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Freitag, 30. August 2024

Ailefroide - Arafadam (7b+)

Eine Eigenheit des Outdoor-Kletterns ist es insbesondere, dass jeder und jede genau dort einsteigen kann, wo es ihm/ihr beliebt. Niemand ist von der Gunst von Selektionären abhängig oder muss erst eine Qualifikation durchlaufen, bevor man selbst die schwierigste Route probiert. Widmet man sich hingegen dem (Indoor-)Wettkampfklettern, so ist das eben nicht der Fall. Warum ich das hier schreibe? Weil die hier beschriebene Tour an dem Samstag stattfand, wo in Zilina (Slowakei) ein European Youth Cup abgehalten wurde, welcher das primäre Ziel meiner beiden Begleiterinnen darstellte. Aber eben, die Gnade an diesem Event klettern zu können war ihnen nicht gegeben... Kein Grund Trübsal zu blasen oder Groll zu hegen, doch ehrlicherweise war die Arafadam nicht ein Objective, worauf die beiden lange hingefiebert hatten. Sondern mehr etwas "pour bien s'amuser" an einem Sportkletter-Ruhetag - und das gelang tiptop! 

Der Blick auf die Paroi de la Fissure bei Ailefroide mit dem Verlauf der Arafadam.

Unsere Tour startete wie üblich für die Touren an der Paroi de la Fissure in der Umgebung der Camping-Reception in Ailefroide, wo es sich kreativ einen Parkplatz zu ergattern gilt. Man durchquert dann den Camping und geht über den Fluss, bevor man über eine der vielen Wegspuren an den Fuss der Wand gelangt. Da wir schon 6 und 4 Jahre zuvor in diesem Gebiet kletterten (A tire d'ailes froidesSnoopy directe) und ich mich vorgängig schlau gemacht hatte, konnten wir den Start der Arafadam am Fuss einer dunklen, nach rechts offenen Verschneidung zweifelsfrei und subito anlaufen. Ein bisschen erstaunt waren wir darüber, dass schon zwei Seilschaften in dieser doch mit ambitionierten Graden angegebenen, nicht top abgesicherten und als "peu frequentée" bezeichneten Route engagiert waren. Doch es war heiss und schattige MSL mit kurzem Zustieg ein dementsprechend begehrtes Gut. Und schlussendlich waren die anderen Seilschaften für uns kein wesentlicher Faktor: sie kamen genügend rasch voran und von hinten drängelte niemand nach. Um ca. 12.30 Uhr fiel der Startschuss und ich legte los.

L1, 50m, 6a: In einfachem, noch etwas durchzogenem Gelände geht's los, im ersten Teil der Länge klettert man eine grosse Rechtsschleife (weite Abstände, kleine Cams nützlich). Nach links traversierend erreicht man schlussendlich die Verschneidung. Auch in deren oberen Teil sind die BH-Abstände nicht ganz so kurz, man könnte auch hier mit kleinen bis mittleren Cams ergänzen. Unbedingt nötig ist es nicht, wenn man 6a gut beherrscht. Wobei, den Grad macht man sowieso erst im finalen Boulder unter dem Stand. Der sei stark grössenabhängig, sagt man. Ich kann das in dem Sinne bestätigen, als dass ich ihn easy fand. Dann Stand an 1 BH und 1 soso NH.

Tja, so kommt es, wenn man am Wettkampf 1 Griff zu wenig weit klettert... Grass Scrambling statt EYC. Wenn ich dieses Foto sehe, dann habe ich schon ein wenig Bedauern mit den Girls und frage mich auch, ob das gute Werbung für die Route ist 😉 ??? Im Bild hier L1 (6a), welche hier einen arg grasig-vegetativen Eindruck macht. Beim Klettern hatte ich weniger diesen Eindruck, als es auf dem Foto den Anschein macht. Was noch wartet ist der finale Boulder, vom Podest weg wo das graue Seil liegt.

L2, 30m, 7a+: Hier überwindet die Route einen überhängenden Steilriegel mit einer wirklich lässigen Seillänge. Zuerst in der Wand muss man seinen Weg etwas finden, aber es hat wirklich sehr gute Griffe - allerdings liegen sie ziemlich weit auseinander. Und dann muss man am finalen Wulst schauen, dass man sich die Sache nicht schwieriger macht wie nötig. Danach legt sich die Wand gleich zurück. Stand entweder an solidem Bäumen oder oben an der Wand, allerdings hat es dort nur 1 BH (man kann mit kleinen Cams ergänzen).

