Noch immer waren wir am Nisser-See in der Telemark stationiert (siehe vorheriger Beitrag) und wollten einige weitere MSL-Touren klettern. Im lokalen Telemark-Führer wird die Spionführe von Götz Wiechmann mit dem Maximum von 3 Sternen bewertet und stellt damit einen Klassiker von Nissedal dar. Sie folgt weitgehend einer natürlichen Linie von selbst abzusichernden Risssystemen, mit ein paar Verbindungsstücken über bohrhakengesicherte Platten. Mit sieben Seillängen und gegen 300 Klettermetern ist für einen unterhaltsamen Klettertag gesorgt!
Sicht auf die über 250m hohe Wand des Baremslandfjellet mit der Spionführe, die zentral hochführt. |
Vom Nissersee bzw. dem Ort Treungen an dessen südlichem Ende fährt man auf der Route 41 ca. 2.5 Kilometer nach Süden, um dann rechts, wenn die Wand klar sichtbar ist, auf eine Schotterstrasse einzubiegen. Beim Abzweig eines schon recht überwucherten Seitenpfades wird parkiert. Der Weg zum Einstieg nimmt hier tatsächlich nur etwa 15 Minuten in Anspruch. Schwache Pfadspuren sind vorhanden, wenn man sie denn findet. Doch immer der Nase nach wird man dem Einstieg auch näherkommen. Zuletzt muss man noch von rechts her durch Kraxelei in zweiten Grad das Band auf dem Vorbau gewinnen, wo die Route schliesslich beginnt. Um ca. 11.00 Uhr waren wir startbereit, im Gegensatz zum Vortag waren die Temperaturen heute angenehm und die Sonne machte ihre Aufwartung, so dass man problemlos im T-Shirt klettern konnte.
L1, 30m, 5c+: Das erste Reibungs-Testpiece folgt gleich vom Boden weg, meines Erachtens ist es sogar die Crux dieser Länge und zwar noch bevor etwas geklippt werden kann. Es stecken in dieser Länge nur 2 BH, doch in der Mitte gibt es ein sehr gutes Placement für einen kleinen Cam.
Reibung entlang von einer Rissspur in L1 (5c+). |
L2, 60m, 6a: Komplett cleane Monster-Seillänge, die mit dem Riss gleich oberhalb vom Stand startet. Nach etwa 20m wechselt man dann an offensichtlicher Stelle 4m nach links zum nächsten, parallel verlaufenden Riss. Das zweite Drittel ist nicht ganz so schwer, die Crux folgt dann erst ganz am Ende zum Stand hin. Dort ist es echt noch knifflig, man muss sauber stehen, spürt schon das Gewicht des Seils und zum Sichern passen nur noch ausgewählte, kleine bis mittlere Cams, die ich auch schon aufgebraucht habe. Mich kostet's ein bisschen Nerven, aber es gelingt.
Der cleane Riss von L2 (6a) - deutlich weniger grasig beim Klettern, wie es hier den Anschein macht. |
L3, 45m, 6a+: Geniale Seillänge, die erst weiter entlang dem nun steileren und saubereren Riss führt. Die Crux kommt recht unerwartet noch vor dem zweiten Bolt und muss obligatorisch ca. 1m über dem letzten Cam-Placement geklettert werden. Danach schöne, technische Wandkletterei mit ein paar Leisten und der üblichen Reibung in einer Links-Rechts-Schleife an Bolts - gut abgesichert und auch gar nicht so schwer wie erwartet. Stand hier an nur einem BH, Verstärkungsmöglichkeit mit Cams ist jedoch gegeben.
Blick von unten auf L3 (6a+), welche weiter dem Riss entlang führt und dort die Vorstiegscrux der Route bereithält. |
Von oben sieht's dann mehr nach Wandkletterei aus, wobei das für den Schluss von L3 (6a+) auch zutrifft. |
L4, 45m, 6a+: Der schönen Rissschuppe entlang zu steiler Wandstelle an etwas instabil wirkenden Schuppen und nach rechts zu drei BH, hier wäre eine alternative Standmöglichkeit. Von der Standleiste wegzumoven ist die Crux (hier aber A0 möglich), dann weiter anhaltend auf Reibung und an Kratzern. Von der nächsten Schuppe dann ein kühner Rechtsquergang und elegant über letzte Dächlein hinauf, affengeil!
