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Samstag, 16. August 2025

Bockmattli - Schattenspiel (7c+)

Der Bockmattli Ostturm fristet etwas ein Schattendasein im Lichte seiner beiden westlichen Nachbarn. Dies liegt an verschiedenen Gründen wie der Zugänglichkeit und dem Routenangebot. Immerhin, für die Toptour Gravitation (8b) habe ich es vor rund 10 Jahren einmal in diesen Sektor geschafft. Ebenso steht der Trubadur (7a+) schon seit bald 30 Jahren auf meiner Projektliste. Einmal war ich mit Kathrin in dessen Richtung losgezogen, dann aber mussten wir wegen viel Restschnee in der Zustiegsschlucht auf die Dreimal kurz gelacht (6c) umdisponieren. Nun, auch dieses Mal wurde es eine andere Route: aus der Nähe schien uns das Schattenspiel (7c+) attraktiver, beim Trubadur schienen die Risse sehr grasig zugewachsen und feucht, was kein Klettervergnügen versprach.

Blick auf Trepsenstock, Ostturm und die Ostkante vom Grossen Turm im Bockmattli.

Wie üblich ging's per Bike zur Schwarzenegg, dann aber im Gegensatz zum üblichen Trott nicht Richtung Gross Chälen, sondern auf dem Trepsenweg unter den Türmen durch, welche sich aus dieser Froschperspektive sehr eindrücklich und einschüchternd zeigen. Man zweigt dann besser früher als später vom Wanderweg ab, konkret im Bereich der Schlucht zwischen Ostturm und Grossem Turm. So kann man durchgehend in gerölligem Gelände steigen, während es weiter östlich sehr krautig ist und man morgens dementsprechend durchnässt würde. Das Ziel ist aber schon die Schlucht links vom Ostturm. Von unten sieht es absolutely heinous aus, schon nur den Einstieg zu erreichen. Es löst sich dann aber doch recht gut auf: zuerst überhängend aber noch bodennah durch den Kamin (links 2 BH von beschränktem Nutzen), dann gestuft und zuletzt sehr exponiert aber doch vernünftig gängig in einer Linksschleife zum Einstieg.

Die m.E. beste Variante beim Kamin in der Zustiegsschlucht geht wie hier von mir geklettert direkt.

Achtung: der etwas improvisierte Standplatz am Einstieg (1 BH, 1 gebohrte SU, 2 NH) ist (Stand 2025) in schlechtem Zustand, d.h. der BH vom Steinschlag defekt und das Schlingenmaterial verrottet. Wir bereiteten uns auf die Kletterei vor und stiegen um 9.00 Uhr schliesslich ein.

Defekter Lotterstand am Einstieg, an welchem man auf dem Heimweg zwingend abseilen muss.

L1, 30m, 7a: Vom Ansehen her wirkt der Fels zu Beginn schön löchrig, was sich schliesslich beim Klettern nicht ganz so wie gewünscht manifestiert. Alles fühlt sich ein wenig rund an und es ist steil, so dass man rasch auf Betriebstemperatur kommt. Die Crux folgt dann mittig am vierten BH. Auch dieser war in einem schlechten Zustand: kolossal rostig, er steckt in eher brüchigem Fels, welcher um den Haken schon ausgebrochen ist. Ob der halten würde? Ich zweifle, aber da der BH darunter nicht weit weg ist, kann man es riskieren. Es folgt die Rési-Crux und ein etwas wackliger nächster Klipp, zum Glück blieb die Gurke ungetestet. Zuletzt gilt es noch, eine etwas ausdrehend-unbequeme Verschneidung zu meisten, dann ist Stand.

Recht komplexe und kräftig-ausdauernde Kletterei in L1 (7a). Zudem liefert das Bild einen guten Blick auf den letzten Teil vom Zustieg. Vom Schneefeld am oberen Bildrand geht's über ein paar Stufen in der Rinne hoch, zuletzt dann beim Wechsel vom dunklen zum hellen Gestein in einer Schleife (linksherum in Realität, via rechten Bildrand hier auf dem Foto) zu den Säcken, die am defekten Einstiegs-Standplatz deponiert sind.

L2, 45m, 7a: Es geht gleich steil weiter, auf den ersten paar Metern noch leidlich griffig. Bald zieht's aber an, alles wird sloprig-abschüssig und es heisst, sich gekonnt mit einem weiten Zug in eine stabile Position zu manövrieren. Leider stecken die Haken da etwas kreuz und quer, wer im Bereich der Crux nicht gut verlängert, zahlt später mit Seilzug. Mittig folgt dann einfacheres Gelände (6b), wo man in der Wand nahe einer etwas grasigen Rampe klettert. Zum Schluss hingegen geht's nochmals steil und crimpy neben und an einer kleinen Verschneidung zur Sache, dieser Teil ist etwas staubig und wohl oft auch nass.

Der Schlussabschnitt in L2 (7a) bietet nochmals steile und ausdauernde Kletterei.

L3, 40m, 6b: Auch hier geht's gleich wieder steil los, zum Glück aber gutgriffig. Nach dem Klipp des zweiten BH machte ich dann grosse Augen: wie zur Hölle soll man mit 6b-Moves zum 3m horizontal versetzten dritten kommen? Nach unserer Ansicht ist der zweite Haken ein Verhauer, die Rampe führt untenrum der etwas brüchigen Rampe entlang, so löst es sich gut auf (siehe Foto). Weiter geht's dann athletisch über einige Dächlein hinweg, später schliesslich einem zunehmend grasig werdenden Riss/Rampe entlang, wobei die Kletterei doch recht cool bleibt und nicht unangenehm ist.

Die im Text beschriebene Stelle zu Beginn von L3 (6b) mit dem Verhauer-BH.

L4, 15m, 6c: Kurz aber oho, so lautet das Motto für diesen nach links querenden Abschnitt. Der Beginn ist etwas öttelig, d.h. nicht einfach (auch nicht schwierig), der Fels nicht überzeugend und die Platzierung der BH macht es auch nicht bequem. An einer ersten kompakten Wandzone wartet ein Committing Move, so richtig fordernd ist dann aber das Finish. Da entfernt man sich mit einer Gegendruck-Linksquerung an Unter- und Seitgriffen zünftig vom Haken und riskiert an beiden Seilenden einen unangenehm wirkenden Pendelsturz. Wie schlimm es wäre bleibt zum Glück ungeprüft, somit kann ich nur beruhigen, indem ich schreibe, die Moves lösen sich dann schon besser auf, wie man aufs Erste befürchtet.

Hier am Ende von L4 (6c) heisst es zupacken. Die Schlüsselstelle ist sowohl im Vor- wie auch im Nachstieg anspruchsvoll und zwingend zu klettern. Der drohende Pendelsturz ist nicht unbedingt gefährlich, unangenehm wäre er aber sicher.

L5, 30m, 7c+: It's crux time! Diese Seillänge liegt in ihrer Schwierigkeit deutlich höher wie der Rest. Los geht's erstmal technisch-tricky, es will die beste Lösung erkannt werden (es gibt sie). Weiter führt eine steile und echt coole Sequenz an griffig-strukturiertem Fels bis unter ein Dächlein hoch, wo dann die Crux folgt (7a+/7b bis dahin). Diese besteht aus zwei richtig taffen Moves an miesen Seitgriff-Slopern bei sehr dürftigem Trittangebot, bis die Griffel nach einem weiten Move in ein positives Schüppli versorgt werden können - das Ganze übrigens in sehr luftiger Position. Ich habe nicht sehr lange experimentiert, diesen 2-Mover konnte ich auf die Schnelle aber nicht lösen. Hätte man dies getan, so darf man sich im weiterhin anspruchsvollen Rest einfach nicht mehr abschütteln lassen. Das ist fordernd, denn es ist a) steil-pumpig, b) etwas unübersichtlich und c) auch noch etwas chossy, sprich der Fels ist nicht schön, es gibt Griffe zum Ausreissen und Tritte zum Wegtreten, mit einer sorgfältigen Auswahl geht's aber schon. Der Teil ab der Crux zum Stand ist nochmals als ca. 7a+ einzustufen, im Durchstieg gibt's dann übrigens keinen wirklichen Rastpunkt.

