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Samstag, 1. Juni 2024

Schweiz plaisir JURA 2024

Vor wenigen Tagen steckte er in meinem Briefkasten, nun habe ich ihn bei regnerischem Wetter ausgiebig studiert, so dass ich ihn an dieser Stelle würdigen kann: der Schweiz plaisir JURA 2024 aus dem Filidor-Verlag von Sandro von Känel. Die letzte Ausgabe stammte aus dem Jahr 2017, wurde ebenfalls hier auf dem Blog präsentiert und mit vielen lobenden Worten versehen. Alle die damals erwähnten Pluspunkte treffen auch auf das neuste Werk zu: topaktuelle Infos, handliches Format, übersichtliche jedoch vollständige Skizzen und Topos, sowie die Anbindung an die Vertical-Life-App.

Alt und neu - das rechte Büchlein mit dem Titelfoto am Bubichopf in der Oberdörflerchlus ist die Ausgabe 2024.

Die Ausgabe 2024 präsentiert die 68 lohnendsten Plaisir-Gebiete in den drei Ländern Schweiz, Frankreich und Deutschland. Sie verteilen sich grob über das Dreieck Genf-Colmar-Zürich. Das sind ähnliche Parameter wie bei der Ausgabe 2017: dort waren 67 Gebiete beschrieben, ein grosser Teil ist in der 2024er-Edition natürlich deckungsgleich vorhanden - in dieser dicht besiedelten Region können kaum mehr grössere Klettergärten mit lohnenden neuen Felsen erschlossen werden. Ja man muss sogar aufpassen, dass es wegen Naturschutzauflagen und sonstigen Einschränkungen nicht immer weniger werden! Nichtsdestotrotz, eine Handvoll im alten Führer beschriebene Gebiete ist nicht mehr enthalten, während anderswo neues hinzukam. 

Blick auf die Umschlagseite mit dem Inhaltsverzeichnis der Ausgabe 2024.

Vielleicht ist das auch die grösste "Schwäche" der neuen Ausgabe: in Sachen Neuerschliessung von Plaisirgebieten läuft in dieser Region nicht viel und die Version von 2017 war schon so gut, dass massive Verbesserungen an Design und Layout kaum mehr möglich waren. Für Leute, bei welchen der Plaisir JURA noch nicht im Regal steht, ist er auf jeden Fall sehr empfehlenswert. Wenn man hingegen bereits auf die Auflage von 2017 zugreifen kann, so ist der Fortschritt nicht eminent - auch wenn es bestimmt manchen Klettertag erleichtert sowie Nerven und Zeit spart, wenn man über die neusten Infos in Sachen Sanierungen, Naturschutz, saisonale Sperrungen oder Parkplätze verfügt. Ich schliesse diesen Beitrag mit einem herzlichen Dank an Sandro, denn solch informative und gleichzeitig übersichtliche Kletterführer zu verfassen ist eine Kunst und das Beschaffen der ganzen Informationen eine Knochenarbeit. Der plaisir JURA ist ab sofort im Fachhandel erhältlich oder kann direkt beim Verlag bestellt werden!

Donnerstag, 11. April 2024

Plagne - The Wall (6b+) & Stankill (7a)

Wird Klettern denn eigentlich nie langweilig? Diese Frage wird mir von Aussenstehenden oft gestellt. Die Antwort lautet selbstverständlich "nein" und erschliesst sich mit Blick auf das Programm über die Ostertage 2024 von selbst. Dessen Auftakt bestand aus einer Limit-Onsight-Session mit Larina in der Halle - bis zum letzten Hemd alles geben, bis der Umlenker geklippt ist, immer wieder eine coole Erfahrung. Am nächsten Tag knobelten wir gemeinsam an den Bouldern vom Swiss Cup der U18 und Elite-Kategorien in Sursee - puh, schwere Sache, aber ein paar Strichlein gab's doch auf's (gedachte) Laufblatt. Tag drei bestand dann aus der hier beschriebenen Klettersafari an den Wänden von Plagne, welche schon für sich alleine eine höchst abwechslungsreiches Potpourri definiert. Und zum Dessert gab's dann noch Sportklettersessions in der Gorges du Court, in Le Paradis und im Sektor Vachkiri von Plagne - zwar immer die dieselbe Disziplin, aber ganz andere Locations und Kletterei: da wir es einem nie fad.

