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Mittwoch, 21. August 2024

Wisswand - Johannes Nänny (6b)

Das Weekend zu Beginn der Schulsommerferien war für den Support von Larina am European Youth Cup (EYC) in Dornbirn reserviert. Leider reichte es ihr nicht in den Final und somit hatte ich am Sonntag kurzfristig einen freien Tag. Nach Trainings- und Bouldersessions an den Tagen zuvor mussten es keine harten Moves sein und während ein reines Kardiotraining natürlich eine Option dargestellt hätte, so schien die Vertikale und vor allem das Entdecken eines bisher noch nie besuchten Klettergebiets die attraktivere Option. Somit fiel der Entscheid auf die Wisswand am Lisengrat beim Säntis. Die dortigen Routen schienen genau die richtige Länge und Schwierigkeit für ein Rope Solo zu haben, zudem sind sie auch gut mit Bohrhaken abgesichert. Und nicht zuletzt liess sich alles in eine schöne Bike, Hike & Climb-Rundtour packen, ein ideales Programm also.

Der Standardzugang vollzieht sich ab dem Säntis, von wo man in ca. 25 Minuten zum Top der Wisswand absteigt und dann abseilend auf das Mittelband gelangt. Die meisten Routen starten dort, am Wandsockel gibt es nur drei ältere Linien, die man von oben kommend für gewöhnlich auslässt. Mir war vor allem nicht danach, mich in den Touristenrummel zu stürzen und das Portemonnaie zu zücken. Darüber hinaus ist es ja auch angenehmer, eine Wand von unten anzugehen und komplett zu durchsteigen. Allerdings: der Zustieg vom Parkplatz Laui/Thurwies ist kolossal weit. Doch ob er im Gesamtkontext von mir daheim bis zum Schnüren der Kletterfinken am Wandfuss wirklich länger dauert, da bin ich dann aber doch nicht so sicher. Jedenfalls, ich startete in Alt St. Johann (wo es Gratis-Parkplätze gibt) mit dem Bike.

Schon näher, aber immer noch läuft man ein gutes Stück, bis man den Fels erreicht.

Auf guter und geteerter Strasse erreicht man P.1262, wo eine Fahrverbotstafel steht. Auch heisst es nachher wegen der heftigen Steigung stark in die Pedale zu treten, fahrbar ist es jedoch bis zu den Alphütten bei P.1519. Da ist man der Wand zwar schon deutlich näher gerückt, noch immer sind es jedoch rund 700hm zum Einstieg. Auf ca. 1890m verliess ich den Wanderweg zum Rotsteinpass und stieg erst über Gras, dann über Geröll und schliesslich Altschnee gegen den Wandfuss. Dass dieser kragenmässig mit einem Schneefeld garniert war, hatte ich bereits aus dem Tal gesehen. Da nicht mehr allzu üppig und dank den hohen Temperaturen kalkulierte ich damit, dass es auch mit den Turnschuhen ginge. Dem war dann so, aber man sei gewarnt: das Gelände ist steil, wenn's noch viel Schnee hat oder dieser hart ist, könnte der Weg dahin ohne alpine Ausrüstung vergebens gewesen sein.

Panorama vom Einstieg, der markante Gipfel in Bildmitte ist der Wildhauser Schafberg.

Grundsätzlich war mein Plan, in die Grosse Verschneidung einzusteigen. Geworden ist es schliesslich aber die Route Mittlerer Riss. Das lag an drei Prachtsexemplaren von Steinböcken, welche links am Schnee faulenzten und mein vorrangiges Projekt belagerten. Meine Überlegung war, dass mich auch der mittlere Riss hinauf auf's Band bringen würde. So konnte ich einen respektvollen Abstand zu den Tieren wahren und störte sie nicht. Um 13.50 Uhr hatte ich schliesslich alles parat und startete mit der Kletterei.

Hier geht's los, hier der Blick auf die schönen Wasserrillen am Anfang von Mittlerer Riss (L1, 4b).

L1, 30m, 4b: Erst eine schöne Wasserrille mit super Fels und guter Absicherung. Danach linkerhand in eine einfache, gschüderige Rinne, wo es auch keine fixe Absicherung mehr gibt. Im Nachstieg am freien Seil konnte ich diesen Teil links über die kompakte Platte klettern, was den oberen Teil deutlich spannender macht.

