Wunderbares Spätsommerwetter ist angesagt, dazu ist für Kathrin und mich wieder einmal die Gelegenheit für eine gemeinsame MSL-Tour da. Neben all dem familientechnisch Nötigem und dem Wünschbaren bleibt uns ein nicht allzu langes Zeitfenster. So zogen wir wieder einmal den Chli Glatten zu Rate: der kurze Zugang und die moderaten Routenlängen sind kompatibel mit einem beschränkten Zeitbudget, trotzdem sind die Klettereien steil, anspruchsvoll und so richtig kernige MSL-Touren. Nach meiner Erinnerung bin ich nicht nur schon oft am Chli Glatten geklettert (das stimmt), sondern auch vor nicht allzu langer Zeit. Das täuscht hingegen, sind es doch schon wieder drei Jahre her, seit wir am Schwert des Samurai (7a+) geturnt haben. Nun wollten wir der steilen Seite vom Flachen Pfeiler wieder einmal unsere Aufwartung machen. Für mich war es kaum zu glauben, dass seit der Begehung der Open Air (7a+) tatsächlich eine ganze Dekade verstrichen war - tja, die Zeit rennt wirklich!
Bisschen ein Bottom-Up-Shot, aber der Verlauf von Giannas Line ist prima erkennbar. |
Wir fuhren auf den Klausenpass (und hatten Glück, dass dieser wegen dem Klausenmonument erst am Sonntag und nicht schon am Samstag gesperrt war) und stationierten auf der Alp Bödmer. Das sollte man nur tun, wenn kein Alpbetrieb mehr herrscht, was an diesem zweiten Septemberweekend zutraf. Und es lässt sich sicher eine Win-Win-Situation mit den Älplern kreieren, wenn man quasi als Obulus für den Parkplatz im Self-Service-Hofladen etwas einkauft (Alpkäse, Getränke, Konfitüre, Sirup, Bezahlung per Twint oder Bargeld möglich). Von Bödmer sind es ~300hm bis an den Fuss der Plattenwand. Der eine Seillänge über dem Wandfuss liegende Einstieg von Giannas Line wird dabei von rechts einquerend entlang von Drahtseilen erreicht. Achtung, den Installationen ist nur beschränkt zu vertrauen. Teils ist das Seil ausgerissen und die Verankerungen an gebohrten Sanduhren und auf Dübel geschraubte Kettenglieder sind eher improvisiert. Vor allem wirkt alles etwas in die Jahre gekommen und nicht mehr geprüft und unterhalten. Mit alpinem Sachverstand ist es aber gut machbar, so starteten wir um 12.00 Uhr bei besten Bedingungen in die Route.
Die Querung im Zustieg führt durch exponiertes Gelände. Hinten der Clariden mit Wolkenkappe. |
L1, 45m, 6a+: Der Einstieg ist nicht näher bezeichnet und befindet sich ca. 10-15m vom linken Ende des Drahtseils (wo die Open Air beginnt). Der erste Abschnitt bietet unschwierige Kletterei, das Gelände ist aber bof bof und zur Absicherung gibt's nur eine Schlinge. Alternativ kann man rechts einen BH und eine verrottete SU-Schlinge der Skyline klippen. Nachher gilt's dann richtig abzubiegen (links mit Fixé-Plättli Giannas Line, rechts mit Petzl-Longlife Skyline). Die Kletterei am ortstypisch mit horizontalen Leisten gespickten Gestein ist cool - gewisse davon sind sloprig, andere positiver und bei denjenigen mit der rauen Kante kann man sozusagen "gratis" anhängen.
Die ersten Meter noch etwas durchzogen, nachher folgt in L1 (6a+) aber griffig-kompakter Klausenfels. |
L2, 30m, 6b+: Vom Stand kurz rauf zu NH, dann geht's über die Verschneidung hinweg und in der Wand oberhalb deren Begrenzungskante aufwärts. Prima griffige Kletterei in gutem Fels, die Crux besteht in einer drückenden Zone mit einem athletischen Seitgriffzug. Am Ende heisst's dann an den richtigen Stand zu klettern. Der linke der beiden mit den zwei Sondy-Ringhaken ist die richtige Adresse. Diese gelten inzwischen nicht mehr als zuverlässiges Sicherungsmaterial, zudem sind die Exemplare auch noch eher zu wenig tief im Fels versenkt - wird schon halten, immerhin droht hier kein harter Sturz in den Stand.