Blick zu unseren Vorgängern im Steilriegel von L2 (7a+).

L3, 25m, 6b oder 7b+: Feine, delikate und eher noch steilplattige Kletterei wartet auf dem ersten Teil der Länge, eine tolle 6b-Passage! Man pirscht sich so an einen weiteren Steilriegel hinan. Dieser ist wohl kürzer als in L2, aber auch massiv steiler. Da wir diesen Grad beherrschen, wählte ich die 7b+ Direktvariante. Die ist aber echt noch taff und ein gutes Stück schwieriger wie L2 - es ist fast dachartig, die weit voneinander entfernten Töpfe sind nicht juggy sondern sloprig und zum Schluss wartet noch ein halbwegs zwingender Mantle-Exit, den ich nur auf dem letzten Blatt zustande brachte. Nach kurzer Rücksprache habe ich die Girls dann auf die einfachere Variante umgeleitet, welche den Steilriegel über die linke Seitenwand mit einer 6a+ Passage umgeht und die logischere Linie definiert. Im Nachstieg ist die 7b+ wegen dem Seilverlauf nämlich ziemlich ätzend und gleich nochmals deutlich schwieriger zu flashen, dazu trugen die Girls einen Rucksack, kletterten simultan und es war ja eigentlich ein Restday - somit war die easy-Lösung für sie die richtige Option.

L4, 35m, 6a: Plattige Wandkletterei ohne grosse Vorkommnisse, der mittlere Teil führt durch eine Verschneidung. An deren Ende stark rechts halten und nicht gerade hinauf zum gut sichtbaren Stand der Snoopy klettern (auf der Traverse ist kein fixes Material vorhanden, Möglichkeit für Cams). Der Stand der Arafadam befindet sich in eher unbequemer Lage bei einer Gruppe von Bäumen an 1 BH und Schlinge.

L5, 45m, 6b: De visu sieht der erste Teil recht steil und unnahbar aus. Ziemlich unerwartet trifft man hier jedoch auf super strukturierten, griffigen Fels, so dass die Schwierigkeiten im Rahmen bleiben. Erst am Ende der Länge, wo das Gelände schon abflacht, wartet noch eine plattige Einzelstelle. Die ist auch ziemlich grössenabhängig, meinen wir - für mich eine easy 6b. Der Stand ist dann nicht offensichtlich: er ist nicht bei der Baumgruppe, sondern links oberhalb an der Wand im Gemüse an 2 BH.

L6, 40m, 6b: Holla Ziege, da wähnt man sich beinahe auf einer Remy-Route. Nach einem noch gut machbaren und vernünftig eingebohrten Start warten dann taffe und obligatorische Reibungsmoves. Insbesondere nach dem vierten BH heisst es für eine längere Strecke dranzubleiben und dem Gummi voll zu vertrauen. Der Blick nach unten ist dabei wenig beruhigend, ein Sturz ist da absolut zu vermeiden. Nach meinem Dafürhalten klar die schwierigste der 6b-Längen und die Crux der Route in Sachen Hochkommen. Im oberen Teil gehen die Schwierigkeiten dann zwar zurück, dafür ist es ziemlich unklar, wo es langgeht. Man hält sich links auf eine Art Rampe, noch weiter links davon in der steileren Wand befindet sich eine Schlinge (welche sich farblich dem Fels angeglichen hat, schlecht sichtbar) an einer kleinen Lärche - Bohrhaken gibt es auf den letzten 15m keine mehr. Der Stand ist dann noch weiter oben links an zwei BH (kühnes und eher knapp gesichertes Finish, klettertechnisch allerdings einfach).

Mit zwei simultan kletternden Nachsteigerinnen gibt es halt leider nicht so viele Kletterfotos. Kommt noch dazu, dass etliche Längen einen einfachen Ausstieg auf gemüsige Bänder haben und im Rückblick überhaupt nicht fotogen sind. Darum sind wir hier schon beim Exit von L6 (6b). Im Hintergrund der Zeltplatz von Ailefroide (bzw. ein kleiner Teil davon).

