Wie sagt man so schön "das Kletterniveau wird durch die einfachste Route bestimmt, an welcher man scheitert und nicht durch die schwierigste Route, die man schafft". Nachdem ich am Tag zuvor mein Vorsommer-Projekt im Grad 8a+ hatte punkten können, war es also wieder einmal Zeit für einen Reality Check in einer plattigen Mehrseillängentour. Immerhin liess das Wetter nach viel Regen und Gewölke einen solchen Ausflug wieder einmal zu, lag doch der letzte bereits fast 3 Monate zurück. Eine kleine Störung versprach dann doch nicht nur eitel Sonnenschein und gemässigte Temperaturen, so dass wir unser Glück an der Schafbergwand suchen wollten - ein Sektor, den man üblicherweise eher in der Nebensaison aufsucht. Für die lange und doch recht zeitaufwändige Traumfabrik war der Entscheid aber doch reichlich weise.
Die Schafbergwand mit Zustieg und Routenverlauf von Traumfabrik (10 SL, 7b). |
Mein Seilpartner hatte sich am Tag zuvor nicht dem Sportklettern, sondern bereits einer langen MSL gewidmet, so entschieden wir uns, nicht allzu früh aufzubrechen, zumal dies auch aufgrund der Wetterprognosen vernünftig schien. Um 9.30 Uhr starteten wir in Wildhaus und liefen unter dichter Bewölkung in einer Dreiviertelstunde zum Einstieg. Man passiert dabei zuletzt die sanierten, linken Wandfussplatten, biegt an deren Ende links hoch und erreicht über Bänder (Fixseil & BH vorhanden) die Schrofen oberhalb dieser Platten. Die letzten Meter zum nicht näher bezeichneten Einstieg sind ordentlich steil, aber gut begehbar. Ca. 5m links vom Beginn von "Da muesch en Dickä schickä" steckt der rostfreie Startbolt mit Fixé-Lasche, sonst ist die Route nicht näher bezeichnet. Ich kann aus eigener Erfahrung nur empfehlen, den Klettergurt bereits früher anzuziehen, sonst wartet ein ziemlicher Balanceakt auf dem schmalen Band - wobei das zur Angewöhnung auf das was folgt vielleicht auch gar nicht schadet. Um 10.45 Uhr hatten wir schliesslich alles parat und es konnte losgehen. Nur der Haulbag, den wir zuerst mitzunehmen geplant hatten, musste schliesslich im Angesicht der vielen Föhren, Absätze und des rauen Felses am Einstieg bleiben...
L1, 25m, 6b: Linkshaltend wird das erste Dach umklettert, auf einigen Metern war es da erst noch feucht-schlonzig (sicher oft so), danach muss man sich gleich gescheit festhalten. Eine unangenehme Stelle folgt zum dritten Haken, es hat loses Gestein und dubiose Schuppen aber ohne herzhaft zu ziehen geht's nicht. Nochmals etwas athletisch gelangt man auf die Platten, die nun linkshaltend zum Stand führen. Ein erster Test, aber wer die Linie erkennt, kommt hier noch kommod durch.
Herbalpin geht's los in L1 (6b), bisschen lose, bisschen feucht... |
L2, 27m, 7b: Jetzt heisst es richtig parat sein, was aufgrund der bisherigen Kletterei aber nicht der Fall ist. Schon gleich zu Beginn der Seillänge wartet die erste, ganz heftige Stelle mit knapp senkrechter Kletterei an wenig strukturiertem Fels. Nachdem man nochmals ein paar Griffe befühlen darf, folgt dann bald das nächste Fragezeichen. Während man diese vorerst noch mit der Ausweichstrategie Textilgriff erledigen kann, stellt sich bald die nächste glatte Passage zwingend in den Weg. Geschafft habe ich sie eigentlich nur, weil es bald einmal so weit war, dass ich weder zurück konnte noch abzuspringen traute, stehenbleiben für schmerzende Füsse sorgte und nur noch vorwärts als Option blieb. Die Reibung gab zum Glück mehr her wie ich ihr zutraute und so schnappte die Exe schliesslich ein - aber ganz ehrlich, das Seil dann ohne Textilhilfe zu klippen, das wäre 'menschenunmöglich' gewesen. Mit nochmals etwas A0 ging's vom Haken weg und schliesslich hin zum in dieser Route mehr üblichen Grasriss-Gelände, wo die letzten 10m im 6bc-Terrain verlaufen. Unter dem Strich fühlte sich diese Länge für uns abartig schwierig an. Hatten wir erst noch mit dem Gedanken gespielt, diese Länge auszuchecken und punkten zu wollen, so schien das mit nur einem Second Go komplett illusorisch (und mehr Zeit bzw. Geduld hätten wir nicht gehabt). 7b?!? Naja, jedenfalls keine 7b wie im Klettergarten, wo es Griffe hat.
