Der wilde Kessel des Ochsentals in den Engelhörnern ist ein eindrücklicher Ort, welcher mir schon manch tolles Klettererlebnis beschert hat. Trumpfkönig, Silberfinger, Gagelfänger, der klingenden Namen gibt es viele. Mit der im 2017 erschlossenen Route 'Öxli und Ox' am wenig markanten Ochsenspitz gab es nun endlich auch eine gute Gelegenheit, um einmal mit der ganzen Familie diesen magischen Ort zu besuchen. Schliesslich ergab sich ein so tolles Erlebnis wie erhofft - Gegend und Kletterei sagten allen zu und nach über 500 Klettermetern inklusive Zu- und Abstieg hatten wir uns ausgiebig bewegt.
Hinein ins Reich der Engelhörner. Hinter der Hütte geht's in den magischen Felsenkessel vom Ochsental. |
Nachdem sich die Familie nach Trainingslagern und Kletterausflügen hierhin und dahin erst gerade wieder vereint hatte, war ein früher Aufbruch am nächsten Morgen utopisch. Nachdem aber sicheres Wetter angesagt war und die Sonne die nach Westen ausgerichtete Flanke des Ochsental-Kessels erst gegen Mittag bescheint, war keine Eile geboten. Mit letzten Tropfen Sprit (aufgrund der wieder einmal optimistischen Interpretation der Tankanzeige...) erreichten wir die Alp Gross Rychenbach (P.1574, Taxe 15 CHF bei der Alphütte zu bezahlen) und starteten den Zustieg um 12.15 Uhr. Die Engelhornhütte passierten wir 45 Minuten später, flugs gingen wir weiter Richtung Einstieg, wo wir nach total 1:10 Stunden Gehzeit eintrafen. Er befindet sich tatsächlich dort, wo die Felsen am weitesten herabreichen und kann aus dem Boden des Ochsentals praktisch auf ebenem Fuss erreicht werden. Mit den Vorbereitungen hielten wir uns nicht mehr lange auf und bildeten zwei Seilschaften, die nach Möglichkeit gleich parallel steigen würden. Nachdem die Kletterei geneigt-gutmütig aussah und Bolts mit nicht allzu weiten Abständen sichtbar waren, wollten die Kinder den Vorstieg anpacken.
Im Ochsental auf den letzten Metern zum Einstieg. |
Die ersten 4 Seillängen bieten unschwierige Kletterei im 3./4. Schwierigkeitsgrad. Sie verlaufen grösstenteils über soliden und ausgewaschenen Fels in bzw. neben einer wenig ausgeprägten Rinne, welche den Kessel unter der Gertrudspitze entwässert. Nachdem alles trocken war, nirgendwo mehr Schnee lag und oberhalb keine Kletterer aktiv waren, schien mir dieser Ort nicht überaus gefährdet. Global befindet man sich da aber schon an einem Platz, wo unter ungünstigen Voraussetzungen Steinschlaggefahr herrschen kann. Zu erwähnen ist auch, dass alle Seillängen nahezu 50m lang sind. Auf den ersten beiden Teilstrecken stecken je 7 BH, was ja doch auch schon Hakenabstände von 6-7m ergibt. In Seillänge 3 sind es dann nur noch 5 Stück und am Ende von L4 gibt es auch einen längeren Runout von ca. 10-15m in zwar einfachem, aber doch etwas schuttig-brüchigem Gelände. Sprich, die Absicherung ist für solches Gelände sicherlich "gut", sauber gehen und sicher stehen muss man aber trotzdem.
Off he goes... das müsste L4 (4a) sein. |
In L5 (5b) erklettert man gar nicht mal so einfach gleich nach dem Stand eine Rippe in abwärts geschichtetem Fels, bevor es dann bald wieder einfacher voran geht. Mit L6 (4a) wartet nochmals ein etwas flaches, grasig-schuttiges Überführungsstück, bevor es im zweiten Routenteil dann steiler zur Sache geht. Man befindet sich an dieser Stelle unmittelbar unterhalb der Fixseil-Traverse, welche ich damals auf dem Weg zur Queen of Desert begangen hatte. Mit L7 (6a) folgt nun die Crux: erst noch flach, klettert man später auf einer Art Rampe in schöner 3d-Manier griffig aufwärts. In der Männerseilschaft übernahm ich ab dieser Stelle die Führung, während Larina sich noch tapfer im Vorstieg weiterkämpfte. Gerade hier ist "Kampf" eine nicht völlig abwegige Bezeichnung, denn aufgrund der Topografie der Seillänge mit dem flachen Start verursachte das Seilgewicht bei ihr trotz strategisch geschickt platzierten Verlängerungen prozentual doch einen erheblichen Aufschlag auf das Körpergewicht.