Im Schlussteil der Cruxlänge (L5, 7c+) muss man kräftig dranbleiben. 

L6, 40m, 6c: Auch hier geht's wieder steil los und die Kletterei ist recht fordernd. Das ist nicht so leicht verdaulich, mit dem nötigen Selbstvertrauen und adäquaten Kraftreserven aber doch gut lösbar. Nach ca. 15m legt sich das Gelände dann etwas zurück und man kommt leichter zur Schlusswand, wo an schönem Fels bei einer Mischung von Riss und Wasserrille auf ein Podest an der Kante geklettert werden muss. Zuletzt dann links der Kante zum Stand. Achtung: das ist zwar einfach, aber expo. Man ist da schon sehr weit über dem letzten BH und würde im Sturzfall sicherlich sehr ungünstig im flacheren Gelände darunter an den Fels prallen.

Zu Beginn von L6 (6c) muss man sich doch ganz ordentlich festhalten im Steilgelände.

L7, 45m, 6a: Tja diese letzte Seillänge hat uns auch etwas auf dem falschen Fuss erwischt. Online hatten wir gelesen "evtl. kleine bis mittlere Cams für die letzte Seillänge", im Extrem Ost steht Cams 1 & 2. Wir führten schliesslich 0.3-0.75 mit und wähnten uns mit diesen 4 Pieces gut gerüstet, aber das war nicht der Fall. Die Seillänge beginnt mit einer durchaus noch schönen Plattenpassage, wo nach 3m der erste und einzige BH kommt. Dann die Verschneidung hinauf (Achtung, lose Blöcke/Schuppen), bevor man ca. 12m auf die Schlussplatte aussteigt. Dort geht's noch 25m bei abnehmender Felsqualität hinauf. Klar ist's einfach, aber stecken tut nix, die 4 Cams waren bald einmal ausgeschossen, das Gelände ist unangenehm und ein Sturz absolut zu vermeiden. Immerhin, die Zweifel ob oben überhaupt noch etwas kommt, waren unbegründet. Den Stand mit 2 BH vor dem Übergang zu Wald/Wiese wird man schon finden, denn brauchen tut man ihn ja unbedingt.

Zum Finish in L7 (6a) ein bisschen Scheissgelände mit schlechter Absicherung, insbesondere dann, wenn man nicht ausreichend viele Cams und Keile mitführt. Die Aussicht auf Chöpfenberg, Brüggler und Wageten macht jedenfalls sicher mehr Freude.

Um 14.30 Uhr und somit nach 5:30h in der Wand hatten wir das Top erreicht. Eigentlich gar nicht mal so schlecht, bis auf L5 hatte ich alles os/fl geschafft. Dort hatte ich mit ein paar Pausen bis auf 2 Moves alles klettern können. Ob die 7c+ passt, vermag ich nicht restlos zu beurteilen, geschenkt ist sie jedoch sicherlich nicht. Die restlichen Bewertungen fanden wir hingegen passend. Umgehend machten wir uns auf den Weg in die Tiefe, denn ab 15.30 Uhr waren die ersten Gewitter angekündigt. Das Abseilen funktioniert bei dieser steilen Route an sich problemlos. Allerdings: die Standplätze sind nur mit alten, verrotteten Schlingen verbunden und man fädelt das Seil entweder in antike Schnapper oder dünne, rostige Maillons. Ich würde unbedingt empfehlen, ein paar solide Maillons (rostfrei/Inox) und genügend Seilmaterial mitzubringen, noch besser wäre gleich eine Standplatzsanierung. Zu beachten ist auch, dass man mit 2x50m-Seilen einen separaten Abseilstand nutzen muss (Topo beachten), mit 2x60m wäre dies vermeidbar.

Steile Abseilerei, hier über die Cruxlänge (L5, 7c+). Wie wir uns beim Weg nach Hause gewahr wurden, gäbe es hier zu 98% die Möglichkeit, der harten und von uns nicht in freier Kletterei gemeisterten Schlüsselstelle mit einer Linkstraverse am Dach auszuweichen. Das gäbe womöglich ein homogeneres Ensemble und könnte bei einer allfälligen Sanierung beachtet werden.

Das vorsichtige Abseilen vom Einstieg über das Zustiegsgelände schien trotz dem defekten Stand am Einstieg gegenüber dem freien Abklettern vorteilhaft. So setzten wir das um und setzten wohlbehalten wieder den Fuss auf ebeneres Gelände. Blieb noch der Weg zurück ins Tal, den wir trotz dunkel drohenden Wolken trocken zurücklegen konnten. Es war also alles aufgegangen wie geplant, tiptop!

Facts

Bockmattli / Ostturm - Schattenspiel 7c+ (6c obl.) - 7 SL, 210m - Rütsche/Zanetti 2001 - **;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams 0.2-1 & Keile

Eine durchaus interessante Route in schattiger Lage. Sie führt durch steiles Gelände und bietet an ihren Schlüsselstellen steile, ausdauernde Wandkletterei. Der Fels ist dabei meistens von guter Qualität. Einige Stellen sind etwas staubig/belagig, anderswo ist es leicht brüchig und aus fast allen Rissen spriesst üppig das Gras. Die Absicherung ist bei allen schwierigen Stellen eng gehalten, mit 6c obl. sollte man gut durchkommen. Im einfacheren Gelände sind die Abstände weiter und im 6a-Schlussabschnitt steckt sogar nur ein einziger BH zu Beginn. Wer dort hoch will, dem kann ich nur empfehlen, die von mir angegebenen Cams/Keile mitzunehmen. Ebenfalls zu erwähnen ist, dass die Absicherung etwas sanierungsbedürftig wirkt. Die teilweise verzinkten Haken zeigen Korrosion und insbesondere die Standplätze sind (gerade für das Abseilen) schmalbrüstig ausgestattet. Ein Topo und weitere Infos vom Erschliesser findet man auf der Topo-DB, ebenso ist die Route im Extrem Ost beschrieben.

Freitag, 4. Juli 2025

Bockmattli - Skyrace (7b+ oder 6c+ A0)

Beim Skyrace handelt es sich um drei neue Seillängen (6b, 6c, 7a+ oder 6b 1pa), welche im Jahr 2025 am Wandsockel des Kleinen Bockmattliturms eingerichtet wurden. Diese ermöglichen eine sehr attraktive und gut zugängliche Routenkombination direkt an der kühnen NW-Kante des Kleinen Turms. Der Weiterweg über die Himmelskante hinauf zur Westschulter bietet sich absolut an. So ergeben sich 8 genussreiche Seillängen für einen spannenden Klettertag am Schatten. Während zum Freiklettern der beiden kurzen Schlüsselstellen am Dach der Westkante und am Überhang in der Platte darunter Boulder-Kings und -Queens gefragt sind, so können diese kurzen Abschnitte auch mit Hakenhilfe bewältigt werden. So ergibt sich eine genussvolle Möglichkeit im gehobenen Plaisirbereich mit maximaler Freikletterschwierigkeit von 6c+, bzw. 6b obligatorisch. 

Das Topo mit Routenverlauf und allen Infos (gibt's auch im PDF-Format!)

Erschliessung

Die Vision mit dem Skyrace kam wir während meinem Ausflug in die Gumpiroute. Die Idee verschwand nicht mehr aus meinem Kopf und so machte ich mich gute zwei Wochen später am 19.5.2025 auf den Weg, um der Sache an einem sonnigen Frühlingsabend auf den Grund zu gehen. Ein Abseilen über Himmelskante und Prachtsexemplar sollte mir die nötigen Informationen für eine optimale Routenführung liefern. Sehr erfreut nahm ich zur Kenntnis, dass mir die Klettergötter freundlich gesinnt waren und die angedachte Linie realistisch war. Wohlweislich hatte ich die Bohrausrüstung am Wandfuss deponiert und konnte umgehend loslegen. Im Ropesolo schaffte ich gleich noch den wesentlichen Teil von L1 bis über den markanten Überhang hinweg, bevor das Tageslicht erlosch.