L3, 35m, 6c+: Unter der den Standplatz schützenden Föhre findet wer sucht gleich den ersten Zwischenbolt (leicht zu übersehen!). Sonst geht's hier zu Beginn noch ausreichend gutmütig zur Sache. D.h., man kann dem kompakten, riss- und graslosen Gelände über die Strukturen mal links und mal rechts ausweichen. Der zweite Teil der Länge kommt dann fordernder daher - erst recht, wenn man direkt über die eng steckenden Haken klettern würde, welche einen von den grasigen Rissen rechts wegzulocken versuchen. Das wäre wohl schöner, aber gleich markant schwieriger und irgendwie unlogisch, wenn man 1-1.5m rechts kommoder vorankommt (und die Bolts trotzdem klippen kann).
L4, 35m, 6b+: Ähnliches Programm wie in L3, meist kann man sich von grasigem Riss zu grasigem Riss oder Loch mogeln, ohne länger über die auch hier schwierigen Platten klettern zu müssen. So fühlte es sich nicht wahnsinnig fordernd an, deshalb habe ich die 7+ vom Originaltopo nur zu 6b+ übersetzt, womöglich ist diese Länge aber noch einfacher einzustufen. Wir jedenfalls fanden z.B. die 6a+ von L7 deutlich anspruchsvoller. Nach dieser Länge erreicht man endlich einmal einen bequemen Stand auf dem Südturmband, während man vorher immer mitten in der absatzlosen Platte hing - wobei er dafür von Ameisen besetzt ist, welche einem ständig anfressen... gilt leider für die ganze Route: entweder unbequem oder Termitenplage.
Das Finish von L4 (6b+), von Grasmutte zu Grasmutte, am Ende entert man die Legföhre im Vordergrund. |
L5, 50m, 6c+: Eine lange Reise mit den schwierigsten und schönsten Klettermetern gleich zu Beginn. Nach dem Bouldereinstieg quert man eine endlich einmal etwas besser strukturierte und prima geboltete Platte nach links und hinauf zum Dachriegel. Es wartet ein blinder Klipp, etwas splittriger Fels, doch echt schwierig ist es nicht - nur wartet nachher ein gehöriger Runout in etwas ghüderigem Gelände (Vorsicht!). Die folgenden 35m sind an sich nicht schwierig (~6a), aber knapp gesichert und der Fels erheischt auch da und dort Vorsicht. Nach ausgekletterten 50m erreicht man den Stand, der sich an der Kante etwa 15m unter dem Südturmgipfel befindet und kann gut den weiteren Routenverlauf studieren. Nun heisst es 20m durch die Büsche Richtung NW abseilen in die Schlucht (besser nur 1 Seil verwenden, Standplatz befindet sich gut sichtbar ca. 2m oberhalb vom Schluchtgrund). Zur Bewertung möchte ich hier noch sagen, dass uns dieser Abschnitt leichter gefallen ist wie manch andere der Route.
Schöne, für einmal recht strukturierte, eng gebohrte Platte am Anfang von L5 (6c+), das Dach auch sichtbar. |
Oben raus in der langen L5 (6c+) wartet dann eher alpine, weiträumig gesicherte Kletterei. |
L6, 30m, 5a: Sehr grasig geht's vom Standplatz steil direkt hinauf, die Felsen sind entweder lose oder tönen dumpf hohl. Fixe Absicherung gibt's vorerst auch keine, so dass eine Bewertung von T6+ adäquater scheint. Nachher geht's dann in einer rechts-links-Schleife in etwas felsigerem Gelände weiter, da stecken dann auch Bolts.