Da sind die beiden am Ende von L5 (5b), hinten die westliche Engelhornkette. Der Verlauf von L7 (6a) direkt ob den Kids. |
L8 (5b) führt nun wieder direkt auf einer Rippe vorerst eng mit BH abgesichert in die Höhe, bevor zum Stand hin wieder einmal ein längerer Runout in schuttig-einfachem Gelände wartet. Vom Stand spähten wir nach Haken, gerade hinauf waren einfach keine auszumachen. Ein Blick ins Topo klärte dann auf, dass die Bolts rechts aussen nicht etwa zu einer anderen Route gehörten, sondern "unsere" L9 (5b) markierten. Es gilt hier wirklich zuerst 10m ohne BH nach rechts zu queren. Die erste Sicherung steckt dann seilzugtechnisch etwas gar weit unten. Nun geht's auf der Rippe aufwärts, es ist die Seillänge mit der schlechtesten Felsqualität. Man bedient meist etwas mürbe Seitgriffe auf Gegendruck - für mich natürlich kein Problem, aber für unsere zweite Vorsteigerin war das eine fordernde und auch etwas nervenaufreibende Sache. Aber ja, auch das Klettern in unsicherem Fels ist ein Skill, den es zu trainieren und zu fördern gilt - das ging hier bestens, dank den regelmässig steckenden BH auch safely. Weiter geht's mit L10 (5c+), wo nochmals kompakte Plattenkletterei in schönem Fels bei eng gehaltener BH-Absicherung wartet, prima! In der für einmal etwas kürzeren L11 (5b) warten auf der etwas gesuchten Linie nicht mehr die grossen Schwierigkeiten.
Die Cruxlänge (L7, 6a): unten flach, oben steil. Gut abgesichert, aber dennoch mit etwas Luft zum Steigen. |
Um 18.40 Uhr und somit nach rund 5:00 Stunden Kletterei waren wir alle am Top of Ochsenspitz. Leider bietet dieser bzw. das Routenende nicht ein richtiges Gipfelerlebnis, das ist doch ein wenig schade und wäre schon das Tüpfelchen auf dem i gewesen. Aber die gut 500 Klettermeter hatten allen echt Spass gemacht, v.a. hatten die Kinder hier einen wesentlichen Teil der Führungsarbeit übernehmen können, bravo! Schon bald galt es, an den Heimweg zu denken, v.a. für den Teil der Familie, welcher am Montag wieder in den Einsatz musste und nicht einfach auf die nächste MSL-Tour gehen konnte ;-) Zum Abseilen wäre die Route eingerichtet, aber die 11 manchmal etwas schräg verlaufenden Manöver in wenig steilem, bisweilen auch etwas schuttigen Gelände erschienen jetzt nicht gerade verlockend. Somit wollten wir wie empfohlen über die RendOx abseilen. Auch wenn das Gelände hier ein wenig steiler und die Linie etwas direkter ist, so erfordert das doch auch 10 Manöver, welche nicht das grosse Vergnügen darstellen - ist doch das Gelände oft geneigt, teils schrofig und meist mit seilfressenden, scharfkantigen Steinen durchsetzt.
Hoch der Berg, tief das Tal... unterwegs auf der schönen Rippe von L8 (5b). |
Anyway, wir taten was zu tun ist, um etwa 20.10 Uhr setzten wir unseren Fuss wieder auf den sicheren Boden. Der Benefit von dieser Abseillinie war definitiv auch, den nicht unbedingt offensichtlichen Startpunkt der Route Rendez-vous nun schon identifiziert zu haben. Denn für diesen Gesamtdurchstieg auf den Ulrichspitz werde ich bestimmt zurückkehren - die Kletterei sieht bis zum Ochsenspitz zwar bisweilen etwas gesucht aus und ist bestimmt nicht in jeder Seillänge top, aber das Terrain verspricht doch manch tollen Klettermove. Und oberhalb vom Ochsenspitz locken dann definitiv die steilen Wände. Nun denn, das ist Zukunftsmusik, für uns hiess es nun die sieben Sachen packen und Abmarsch ins Tal. Noch rechtzeitig vor Ladenschluss konnten wir uns am Bahnhof in Meiringen mit einer kühlen Erfrischung eindecken, bevor die einen nach Hause und die anderen in Richtung des nächsten Kletterabenteuers fuhren.
Geschafft! |
Facts
Ochsenspitz - Öxli und Ox 6a (5b obl.) - 11 SL, 500m - Anker/Romang 2017 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express
Hübsche Route auf einen kleinen Gipfel im Kreis der grossen Engelhörner, die ein eindrückliches Ambiente bieten. Der Fels auf der Route ist meist gut, solide und kletterfreundlich, stellenweise liegt in leichteren Abschnitten Schutt herum. Die Route ist üppig mit neustem Inoxmaterial abgesichert, an den schwierigen Kletterstellen auf Stufe "Plaisir gut+" oder sogar "Plaisir super". Im einfacheren und oft auch etwas alpinen Gelände stecken auch regelmässig Bolts, aber am dümmsten Ort einen Griff auszureissen und zu stürzen könnte dann doch schmerzhaft enden. Insgesamt ist es sicher ein Unternehmen, das sich gut für weniger versierte Kletterer eignet. Trotzdem ist die Route rein aufgrund der Länge, der Lage, dem nicht anforderungsfreien Abseilen nicht unbedingt das ideale Terrain für den allerersten MSL-Ausflug. Ein Topo findet man auf den Seiten von ReBolting.
Zurück am Einstieg, in mehr oder weniger direkter Linie geht's zum Fähnli! |
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