Blick auf das Face de Plagne am linken Bildrand, mittig weitere Sektoren. Im Hintergrund die Stadt Biel.

Nun, es war das Osterwetter mit viel Regen im Süden und Föhnsturm in den Alpen, welches uns in diese Ecke der Schweiz verschlagen hatte. Das umfangreiche Gebiet von Plagne hatte ich bisher nämlich nur ein einziges Mal besucht und dieser Besuch liegt auch schon an die 20 Jahre zurück. Mit dieser Unterfrequentierung scheine ich aber nicht alleine zu sein: trotz optimaler Bedingungen zum Sportklettern wie auch für durchaus interessante MSL sichteten wir an 2 Tagen vor Ort gerade mal eine einzige, andere Seilschaft - uns war es natürlich recht so. So starteten wir um 10.45 Uhr beim Sportplatz in Plagne. Für den rund 30-minütigen Marsch zum Top der Leitern ("Les Echelles") wäre das Bike ein Zeitgewinn. Wie viel davon ob dem Overhead übrig bleibt ist ein wenig fraglich, wir hatten darauf verzichtet - und bereuten diesen Entscheid beim gefühlt ewigen Gwaggel über das flache Plateau. Beim Grillplatz am oberen Ende der Echelles schirrten wir uns auf und nahmen dann den Steig mit seinen Versicherungen und den vier Leitern, um zum Einstieg zu gelangen. Dieser befindet sich +/- am tiefsten Punkt der Wand und ist angeschrieben. Um 11.35 Uhr legten wir los.

Abstieg über die Leitern ('Les Echelles'). Alles gut versichert, geht zügig und schnell.
Wenn man einige Abzweigungen richtig wählt, dann steht man schlussendlich an dieser Stelle.

The Wall (6b+) 

4 SL, 120m - Boris Girardin, 1996 - ***; L1/L2 xxxxx, L3/L4 xxxx
Material: 1x35m-Seil, 12 Express

L1, 30m, 6b: Los geht's gutgriffig einfach, gefolgt von einer Traverse in nicht so perfektem Fels zur vom Einstieg sich markant präsentierenden Verschneidung. Diese erfordert etwas Gymnastik, löst sich aber ohne grössere Schwierigkeiten auf. Nachdem man auf ein blumiges Bödeli ausgestiegen ist, fordert die steil-kleingriffige Wand danach mit der Crux - trotz an sich guter Absicherung ist man da nicht vor einem Sturz auf den Absatz darunter gefeit. Zuletzt noch eine Rechtsquerung zum Stand, dann ist die Sache im Kasten.

Los geht's mit L1 (6b) von The Wall, welche in die Rissverschneidung am rechten Bildrand führt.

L2, 30m, 6a+: Steil gleich geht's los, die logisch-einfachste Linie führt an der Kante rechts draussen in die Höhe, wobei einen die Absicherung lockt, die Wand direkt ob dem Stand zu klettern. Das geht - bei höheren Schwierigkeiten allerdings, dafür wird man mit schöneren Moves entschädigt. Sowieso, nach ein paar Metern muss man obligatorisch mal links in die Wand halten, bevor es dann definitiv wieder nach rechts in eine steile Verschneidung geht. Spezieller Fels da, so müeslimässig halb gebacken, aber es ist dann eigentlich doch alles solide. Zuletzt ein etwas einfacherer Ausstieg in etwas botanisch-lottriges Gelände.

Steiler Auftakt in L2 (6a+) von The Wall.