Wildes Gelände in der Südturmschlucht mit crazy Klemmblocktunnel - welch eine Bombe! |
Grasiges Gelände im T6+-Stil wartet am Anfang von L6 (5a). |
L7, 35m, 6a+: Eigentlich eine superkompakte Platte, die man aber nur unter Ausnutzung der rissigen und damit grasigen Strukturen erobern kann. Schon gleich zu Beginn fordernd rechts hinaus, noch fast komplett im Fels - das geht, da es hier kleine Schüppchen hat, die jedoch wiederum sehr fragil wirken. Später weiter an und neben den grasigen Rissen, unter Ausnutzung weiterer Schüppli und Legföhren in alpiner Manier. Die Klimax schliesslich zum Stand hin - längerer Runout, der breite Riss und ein Mantle-Problem in zwei Graslöcher hinein. Ich hab's mit Körpergrösse schliesslich relativ souverän erledigt, kleiner gewachsene könnten da ins Schwitzen kommen - kam uns insgesamt schwieriger wie 6a+ und anspruchsvoller wie manch andere Länge (z.B. L1, L4, L8, L10) vor.
L8, 22m, 6b: Die Route hat uns schon einiges gelehrt und so haben wir vor dieser 6b mit nur 4 BH doch etwas Respekt, insbesondere da der erste Haken 1m links vom Stand kaum wesentlich zur Entschärfung der Situation beiträgt. Auch hier klettert man wieder entlang grasgefüllter Strukturen durch das kompakte Gelände. Die Crux befindet sich gleich nach dem ersten BH - mit dem Grübler entgrasen wir erst einen Schlitz, so dass dieser als Tritt genutzt werden kann. Das scheint auch im Nachhinein imperativ, denn der zwingende Aufsteher (gut gesichert!) ist fordernd. Der zweite BH steckt am richtigen Ort, einfacher geht's weiter, bevor man sich nach dem dritten BH fragt, ob man den Stand rechtsherum entlang der grasigen Strukturen erobert oder den direkten Weg über die Platte wählt - hier ist aber definitiv letzterer empfehlenswert, ein paar schöne Crimps und gefinkelte Reibungstritte erlauben recht entspanntes Steigen.
Viktor am Entgrasen mit dem Grübler vor dem entscheidenden Aufsteher in L8 (6b). |
L9, 25m, 6c: Wer bis hier durchgehalten hat, wird mit der schönsten Länge der Route belohnt! Die luftige Querung über die Platte zwischen 2 Dächern hindurch führt über kompakten, grasfreien Fels und ist trotzdem im (für uns) machbaren Bereich. Nicht geschenkt aber - am (gefühlten?) Haftreibungslimit gelang mir der Durchstieg. Die ersten Meter gehen dank etwas tropflöchriger Struktur recht gut, doch schon vor dem Break in der Mitte wird es glatter und gewagte Moves werden nötig. In der zweiten Hälfte dann sowieso - die Füsse stehen auf Abpfiff, doch einige kleine, teils scharfe Strukturen erlauben hier, Kraft an den Fels zu bringen. Darunter auch ein genialer, lochähnlicher 1-Finger-Crimp, der zwingend zu nutzen ist. In dieser Länge ist die Absicherung sportklettermässig gut ausgefallen, wobei es ganz am Ende zum Stand hin doch noch richtig zwingend wird, man die Backen zusammenkneifen und vor allem kühles Blut bewahren muss. Mit dem inzwischen erlangten Selbstvertrauen gelingt's - wir sind uns aber einig, dass dies mit Ausnahme von L2 die schwierigste Seillänge der Tour war.
L10, 25m, 6b: Der Legföhrengürtel ist nahe, doch auch diesen und den Abschlussstand erreicht man nicht ganz ohne Einsatz. Zuerst über sehr scharfkantige, aber nur seichte Wasserrillen an zwei BH gut gesichert aufwärts (ein Sturz könnte doch für tiefe Schnittwunden sorgen!). Der dritte BH steckt dann zwar nicht da, wo laut Topo suggeriert wird, ist aber gut zu finden - fast eher ein Verhauer, denn die Platte links hinauf ist halt einfach zu glatt. Wie geht's weiter?!? Entweder gerade über die griffige Wasserrille und dann in die Büsche oder weit rechts herum über die Grasrisse. Ersteres scheint gewagt (geht aber gut, wie der Nachstieg zeigt), letzteres umwegig (geht aber auch gut, wie der Vorstieg zeigt). Der Abschlussstand liegt bereits halb im Buschwerk und ist sehr unbequem - wir ziehen deshalb den Termitenstand nach L9 vor und lenken sportklettermässig um.