L7, 40m, 5c: Relativ flache Platten, geht gut. In der Mitte auf dem Band mal deutlich nach links traversieren. Lässige Kletterei aber, die man zügig erledigen kann und gegenüber der vorangehenden Seillänge ist es richtig entspannt.

L8, 35m, 6a: Ebenfalls flache Platten mit ein paar nochmals fordernd-glatten Schritten. Die Girls haben es auch barfuss geschafft... was ihnen die angenehmere Option schien, wie sich nochmals in die engen (Comp- und Sportkletter-)finken zu zwängen. Tja, andere Zeiten als früher, als Larina jeweils noch in ihren traditionellen, gross bemessenen Red-Chili-FINKEN ohne Downturn kletterte, die so quasi den ganzen Tag inkl. Zustieg, Abstieg und Abendprogramm an den Füssen bleiben konnten...

Barfuss-Begehung der letzten Seillänge (L8, 6a) - besser als mit den engen Comp-Finken.

Die Uhr war tatsächlich schon auf 17.45 Uhr vorgerückt, bis wir am Top waren. Nach Adam Riese macht das 5:15h auf der Route, was nun vielleicht doch etwas lang erscheint?!? Doch wir hatten an den ersten Standplätzen noch etwas auf die vorangehenden Seilschaften warten müssen, weiter oben legten wir auch nochmals eine ausgiebige Futterpause ein und solche Stunts wie die Barfuss-Begehung von L8 drücken die Begehungszeit auch nicht. Das ist aber genau richtig so, denn es sollte ja auch ein Fun & Chill Day zur Erholung vom steilen Sportklettern sein und nicht ein Zeitrekord. Jedenfalls konnten wir alles sauber klettern, der Autor sogar inkl. der 7b+, die Girls dort auf der einfacheren Variante. Den Abstieg machten wir zu Fuss über den teils mit Drahtseilen versicherten Pfad, was eine sehr zügige Sache ist. Sodann führten wir noch unsere Mini-Tradition mit dem Verspeisen einer Tartelette aux Framboises aus dem Sherpa-Magazin nach einer Ailefroide-MSL fort, wonach es dem Badesee, dem Znacht und an den nächsten Tagen wieder dem steilen Fels entgegen ging.

Facts

Ailefroide / Paroi de la Fissure - Arafadam 7b+ (6b obl) - 8 SL, 300m - Kempf/Roulx 2007 - ***;xx-xxxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.3-1

Talnahe, rasch zugängliche MSL, welche im Hochsommer ab ungefähr Mittag im Schatten liegt. Sie unterscheidet sich in zweierlei Hinsicht von manchen anderen MSL in Ailefroide: erstens gibt es Passagen mit verschärft/zwingend abgesicherter 6b-Plattenkletterei und zweitens warten zwei Steilriegel in den Graden 7a+ und 7b+. Der erste kommt ziemlich zahm daher und wird jenen Climbern, welche mit den späteren 6b-Platten klarkommen wohl kaum grosse Mühe bereiten (unter der Prämisse, dass die meisten im gut abgesicherten Steilgelände höhere Grade meistern wie in plattigen Runouts). Die 7b+ dürfte hingegen nur von ambitionierten Sportkletterern einfach so zäck-bum-flash zu machen sein und sie geht auch gar nicht mal so gut A0. Aber da gibt's die 6b-Umgehungsvariante, welche eigentlich sowieso die logischere Linie darstellt. Das Ganze spielt sich in einer Wand ab, die optisch ziemlich nach Gemüsegarten aussieht und es zwischendurch in flacheren Abschnitten und auf den Bändern auch ist. Das stört aber nicht sehr und an den schwierigen Kletterstellen ist der Fels solide und von prima Qualität. Die Absicherung der Route ist leicht inhomogen: die Steilriegel sind sehr eng auf Niveau xxxxx gebohrt, die Platten im Ortsvergleich eher etwas knapper als üblich, aber weitgehend doch ganz ordentlich. Im einfachen Gelände gibt es ein paar weite Abstände und auch die 6b-Plattencrux in L6 braucht Erfahrung in dieser Art der Kletterei und kühles Blut. Ein Topo gibt's im Oisans Sauvage, Oisans Nouveau Livre Est, super Infos findet man auch auf C2C.

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