L2, 50m, 5a: Im unteren Teil zwar solider, plattiger Fels, aber man klettert hier mehr vom einen zum nächsten grasigen Riss. Es folgt dann ein weiter Abstand (das Maillon im Haken markiert ihn). Der Fels ist nicht top und der nächste Bolt schon im steilen Terrain muss eher engagiert angeklettert werden. Der Steilaufschwung dann ganz ordentlich, für eine 5a aber ziemlich fordernd, fand ich.

Mit einer schrofigen Verbindungslänge (3a) gelangt man auf's Mittelband, wo man gerade hinauf die eigentliche Fortsetzung von Mittlerer Riss findet, oder aber auch in eine der anderen Routen wechseln kann. So weit so gut, doch ich stieg über die Kante auf das grasige Band und genau vor meiner Nase waren zwei weitere Prachtsexemplare von Steinböcken 😳 Damit hatte ich, inmitten einer Kletterroute, nun wirklich nicht gerechnet. Etwas anderes als Stehenbleiben konnte ich im Moment kaum tun, zum Glück blieben auch die Böcke cool. Sie entfernten sich, langsam und scheinbar widerwillig nach links, so dass ich als erstbeste Lösung den Stand von Delila gerade oberhalb anpeilen konnte. Beim Ablassen um unten das Seil zu lösen hatte ich dann bemerkt, dass sich weiter rechts auf dem Band nochmals mindestens ein Exemplar befand. Doch mir blieb wegen dem fixierten Seil keine Wahl, als ab- und wieder aufzusteigen - mit ziemlich mulmigen Gefühl, denn auf diesem schmalen und steilen Rasenband mit den Tieren, denen man als Mensch bei einer Konfrontation in jeder Hinsicht unterlegen wäre. Um möglichst rasch wieder in steiles, bockfreies Gelände zu kommen, spielte ich mit dem Gedanken, gleich über Delila (4 SL, 6c) weiterzugehen. Nach einem Moment der Kontemplation schien es mir aber doch die bessere Lösung, zur Johannes Nänny zu wechseln. Das erforderte ein kurzes Abseilmanöver von 5m und eine Linkstraverse von 20m (die Böcke hatten sich inzwischen noch weiter entfernt).

Schau genau... vermutlich dachte er genau wie ich "mir wäre es lieber, du wärst nicht hier". Der Start zur Johannes Nänny ist noch links vom Bock (der später Leine gezogen hat), links der dunklen Höhle beim markanten gelben Ausbruch wenig links der Bildmitte.

L1, 15m, 6a: Nicht geklettert, da sie noch eine Etage tiefer startet und man von meinen Standpunkt dahin hätte abseilen müssen. Sicher ist es jedoch nur eine kurze Stufe von wenigen Metern im Fels.

L2, 30m, 6a+: Startet gleich beim markanten, gelben Ausbruch, welcher sich erst nach der Erschliessung ereignet hat (die Route wurde danach restauriert). Der Start vom Boden weg im wenig strukturierten Ausbruchsfels mit einem Boulderzug gar nicht mal so einfach und auch nachher am Wulst heisst es für 6a+ noch 1x gehörig zupacken. Oben dann einfacher und auch wenn man mehr rechts in der Rinne klettert wie links im kompakten Gelände durchaus noch spannend.

L3, 25m, 6a: Eine super Seillänge, klar die schönste der Route! Erst elegant mit zwei Seitschuppen, dann eine kräftig-steile Zone und auch der steilplattige, strukturierte Ausstieg ist cool. Nur die 6a-Lösung habe ich weder beim ersten noch beim zweiten Go gefunden. Obwohl 2x mit anderem Ansatz versucht, bin ich die drei schwierigsten Züge schlussendlich im Vor- und Nachstieg exakt gleich geklettert. Nach meinem Dafürhalten eher 6b, jedenfalls klar die schwierigste Länge der Johannes Nänny.

Des Rope Soloisten Geistesblitz: "mach doch mal ein Foto vom Klettern". Hier sieht man das Finish von L3 (6a), in direkter Verlängerung des Seils geht's dann in L4 (6b) an der Ecke vom Dach über den Wulst, was die nominelle Crux der Route darstellt.