Erst über seichte Wasserrillen, dann eher botanisch geht's zum Top in den Büschen (L10, 6b). |
Gemeinsam am Routenende befinden wir uns damit nicht, dennoch können wir 19.15 Uhr als "Ende der Kletterei" notieren. Was, das macht ja kaum zu fassende 8:30 Stunden für die ganze Route. Ob's nun daran liegt, noch im Sportklettergroove (zu) gemütlich rumgemacht zu haben oder ob es einfach so schwierig und fordernd war?!? Wir können es auch nicht beantworten, sind aber froh nicht zur dunkleren Jahreszeit gekommen zu sein, dann hätte es nämlich nicht gelangt - immerhin konnte ich mir dank Geduld und Einsatz bis auf die 7b alle Längen als gepunktet notieren. Gleichzeitig fragten wir uns, wie wir letztes Jahr die Gletschersinfonie am Wellhorn in guter Zeit gemanagt hatten. Naja, eigentlich sind das eher Konversationen für das Tourenabschlussbier, doch wir mussten nun erst noch vom Berg kommen. Das ist eine nicht ganz mühelose Geschichte. Von Stand 9 geht's 40m zu einem routenunabhängigen Stand. Leider haben die Erschliesser nicht in einen zweiten solchen investiert, so dass man volle 50m zum Stand in der Schlucht und dann in dieser abseilen musst. Das Seilabziehen durch die Büsche klappte zum Glück ohne Verhänger.
Beim Abseilen muss nochmals 1 Seillänge geklettert werden, retour auf das Südturmband. |
Weiter geht's die Schlucht hinunter - laut Alpsteinführer mit Schwierigkeit 1 und daher in so etwas wie verschärftem Gehgelände, was aber definitiv nicht stimmt. Erst geht's unter der Teufelskugel, einem wahnsinnigen Klemmblock durch in schuttigem Gelände, zuletzt über eine steilere Stufe in einen engen Kamin (diese Stelle wäre sicher ein Vierer, wenn nicht mehr!), bevor man auf eine Verflachung gelangt. Von dieser wieder in die Wand des Südturms hinaus und über das Band 35m in leichter Kletterei zurück zu Stand 4 der Route. Das geht besser wie wir im Aufstieg gedacht hatten, Seilsicherung aber zwingend nötig. Schliesslich seilten wir eventfrei über die hier steileren und weniger bebuschten Platten zum Einstieg ab (irgendwo zwischen 20.30-20.45 Uhr). Es galt noch, vorsichtig die Steilpassage abzusteigen, dann liefen wir zügig nach Wildhaus, wo wir um 21.30 Uhr beim Auto eintrafen. Ja, das war nun doch eine längere Geschichte geworden in einer eher abenteuerlichen, sportlich gebohrten Route - aber auch ein entsprechend tolles Erlebnis. Welch (guter!) Kontrast zur Sportkletterei!
Zurück am Boden - mit schöner Abendsicht auf die Rückseite der Churfirsten. |
Facts
Schafbergwand - Traumfabrik 7b (6c+ obl.) - 10 SL, 300m - Weber/Abele 2003 - **;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, 1 Set mittlere-grosse Keile, Cams 0.3-1, evtl. 2
Eine der längeren Touren an der Schafbergwand, welche erst am Südturm verläuft und nach einem Abseiler in dessen Schlucht durch die obere Südwand führt. Der Fels ist in diesen Sektor ein wenig mehr vertikal, aber sogar eher weniger strukturiert als im Bereich um den Sandührliweg. Das macht die Kletterei im reinen Fels überaus anspruchsvoll bis unmöglich, so dass sich die Route entlang der grasig-rissig-botanischen Zonen hangelt und diese den Kletterer magnetisch anziehen. Wir haben ausgiebig diskutiert, wie viele Sterne wir der Traumfabrik geben wollen und uns schliesslich für ** entschieden, was man als Bank(sch)rotterklärung interpretieren könnte. Das ist definitiv nicht die Absicht, die Tour fällt sicher eher unter die Kategorie 'Special Interest', aber wir haben einen spannenden, langen und abenteuerlichen Klettertag verbracht, der viel Freude gemacht hat. Aber für Freunde von athletisch-griffiger Kletterei in vegetationsfreiem Fels ist die Traumfabrik definitiv nicht die richtige Wahl. Die Absicherung mit rostfreien Inoxbolts ist gut, aber eher sportlich ausgefallen. Auch in schwierigerem Gelände gibt es den einen oder anderen zwingenden Abstand, bei tieferen Schwierigkeiten trifft man immer wieder auf weiter gesicherte Passagen. Im Originaltopo meinen die Erschliesser, dass es ohne mobile Sicherungen gehe, ich würde aber auf jeden Fall einen Satz Keile empfehlen und auf Cams auch nicht verzichten.
Originaltopo der Erschliesser - vielen herzlichen Dank! |
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