Sehr schön die zweite Seillänge (6b+) mit einer athletischen Cruxsequenz. |
L3, 30m, 6b: Es folgt nämlich ein horizontaler Quergang nach links hinaus an die Kante, wobei man zuerst sogar etwas abklettern muss. Im Bereich dieser Kante geht's dann in fotogener Position aufwärts. Der Fels nicht mehr ganz so schön wie in der Länge zuvor, aber trotzdem von guter Qualität. Wahnsinnig schwierig fand ich das nicht, jedoch muss stets überlegt werden, ob man eher links oder eher rechts steigt. Meist geht vermutlich alles, halt einfach bei (vermutlich nicht allzu stark) unterschiedlicher Schönheit und Schwierigkeit.
Querung an die Pfeilerkante in L3 (6b), dann geht's dort steil auffi. |
L4, 40m, 7a: Vom bequemen Stand weg kommt jetzt das Highlight der Route. Die markante Spiegelwand am Pfeiler fällt bereits von der Passstrasse auf und die Kletterei wird den Erwartungen absolut gerecht. Die ersten 20m gehen recht gäbig über die Bühne (~6b), es gilt jedoch hier und da die Linie zu erkennen. Dann geht's mit einem Crescendo in die Crux. Man befindet sich da in einem seichten Winkel, welcher über die steile Seite nach rechts verlassen wird. Die Frage ist allerdings wann, wie und wo... kleine bis mikromässige Griff- und Trittmöglichkeiten gibt's im scharf zerfressenen Fels unzählige. Nur jedoch keine offensichtlichen und guten. Somit heisst es Abtasten, der Intuition vertrauen und sich geschickt zu positionieren. Im Aftermath der Crux muss man noch kurz etwas Rési beweisen, dann lässt es deutlich nach. Im Finish ist der Fels nicht so toll und man muss (im leichten Gelände) auch noch etwas über den Haken steigen.
Die entscheidende Sequenz in der Crux (L4, 7a) lässt sich mit der Kamera nicht einfangen. |
L5, 30m, 6c+: Am erneut superbequemen Stand kann man sich gut erholen, bevor es ins steile Schlussbouquet geht. Und dies mit einer Traverse nach links, wo sich ca. 7m drüben erst ein NH und dann der erste von vielen eng steckenden BH befindet. Die Kletterei führt diagonal nach rechts aufwärts, recht athletisch mit Seit-/Untergriffen und ein paar Leisten. Da muss man schon etwas dranbleiben, aber gefühlt war das für mich eher eineinhalb statt nur einen halben Grad leichter wie die Crux. Im oberen Teil heisst es noch kurz auf die Füsse zu stehen, bevor das Abschlussdach dann tatsächlich jene Griffqualität bietet, die man sich erhofft. Der Abschlusstand rechts dann gut an der Gamelle zu erkennen.
Kurz vor dem Top, mit Blick ins Schächental und seine Windgällen. |
Um 15.30 Uhr und damit nach 3:30h sehr genussreicher Kletterei hatten wir das Ziel erreicht. In meinem Fall nicht nur das Top der Route, sondern auch der Komplett-Onsight im Vorstieg. Weitgehend waren Reserven da, aber für die Cruxsequenz musste ich wirklich aus der Komfortzone treten. Die ist kleingriffig, kompliziert und schwierig zu lesen. Da musste ich 100% geben, an jeder Unebenheit die der Fels bot den Widerstand suchen und konnte mich auch so nur mit dem allerletzten Quäntchen Energie vor dem Sturz retten. Und das alles in einer 7a?!? Ehrlich gesagt kam es mir schon schwieriger vor, aber natürlich ist es sehr wohl möglich, sich aus einer 7a mit suboptimaler Beta eine 7b zu zimmern, erst recht in solch kniffligem Gelände ohne jegliche Kletterspuren. Vielleicht wäre es mit dem Wissen wo die Griffe sind und wie man sich effizient von Position zu Position bewegt auch nicht so schwierig, d.h. im Rahmen einer taffen 7a?!? Oder ist die Stelle doch härter?!? Ich kann es wirklich unmöglich sagen, ausser dass ich es nur mit vollem Einsatz auf dem allerletzten Zacken geschafft habe.