Diese Türme müssen einen einfach in den Bann ziehen. Das Skyrace verläuft an der rechten Kante.

Die Fortsetzung wurde dann am heissen Freitag, den 13.6.2025 angepackt. Es hatte sich keine motivierte Begleitung ergeben, und gleichzeitig war ich auch positiv gestimmt, dass die Fortführung des Projekts sich innerhalb meiner Ropesolo-Kragenweite befinden würde. Ein stabil-sonniger Hitzetag war angekündigt, doch ich kalkulierte, die zweieinhalb Seillängen noch am kühlenden Schatten einrichten zu können. Wie sich zeigte, lag ich mit meiner Zeitbudgetierung weit daneben. Klettern, bohren, putzen, abseilen, jümaren, haulen und Material immer wieder neu sortieren nahmen viele Stunden in Anspruch, so dass mich die sengende Sonne irgendwann einholte. Das tat meiner Freude aber keinen Abbruch. Einmal am bequemen und noch teilweise schattigen Biwakplatz unter dem Dach der Westkante angekommen, konnte ich sehr zufrieden bilanzieren: alles war genau nach meinem Gusto aufgegangen. 

Nicht mehr ganz taufrisch, nach dem langen Solo-Bohrtag am 13.6.2025.

Der krönende Schlusspunkt zum Projekt mit der durchgehenden RP-Begehung der gesamten Kombination bis zur Schulter der Westkante erfolgte schliesslich am 2.7.2025 in Begleitung von Kathrin. Wiederum war ein Hitzetag angekündigt, dieses Mal sollte es aber (mehr oder weniger) zum Top reichen, ohne dass wir von der Sonne gegrillt würden. Die ersten beiden Seillängen liefen wie am Schnürchen, bevor die beiden Crux-Sequenzen viel Boulderstrom erforderten. Dieser war glücklicherweise in ausreichendem Mass vorhanden, und so blieb uns noch der Genuss der Himmelskante, welche wir auf den Tag genau 15 Jahre zuvor schon einmal gemeinsam erklettert hatten. Verrückt, wie die Zeit vergeht - die Erinnerungen bleiben aber und ganz sicher wird auch der erfolgreiche Tag im Skyrace einen prominenten Platz in unseren Hirnwindungen einnehmen.

Die Verschneidung am Start von L2 (6c) bei der RP-Begehung.

Zustieg

Vom Wägitalersee entweder zu Fuss oder bequemer per Bike zur Schwarzenegg und weiter auf dem markierten Wanderweg zum Fuss der Bockmattlitürme. Man wählt dabei vorteilhaft den unteren Weg links, nicht den Panoramaweg über den Kamm, welcher zur Kletterhütte Bockmattli führt. Der Einstieg befindet sich direkt bei der NW-Kante des Kleinen Turms, nur wenige Schritte vom Wanderweg entfernt. Von diesem quert man auf Pfadspuren ca. 30m hinüber zur Dole der Wasserfassung, wo sich ein ideales Depot befindet. Ab da geht man 5m nach links, kraxelt über eine 2m-Stufe hoch und findet ca. 10m weiter links den Einstiegsstand mit BH & NH, der Routenname ist angeschrieben (Stand 2025). Hinweis: 8m weiter links befindet sich bei der markanten Tanne der Start vom Prachtsexemplar. Zeit vom See zu Fuss ca. 60-75 Minuten, mit Bike ca. 30 Minuten schneller.

Per Bike unterwegs zum Bockmattli, welches sich direkt unterhalb der Sonne befindet.

Routenbeschreibung

Bockmattli/Kleiner Turm - Skyrace 7b+ (6b obl.) - Total 8 SL, 240m - M. Dettling 2025
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

L1, 45m, 6b: Dieser Abschnitt startet mit plattiger Wandkletterei an kleinen Crimps und Schüppli, aber das Gelände steilt sich immer mehr auf. Die Griffe werden aber auch besser. An wasserzerfressenem Fels findet man viele Seit- und Untergriffe, dann und wann auch kernige Henkel. Die Crux wartet am überhängenden Wulst, man lasse sich nicht abschütteln. Wenn dies gelingt, dann steigt man ungerupft auf den Pfeilerkopf aus. Von dort führt einfacheres, plattiges Gelände zum Stand.

Marcel packt gerade den steilen Wulst in L1 (6b) mit der Crux an.

L2, 35m, 6c: Steil und imposant geht's los in die Verschneidung hinein. Hier wurde nicht der klassische Weg gewählt, aus modernen Gesichtspunkten ist es definitiv attraktiver (und nicht verifiziert: auch einfacher), gleich wieder nach links über die Seitenwand auszubüxen. Dem Pfeiler und einigen Rissspuren entlang geht's in die Höhe. Nach einem Querband zieht's mit ein paar Bucchi di Céüse an, kulminieren tut die Sache in einem kniffligen Ausstieg in einem seichten Winkel.

Da hat Kathrin die Crux in L2 (6c) eben hinter sich. Eine durchaus etwas knifflige Sache!

L3, 25m, 7a+ oder 6b 1pa:  Grasig-einfach geht's ein paar Meter hinauf zum Plattenschild unter dem Dach. Wobei, "Platte" ist da die falsche Bezeichnung. Die Challenge und Crux dieser Länge besteht darin, aus der überhängenden Nische so richtig athletisch vom Boden abzuheben. Ein Power-Boulder erster Güte: ich meine, er ist auf ca. Fb 6B+/6C einzuschätzen. Falls nötig, geht's mit einer Trittschlinge auch mit 1pa und weil man nach gut 1 Körperlänge Kletterei wieder gute Griffe in der Hand hat, wird so nicht mehr als 6b verlangt. 

Bockmattli-Vibes während Kathrin die schöne Platte nach dem Boulder-Auftakt in L3 (7a+) klettert.

L4, 15m, 7b+ oder 6a A0: Dieser dachartige Überhang gehört zur Westkante. Wurde früher an Schlaghaken "geleiterlet", so erlauben heute eng steckende BH die freie Passage oder den leidlich bequemen Textilgriff. Wer genügend stark ist, kann das vielleicht sogar im Campus-Style erledigen? Für meine Disposition kommt das nicht in Frage. So sind nicht nur die Anforderungen an die Athletik hoch, sondern es gilt technisch geschickt die Füsse mal hier und mal da zu platzieren und mehr oder weniger alle gummierten Zonen der Kletterfinken einmal auf die eine oder andere Art an den Fels zu pressen, damit die freie Passage möglich wird. Meine Einschätzung: es ist eine echt geniale Bouldersequenz, welche bei ca. Fb 6C+/7A eincheckt.

Los geht's! Entschlossenheit, eine gute Sequenz und Power sind nötig für das Dach in L4 (7b+).

L5, 25m, 6a: Aus Dach mach gemütlich: hier, in der ersten Seillänge der Himmelskante, bewegt man sich wieder mehr auf den Füssen. Geschenkt ist aber trotz dem tiefen Grad gar nichts. Einige vertikale Kanten bzw. Rissspuren entpuppen sich als nicht so griffig und positive Tritte sind auch Mangelware, so dass man doch die grauen Zellen anstrengen muss, um eine funktionierende Sequenz zu finden. Erst zuletzt dann einfacher in kurz nicht ganz so bombigen Fels zum Stand an Irniger-Platte vor dem steilen Kantenteil. 

Im ersten Teil von L5 (6a) fühlt sich nicht jeder Meter gleich der vergebenen Schwierigkeit an.

L6, 20m, 6c: Die zweite Seillänge der Himmelskante pfeift direkt an der Ecke kühn in den Himmel. Formidabler Fels und tolle Moves warten. Kräftig, trickreich und anhaltend muss stets nach der optimalen Lösung gesucht werden. Und wenn sich diese nicht gleich offeriert, dann beginnt womöglich die Ausdaueruhr zu ticken. Erst zuletzt geht's dann an zwei kernigen Henkeln nach rechts in die Wand hinaus zu einem unbequemen Stand, welchen man aber zur Vermeidung von Seilzug zwingend nutzen muss.

Anhaltend, elegante und immer spannende Kletterei direkt an der (Himmels)kante in L6 (6c). 

