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Montag, 14. Oktober 2024

Chli Bielenhorn - Dos Idiotas (7a)

Ein weiterer, hitziger Spätsommertag war angekündigt. Zu heiss für die sonnig ausgerichteten Wände in tieferen Lagen, aber für den Granit am Furkapass sollte es perfekt sein. Denn allzu zahlreich sind die Tage, wo man da ohne Quellbewölkung, Wind und Zähneklappern klettern kann nun auch wieder nicht. Die Routen am Chli Bielenhorn passten am besten in unser relativ enges Zeitbudget, zeichnen sie sich doch durch einen kurzen Zustieg und moderate Länge aus. Unsere Wahl fiel auf die Dos Idiotas, eine von Urner Locals im 2013 erschlossene Route, welche es noch nicht zu grösserer Bekanntheit geschafft hat. Obwohl sich das Topo inkl. Begehungswunsch schon lange in meiner Schatulle befand, hat es nun doch auch lange Jahre gedauert, bis es hier zu einem Go kam. Belohnt wurden wir mit einer fantastischen Kletterei!

Die fantastische Südwand des Chli Bielenhorn mit dem Verlauf der Dos Idiotas (8 SL, 7a).

Um 8.25 Uhr brachen wir beim Sidelenbach P.2280 auf. Wir folgten dem markierten Weg zur Sidelenhütte bis zur Bachüberquerung auf 2470m, wo rechts eine deutliche Steigspur abzweigt, welche zu den Einstiegen am Chli Bielenhorn führt. Nach rund 40 Minuten Zustieg waren wir vor Ort, der Einstieg zur Dos Idiotas liess sich dank einer Metallplakette problemlos und zweifelsfrei identifizieren (ca. 30m links und höher oben als die Sacremotion ist man richtig). Wir bereiteten uns auf die Kletterei vor und starteten um 9.20 Uhr in die erste Seillänge.

L1, 35m, 6a+: Allzu viel fixes Material steckt hier nicht, es sind 3 BH, welche fast mehr die Aufgabe der Wegmarkierung haben. Der Start in einer Verschneidung (BH) weckt einen gleich mal auf - es ist nicht so easy, wie man sich vielleicht erhofft. Nach etwas terrassiertem Gelände geht's mit einer grossen Rechtsschleife am nächsten BH vorbei. Dann links traversieren, bevor ein schöner Riss mobil gesichert werden will. Zuletzt in einfacherem Gelände gerade hinauf zum Stand.

Hier geht's los mit L1 (6a+), rechts davon in der Verschneidung die Trad-Route Krampfader (6a+).

L2, 25m, 7a: Wahnsinnig aufgewärmt ist man nach L1 nicht, aber hier schlägt bald einmal die Stunde der Wahrheit! Die Route zieht nämlich nach links hinaus in einen wahnwitzig erscheinenden, steilen Plattenschuss. Der Auftakt zum ersten BH in dieser Slab ist nicht schwierig, aber doch relativ weit und legen kann man nicht - Vorsicht! Einmal geklippt, geht's dann gleich los. Die Füsse sind super-schlabbrig auf relativ glitschigem Granit, mit den Händen bedient man sich der seichten Rissspur, die ein paar Seitgriffcrimps bietet und piazartiges Moven auf Gegendruck erlaubt. Ich stehe da relativ subito wie der Esel am Berg, mein Onsight-Go verpufft chancenlos. Nach etwas Auschecken und Vertrauen gewinnen ist dann aber eine Lösung identifiziert - so extrem schwierig ist es nicht einmal, denke 7a passt schon. Die restlichen Meter ab dem Stance nach der Crux zum Stand bieten dann schöne, mobil zu sichernde 6a+ Risskletterei und sind zügig erledigt. Meinen zweiten Go für diese Länge verschiebe ich auf das Abseilen (falls Zeit, Kraft und Motivation dann noch vorhanden), wo ich dann tatsächlich reüssieren kann.

In einem glatten Plattenschuss verläuft das Kernstück von L2 (7a), eine Rissspur erlaubt die freie Kletterei.

L3, 25m, 6b+: Supercoole, granitige 3d-Kletterei an Verschneidungen und Schuppen. Es stecken 2 BH welche bei der Routenwahl helfen, der Rest ist mobil zu sichern. Der Beginn erfordert gleich (für mich) zwingend den 3er-Cam, das ist aber die einzige Stelle der ganzen Route, wo wir diesen eingesetzt haben. Mit kreativer Technik geht's die relativ enge, V-förmige Verschneidung hoch. Nach 12m traversiert man dann unter einem Überhang nach links um erneut bewegungsintensiv die überdachte Verschneidung zu erobern. Zuletzt dann noch ein tolles, athletisches Finish an griffigen Schuppen.