L3, 30m, 6b+: Für mich die schönste Seillänge der Route. Sie spielt sich in der plattig-glatten Wand auf der NW-Seite des Pfeilers ab (bleibt lange im Schatten!). Die Wand ist aber von diversen Rissspuren durchzogen, welche sich gutgriffig präsentieren und so bei der Fortbewegung helfen. Trotzdem, immer wieder muss man sich überlegen, wie man nun die nächste Passage meistert. Das hat auch damit zu tun, dass die Absicherung längst nicht mehr so komfortabel wie auf den ersten beiden Längen ist. Hier muss man doch über die Bolts steigen, die Hauptschwierigkeiten sind nahezu zwingend.

Kräftig-weiter Zug von einer zur nächsten Rissspur in der Cruxlänge L3 (6b+) von The Wall.

L4, 30m, 6b: Auch hier bleibt man auf der NW-Seite der sich nun aufsteilenden Wand. Dafür sind die Strukturen etwas üppiger ausgefallen. Schon bald einmal heisst es entschlossen Guzzi geben mit einem weiten Move von mässigen Tritten - die markante Crux. So erreicht man einen Pfeiler, welcher zwar einfach aussieht, dann aber doch einiges an Links und Rechts verlangt und forderndere Moves verlangt, wie man sich gedacht hätte.

Wer die Kletterei in einem schönen, unberührten Tal wähnt, liegt definitiv falsch!

Um 13.20 Uhr waren wir nach 1:45h der Kletterei am Ausstieg von The Wall. Um zum Depot beim Abstieg von Les Echelles zu kommen, heisst es erst noch etwas durch den steilen Wald aufzusteigen (Achtung, keine Steine runterlassen, da liegen doch etliche Bomben herum!) und am Ende auf einer Pfadspur nach links zu traversieren. Nach einem Riegel und etwas Getränk machten wir uns umgehend wieder an den Abstieg, da wir noch weitere Routen klettern wollten.

Gamelle Trophy (7a)  

1 SL, 20m - B. Girardin & S. Probst, 1995 - ***; xxxxx
Material: 1x40m-Seil, war mit fixen Exen ausgestattet

An dieser sehr unorthodoxen Route läuft man beim Zustieg zu The Wall (und den anderen Sektoren in diesem Bereich) direkt vorbei. Schon gleich zu Beginn hatte sie uns gereizt, da hatten wir sie in weiser Voraussicht aber noch auf die zweite Runde verschoben. Absolut zurecht, ohne gut aufgewärmt zu sein, würde man sich da bestimmt gleich einen terminalen Pump holen. Sehr ungewöhnlich ist die Route, weil sie wenige Meter über dem Boden für ca. 20m nach rechts traversiert. Die Wand ist mir Ausnahme von zwei im Abstand von ca. 1m verlaufenden, horizontalen Rails ziemlich glatt und strukturlos. Die Kletterei ist an sich schon anstrengend, zusätzlich gibt's noch unzählige Beta-Optionen, so dass grundsätzlich schon viel Kraft und Ausdauer nötig ist. Leider war's oft etwas staubig, was mich kurz vor Schluss schliesslich den Onsight kostete. Im zweiten Go ging's dann bis auf ein kurzes Beta-Gehedder solide.

Cooles Testpiece, die pumpige Traverse der Gamelle Trophy direkt am Zustiegsweg.

Constellation (6b+)

3 SL, 50m - Boris Girardin, 2010 - **;xxxxx
Material: 1x30m-Seil, 10 Express

Nachdem uns die Gamelle Trophy doch einige Körner und für die 2x2 Go's insgesamt fast zwei volle Zeigerumdrehungen genommen hatte, machten wir uns um 15.45 Uhr daran, wieder mehr nach oben und damit zu Ausstieg und Depot zu klettern. Noch blieben uns gute 3 Stunden an Tageslicht übrig, somit entschieden wir uns die Route Stankill am Grand Face via zwei Seillängen am Vorbau im Sektor L'Aiguille zu erreichen. Es bestehen mehrere Optionen, laut Topo und Eindruck vom Wandfuss fiel die Wahl auf die Constellation.