L7, 25m, 6c+/7a: Hier haben wir es mit der dritten Seillänge der Himmelskante, der nominellen Crux zu tun. Diese offenbart sich gleich im steilen und kompakten Wandabschnitt oberhalb vom Standplatz. Es gilt einen abgefahrenen technischen Boulder zu bewältigen, dessen Lösung aber trotzdem recht gut erahnt werden kann. Hat man sich dann wieder an der Kante links etabliert, heisst es über 2-3 Haken an Untergriffen noch etwas dranzubleiben, bevor die Schwierigkeiten nachlassen. Über graduell einfacheres Gelände erreicht man den Stand direkt an der Kante, alternativ kann man auch 5m weiter nach links zum BH-Stand vom Prachtsexemplar weiter.

In L7 (6c+/7a) kommt die Crux gleich zu Beginn, danach lässt's mehr und mehr nach.

L8, 50m 5c: Wer noch eine gemütliche Seillänge zum Ausklettern machen, den bequemen Rastplatz auf der Westschulter erreichen und zu Fuss absteigen möchte, wählt idealerweise das letzte Teilstück vom Prachtsexemplar. Dieses bietet vergnügliche Kletterei an guten Griffen, die Crux befindet sich mittig bei einem steileren Abschnitt. Achtung, 50m-Seile sind vom Stand der Himmelskante knapp: entweder wie bei L7 schon erwähnt den Stand vom Prachtsexemplar nutzen, alternativ kann der/die Seilzweite auch die ersten paar Meter nachfolgen (einfaches Gehgelände). 

Geschafft! Die letzte Seillänge (L8, 5c) bietet ein gemütliches Ausklettern.

Abstieg

Vom letzten Stand noch ca. 20m hochsteigen auf die bequeme Fläche der Westschulter. Von dort kann man bequem in 15 Minuten zu Fuss absteigen. Auf deutlichen Wegspuren geht's südseitig über das Schrägband in die Kleine Chälen und dann durch diese hinunter. Das Abseilen mit 2x50m funktioniert auch gut. Von L8 kann man entweder direkt über das Prachtsexemplar abseilen (siehe Topo), oder auch zurück zu Stand 7 und dann über die gekletterte Route (S8 -> S7 -> S5 -> S2 -> S1 -> Einstieg). 

Der Abstieg über das Schrägband in die Klein Chälen, die Wegspur ist gut sichtbar.

Planungsgrundlagen, Absicherung & Topo

Die ersten 3, von mir neu erschlossenen Skyrace-Seillängen sind sehr gut mit rostfreien Bohrhaken und Raumer-Kettenständen abgesichert (Niveau xxxx). Im Dach der Westkante stecken die BH im 50cm-Abstand. Die Himmelskante wurde 1995 und 2004 von Benno Kälin mit rostfreien BH saniert. Während die Sicherungen im einfachen Gelände (L5, zweiter Teil von L7) nicht so dicht präsent sind, gibt es im Hauptteil eine enge Absicherung (Niveau xxxx-xxxxx). Zwingend schwierige Stellen kommen meines Erachtens nirgends vor, mehr als 6b ist kaum obligatorisch zu meistern. Wer möchte, kann hier und da sicherlich noch eine mobile Sicherung unterbringen. Aus meiner Optik ist dies jedoch nicht nötig und deshalb lautet meine Empfehlung, Cams und Keile daheim zu lassen. 

Unzweifelhaft, hier geht's los - auch wenn die Farbe dereinst verblasst sein sollte.

Die NW-seitig ausgerichtete Route liegt auch im Hochsommer bis am frühen Nachmittag am Schatten. Der obere Teil der Himmelskante erhält ab ca. 13.00 Uhr die erste Einstrahlung. Somit besteht eine mögliche Strategie darin, an heissen Tagen früh einzusteigen. Dank einfachem Zugang, moderater Länge, guter Rückzugsmöglichkeit und der Schutz bietenden Kletterhütte lässt sich möglicherweise auch an gewittrigen Tagen noch ein Punkt holen. Wichtig ist da eher, dass es am Vorabend nicht intensiv geregnet hat. Generell sind die Verhältnisse am Bockmattli besser, wenn es nicht unmittelbar zuvor sehr feucht war. Für lokale Verhältnisse ist das Skyrace aber schnell trocken und kletterbar. Eine von mir gerne gewählte Strategie fürs Bockmattli besteht an nicht ganz so heissen Tagen darin, erst Mitte Nachmittag einzusteigen und bis spätabends im goldenen Licht der Sonne zu klettern, man geniesst in diesem Fall ein fantastisches Ambiente mit Blick auf den leuchtenden Zürisee. Zum Ende interessieren sich bestimmt alle brennend für das Topo der Route - gerne, hier ist es!

Klettern am Bockmattli, immer wieder ein grosser Genuss!

Als Endpunkt noch ein Disclaimer für all jene, die oben nicht genau gelesen haben: neu am Skyrace sind drei komplett eigenständige, von mir im 2025 erschlossene Seillängen unter das Dach der Westkante. Der Weiterweg ist absolut logisch und bezieht wie in Bericht und Topo dargestellt Seillängen der Westkante, der Himmelskante und vom Prachtsexemplar mit ein. Es stellt sich natürlich die Frage, welcher Name für das Ensemble der treffendste ist: Himmelskante, Skyrace oder eine traditionell inspirierte Neukonstruktion à la Direkte NW-Kante?!? Ich habe keine starke Meinung dazu und kann mit jeder Option gut leben. Im Sinne der Transparenz sei an dieser Stelle erwähnt, dass sich die Erschliesser im Fall des 2015 eingerichteten Direkteinstiegs zum Element of Slime gewünscht haben, den ursprünglichen Namen für die neue Version beizubehalten. Im vorliegenden Case erhielt ich jedoch keine Rückmeldung in dieser Hinsicht. Dementsprechend bleibt mir keine andere Option, als einen neuen Namen zu wählen. Ohne das explizite Einverständnis scheint es mir nicht legitim, die etablierte Route Himmelskante neu zu definieren.  

Samstag, 24. Mai 2025

Bockmattli - Gumpiroute (6b+)

Wenn die Bockmattlitürme in der Abendsonne leuchten, dann zieht es mich seit meinen Jugendzeiten magisch dorthin. Das war an diesem Freitag anfangs Mai wieder einmal der Fall und so wollte ich meinem Begehren gerne nachgeben. Einen Partner für eine Klettertour konnte ich inmitten des langen Weekends nicht finden. Doch mit meinem Rope Solo vom Vorjahr in der Meriba hatte ich ja beste Erfahrungen gemacht. Um es einfach zu halten und mit Blick auf das begrenzte Zeitbudget, entschied ich mich für die Schiberg-Nordkante. Mit minimalem Zustieg und prima Absicherung lässt es sich dort unkompliziert in eisenfestem, unverschämt griffigem Fels klettern.

Der Ausgangspunkt im Wägital mit dem halbleeren See (man könnte den E-Auto und E-Bike-Fahrern die Schuld geben...). Das Bockmattli ist in der linken Bildhälfte schon sichtbar. Scheint zwar weit entfernt, aber mit meiner Konfiguration ist man in einer halben Stunde dort.

Wie inzwischen üblich startete ich bei der Staumauer mit dem Bike und erreichte so nach 5.5km Fahrstrecke in 20 Minuten die Schwarzenegg. Ab da sind es noch 15 Minuten zu Fuss zur Kletterhütte und nur wenige Schritte mehr bis zur Schiberg Nordkante. Tatsächlich musste ich aber noch ein verbleibendes Schneefeld beschreiten, ob all der Unkompliziertheit gab's doch noch ein wenig Alpine Experience 😁 Die zu meinem Hauptziel auserkorene Gumpiroute startet erst auf dem Podest 50m über dem Wandfuss. Die klar lohnendste Möglichkeit dahin zu kommen ist via die ersten beiden Seillängen von Jenelana, was eine ideale 4-SL-Tour mit homogenen Schwierigkeiten im Bereich 6b ergibt. Deren Einstieg befindet sich 20m rechts oben in der Rinne, im ersten BH ist eine Namensplakette integriert. Zum Glück war es dort aper, so konnte ich um ca. 17.30 Uhr trockenen und warmen Fusses mit der Kletterei starten.

