Schon seit 20 Jahren gibt's diese Route, zu grosser Berühmtheit hat sie es bisher aber nicht gebracht. Das schöne, sehr sonnig gelegene Felsdreieck der Parete di Solada hatte ich hin und wieder bei der Anfahrt in die oberen Maggiatäler bestaunt, ja einmal waren wir gar beim Ausgangspunkt in Lodano in den Ferien. Aber konkret kurz vor der Realisierung stand ein Trip dort hinauf bisher doch noch nie. Das änderte sich an diesem Märzweekend, wo eine passende MSL-Challenge gesucht war. Mit Sicherheit trocken sollte es sein, genügend warm und unterhalb der Schneegrenze, so wurde schliesslich diese Route zu Rate gezogen. Wir einigten uns auf einen Versuch im Sportkletter-Modus, d.h. mit der Absicht alle Seillängen zu punkten, falls nötig auch mit mehreren Versuchen...
Schon ab ca. 7.30 Uhr gibt's an der Parete di Solada (um diese Jahreszeit) Sonne. Wenn man diese nutzen will und von der Alpennordseite anreist, kommt man um eine alpine Aufstehenszeit nicht herum. Während es oben schon golden leuchtete, starteten wir trotz beinahe unmenschlicher Weckerzeit erst um 7.55 Uhr bei Ronchi (Karte) auf 380m mit dem Zustieg. Auf angenehmen, früher zur Bewirtschaftung angelegten Wegen steigt man durch die Kastanienwälder hinauf und passiert dabei die Steinbauten auf Solada d'Zott und d'Zora, wo dann auch die formschöne Wand wieder ins Blickfeld rückt. Auf dem Hinweg stiegen wir, um die weglose Strecke zu minimieren, bis auf 1010m (Karte) auf, um dann in einer leicht absteigenden Querung den Wandfuss (Karte) zu gewinnen. Das geht gut so, die bessere Variante (unser Rückweg) ist aber wohl schon, schon bald nach den letzten Häusern auf ca. 950m die Querung anzusetzen. Gerade nach 1:00h Gehzeit waren wir am Einstieg, um 9.25 Uhr starteten wir in die Route.
Solada d'Zott mit typischen Tessiner Rustici. Genauso wie die Wege früher zum 'richtig' Leben gebaut! |
I love Ticino! Im Zustieg und an der Wand hat man einen sehr schönen Blick auf das Maggiatal. |
L1, 25m, 6b+: Unschwierig sieht's aus und die Bolts stecken dicht, kein Problem also. Doch schon die ersten Moves über die moosige Platte sind gar nicht mal so trivial. Griffe hat's dann doch nicht so viele und zum Antreten sind nicht mehr so viele Flecken frei. Nach einer Querung an ein paar Blöcken vorbei geht's dann zur Sache. Die nächste Passage entpuppt sich als betont senkrecht, die Griffe sind von abschüssiger Natur und vor allem hat's doch manch eine Flechte. So brösmelet es zusätzlich noch und ich bin schon voll gefordert. Auch der restliche Weg zum Stand ist nicht so simpel, in Alex Megos' Brushpoint-Manier kann ich schliesslich aber doch durchsteigen. Hier würde es ganz sicher nicht schaden, wenn es (viel) mehr Traffic gäbe oder jemand wieder einmal gehörig mit der Drahtbürste dahinter ginge.