L1, 20m, 6a: Der Einstieg direkt am Pfad kurz vor der Kante ist angeschrieben und problemlos aufzufinden. Die Kletterei in dieser Seillänge ist doch ordentlich steil und für eine 6a gehörig fordernd. Natürlich kein unüberwindbares Hindernis, aber gerade entlang der Kante muss man seine grauen Zellen schon in Betrieb setzen.

Im Jam-Riss (kaum wahrnehmbar) von L2 (6b+) der Constellation an der Aiguille.

L2 & Ausstieg, 30m, 6b+: Nach einem griffigen Wandkletter-Auftakt ist das Main Feature ein wunderbarer Splitter-Handcrack, der mit einigen Jams zu bewältigen ist. Wer diese Technik halbwegs beherrscht, darf sich auf eine relativ gutmütig bewertete Seillänge einstellen. Zudem ist die ganze Route auch eng mit BH abgesichert. Man erreicht schliesslich einen Umlenker, von wo man wieder zurück auf den Boden gelangen könnte und nimmt wahr, dass man tatsächlich an einer relativen fragilen Nadel geklettert ist (was von unten so nicht sichtbar ist). Unser Weg führte aber direkt weiter hinauf zum Band am Fusse vom Grand Face. Dieser erdig-steile und etwas geröllbedeckte Teil ist mit einer fixen Kette ausgerüstet, welche man gerne zu Hilfe nimmt.

Stankill (7a)

6 SL, 150m - Boris Girardin, 2001 - ***;xxxx
Material: 1x35m-Seil, 12 Express

Der nächste Programmpunkt bestand in der Traverse über das Band nach rechts am Fusse der steilen, dolomitisch-brüchigen Grand Face - eindrückliches Gelände. Erst quasi ein Spazierweg, so wird es gegen das Ende eng und man nimmt gerne die Drahtseile zu Hilfe. Der Einstieg zu unserer angepeilten Route Stankill befindet sich (noch schwach lesbar angeschrieben) etwas rechts oben im exponierten Schrofengelände. Um 16.35 Uhr fiel der Startschuss in diese Route - mit dem Bewusstsein, dass nun doch ziemlich auf die Tube gedrückt sein müsste, um den Ausstieg noch bei Tageslicht zu erreichen.

Die Traverse über das Band am Fusse des Grand Face de Plagne.

L1, 20m, 6a+: Zumindest in dieser Seillänge war das mit dem Gas geben allerdings nicht so einfach umzusetzen. Der tiefe Schwierigkeitsgrad täuscht, ist die Kletterei doch gehörig steil-athletisch und auch etwas kompliziert. Der klötzlimässige Fels mutet beinahe wie an den Zinnen an - schlussendlich ist doch fast alles solide, aber mit etwas Umsicht zu klettern schadet hier definitiv nicht.

Stankill L1 - nüme nüüt für eine 6a+!

L2, 20m, 6c: Hier gibt's mehrere BH-Linien auf engem Raum, die Wahl der richtigen Strecke ist nicht trivial. Das zur Stankill gehörige Set verläuft zuerst gesucht-gerade durch eine plattige Zone, welche direkt geklettert sauschwierig wäre. Der Konjunktiv bezieht sich darauf, dass man auch rechts im einfachen Gelände der 5c klettern kann bzw. laut Topo soll, die Bolts kann man trotzdem klippen. Und die 6c kriegt man auch so noch (mehr als) geboten. Oben am Steilwulst heisst es nach links hinaus zu traversieren. Ein heftiger, athletischer Boulder wartet da - mit der 7b-Brechstange konnte ich onsight passieren und den kurzen Rési-Teil zum Stand durchziehen... puh! Vorsicht, kurz vor dem Stand im Ausstieg aus der athletischen Sektion lockt eine gutgriffige 1m2-Schuppe, die schlecht verwachsen ist und sehr dubios tönt. Diese aus der Wand zu reissen wäre wohl das Ende...

