber überwunden, hier der kleine Runout zum Stand hoch. |
L2, 20m, 6c+: Paradoxerweise ist die steilste der vier Seillängen auch gleich die einfachste. Doch sie ist sehr schön! Bei sehr guter BH-Absicherung geht es athletisch über einige Wulste hinweg, ein paar wohlgeformte Löcher (die nach Niederschlagsperioden noch etwas feucht bleiben können) helfen einem dabei.
Steile Kletterei über zwei Dächlein hinweg in L2 (6c+). Super genussvoll! |
Auch für yours truly ein entspannter Genuss - der Vorsteiger hat nicht einmal alle Bolts geklippt... |
L3, 25m, 7c: Schon der Start entlang einem seichten Riss bis zum ersten BH ist nicht ganz einfach, ein Pre-Klipp im Anschluss an L2 ist sicherlich angenehm. Dann folgt eine knifflige Wandstelle zum zweiten Bolt, gefolgt von einer schrägen Rampe mit ausdrehendem Piaz zum dritten BH. Hier folgt nun die Crux, ein weiter und beinahe trittloser Move aus Untergriffen nach links - Reichweite hilft! Nun hat man die berühmt-berüchtigte, seichte und runde Wasserrille erreicht. Im Piaz-Style und absolut ohne Tritte muss man sich nun in die Höhe arbeiten. Sehr anstrengend das Ganze und zudem auch ohne Rastpunkt direkt nach der Crux zu meistern, somit ist auch einiges an Resi erforderlich. Zum Stand hin wird es zwar beständig etwas einfacher, bis zuletzt warten aber knifflige Züge und man kann auch noch scheitern, wenn man kurz vor dem Stand ist (ging scheinbar schon vielen so!).
Im Vordergrund der seichte Riss von L3 (7c), nun folgt die Piazrampe. Der Vorsteiger hält Ausschau nach der Crux. |
L4, 20m, 7b+: Hier steckt der erste Bohri zwar nahe, dafür wartet dann ein längerer Abstand mit ganz schwerer Kletterstelle zum nächsten. An winzig kleinen, scharfen Tropflochleisten und nur minimalen Tritten will man sich für einen Dynamo an eine griffige Schuppe positionieren. Danach klippen, kurzes Schütteln, eine Untergriffschuppe anlaufen und dann eine zweite Crux in crimpy Wandkletterei, um den Riss links aussen zu gewinnen. Dort dann griffig und leichter, aber in kleinem Runout zum dritten und letzten Bolt, von welchem man mit einer letzten, athletischen Wandstelle an Löchern das Top erreicht.
Nachstieg an ebendieser Stelle. Die Kompaktheit des Gesteins ist übrigens unübertrefflich! |
Trotz unserem späten Start hatte die Zeit gut ausgereicht, um die ganze Route zu komplettieren. Die ersten zwei Seillängen gingen dabei flott vom Stapel und konnten im Alzheimer-Onsight bzw. Flash erledigt werden. In der Crux der dritten Länge kam die saubere Begehung dann leider beiderseits ins Stocken, doch liessen sich hier immerhin alle Moves entschlüsseln und ein Plan für einen korrekten Durchstieg beim nächsten Mal fassen. Dass dies kräftemässig nicht ohne ist, zeigte sich dann in der letzten Länge. Die bisherigen Anstrengungen hatten ihren Tribut gefordert, und wir mussten schon froh sein, überhaupt das Top erreicht zu haben. Mich persönlich dünkten dabei die Moves nach dem ersten BH von L4 die schwersten überhaupt auf der ganzen Route. Doch vielleicht war ich einfach schon platt, und da ich zu nachlässig war, um ganz unten im Haulbag zu grübeln, hatte ich auch die falschen Reifen montiert. Nach einem Handshake gelangten wir mittels Abseilen wieder zurück zum Einstieg. Mit einem 80m-Seil kommt man in 2 Manövern (dabei den Stand vom Luftschloss benützen!) gerade wieder retour auf den Boden. Gemütlich konnten wir unsere Sachen zusammenräumen und im sanften Abendlicht nach Wildhaus zurückmarschieren. Wer weiss, wann wir das nächste Mal hier am Start stehen... zu tun gibt es auf jeden Fall noch etwas, und lohnend sowie fordernd ist dieser Route bestimmt ein jedes Mal aufs Neue.
Facts & Tipps
Schafbergwand - Kein Wasser kein Mond 7c (7b+ obl.) - 4 SL, 100m - Scheel/Carrigan et al. 1985 - *****; xxx
Material: 1x60m-Seil, 10 Express, für L1 Camalots 0.3, 0.75 & 1.
Ich beschränke mich hier für einmal auf ein Zitat aus dem Kletterführer, da es absolut zutreffend ist: Grandiose Sportkletterei in vielfach senkrechtem bis überhängendem Fels. Auch wenn es nur vier Seillängen sind, stellt die Route an den Begeher hohe Anforderungen in Bezug auf Ausdauer, Technik und Moral. Die Erstbegehung 1985 von unten war damals ein absoluter Meilenstein im alpinen Sportklettern. Auch heute noch wird die Route als grosse Herausforderung angesehen und zieht internationales Publikum an. Aufgrund von Bedeutung, Schönheit und Eleganz gibt es hier trotz der relativen Kürze die ganzen fünf Sterne - Weltklasse!
