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Sonntag, 26. April 2020

Skitour Schijen (2259m)

In der aktuellen Zeit wäre es nahe liegend, noch etliche Berichte aus früheren Zeiten nachzutragen - wenn man denn neben allen "home"-Verpflichtungen die Zeit dazu finden würde. Der Auftakt hier mit einer einer vielleicht nicht ganz so zentralen, dafür aber rasch dokumentierten, sehr selten begangenen Frühlingsskitour. Ihr grosser Vorteil besteht darin, dass man trotz tief gelegenem Ausgangspunkt noch relativ spät in der Saison ausreichend Schnee unweit von mir daheim vorfindet. Der Nachteil ist ein nicht ganz kurzer Talhatscher zu Beginn und einige Querungen im oberen Teil, welche die Route nur bei schnellem Schnee lohnend machen. Bei tiefem Pulver wäre die gesamte Unternehmung ein grandioses Fiasko!

Blick vom Schijen-Gipfel Richtung Nordost mit den Bergen um den Speer und dem Säntis.
Los geht's bei der Stafelbrücke (P.989) am westlichen Ende des Obersees. Die ganzjährig betriebene Webcam der Kraftwerke erlaubt es einem einwandfrei zu beurteilen, ob noch ausreichend Schnee liegt. Zuerst folgt man über ca. 5km mit ein paar wenigen Abkürzungen der Fahrstrasse ins Oberseetal hinein bis zum P.1390, wo die Route zum Rautispitz abzweigt. Weiter geht's auf dem Trassee des Wanderwegs Richtung Längeneggpass, den man schon relativ bald verlässt, um ostwärts Richtung Schijen zu steigen, wobei man die LK-Punkte P.1583, P.1642 und P.1807 jeweils südlich passiert. Das Gelände ist ziemlich unübersichtlich und bietet wenig Anhaltspunkte, Spuren dürfte es hier nur selten geben, so dass durchaus ein gewisser Spürsinn für den effizienten Mix zwischen Queren und Hinaufsteigen nötig ist. Weiter ostwärts haltend geht's über einige kurze Steilhänge hinweg in den Kessel zwischen Chli Schijen, Schijen und Breitchamm. Die "Normalroute" führt ab hier über den SW-Grat zum Gipfel. Zum Zeitpunkt meiner Begehung war dieser aber bereits aper (was an dieser sonnigen und windexponierten Lage sicher absolut typisch ist), während in der steilen Westflanke eine Schneezunge noch bis fast zum Grat hinaufreichte. Dank extrem griffigem Schnee (und sauberer Steigtechnik ;-)) ging's trotz erheblicher Steilheit (bis 45 Grad) ohne Eisen. Vom Grat waren es dann noch ein paar Minuten und ca. 60hm zum Gipfel. Dieser ist für diesen wenig bekannten Gipfel erstaunlich aussichtsreich, v.a. sind die Blicke in die Glärnisch Nordwand gegenüber wirklich packend! 

Blick zur Schijen-Westflanke inkl. der Schneezunge, die noch fast bis zum Gipfel hinaufreicht. Das Gelände sieht aus dieser Perspektive deutlich flacher aus, wie es sich dann vor Ort präsentiert (kann man glauben oder nicht, ist aber so ;-)). Das Foto wurde in der Nähe von P.1807 aufgenommen, möglicherweise ist dies der felsige Kopf links am Bildrand (Irrtum für einmal vorbehalten).