L4, 25m, 6b: Das konnte ja heiter werden, nochmals einen Buchstabengrad schwieriger! Nach kurzem Vorgeplänkel geht's an einem Wulst mit Seitgriffschuppen zur Sache. Allzu viel Struktur und gute Tritte gibt's da nicht, doch für extremen Hau-Ruck scheint die filigrane Schuppe nicht gemacht (Gefahr von einem Ausbruch). Überlegen ist hier sicher besser als Kraftmeiern, ich fand eine super Lösung, so ging's elegant und easy - nach meinem Gusto einfacher wie L2 und L3. Nachher ist dann schon bald fertig. Umso mehr, wenn man fälschlicherweise den offensichtlichen Stand links von Masoala nimmt. Die J.N. geht ziemlich unscheinbar rechts noch über 2 BH griffig weiter auf eine Art Turm rechts.

L5, 25m, 4a: Auch hier heisst es das Topo genau zu beachten, wenn man auf der J.N. bleiben will. Diese führt mit nur 2 BH rechts einer Verschneidung hinauf, die offensichtliche (und schönere) Linie rechts in der Platte ist dann schon die 4c der Shanty. Da besser abgesichert und attraktiver habe ich jener mit Absicht den Vorzug gegeben - schöne, gemässigte Plattenkletterei bis zum Top.

Blick vom Top zum Säntis (alternativer Zugang). Früh in der Saison hat's auch da Altschnee.

Um ca. 17.15 Uhr nach knapp 3:30h in der Wand hatte ich das Programm (was für einen Rope-Soloisten immer 2x rauf und 1x runter heisst) absolviert, das Seil aufgeschossen und das Gipfelselfie geknipst. Ich hatte die Route onsighten können: das ist in dem Grad natürlich keine Weltklasseleistung, aber im Ropo Solo muss man es doch erst einmal schaffen - ich war jedenfalls sehr zufrieden. Nun hiess es noch, wieder ins Tal zu kommen: zu Fuss via Rotsteinpass zum Bike, hiess das in meinem Fall. Der beste Abstieg von der Wisswand zum Lisengratweg ist nicht so ganz offensichtlich - ich ging gleich ostwärts. Geht, aber erfordert am Ende zwingend verschärfte Abkraxelei. Mit etwas Auf und Ab dann im Trailrunning-Style zum Rotsteinpass mit Gasthaus, welches/n ich jedoch links liegen liess. Ich gab den Fersen weiter die Sporen und auch auf dem Bike liess ich es gerne rauschen. Denn inzwischen hatte ich die Kunde erhalten, dass die SAC-Selektionäre ihren Entscheid getroffen hatten. Die verhiess, dass Larina nicht am kommenden EYC in Zilina würde teilnehmen können. Somit konnten wir schon am nächsten Tag in die Sommerferien reisen und dafür galt es ja noch das ganze Material zu packen. Unvermeidlich wurde das zu einer Nightsession - aber natürlich war's das mir lieber so, als auf diesen Ausflug an den Fels verzichtet zu haben. Die Füsse stillhalten konnte ich ja dann am nächsten Tag auf der Fahrt in die Hautes-Alpes... 😁🤗

Vom Lisengrat gesehen ist die Wisswand ein richtig stolzer Zahn!

Facts

Wisswand - Johannes Nänny 6b (6a obl) - 5 SL, 120m (+100m vom Wandfuss) - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

In der Johannes Nänny wartet auf den drei zentralen Längen sehr schöne Kletterei in solidem, strukturiertem und rauem Kalk. Die Absicherung mit rostfreien Bohrhaken ist tadellos - prima gebohrt, aber nicht übertrieben. Auf mobile Gerätschaften kann man m.E. gut verzichten. Zusammen mit der wenig besuchten, (mir) unbekannten Gegend und einem schönen Panorama ein richtig cooler Ausflug. Nachteilig zu erwähnen ist die limitierte Routenlänge (v.a. im Vergleich zur Erreichbarkeit). Man kann aber gut eine zweite (oder dritte, vierte, ...) Route klettern, um auf die gewünschte Anzahl SL zu kommen. Abseilend steht man jeweils zügig wieder am Start. Oder alternativ vom Wandfuss starten. Die sanierten, alten Routen im unteren Teil sind aber einfacher und bieten nicht denselben Klettergenuss. Im Mittleren Riss kann das Mitführen von einem Set Cams lange Abstände in einfach-alpinem Gelände entschärfen. Topos zu den Routen bzw. zum Gebiet finden sich im SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng.

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