Wie schwer ist die Route denn nun? Die offiziellen Seillängen-Grade sind mit 7a/6c+/7c/7b+ sicherlich eher harte Währung bzw. alte Schule. Andererseits jedoch sicherlich auch nicht komplett falsch oder unrealistisch, auch wenn man hier nicht mit einer "normalen" Sportkletter-7c vergleichen kann. Oft wird auch eine Gesamtbewertung von 7c+ erwähnt. Abgesehen davon, dass sich das Konzept von Gesamtbewertungen bei MSL-Routen nie durchgesetzt hat, zweifle ich daran. Die ersten beiden Längen sind bei entsprechendem Können ideale Aufwärmer für die 7c. Danach muss "nur noch" eine kurze, nicht mal pumpige 7b+ mit zwei kurzen Boulderstellen geklettert werden, so dass mir eine höhere Gesamtbewertung nicht unbedingt zutreffend scheint. Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass der äusserst erfahrene und kompetente Alpinkletterer Tobias Wolf L3 mit 8a und L4 mit 7c bewertet. Was habe ich kleine Maus da zu widersprechen... Schwierigkeitsgrade sind halt sowieso wie immer und überall ziemlich relativ und variabel, und schwierig ist KWKM definitiv!
Die Route kann man ohne weiteres als gut abgesichert bezeichnen. Die alten Haken wurden ersetzt, es stecken solide Inox-Bolts. Die erste Hälfte von L1 ist clean, aber selber abzusichern. Der wesentliche Teil hat xxxx-Absicherung, mit einem Runout in einfacherem Gelände zum Stand. In L2 ist die Absicherung tadellos (xxxx) und auch in L3 warten keine weiten Abstände. Die Kletterstellen zwischen den Bolts sind halt zwingend und alles andere als einfach, aber auch hier ist von den Abständen her xxxx zutreffend. Die letzte Länge ist in Bezug auf die Absicherung klar am anspruchsvollsten, hier klettert man die schwersten Moves gleich 2x mit den Füssen auf Hakenhöhe, doch auch hier langt es immer noch für solide xxx. Für weitere Details, siehe den nächsten Abschnitt.
Auch heute noch korrektes Originaltopo von Martin Scheel. Quelle: azoom.ch |
Der Weg zum ersten Bolt in L3 ist eher weit und nicht ganz trivial, daher empfiehlt es sich, diesen nach dem Klettern von L2 vorzuhängen. L4 ist etwas schlechter abgesichert wie der Rest. Hier sind zwischen erstem und zweitem Bolt Flüge möglich, die bis zum Stand runtergehen und daher Sturzfaktor 1 aufweisen. Vom Gelände her ist es zwar ungefährlich und neben der Sicherungsperson fliegt man auch gerade vorbei, aber vom unbequemen Hängestand aus ist es nicht so einfach, sauber dynamisch zu sichern. Daher tut man evtl. gar nicht so schlecht daran, L3 und L4 zu verbinden. Auch aus sportlicher Sicht bietet sich das an. Am Stand vor L4 gibt es zwar einen No-Hand-Rest, indem man auf zwei schlechte Reibungstritte ausspreizt, wirklich gut erholen kann man sich so aber nicht.
Cams braucht es vor allem auf dem Weg zum ersten Borhaken in L1, der gute 15m ob dem Einstieg steckt. Wir setzten die Camalots 0.75 und 1. Vor dem Stand von L1 bietet es sich noch an, einen mittleren Keil oder Camalot 0.3 zu legen. In L2 und L3 kann und muss man nichts legen, auch die Standplätze sind inzwischen alle mit mindestens zwei Bohrhaken ausgestattet. In L4 nimmt der Riss links zwischen zweiten und drittem Bolt einen Camalot 0.75 auf. Allerdings kann man an dieser Stelle auch noch zwei mässig schwere Züge an guten Griffen machen und den nächsten Bolt klippen, was eher angenehmer ist, wie an dieser Stelle noch mit einem Cam rumzufummeln.
Auf den ersten zwei Seillängen sind eher Schuhe gefragt, mit welchen man gut auf Reibung steht, in der dritten ist ein Mix von gutem Stehen auf kleinen Tritten und antreten auf Reibung gefragt. In der letzten länge will präzise auf kleinsten Tropflochleisten gestanden werden. Daher entsprechendes und möglicherweise unterschiedliches Schuhwerk mitführen. Mit einem Einfachseil zu klettern ist sicher angenehmer. Zum Abseilen ist minimal 1x60m erforderlich, dann sind allerdings 4 Abseilmanöver fällig - die Stände sind alle entsprechend eingerichtet. Mit 1x70m kommt man dann mit 3x Abseilen durch, mit 1x80m sogar mit zweimal. Make your Choice!
In der kalten Jahreszeit erhält die Route nicht allzu viel Sonne. Die Wand ist nach WSW exponiert und wird erst nach der Mittagszeit von den ersten Sonnenstrahlen bestrichen. Vor allem der in einer kleinen Schlucht gelegene Einstieg liegt ziemlich schattig, da muss man den Zeitpunkt schon optimal treffen. Zum Aufwärmen oder Kennenlernen dieses Sektors bietet sich ideal die Schwesterroute Luftschloss an. Auch der Westriss und der Frospfeiler sowie die gut gesicherte Einstiegsvariante sind lohnend und werden demnächst auf meiner Fels-Seite beschrieben. Weitere Möglichkeiten bietet auch der Klettergarten an den vorgelagerten Türmen.
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