Blick auf die Schiberg-Nordkante mit der gekletterten Linie (2 SL Jenelana & 3 SL Gumpiroute)

Jenelana

L1, 25m, 6b: Wandkletterei in schönem, kompaktem Fels, welcher von stumpfen, vertikalen Rissen durchzogen ist. Sieht von unten eher etwas einfacher aus, als es sich dann klettert. So macht wohl noch manch eine/r gern von der kleinen Rechtsschleife nach dem vierten BH Gebrauch. Wer eine zusätzliche Herausforderung braucht, kann diese Passage direkt klettern.

L2, 25m, 6a+: Vom Stand geht's leicht links weg und dann hoch zum ersten BH. Danach folgt steile knapp senkrechte Risskletterei, wobei sich links und rechts immer wieder Griffe und Tritte anbieten. Zum Schluss geht's dann noch griffig über einen Wulst hinweg, bevor man zum bequemen Grasbödeli kommt, wo die Gumpiroute startet. Es gilt, sich auf dem Podest etwa 3-4m nach links zum Stand mit Muniring und Petzl-BH zu verschieben, die Gumpiroute zieht direkt darüber in die Höhe.

Bockmattli-Vibes mit Blick zum Brüschstockbügel und dem Zürisee.

Gumpiroute

L3, 20m, 6a+: Der Start ist etwas komisch, denn linksrum befindet sich ein tief steckender BH, zum Klettern einfacher wäre es aber rechtsrum. Item, es folgt steile, griffige und recht athletische Kletterei an Henkelschuppen und Rissspuren. Die Absicherung ist sehr gut mit BH, teils könnte man sich auch an den noch steckenden, originalen NH behelfen. Teils sind die BH jedoch hoch gebohrt. Und das sagt der berüchtigtste BH-Hochbohrer der Alpennordseite, das will wohl etwas heissen 😎. Für kürzer gewachsene gibt es m.E. recht zwingende Stelle nahe der Hauptschwierigkeit. Das Umkehrmaillon im Haken darunter spricht jedenfalls Bände... wobei es gutes Sturzgelände ist und auch kein weiter Abstand, man kann riskieren und es ist "gut abgesichert", aber A0 geht da nicht. Am Ende dann einfachere Linksquerung zu Stand mit Muniring und BH.

Mit Fotos ist's beim Ropesolo immer ein wenig schwierig. Dieses hier zeigt aber meine dritte gekletterte Seillänge oder eben L1 (6a+) der Gumpiroute: steile, griffige und athletische Kletterei, ein tolle Sache. Links im Bild ist der Namenlose Turm gut sichtbar, wo wir im 2024 die Kairos eingerichtet haben.

L4, 25m, 6b+: Die ersten Meter sind gut zugänglich in einer Art Verschneidung, nachher geht's dann gerade hinauf mit athletischer Power-Kletterei an strukturiertem, griffig-henkligem Gestein. Wirklich eine absolut affengeile Turnerei, mir kam es für die angegebene 6b+ doch ziemlich hart vor und ich musste durchaus in die Trickkiste greifen, um das stabil klettern zu können: Heelhook, Toehook und 1-2x hart anziehen. War das nur der Ropesolo-Bammel oder ist es tatsächlich so taff?!? Die Absicherung ist an sich super, wobei man beim härtesten Abschnitt aber nicht ganz direkt über die Haken klettert und es deshalb doch etwas Courage brauchte. Vermutlich funktioniert die Strategie A0 da aber mit Einbezug von einem verbliebenen BH aus der Zeit der Erstbegehung gut.

Verbliebenes Relikt aus der Zeit der Erstbegehung...

Von hier kann man über die Gumpiroute abseilen (besser in 2 Manövern) oder alternativ:

L5, 20m, 4a: Optionale Seillänge nach rechts zu gut sichtbarem BH und weiter horizontal zum Muni am Top von Andromeda, alternativ (meine Variante) vom BH Richtung 14 Uhr hinauf und um die Kante zum Top von Jenelana (mit Wandbuchkontrolle, leider fehlt aktuell bzw. schon seit einiger Zeit ein funktionierender Stift, das Buch ist hingegen noch tiptop in Ordnung). 

Nach vermutlich etwa 2:00 Stunden hatte ich das Ropesolo-Programm (2x Klettern und 1x Abseilen) absolviert und konnte mich darum kümmern, wieder zum Wandfuss zu kommen. Mit Doppelseilen reichen dazu 2 Manöver, mit meinem Einfachseil musste ich hingegen 4 Stück ziehen. Achtung, während man vom Andromeda-Stand mit 1x50m klar kommt, ist vom Jenelana-Stand zwingend ein 1x60m-Seil nötig. Sehr zufrieden konnte ich meine Sachen packen, vom aussichtsreichen Kamm die letzten Blicke in die Nordwände geniessen und dann in rauschender Fahrt zu Tale brausen.

Meine liebste Jahreszeit? Natürlich die, in welcher After-Work-MSL möglich sind!

Von diesem Anblick kann man nie genug kriegen... [dieses Bild ist allerdings vom Hinweg].

Facts

Bockmattli - Gumpiroute 6b+ (6a+ obl.) - 4-5 SL, 115m - Braun/Müller/Villiger 1974 - ***;xxxxx
Material: 1x50m-Seil, 10 Express, Cams/Keile nicht nötig

Absolut lässige, kurze MSL-Tour in eisenfestem, steilem und sehr griffigem Kalk. Wem es nach mehr gelüstet, kann auch noch die beiden oberen Seillängen von Andromeda und Jenelana klettern, so gibt's dann doch ein volles Tagesprogramm mit homogenen Schwierigkeiten. Zu erwähnen sind der minimale Zustieg vom Kletterhüttli, die schattige Lage (je nach Jahreszeit gar keine oder nur spätabends Sonne) und die sehr gute Absicherung mit rostfreien Bohrhaken. Topos findet man entweder im SAC-Tourenportal oder im Plaisir Ost aus dem Filidor-Verlag.

Freitag, 16. August 2024

Bockmattli - Turmschartenwächter (4c trad, Erstbegehung)

Bei meinen drei Besuchen in der Nordwand des Namenlosen Turm für die Meriba und die Erschliessung der Kairos waren mir in der Kleinen Chälen weitere Felstürme aufgefallen. Der eleganteste Pfeiler bewacht dabei die kleine Turmscharte und zeigte einen wunderbaren, angelehnten Riss, der für eine Begehung nur so lockte. Das musste ich unbedingt ausprobieren, da war ich mir sicher! Doch eine mit Bohrhaken abgesicherte Route einzurichten, schien mir an dieser Stelle nicht die Methode der Wahl: auch dann würden sich für dieses Stück Fels bestimmt nur wenige Interessenten finden. Die Kombination von Routenlänge und Zustieg trifft des Felsgeniessers Ansprüche wohl kaum. Noch dazu schien der strukturierte Fels viele natürliche Sicherungsmöglichkeiten zu bieten. Damit war der Plan gemacht, sozusagen als Ausgleich zur vollständig gebolteten Kairos sollte es hier eine Trad-Erstbegehung geben. 

Blick von der Westschulter des Kleinen Turms auf den Turmschartenwächter. Hinten am Horizont der Bockmattli Westpfeiler und der Hauptgipfel. In der rechten Bildhälfte sieht man die Nordwand vom Namenlosen Turm, wo unser Hauptprojekt Kairos verläuft.