Nature strikes back... immerhin kann man die Exe noch klippen ;-) |
L2, 25m, 6c: Bisschen ähnliches Programm wie in L1, d.h. noch immer geht's über die Platten, die etwas "sporche e lichenoso" sind. Ich fand's hier aber weniger herb wie im ersten Abschnitt, ob's jetzt am Nachstieg, der Gewöhnung oder der wirklich besseren Situation liegt, bleibe dahingestellt. Die klare Crux befindet sich in der Mitte, ohne den beherzten Griff ins Gras wäre das sicherlich schon sehr fordernd, ja deutlich jenseits vom Rahmen einer 6c. Das Spitzgras war zwar dürr und nicht im Saft, bei pfleglicher Behandlung hielt es aber unseren Efforts stand. Zum Glück haben wir von dieser Passage animierte Impressionen, es wäre schade wenn solche Episoden sich verborgen vor den Augen der Menschheit in den Tessiner Wäldern abspielen würden... ich denke, diese Seillänge wäre das ideale Terrain für einen Coiffeur, der weiss wenigstens wie man einen solchen Schopf richtig packt ;-)
Ausblick auf L2 (6c), gleich folgt die Passage an den ominösen und voluminösen Graspolstern links des Akteurs. |
Die Coiffeur-Passage in L2 (6c), ohne das Gras zu berühren wäre es echt schwierig! |
L3, 30m, 7b: Ab diesem Punkt folgt nun beste Kletterei der verschärften Sorte, wobei... man nach einem Amuse Bouche noch einen kurzen Runout durch die Dornen bewältigen muss, bevor es dann endgültig giga-gneisig zur Sache geht. Wirklich hammermässig klettert man zuerst an einer kleinen Verschneidung spreizend zu Henkeln, gefolgt von einem fast campusmässigen Abschnitt zu einer Verschnaupause. Mit querender Anplättung erreicht man eine zweite Crux, wo eine ganz kurze Rissspur gejammt wird. Pumpig geht's schliesslich im überhängenden Gelände an sloprigen Seitkanten zum eher unbequemen Stand. Das ist wirklich eine Sequenz in bester Ticino-Manier! Mein Onsight-Go war ziemlich chancenlos, ohne die etwas positiveren Sloperkanten zu kennen, ist das nicht so einfach. Aber so konnte ich diese tolle Länge nochmals geniessen und im 2nd Go souverän punkten.
Giga-gneisige Kletterei in leicht überhängender Wand an grossen, aber oft sloprigen Griffen in L3 (7b). |
L4, 30m, 7b+: Vorerst geht's hier über das Dach - links wäre es sicher einfacher, doch da ist ein hohl tönender, nicht sehr gut verankert scheinender Block. So hielt ich mich rechts, geht auch (ca. 7a). Nach dieser Passage erreicht man ein bequemes Band, wohin wir nach dem ersten Auscheck-Go den Stand verlegten (leider nur 1 BH, entweder Cams verwenden oder mit dem nächsten BH Redundanz schaffen). Rechts aussen an einer kleinen Verschneidung heisst es, die Steilstufe zu gewinnen. Erst ist das nur "an guten Griffen athletisch", doch bald wird's knifflig. Mit einer patschigen Kante heisst's kräftig einen sehr hohen Rock-Over auszuführen. Und wenn man das geschafft hat, so wartet das sich zurücklegende, vermeintlich "einfache Gelände" nochmals mit einem kniffligen Boulder auf. Wenn dieses verflixte Sloper-Rail nur etwas besser zu greifen wäre, so könnte man auf die höchst umständlichen Manöver verzichten, um die Füsse auf die so nah erscheinenden Tritte links zu bringen, welche schliesslich die Rettung darstellen. Aber echt genial diese Boulder, mega! Mit ein paar wirklich einfacheren Metern gelangt man schliesslich zur schönen Sonnenterrasse mit dem nächsten Stand. Doch bevor wir diese geniessen konnten, musste die Punktebuchhaltung ins Reine gebracht werden, wobei mir im dritten Go der Durchstieg gelang.
L5, 20m, 7b+: Die Pumpkröte schlechthin! Doch das Auge isst mit und vom Stand darunter sieht die Länge deutlich weniger steil aus, als sie es tatsächlich ist. Zusammen mit dem gut strukturierten Fels, hier gibt's Rissspuren, Sloper und auch ein paar gute Incut-Crimps, motiviert mich das für einen ambitionierten Onsight-Go. Ich komme zwar weit, werde dann aber doch total aufgeblasen und entkräftet abgeworfen. Einmal am Stand angelangt, stellt sich die Frage wie weiter. Der Akku vermeldet einen tiefen Ladestand, die Sonne ist inzwischen um die Ecke abgebogen und mit der fühlbaren Brise ist das Ambiente nicht mehr so freundlich. Die Verlockungen von "lassen wir es gut sein und klettern einfach noch zum Top" waren da... und ausreichend Grinta für "ich komme nochmals runter, gib du einen Go und dann versuche ich es nochmals" nötig. Schon die ersten Moves fallen mir beim zweiten Go schwer, in der Crux geht die Beta kräftemässig nicht mehr ganz wie geplant auf. Doch mit improvisierten Moves in höchster Not kann ich mich an den nächsten, länger haltbaren Griff retten. Nun nur noch den Pump und die Nerven im Zaum halten und im weiter ausdauernd-athletisch-griffigen Gelände an den Stand klettern - als der geklippt ist, wird mir beinahe schwarz vor Augen und schlecht vor Laktat - das ging nur mit der allerletzten Faser! Zu erwähnen ist hier noch die mittig in der Seillänge angezurrte, grosse Schuppe. Extrem labil schien sie uns nicht zu sein, besser (und auch schwieriger!) ist es jedoch sicher, sie nicht anzufassen. Denn wenn sie kommt, dann... sieht's nicht gut aus.