Kräftig-griffige Kletterei am Ende von L3 (6b+)

L4, 30m, 6b+: Der Auftakt hier macht richtig Freude: super Felsqualität entlang von zwei Schuppen, die eine Verschneidung bilden. So gibt's hier gleich zwei Risse zum Greifen und Cams zu versorgen. Nach diesem gängigen Start ginge dann gerade hinauf die 7b-Direktvariante, welche sich ähnlich wie in L2 auf Gegendruck an dünnem Seitgriffriss mit schlabbrigen Tritten abspielt (Eindruck gemäss meiner Inspektion beim Abseilen). Wir wählen hingegen das leichter verdauliche Original, das am Ort wo sich die Wand aufsteilt eine supercoole, horizontale Hangeltraverse an einem Rail bietet (BH). Da es nur wenige Tritte hat, ist das trotz den guten Griffen noch recht pumpig. Das Finish dann mehr mit Wandkletterei, es geht mit einer recht grossen Rechtsschleife um den BH herum.

Jonas hangelt am Rail im Quergang von L4 (6b+)

L5, 40m, 6b+: Hier könnte man bzgl. der Routenwahl in Zweifel kommen, v.a. wenn man nur über das Topo im Uri Excellence verfügt, welches hier m.E. irreführend ist. Jedenfalls gibt es vom Stand weg zwei Risssysteme, welche hinauf zum Dach führen, oberhalb dessen ein BH steckt. Mit dem Originaltopo ist aber glasklar, es ist der rechte Riss zu wählen (links sicher auch kletterbar, aber wie schwierig und wie gut absicherbar?!?). Schon mal nicht trivial hinauf (6a+), die Querung unter dem Dach recht knifflig (6b) und der Piaz-Ausstieg dann mit der kräftigen und zwingenden Crux über dem BH. Nach meinem Empfinden die schwierigste der drei 6b+. Damit ist's dann aber gegessen, man merkt nach dieser Passage gleich, dass sich die Wand zurücklegt und oben wohl nicht mehr die anhaltenden Schwierigkeiten von unten bietet. Das gilt auch für das Finish dieser Länge: Achtung, es geht nicht an den gut sichtbaren Stand links (von der 7b-Variante), sondern in einfachem Gelände noch 20-25m gerade hinauf weiter zu Stand auf bequemer Terrasse (zwei Orientierungs-BH vorhanden). 

In L5 (6b+) geht's rechts aus dem Stand raus, schöne Risskletterei wartet.

L6, ~55m, 6a: Lange Seillänge mit griffiger Plaisirkletterei, welche sich über weite Strecken eher im Grad 5a/5b abspielt. Hier stecken total 5 BH, ein bisschen was dazulegen kann man auch noch hier und da. Am Ende ist es dann etwas unklar: es steckt nochmals 1 BH, mit einer Linksschleife durch grasiges Gelände erreicht man den Stand 6m höher auf dem Pfeilerkopf unschwierig. Dann muss man sich aber die Frage stellen, wo sich die 6a auf dieser Seillänge befunden hat. Im Nachstieg habe ich dann den direkten Weg über den Haken hinauf zum Stand gewählt. Der hat sich aber als echt noch taff (~6b) erwiesen, zudem ist's im Vorstieg auch noch ein Runout mit Seilzug, den will wohl jede/r vermeiden.

In diesem Gelände verläuft L6 (6a), in voller Auflösung erkennt man auch Jonas, der sich am Stand befindet.

L7, 35m, 6c: Hier wartet zuerst schrofiges Gehgelände, welches einen zum markanten, steilen Turm bringt. De fakto wäre es nicht unweise, eine kurze Übergangslänge zu machen und am Beginn der steilen Kletterei nochmals Stand zu beziehen. Sonst leidet man im steilen Teil unweigerlich unter Seilzug, und das obwohl ich die drei zentralen BH mit 60er-Alpinexen eingehängt habe. Allerdings: die Standmöglichkeiten am Fuss vom Turm sind nicht optimal, man muss den hoch steckenden ersten BH verwenden. Und dieser steckt mit gutem Recht so hoch - nichtsdestotrotz würde ein Sturz vor dem zweiten BH am Turm wohl zu einem Grounder auf dem Band führen. Vorsicht also, die Kletterei ist nicht prohibitiv schwierig und der Abstand nicht megaweit - aber die ganze Anlage (wenn man vom Stand nach L6 sichert) ist halt einfach ungünstig. Das alles tönt jetzt so, wie wenn diese Seillänge ein Mist und ein Mega-Gewürge wäre. Das entspricht aber überhaupt nicht der Realität. Bald wartet nämlich affengeile, super athletische Henkelkletterei - super! Ich fand es für 6c gemütlich, aber vermutlich ist das bei einer solchen Seillänge für Sportkletterer mit deutlich höherem Niveau so zu erwarten.