Erschliessung

So fehlte nur noch der Zeitpunkt, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Doch anlässlich vom Rotpunkt-Durchstieg der Kairos liess sich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden. Weil auf den Nachmittag Gewitter angekündigt waren, starteten wir früh. Das Punkten der Kairos machte uns wie erwartet keine Schwierigkeiten. Zügig kletterten wir auf den Gipfel und stiegen via die Kleine Turmscharte ab zu unserem Depot - direkt am Wächterturm vorbei, den wir natürlich nochmals ausgiebig mit unseren Blicken würdigten, um die Linienführung festzulegen. Um 10.20 Uhr ging es schliesslich los: der Pfeiler liess sich auf der gewünschten und angedachten Linie direkt klettern. Unterwegs trafen wir auf überhaupt keine Kletterspuren. Auch die drei nicht mehr fabrikneuen Schlaghaken wurden vom Autor platziert - es handelt sich um Recycling von andernorts bei Sanierungen entferntem Material. Somit scheint es durchaus wahrscheinlich, dass diese Pfeilerlinie zuvor noch nie geklettert wurde. Knappe zwei Stunden später hatten wir den Gipfel mit einer beidseits perfekten Onsight/Flash-Begehung erreicht und konnten uns beglückwünschen 🥳

Guido folgt in L1 (3a), welche gemütliche Kletterei in stark strukturiertem Schrattenkalk bietet.

Zustieg

Vom Wägitalersee entweder zu Fuss oder bequemer und zeitsparend per Bike zur Schwarzenegg. Ein markierter Wanderweg führt weiter zur am Wochenende bewarteten Kletterhütte Bockmattli. Von dieser kurz durch die Gross Chälen hinauf, bis in der fünften Kehre nach dem Wegweiser ein deutlicher Pfad nach links in die Kleine Chälen abzweigt. In ~10 Minuten auf guten Trittspuren durch die Rinne hinauf bis zum Einstieg am Fuss des Sporns, welcher rechts der Scharte herunterzieht. Der Einstieg ist durch eine fixe Schlinge gekennzeichnet. Koordinaten CH LV95 2'715'030, 1'217'685 bzw. WGS84 47.100160, 8.953983, Höhe 1670m. Zeit vom See zu Fuss ca. 75-90 Minuten (750hm), mit Bike ca. 30 Minuten schneller.

Sicht auf den Turmschartenwächter vom Einstieg der Kairos - das musste einfach probiert werden!

Routenbeschreibung

Turmschartenwächter 4c (4c obl) - 3 SL, 80m - Marcel Dettling & Guido Arnold - **;(xxxx)
Material: 1x40m-Seil, 10 Express, 1 Satz Keile, Cams 0.2-3 (& evtl. 4)

L1, 25m, 3a: Direkt über die (linke) Rippe in geneigtem, griffigem Fels hoch, Stand an Baum.

L2, 35m, 4c: Wasserrillenpassage zu markantem Riss an angelehnter Schuppe, Stand auf Podest (NH).

L3, 20m, 4a: Dem Grat entlang weiter bis zum Gipfel, Stand direkt davor (Fixschlinge an Zacken).

Marcel unterwegs in L2 (4c), die am Anfang mit einer kompakten Wasserrillenpassage aufwartet.

Abstieg

Vom Gipfel des Sporns 4m rückseitig abklettern (einfach, nicht exponiert). Dann nicht gleich links in die Chälen halten, sondern 20m horizontal traversieren und einige wenige Meter zu einem Felsturm aufsteigen. Auf dessen Rückseite kann man einfach und nicht exponiert durch einen Kamin zur Kleinen Turmscharte absteigen. Von dort in wenigen Minuten zurück zum Einstieg und retour durch die Kleine Chälen zur Kletterhütte.

Guido folgt im Pfeilerriss von L2 (4c), mit Tiefblick in die Kleine Chälen und bis zur Kletterhütte.

Material/Abseilen/Rückzug

Es wurde nur minimal Material zurückgelassen (3 NH, 2 Schlingen). Noch viel mehr als bei Bohrhaken gilt bei solchem Fixmaterial die eigenverantwortliche Beurteilung auf dessen Zuverlässigkeit. Alle Standplätze müssen mit mobilem Material verstärkt werden, bei den Zwischensicherungen ist man sogar fast ausschliesslich darauf angewiesen. Das Anbringen von mobilen Sicherungsmitteln ist in ausreichendem Mass für eine sichere Begehung möglich, erfordert jedoch die nötige Erfahrung damit. Ebenso sollte man mit dem Klettern im alpinen Gelände vertraut sein. Die Route soll trotz den tiefen Schwierigkeiten nicht unterschätzt werden: wer einsteigt muss durchkommen, ein Rückzug ist nur mit Materialverlust an selbst gebauten Verankerungen möglich.

Marcel am Top - ganz offensichtlich mit 100% Vertrauen in seinen selbstgebauten Stand 😀

Topo

Hier eine Skizze mit der von uns gewählten Linie, dem zurückgelassenen Material und allen wichtigen Infos! 

Das Topo vom Turmschartenwächter in der Kleinen Chäle am Bockmattli.


Montag, 8. Juli 2024

Bockmattli - Kairos (6b, 6 SL, Erstbegehung)

Das Bockmattli, ein kleines Gebirge mit vielen Türmen, Gipfeln, Scharten, Rinnen und Wänden, welches dem Kletterer unzählige Möglichkeiten bietet. Sozusagen in der zweiten Reihe versteckt steht der profan benannte Namenlose Turm. Von der Kletterhütte betrachtet, gibt er doch eine stolze Figur her und über seine Westkante verläuft eine der beliebtesten Routen im Gebiet. Seine etwas versteckte Nordwand blieb hingegen lange unbeachtet, erst im 2015 wurde mit der Meriba (5 SL, 5c+) eine Genusstour eingerichtet. Diese wird regelmässig begangen und fristet jetzt nicht mehr ihr alleiniges dasein: die hier beschriebene Neutour Kairos (6 SL, 6b) weist einen gleichermassen genussreichen Charakter auf. Sprich elegante Wandkletterei in ideal mit Schlitzen, Löchern, Schuppen und Rissen sehr kletterfreundlich strukturiertem Fels bei optimaler BH-Absicherung. Es fehlt die strenge Atmosphäre der Touren in der Nordwand des Grossen Turms mit ihren grimmigen Verschneidungen, die Standplätze befinden sich meist in gemütlicher Lage auf Grasbändern, so dass man sich kaum exponiert fühlt. Noch dazu ist der Zustieg unkompliziert und der Abstieg könnte zügiger nicht sein. Plaisir in alpiner Umgebung lautet das Motto - man darf hingehen und geniessen.

Ambiente total beim Ausstieg auf den Gipfel, im Hintergrund der Kleine Bockmattliturm.

Erschliessung

Schon länger trug ich den Gedanken mit mir, in der Nordwand vom Namenlosen Turm eine Route zu kreieren. Ziemlich sicher war ich mir aufgrund vom Einblick aus verschiedenen Perspektiven, dass es dort die Möglichkeit für eine gute Linie gäbe. Nur in der Wand selbst war ich noch nie: so war meine Begehung der Meriba am 18.6.2024 nicht nur ein Abendvergnügen, sondern die Gelegenheit, um meinen Plan ultimativ zu prüfen. Meine Einschätzung fiel absolut positiv aus und so gab es keinen Grund mehr, noch länger zu warten. Schnurstracks machte ich mich um 20.30 Uhr vom Gipfel auf in Richtung meines Depots in der Gross Chälen. Die Bohrausrüstung hatte ich in wohlweislicher Voraussicht nämlich mitgenommen - denn wenn das Feuer für eine Linie einmal brennt, dann kennt die Ungeduld keine Grenzen mehr. Da war es im Vergleich dazu keine allzu schwere Bürde, Power Drill, Hammer und Haken möglicherweise vergebens ans Bockmattli zu tragen.

Blick von der Kletterhütte auf den Kleinen Bockmattliturm (links) und den Namenlosen Turm, wo Einstieg und Gipfel von Kairos mit Pfeilen markiert sind. Die roten Punkte zeigen den ungefähren Zustiegsweg durch die Kleine Chälen an. Was hier "gar nicht ohne" aussieht, entpuppt sich vor Ort als problemlos begehbares Gelände.