L6, 15m, 7a+: Der Stand vor dieser Länge ist etwas fragwürdig. Dank einem guten Trittblock ist er zwar von der Bequemlichkeit akzeptabel, doch es ist kein richtiger No-Hand-Rest. Nur mit einem Kneebar kann man kurz darunter die Hände rasch lösen... für Puristen wäre es also sauberer, diese 7a+ Sequenz gleich anzuhängen, v.a. auch weil die schwierigsten Moves gleich zu Beginn folgen, so richtig punchy und athletisch sind und mit dem Pump der Länge darunter sicher herausfordernd. Wie in dieser Wand ein wenig üblich bedient man auch hier wieder oft etwas sloprige Seitgriffe und das Erkennen wo diese etwas besser "anhängen" bildet den Schlüssel zum Erfolg. Mit Entschlossenheit kann ich mich im Onsight bis zu dem Punkt vorkämpfen, wo sich das Gelände zurücklegt und die Griffe so gut sind, dass man sie nicht mehr loslässt - allerdings wäre es mir dann doch noch fast passiert, tja der Status wo der Bizeps zu krampfen beginnt und die Finger selbst auf guten Griffen nach ein paar Sekunden aufgehen war definitiv erreicht. Mit einer recht originellen Querung unterhalb der sloprigen Rampe, einem rampfigen Mantle auf selbige und über einen (angesichts der sonst extrem dicht sitzenden Bolts) etwas sinnlosen Runout zum Stand beendet man die Länge im 6bc-Terrain.
Facts
Parete di Solada - Il teorema di Solà 7b+ (6c obl.) - 7 SL, 160m - Cugini/Ferrari 2001 - ***;xxxxx
Material: 1x60m oder 2x50m, 15 Express, Keile/Friends nicht unbedingt nötig, evtl. Cams 0.5-2
Die Parete di Solada liegt im Maggiatal auf 1000m an sehr sonniger Lage, selbst an den kürzesten Tagen gibt's hier noch ~6h Sonnenschein. Somit haben wir es mit einem Ziel für das Winterhalbjahr zu tun. Die Route beginnt noch wenig berauschend mit 2 SL über flechtige und grasbewachsene Platten, die aber trotzdem oder gerade deswegen kein völliger Spaziergang sind. Das wird aber mit 5 steilen, ja teils deutlich überhängenden Seillängen mit genialer Ticino-Kletterei an den üblichen Slopern, Rails, Crimps und hier und da einer Rissspur belohnt, die sowohl Athletik wie auch Technik abfragen. Die Absicherung mit Inox-Bolts ist sehr generös ausgefallen, vielerorts in Bezug auf die Abstände mehr à la Kletterhalle als à la Klettergarten. Auf den wenigen Metern wo die Kletterei einfach ist, gibt's auch mal einen längeren Abstand. Das empfanden wir im Angesicht der sehr üppigen Absicherung als irgendwie unnötig - womöglich könnte man die eine oder andere dieser Stellen noch mit einem Cam entschärfen. Wir haben ohne genaue Kenntnis der Dinge ein komplettes Set von 0.1-3 mitgenommen, sie blieben aber von A-Z als Ballast im Haulbag. Zur Strategie gilt es zu erwähnen, dass man mit 1x60m-Seil über alle Längen umlenken/ablassen kann. Zum Abseilen sind aber nur die im Topo verzeichneten Stände eingerichtet und ein Rückzug ist zwar bestimmt überall möglich, aber aufgrund vom querenden Verlauf im überhängenden Steilgelände sicherlich teilweise umständlich. Zum Abseilen vom Top sind 2x50m-Seil nötig, alternativ kann man zu Fuss absteigen (Schuhe mitnehmen, kein Depot am Einstieg machen). Ein Topo und weitere Infos findet man im SAC-Kletterführer Tessin bzw. auf dem SAC-Tourenportal.
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