Im Vordergrund der Dejenstock, auch aus der Kategorie "Special Interest". Hinten dann die gewaltige Glärnisch Nordwand, in welcher gewaltige Abenteuer wie das Chalttäli mit Gleitschirmflug und erst recht später der Ruchenpfeiler warteten.
Ich konnte dem Schnee noch ein wenig Zeit zum Auffirnen geben und die Stimmung und die Sonne ausgiebig geniessen. Dann machte ich mich auf den Rückweg, schnallte die Bretter an die Füsse und rauschte in einem Zug den Steilhang in den Kessel hinunter - einfach total genial! Auch das eher querende Gelände der Rosslöcher war richtig gut zu befahren. Mit Schuss konnte man jeweils mit wenig Höhenverlust nach links queren, um dann wieder den lohnendsten Hang in der Falllinie herunterzustechen. Zu bald war ich zurück beim P.1390, wo das Vergnügen leider schon wieder vorbei war. Es wartet noch die Talausfahrt - dank der schattigen Lage war auch hier der Schnee noch schnell, so dass diese ohne Stöckelei zügig vor sich ging. Ja, an diesem Tag hatte ich den Zeitpunkt perfekt getroffen - einerseits in der Saison, da der Schnee überall gerade noch durchgehend war und man nirgends abschnallen musste. Andererseits mit dem Tag, da die Schneedecke wunderbar glatt und morgens perfekt tragend gefroren war. Drittens stimmte dann auch noch mein Zeitmanagement perfekt, besser hätte ich den Zeitpunkt für die Abfahrt nicht erwischen können. Damit das ganze auch noch einen gewissen Allgemeinnutzen hat: saisonal war ich Mitte März unterwegs, tageszeitlich bin ich um 8.45 Uhr (Winterzeit) losgelaufen und um 11.30 Uhr abgefahren - selbstverständlich sind das nur grobe Richtwerte, welche je nach Jahr und Tag komplett untauglich sein können. Und nur damit niemand vergeblich hinfährt. Zur Zeit hat am Obersee längst der Frühling eingekehrt!

White Velvet, einfach perfekt der Schnee an diesem Tag!!!


Facts

Schijen (2259m) vom Obersee
Knapp 1300hm, je nach Kondition und Verhältnissen 2-4h Aufstieg
Nur bei sicheren Frühjahrsverhältnissen mit schnellem Schnee lohnend (max. 45 Grad).

Montag, 13. April 2020

Cheselenflue - Männer von Memmental (7a+)

Die Cheselenflue ist einer der beliebtesten MSL-Spots der Zentralschweiz: griffig-steile Kletterei, rasch zugänglich, sehr gut abgesichert und mit langer Saison. An Pfingsten 2019 lagen höhere Ansprüche kaum drin, daher wollten auch wir wieder einmal hier angreifen, zumal uns eigentlich nur ein halber Tag zur Verfügung stand. Mein Kletterpartner hielt sich bereits im Melchtal auf und hatte nach einer intensiven Ausbildungswoche schon reichlich platte Arme. So einigten wir uns, dass ich den kompletten Vorstieg übernehmen würde.

Der Sektor Chaltbach an der Cheselenflue mit dem Verlauf der Route 'Männer von Memmental' (7a+)
Den Zustieg starteten wir auf der Stöckalp (1070m). Man könnte zwar auf der taxpflichtigen, mit wechselseitigem Einbahnverkehr belegten Strasse nach Melchsee-Frutt noch bis zur Kehre auf 1260m hochfahren. Wegen den Kosten und der potenziellen Wartezeit bei der Rückkehr schreckten wir davon zurück. Sowieso brauchten wir zu Fuss nur 15 Minuten bis zum Vereinigungspunkt, somit ist also auch der Zeitvorteil durch die Hochfahrerei auf der beschränkten Seite. Nach insgesamt 40 Minuten Zustieg waren wir vor Ort. Unverzüglich schirrten wir uns an und ich startete um 13.45 Uhr in die Route.

L1, 6b+: Schöne, eher technische als athletische Kletterei, die da und dort durchaus etwas genauere Planung bei den Moves verlangt.

L2, 6c+: Nun wird es bereits etwas athletischer und eine kleine Dachzone ist zu überwinden. Für den Grad eine eher gutmütige Sache.