In freudiger Erwartung rüstete ich mich mit dem Material zum Einbohren aus und eilte voller Motivation im Laufschritt mit Puls am Anschlag ein zweites Mal durch die Kleine Chälen hinauf zum Einstieg. Die Sonne hatte sich bereits hinter dem Horizont verabschiedet, als ich wieder in die Kletterfinken geschlüpft war. Doch es sollte noch reichen für einen vielversprechenden Start des Projekts: die ersten 25m gelangen mir, bis mich die einbrechende Dunkelheit um 21.50 Uhr an der weiteren Fortsetzung hinderte. Zügig machte ich mich aus dem Staub, bis zum Bikedepot bei der Schwarzenegg (22.20 Uhr) ging es noch ohne Stirnlampe, wenige Minuten später war ich nach einer Schussfahrt retour im Tal. Nachdem ich die Meriba im Rope Solo geklettert und auch die ersten 25m in diesem Stil eingebohrt hatte, rechnete ich damit, auch den Rest so anzugehen. Täglich schielte ich auf den Wetterbericht in der Hoffnung, zumindest einen abendlichen Abstecher ans Bockmattli machen zu können. Doch das war im Juni 2024 hoffnungslos, meist vereitelten Schauer oder Gewitter den Plan und wenn's einmal noch den Funken an Hoffnung gegeben hätte, standen mir weltliche Verpflichtungen im Wege.

Es sieht gar nicht mal nach so viel Material und Gewicht aus... es täuscht!

Am 28.6.2024 hatte ich mich mit Guido für ein Erschliessungsabenteuer verabredet. Auch dafür hatten wir uns wegen dem instabilen Vorsommerwetter im 2024 schon lange Wochen gedulden müssen. Endlich kam ein stabil-trocken-warmer Tag, nun musste es klappen. Doch es war wie verhext: in unserer eigentlichen Zielregion hatte es entgegen aller Prognosen in der Nacht noch heftig gewittert und geschüttet. Nein, das machte absolut keinen Sinn, wir mussten umdisponieren. Nicht nur für den Leser dieses Bericht liegt es auf der Hand wohin, für mich war das im Moment genau so klar. Guido willigte ein und war von diesem Projekt genauso begeistert wie vom ursprünglichen. Auch mir machte es keine Schwierigkeiten, so kurzfristig umzudisponieren. Mit einem Partner schien es realistisch, in diesem Push gleich bis zum Gipfel zu kommen, das wollten wir auf jeden Fall probieren.

Los geht's! Das ist der Auftakt in die Route (L1, 6a+), anlässlich der RP-Begehung.

So trugen wir unsere schweren Säcke zum Einstieg: 45 Bohrhaken betrug das im Einklang mit der Akkukapazität geplante Budget. Ob uns das bis zum Gipfel bringen würde?!? Meine Prognose war positiv, der Tag (bzw. die folgenden Zeilen) würden es zeigen. In direkter Linie wurde das bereits begonnene, erste Teilstück fortgesetzt, ein Stand platziert, der Sack gehisst und die Moves durch Guido im Nachstieg mit Genuss geklettert. Fünf weitere Male wurde dieses Prozedere repetiert. Die geplante Linienführung konnte exakt eingehalten werden - alles ging bestens auf, selbst die herausfordernd scheinende Löcherplatte von L4 bot die Strukturen genau am richtigen Ort. Das tönt nun so, wie wenn es im Handumdrehen erledigt gewesen wäre, was nun doch nicht ganz der Realität entspricht. Nach rund 9:00h in der Wand waren wir um 19.00 Uhr abends beide am Top. 39 Bolts waren es schliesslich gewesen, die ich im Vorstieg platziert hatte. Spätestens der nächste Tag bezeugte dann, dass dies eine harte Beanspruchung von Fuss- und Wadenmuskulatur gewesen war. Mit noch so grosser Freude allerdings!

Tolle Plattenkletterei mit ein paar seichten, aber griffigen Löchern in L4 (6b).

Damit war alles bereit für die ersten Wiederholungen der Route. Der Lauf der Dinge entwickelte sich schliesslich so, dass wir uns diese 8 Tage später am 5.7.2024 selbst sicherten. Ein freundlicher Samstagvormittag war angekündigt, bevor die nächste Gewitterfront über das Land ziehen sollte. So stellten wir einen straffen Zeitplan auf, denn nebst dem RP-Business in der Kairos sollte bei entsprechender Planung auch noch das Nebenprojekt Turmschartenwächter realisierbar sein. Nun denn, dass mir eine durchgehend sturzfreie RP-Begehung der Kairos gelang, wird die Leser bei den dafür vorgeschlagenen Schwierigkeiten kaum verblüffen und auch nicht für weitreichenden Applaus sorgen. Solcherlei Tun ist ja sowieso nur für den eigenen Genuss bestimmt und diesen hatte ich ausgiebig. Es war eine grosse Freude, die Route mit leichtem Gepäck zügig zu durchsteigen und nochmals zu erleben, wie mein Plan mit diesem Projekt so prima aufgegangen war. Bei eitel Sonnenschein stiegen wir freudig auf dem Gipfel aus. Die Konsultation von Uhr, Himmel und Radar-Animation verriet, dass wir das geplante Zweitvorhaben noch würden umsetzen können. Davon berichtet dann aber ein nächster Blog...

Da war die Mission am Fels schon erfüllt - nun hiess es noch, trocken ins Tal zu kommen. Hat geklappt!

Zustieg

Vom Wägitalersee entweder zu Fuss oder bequemer und zeitsparend per Bike zur Schwarzenegg. Ein markierter Wanderweg führt weiter zur am Wochenende bewarteten Kletterhütte Bockmattli. Von dieser kurz durch die Gross Chälen hinauf, bis in der fünften Kehre nach dem Wegweiser ein deutlicher Pfad nach links in die Kleine Chälen abzweigt. An deren Fuss gute Depotmöglichkeit, dann ~10 Minuten auf guten Trittspuren durch die Rinne hinauf bis zum Punkt, wo die Spur von der Westschulter des Kleinen Turms von links her einmündet. Nach einer kurzen Traverse von 20m nach rechts befindet man sich auf dem bequemen Einstiegsband. Links am Fuss einer Verschneidung startet Meriba (5c+), die mit Fixé-Laschen mit Bächli-Imprint ausgerüstet ist. Zehn Meter rechts davon ist der Einstieg von Kairos (Austrialpin-Plättli), gekennzeichnet durch 2 SU-Schlingen und einem eingemeisselten 'K' (Koordinaten CH LV95 2'715'015/1'217'665 bzw. WGS84 47.09998, 8.95379, Höhe 1660m). Gehzeit vom See zu Fuss ca. 75-90 Minuten (750hm), mit Bike ca. 30 Minuten schneller.

Durch die Kleine Chälen geht's in 10-15 Minuten von der Kletterhütte hinauf zum Einstieg.

Und wenn wir schon beim Zustieg sind: Kairos lässt sich ideal mit allen Routen kombinieren, welche auf der Westschulter des Kleinen Bockmattliturms enden (u.a. meine Kreationen Echo der Zeit, Element of Slime, Prachtsexemplar). Insbesondere zum Echo der Zeit ist es schwierigkeitsmässig die perfekte Ergänzung. Von dessen Ausstieg an der Westschulter erreicht man in nur 2 Minuten den Einstieg von Kairos und kann gleich wieder loslegen, es ist ein absolut logisches Enchainement.

Blick zur Westschulter, wo Echo der Zeit, Element of Slime und Prachtsexemplar enden. Ein kurzer Abstieg über das Band (mit inzwischen guter Wegspur) führt unmittelbar am Start von Kairos vorbei. Wer also noch Lust auf mehr hat, kann gleich wieder loslegen.

Routenbeschreibung

Bockmattli / Namenloser Turm - Kairos 6b (6a obl.) - 6 SL, 180m - M. Dettling & G. Arnold 2024
Material: 1x40m-Seil, 12 Express, Cams/Keile einsetzbar aber nicht zwingend nötig

L1, 40m, 6a+: An Henkeln geht's mit dem Motto "hoch das Bein" über den ersten Überhang hinweg, bevor griffige Löcher zur Verschneidung führen, die an einigen 'klingenden' Griffen erstiegen wird. Der direkte Weiterweg führt auf eine dunkle Platte. Formidable Strukturen mit Trittmulden und kleinen Schüpplein erlauben die Passage in gerader Linie, bevor man gutgriffig über einen kleinen Wulst die letzten Meter zum Stand absolviert.