Wandkletterei mit komplexer Linienführung in L4 (6a+). |
L5, 45m, 5c: Links um die Schuppe rum und dann einfacher die Rampe zurück nach rechts hinauf, an der entsprechenden Stelle die Abzweigung aus diesem System raus nach rechts nichts verpassen. Zuletzt dann noch das Rätsel, wie und wo man die letzte Wandstelle zum bereits sichtbaren Stand klettert. Es gibt wohl mehrere Lösungen... diese Länge ist auch komplett clean, nach meinem Empfinden klar die einfachste der Route.
Zum Schluss von L5 (5c) wartet noch eine Wandstelle ohne Sicherungsmöglichkeit. |
L6 & L7, 60m, 6a: Hier gibt's keine Fragezeichen bezüglich der Linie, dem wie mit dem lineal gezogenen geraden Riss geht's entlang. Der Start ist gar nicht so einfach, danach geht's dann immer besser. Absichern kann man hier beinahe à discretion. Nach 45m erreicht man den Abschlussstand mit 2 BH, wer will kann noch weitere 15m auf Reibung im Grad 4a hinauf aufs Band zu Stand am Baum klettern.
Der gerade und cleane Riss von L6 (6a). |
Das Top über den Wäldern und Seen von Telemark ist erreicht. |
Um 15.30 Uhr erreichen wir nach 4:30 Stunden Kletterei das Top. Die langen, meist selbst abzusichernden Seillängen mit ihren kniffligen Kletterstellen hatten Zeit gefordert, jedoch beste Unterhaltung geboten. Ob die Einstufung als Nissedal-Highlight jetzt wirklich zutrifft, kann ich mangels Erfahrung nicht wirklich beurteilen. Lässig war es aber auf jeden Fall gewesen! Es lohnt sich übrigens, vom Routenende noch aufs Plateau hinaufzusteigen, um einen schönen Blick nach Norden auf den Nisser-See werfen zu können. Wer will, kann hier auch auf dem üppig markierten Wanderweg absteigen. Wir indessen hatten uns fürs Abseilen entschieden. In 5 Manövern erreichten wir mit unseren 60m-Seilen wieder den Boden, im unteren Teil hatten wir dabei die günstiger gelegenen Stände der rechts (nördlich) verlaufenden Neutour verwendet. Nach kurzem Rückmarsch durchs Gebüsch und wenigen Minuten Autofahrt waren wir bald wieder retour auf dem Campground. Während tagsüber tolles Wetter mit Sonnenschein und angenehmen Temperaturen geherrscht hatte, begann es abends schon wieder zu regnen - das norwegische Wetter ist wirklich wechselhaft!
Blick vom Gipfel auf den Nisser-See. |
Baremslandfjellet - Spionführe 6a+ (6a+ obl.) - 7 SL, 275m - Wiechmann et al. 1990 - ****;(xxx)
Material: 2x60m-Seile, 14 Express, Keile, Camalots 0.3-3 plus 1-2 kleinere und evtl. 0.3-0.75 doppelt.
Gebiets-Klassiker durch die zentrale Südwand des Baremlslandfjellet. Die Route verläuft weitgehend entlang von selber abzusichernden Risssystemen, 4 von 7 Seillängen sind komplett clean. Die Verbindungsstücke zwischen den Rissen bieten spannende Wandkletterei und sind recht gut mit Bohrhaken gesichert, die rostigsten Exemplare wurden dabei mit Inoxmaterial saniert. Auch die Risse lassen sich mit dem entsprechenden Material gut absichern, so dass man alles in allem auf eine gefühlte xxx-Bewertung kommt. Zu berücksichtigen ist die 60m-Länge, welche vor allem kleine bis mittlere Cams braucht, hier allenfalls das Set aufstocken bzw. verdoppeln. Zudem ist eine der schwersten Kletterstellen in L3 zwingend ca. 1m über dem letzten, sehr gut liegenden Cam zu meistern.
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