Eher technische Kletterei erwartet einen in L1 (6b+).
In L2 (6c+) wartet dann bereits eine athletische Dachpassage.
L3, 7a+: Die 'signature pitch' der Route. In extrem luftiger Kletterei quert man seitlich über den haltlosen Abgrund hinaus. Es wartet überhängende, athletische Leistenkletterei, wirklich ganz cool. Ein paar Mal muss man durchaus kräftig anziehen, wirklich an die Grenze kam ich hier aber nicht.

L3 (7a+) ist sehr fotogen, da man direkt über dem Abgrund quert.
Im Rückblick wird man der extrem luftigen Perspektive gewahr. Ein paar härtere Moves warten schon...
Aber trotzdem reicht die Kraft, um am Ende noch ein paar Posen zu werfen.
L4, 6c+ A0 oder 7c (?): Natürlich war ich gekommen, um der Route eine komplett freie Begehung abzuluchsen und das heisst konkret ohne den p.a.-Move zu Beginn von L4. Trotz längerem Probieren gelang mir die entscheidende Bewegung aber nicht, auf alle erdenklichen Arten fehlte entweder etwas, was den Füssen an der richtigen Stelle etwas Widerstand gab, oder dann erreichte ich den Zielgriff um wenige Zentimeter nicht. Eine frei kletterbare Lösung im 7b/7b+ Bereich fand ich schliesslich nur 1-2m weiter links, allerdings nur so, dass nicht alle Bolts zu klippen waren. Ich befand dann, dass man die Stelle gescheiter auf diese Variante umbohren würde, da die original angedachte Variante sich sowieso an einem hässlich-abgelutschten, künstlich bearbeiteten Seitgriff abspielt. Weiter fragte ich mich, ob denn diese Stelle überhaupt je schon einmal freigeklettert worden sei, eine Befragung in meinem Bekanntenkreis brachte jedenfalls kein positives Ergebnis hervor. Darüber hinaus empfand ich auch die angebliche Bewertung von 7b+ fragwürdig - ist es tatsächlich möglich, eine 7a+ im Standgas zu onsighten, in einer 7b+ dann aber trotz langem Probieren keine Lösung zu finden?!? Anyway, in dem knappen Jahr seit meinem Besuch erhielt ich nun doch noch die Nachricht, dass 2 starke Kletterer die Stelle in der Originalvariante frei ziehen konnten - bravo! Der Rest der Seillänge geht übrigens deutlich leichter von der Hand, das Finish ist dann beinahe schon alpin!

Die Crux der Route folgt gleich zu Beginn von L4 (ca. 7c?).
Das Corpus Delicti: künstlich erzeugter Seitgriff, hässlich abgelutscht und glitschig.
Das Finish von L4 dann kurz mit beinahe schon alpiner Felsqualität und Kletterei (geht aber schon, keine Sorge).
L5, 6c+: Nochmals eine schöne, kurze Seillänge in scharfem Tropflochfels, welche zum Routenende mitten in der Steilwand führt. Ob man da nicht noch eine Fortsetzung hätte finden können...?!?

Nochmals sehr schöne Kletterei in L5 (6c+).
Aufgrund der ausgiebigen Freikletterversuche in L4 war es doch 16.45 Uhr geworden, bis wir am Top ankamen, macht also 3:00h Begehungszeit. Hier oben gab es nicht viel zu tun, also machten wir uns ans Abseilen. Dies geht zügig vonstatten. Mit dem ersten Manöver geht's retour auf die luftige Kanzel nach L3. Von dort dann nur unter Zuhilfenahme des Fixseils zu einer routenunabhängigen Abseilstelle in der grossen Verschneidung und schliesslich mit einem weiteren Manöver zurück auf den Boden. Natürlich, wenn jemand noch nie auf diese Weise abgeseilt hat, so ist das bestimmt eine eindrückliche Sache! Allerdings ist es mit dem Fixseil völlig banal - da hatte ich z.B. an den Wendenstöcken oder der Titlis Nordwand schon oft viel eindrücklichere Abseilerlebnisse, weil man da dann selber dafür besorgt sein muss, dass man wieder an den Fels kommt. Nach den 5 eher kurzen Seillängen der 'Männer' war unsere Kletterlust noch nicht ganz gestillt. Da die Uhr aber schon ein wenig vorgerückt war, die ideale Gelegenheit um unten im Sektor Meteorit noch in der Kurzroute Krater (2 SL, 7a+, 6c obl.) einen Go zu geben.