Guido folgt in L1 (6a+) an unserem Bohrtag. Nebenan ist eine Seilschaft in der Meriba unterwegs.

L2, 25m, 5c/6a: Auch hier erlaubt der schön strukturierte Fels das Weitersteigen direkt über die folgende Wandzone. Mittig in der Seillänge heisst es dann aber unweigerlich, auf einen Grasbalkon zu manteln (originelle Passage, geht gut!). Die folgende Steilzone markiert die Crux: auch diese geht sehr elegant und an überraschend auftauchenden Griffen direkt - wer es sich einfach(er) machen will, klettert eine Rechtsschleife. Dann zu Stand auf bequemem Band.

Ausblick auf L2 (5c/6a), wo gerade der letzten Zwischenhaken gebohrt wird.

L3, 25m, 5c+: Zuerst eine kurze "Emmentaler-Passage" mit griffigen Löchern zum "Kühlschrank", d.h. einem zwischen etwas grasigen Rissen eingebettenen, kompakten Plattenstück. Die Absicherung ist so konzipiert, dass man dieses rein im Fels ersteigen kann. Ausweichen ist wohl einfacher und weniger genussvoll, mais chacun à son goût. Der Stand dann erneut auf bequemem Grasband.

Die bequem gelegenen Standplätze sind sehr angenehm, dafür gibt's weniger tolle Nachsteigerfotos.

L4, 30m, 6b: Eine tolle Seillänge! Ja, es geht wirklich direkt durch das kompakteste Plattenstück mit seinen nur fein angedeuteten Lochstrukturen (siehe Foto im Abschnitt 'Erschliessung'). Die BH sind vom Stand auf den ersten Blick leicht zu übersehen - es geht nach rechts rüber an den Fels und dann gerade hoch, nicht etwa links die Rinne hinauf! In der Lochwand gilt es, die optimale Griff-/Tritt-Kombination zu entschlüsseln - eine knifflige Sache, doch mit der richtigen Lösung ist es gar nicht allzu schwierig! Im oberen Teil bieten rissähnliche Strukturen Brotlaib-Pinching, bevor ein Hangel an einem griffigen Riss nach rechts zum Stand führt.

Eine schöne Hangelpassage beschliesst die Cruxlänge (L4, 6b).

L5, 25m, 5c+: Hier geht's über ein kompaktes, pfeilerähnliches Stück Fels weiter - mit griffig-steilem Auftakt, gefolgt von einem technischen Boulder. Etwas leichteres, griffiges Gelände führt zu einem breiten Grasband, wo sich am Fuss der letzten Felsstufe der Stand befindet. Das Wandbuch liegt in einer Nische 2m links vom Stand in einem Honigglas (gut sichtbar, bitte nach Eintrag wieder gut verschliessen und verstauen, danke!).

Am Einrichten von L5 (5c+).

L6, 35m, 5b: Schöne, griffige und gemütliche Kletterei führen über die Kante hinauf. Bei einem Absatz nach 20m wechselt man nach rechts in die Wand (die BH leiten den Weg). Ein kleiner Überhang und ein schöner Plattenriss bilden die letzten klettertechnischen Programmpunkte, bevor ein paar grasige Meter direkt zum Gipfel vom Namenlosen Turm führen. Der Stand (Muniring und Longlife-BH, gemeinsam mit Namenloser Kante und Höhlenweg) befindet sich 3-4m zurückversetzt südseitig am Fels - am besten mit Seilschlinge vorne an der Kante zur Nordwand nachnehmen!

Fantastisch das Ambiente da oben, mit Ausblicken bis zu mir daheim im Züribiet!

Abstieg

Von Namenlosen Turm gibt es zwei ideale, zügige und unkomplizierte Fussabstiege. Dazu vom Gipfel 100m ostwärts auf gut sichtbarer Wegspur der Krete entlang bzw. leicht nordseitig unterhalb gehen bis zu einem kleinen Sattel. Nun entweder a) nach rechts auf einem Weg in die Gross Chälen absteigen, was in 20 Minuten zur Kletterhütte Bockmattli führt. Alternativ b) vom Sattel nach links weglos über die wenig steile Grasflanke absteigen. Diese führt einen (zuletzt über eine kurze Stufe) zur Kleinen Turmscharte am oberen Ende der Kleinen Chäle. Dann durch diese auf Trittspuren hinunter zurück zur Kletterhütte. Der Zeitbedarf dafür ist etwas länger, dafür kommt man nochmals am Einstieg vorbei. Ein Abseilen vom Gipfel ist nicht sinnvoll und aufgrund der Lage des Standplatzes am Gipfel auch nicht vernünftig auszuführen. Ein Rückzug ist jedoch bis zum Stand nach L5 von jedem Punkt der Route gut möglich, die Standplätze sind entsprechend ausgerüstet.

Auf dem Abstieg (Variante b)), hier in der Kleinen Turmscharte mit super Ausblick auf den Westpfeiler.

Material, Absicherung & Topo

Die Route ist mit 46 rostfreien Bohrhaken prima abgesichert und kann auf Stufe xxxx bzw. Plaisir gut+ eingeschätzt werden. Diese Form der Erschliessung wurde bewusst gewählt: sie erlaubt es, genussvoll und direkt über die schönsten, kompaktesten Felspartien zu steigen, ohne im Riesenslalom im grasigen Gelände zu steigen. Ein gewisser Anspruch besteht aber dennoch, ca. 5c+/6a ist obligatorisch zu meistern - bei guter Absicherung in Gelände wo man auch stürzen darf, wohlverstanden! Wiederholt sind (v.a. an einfacheren) Stellen SU-Schlingen, Cams und/oder Keile für zusätzliche mobile Sicherungen einsetzbar. Zwingend nötig erscheint mir dies wegen der guten BH-Grundabsicherung jedoch nicht. Zuletzt noch ein paar Planungsgrundlagen: die NW-seitig ausgerichtete Route liegt bis am frühen Nachmittag im Schatten, hat grob von Mai-Oktober Saison und trocknet dank der Wandkletterei über kompakte Wandzonen (für Bockmattli-Verhältnisse) zügig ab. Selbst im niederschlagsreichen Juni 2024 war sie stets einwandfrei begehbar. Zuletzt noch ein Wort zu den Bewertungen: diese beziehen sich auf die lohnendste Art die Route zu klettern, d.h. auf den direkten Weg über die Haken im Fels. Hier und da lassen sich mit Umwegen in grasduchsetztem Gelände wohl einfachere Lösungen finden. Zuletzt verbleibt mir nur, viel Spass zu wünschen! Hier gibt's das Topo als PDF, allez les amateurs!

Das schematische Topo zur Kairos im Bockmattli. Gibt's auch als PDF!

Zuletzt werden hier noch unsere Gedanken zur Wahl des Routennamens geschildert. Ich zitiere von dieser Webseite: "Chronos und Kairos, die Dichotomie der Zeit. Die alten Griechen hatten zwei Bezeichnungen für die Zeit: Chronos und Kairos. Der griechische Gott Chronos, Vater des Zeus, steht für den tickenden Sekundenzeiger, die fallenden Körner der Sanduhr. [...] Wer seine Lebenszeit nicht effizient nutzt, der wird von Chronos verschlungen. Dem aktiven Menschen ist Chronos der Schatz an Erfahrungen und Weisheiten. Kairos hingegen, der jüngste Sohn des Zeus, ist der Gott des rechten Augenblicks und der günstigen Gelegenheit. Kairos trennt die Verbindung zur Vergangenheit. Die Chancen liegen im aktuellen Moment. Um die Gelegenheit am Schopf zu packen, muss man achtsam im Moment leben. Denn der richtige Augenblick ist flüchtig. [...] Chronos steht für Erfahrungen, Kairos für Möglichkeiten. Chronos ist die Vergangenheit und die Zukunft, Kairos ist die Gegenwart.". Das hat bestens gepasst, denn hier haben wir den richtigen Moment für diese Neutour gepackt. Zudem kann Kairos ideal im Anschluss ans Echo der Zeit geklettert werden...

Das Fototopo zur Kairos im Bockmattli. Gibt's auch als PDF!