Seitenblick auf eine Seilschaft in der Route Der Wolf im Schafspelz (6b+). |
Obwohl es unten in der Wand sehr angenehm warm und windstill gewesen war, ging am Top ein unangenehm zügiger Föhn. Sowieso ist der Ausstiegsstand kein gemütlicher Platz für eine Pause und weil sich das Wandbuch ebenfalls in Pappmaché verwandelt hatte (der Gamellendeckel fehlt leider) warfen wir gleich die Seile aus und glitten in die Tiefe. Das ist teils ziemlich eindrücklich steil: vom Top 25m zu Stand 4 von Skyline, dann 50m freihängend gerade runter zu Off-Route-Abseilstand, 25m zu Stand 1 von Giannas Line, von wo man 40m retour zum Einstieg schwebt. Von dort zieht man trotz ein paar losen Steinen im Gelände am einfachsten vom Ende des Fixseils (Beginn von Open Air) einen 45m-Abseiler an den Wandfuss. Auch da machten wir uns gleich auf den Weg, denn wir hatten abgemacht, die Jungmannschaft am Swiss Cup im Griffig zu treffen, dort gemeinsam den Final zu verfolgen und die nationale Elite anzufeuern. Ganz so viele erfolgreiche Durchstiege wie bei uns in der Giannas Line gab's da nicht zu bestaunen - auch wenn sich die 7a so richtig taff angefühlt hatte, so ist sie wohl halt doch wesentlich einfacher wie die Wettkampfgeräte in der Halle... 😎
Steile, weitgehend freihängende Abseilerei über Skyline (7a+) |
Facts
Chli Glatten - Giannas Line 7a (6b obl.) - 5 SL, 175m - Gisler/Müller 2004 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig
Schöne, steile, luftige und eindrückliche Kletterei in meist gutem, ja teilweise hervorragendem Klausenfels. Einige andere Abschnitte bieten nicht Top-Felsqualität und erfordern etwas Umsicht in der Griffauswahl, für alpin orientierte und erfahrene Sportkletterer ist das aber absolut problemlos. Die Absicherung mit verzinkten BH mit Fixé-Laschen ist an den schwierigen Stellen (ab ca. 6b) sehr gut und klettergartenmässig. Im einfacheren Gelände gibt's auch mal einen etwas längeren Abstand, aber es ist auch dort alles im grünen Bereich und gut/sinnvoll eingebohrt. Stand 2024 ist das (nicht so langlebige) Material in der Route noch recht gut im Schuss, Vorsicht erheischen v.a. die Fixseile und deren Verankerungen im Zustieg. Mobile Sicherungen führte ich keine mit und empfand sie nicht als nötig, auch wenn man vereinzelt wohl etwas unterbringen könnte. Topos zur Route bzw. zum Gebiet finden sich im Extrem Ost, im leider vergriffenen Führer Kletterrouten im Schächental und auch in verschiedenen Werken des SAC-Verlags. Am besten/präzisesten sind jedoch die Originaltopos der Erschliesser, die hier unterhalb aufgeführt sind.
Das Originaltopo der Erschliesser - vielen herzlichen Dank! |
Wichtige Hinweise:
- die Mutter bzw. die BH-Lasche zu Beginn der Cruxsequenz der 7a-Länge war lose und kurz vor dem Abfallen. Ich habe sie von Hand kurz so festgezogen, dass sie bei einem Sturz nicht abfällt, mich dann aber auf den Durchstieg fokussiert. Beim Abseilen kommt man da dann nicht mehr vorbei, somit wird die Lasche bald wieder wackeln oder fällt im dümmsten Fall sogar ab. Reparaturmaterial mitzuführen ist also nicht verkehrt und es wäre hilfreich, wenn die Bolts in dieser Länge kontrolliert bzw. nachgezogen würden.
- In der benachbarten Skyline fehlt in der letzten Seillänge in der Cruxsequenz (oder das, was für mich beim Abseilen auf den ersten Blick danach ausgesehen hat) schon seit längerem eine BH-Lasche. Leider hatte ich keine Gelegenheit, das zu reparieren. Nötig wäre ein verzinktes Plättli und eine verzinkte 17er-Mutter (M10). Aus der Kletterstellung dürfte das kaum zu machen sein, man kann/muss das Top über die letzte SL von Giannas Line erreichen, kann es beim Abseilen fixen und dann die letzte SL von Skyline angehen.
- Vorsicht an den Fixseilen im Zustieg, diesen keinesfalls blindlings vertrauen!
Fototopo der Erschliesser - vielen herzlichen Dank! |
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