L1, 7a+: Ziemlich anspruchsvolle und auch etwas zwingende Leistenkletterei in typischem Cheselen-Style, auch wenn die Felsqualität hier als einen Tick minder wie in anderen Routen bezeichnet werden muss. Konnte ich souverän onsighten und somit das Abblitzen in der p.a.-Stelle der 'Männer' wenigstens ein klein wenig ausbügeln. Kletterspuren waren hier übrigens so gut wie keine vorhanden, da war wohl schon längere Zeit keine Seilschaft mehr eingestiegen.

Schöne, typische Cheselen-Wandkletterei in L1 (7a+) von Krater.
L2, 6c+: Fordernder Auftakt über eine Dächerzone hinweg, die ein paar kräftige Moves verlangt. Dies dünkte mich nicht wesentlich einfacher wie die erste Seillänge der Route. Dafür lässt die Sache dann relativ bald nach. Es folgt ein Abschnitt mit schöner Wandkletterei, bevor die Route in gestuftem Gelände ausklingt. 

Wer unbedingt möchte, könnte von dieser Stelle auf dem Band querend wohl entweder nach links in den Meteorit oder nach rechts in die Route Roter Punkt gelangen. Für uns hiess es indes, nach Hause zu gehen. Abseilend gelangten wir subito an den Einstieg zurück, liefen auf die Stöckalp und setzten uns aufs Polster. Das war nun doch ein richtig vergnüglicher MSL-Nachmittag gewesen - klarerweise kein grosses Abenteuer, das findet man an der Cheselen so nicht. Steile, teils luftige und vergnügliche Moves sind es aber allemal.

Rückblick auf die Cheselenflue und Wohnmobil City. Die müssen dieses Jahr wohl daheim bleiben...

Facts

Cheselenflue - Männer von Memmental 7a+ A0 (6b+ obl.) - 5 SL, 180m - W. Britschgi et al. 1998 - ***, xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express

Ein Klassiker des MSL-Sportkletterns in der Schweiz. So viel Luft unter den Füssen gibt's sonst mit relativ moderatem Schwierigkeitsgrad und solch guter Absicherung so gut wie nirgends! Die Kletterei ist meist steil und griffig, die Bohrhaken stecken so, dass man sorgenlos Moven kann. Trotzdem gibt's gerade in der athletisch steilen, querenden 7a+ durchaus ein paar Stellen, wo man +/- zwingend an ein paar Leisten durchziehen muss. Ist man mit dem Schwierigkeitsgrad überfordert, kann es hier sowohl im Vor- wie auch im Nachstieg mühsam werden (Ablassen zum Standplatz ist nicht möglich, im Nachstieg besteht die Gefahr, dass man den Fels nicht mehr erreicht). Ein Wermutstropfen ist dann die inhomogen harte Stelle in L4, welche sich zudem an einem künstlichen Griff abspielt, sie kann aber mit Griff zum Textil problemlos entschärft werden.

Cheselenflue - Krater 7a+ (6c obl.) - 2 SL, 60m - W. Britschgi et al. 1998 - **, xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express

Selten begangene, aber durchaus interessante Kurzroute am Wandfuss der Cheselenflue. Sie bietet eine erste, anhaltende Seillänge in senkrechter Wandkletterei. Der zweite Abschnitt beginnt mit einer kräftigen Dachzone, bevor die Schwierigkeiten graduell abnehmen. Die Absicherung ist gut, doch auch hier sind ein paar nichttriviale Moves zwingend zu klettern.