Steile, aber dafür so richtig henklige Kletterei am Turm in L7 (6c).

L8, 25m, 6a: Kurz rauf, ein plattige Traverse nach rechts zur Kante, wo es nochmals steil, griffig und mit mobiler Sicherung aufwärts geht. Man erreicht dann eine Art Grat, wo man nach rechts zum finalen Stand klettert.

An dieser Stelle befindet man sich an einem Turm etwa 20hm unterhalb vom Gipfelgrat. Der einzig logische Weiterweg ist aber jener am Seil zurück zum Einstieg. Genau so machen wir das um 13:40 Uhr, was 4:20h Kletterzeit für die Route ergibt. Das Abseilen geht zügig und gut (Stände 8 - 6 - 5 - 3 - (2 oder 1) - Boden), wobei man v.a. beim obersten und zweitobersten Abseiler aufpassen muss, dass man mit dem Seil keine Steine in die Tiefe schickt. Die Eigengefährdung dadurch ist klein, wenn's jedoch andere Leute in der Wand unterhalb oder am Wandfuss hat, so befinden sich diese im Gefahrenbereich. Sonst lief es glatt, und das Zeitbudget liess noch das Erledigen der Pendenz mit dem Durchstieg der Cruxlänge zu. Wenig später waren wir am Wandfuss, räumten zusammen und gingen retour zum Ausgangspunkt, damit wir die versprochene, frühe Rückkehrzeit daheim einhalten konnten. Auch wenn wir die Strassen mit vielen anderen Verkehrsteilnehmern teilen mussten gelang das und wir konnten einen rundum gelungenen Tag mit einer absolut passenden Tourenwahl konstatieren.

Facts

Chli Bielenhorn - Dos Idiotas 7a (6b+ obl) - 8 SL, 270m - Bunschi/Gisler 2013 - ****;(xxxx)
Material: 2x60m-Seile, 12 Express, Cams 0.2-3 (& evtl. 0.3-1)

Tolle und abwechslungsreiche Granitkletterei, welche auf den ersten 4.5 Seillängen so richtig kernig und steil daherkommt. Danach legt sich das Gelände dann (ortstypisch!) zurück und die Kletterei ist nicht mehr so anhaltend. Wobei es in der Dos Idiotas mit dem Turm in L7 nochmals ein richtiges Highlight gibt. Mir hat die Route mindestens so gut gefallen wie die beiden hochgelobten Remy-Kreationen Sacremotion und Psychides. Der Anspruch in der Dos Idiotas ist höher als in der Sacremotion und (bis auf deren hammerharte Cruxsequenz) in etwa ähnlich wie bei der Psychides. Das Absicherungskonzept in der Dos Idiotas überzeugt vollauf: über weite Strecken muss man mobil sichern, aber wo man nicht zuverlässig legen kann oder es für die Orientierung zwingend ist, stecken solide, rostfreie Bohrhaken. Sozusagen Piola-Style oder auch das, was wir in unserem Touren am Zervreilahorn umzusetzen versucht haben. An Cams braucht man ein volles Set von 0.2-3, wobei wir den 3er nur 1x am Anfang von L3 eingesetzt haben, da war er aber ziemlich zwingend. Dank den BH und den relativ kurzen Seillängen geht's m.E. mit einem einzigen Cam-Set, sofern man mobil nicht wesentlich kürzere Abstände macht wie wenn es BH hätte. Verbauen lässt sich aber natürlich auch mehr Material, so dass das doppeltes Mitführen der kleinen bis mittleren Grössen nicht verkehrt ist. Noch zur Seilwahl: 2x60m sind empfohlen. Mit 2x50m-Seilen reicht es in L6 möglicherweise im Aufstieg nicht, zum Abseilen wohl gerade so knapp. Und weiter unten sind dann noch 2 zusätzliche Abseilmanöver nötig. Hier unten erlaube ich mir die Publikation des Originaltopos der Erschliesser. Dieses ist wirklich sehr hilfreich und diese tolle Route hat mehr Begehungen verdient. Sonst findet man im Uri Excellence ein Fototopo, wo jedoch gewisse wichtige Details weggeneralisiert wurden.

Das Originaltopo der Erschliesser, vielen Dank für die tolle Arbeit!

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