Etwas Rési beim Ausstieg aus der Crux von L2 (6c), im Bild ob der Exe die gut zu erahnen ist die gefährliche, schlecht verwachsene Schuppe, die am besten gar nicht oder wenn dann nur sehr pfleglich angefasst wird.

L3, 25m, 6b+: Die Challenge besteht hier darin, auf der Stankill zu bleiben. Zuerst nach links zu traversieren ist laut Topo und vor Ort klar. Die logische Linie hinauf ist dann allerdings die Pour le Plaisir. Für die Stankill muss man tief bleiben und ca. 15m horizontal queren. Die BH sind nicht gut sichtbar, aber es hat eigentlich ziemlich viele davon. Dass wir uns hier zuerst verkoffert haben, liegt auch daran, dass die Traverse in wenig attraktiv scheinenden, dunkel-splittrigen Fels führt. Kein Gelände, wo es einen magisch hinzieht - wenngleich die Kletterei für solche, die mit 1b- oder 1c-Fels entsprechend umzugehen wissen, schlussendlich doch noch ganz cool ist. Für 6b+ fand ich es bockhart - ist es aber vermutlich auch schnell einmal, wenn man nur die soliden Strukturen nutzt und besseres, aber ausbruchgefährdetes Material ignoriert.

Wildes Gelände und eine lange Linkstraverse in L3 (6b+) der Stankill.

Bis wir an Stand 3 vereint waren, war die Uhr schon auf 18.05 vorgerückt. Mit rund einer Dreiviertelstunde Tageslicht konnten wir noch rechnen. Somit schien es (zu) ambitioniert, die noch verbleibenden drei Seillängen der Stankill (6c, 7a, 6a) in freier Kletterei zu bewältigen. Der vernünftige Alternativplan bestand darin, die beiden Ausstiegslängen von Pour le Plaisir zu klettern, welche auf dem Standband unmittelbar rechts beginnen.

L4, 30m, 6a+ (Pour le Plaisir): Aber holla du, eine 6a+ wie man sie auch an den Wendenstöcken finden könnte! Die Kletterei ist steil, athletisch, pumpig und einfach so richtig fordernd. Wenn auch gut abgesichert, so hilft wiederholt doch nur der mutige Schritt nach vorne. Da musste ich doch ein paar strategische Schüttelpausen einlegen und dann die Backen zusammenkneifen und hopp - nicht unbedingt das, was man in diesem Grad erwarten würde! Der Ausstieg dann mit einem athletischen Boulder nach rechts auf eine glatte Platte, zu speziellem Stand mit Anlehn-Baum. PS: das Hakenmaterial auf dieser Länge kann man nicht mehr als taufrisch bezeichnen.

Eines ist sicher, ein gigantischer Aufwand und Tausende von BH sind in die Erschliessung des Gebiets von Plagne geflossen. Noch ist alles gut machbar, aber wie mir schien, ist der Unterhalt dieses doch aufwändigen Gebiets für die Zukunft (wenn es der Erschliesser nicht mehr tun kann/will) nicht wirklich gesichert. Kommt noch hinzu, dass eigentlich durchgehend verzinktes Material steckt, bisweilen (wie hier) in der ungünstigen Kombi mit einer rostfreien Lasche.

L5, 30m, 6b (Pour le Plaisir): Die Anzeichen von fortschreitender Dämmerung waren inzwischen deutlich wahrnehmbar. Das konnte ja heiter werden, liess die Bewertung ein noch heftigeres Gerät erwarten. Dies trafen wir im Gelände jedoch nicht so an: es wartet nur eine kurze Crux an einem Überhängli mit Piaz-Ausstieg, die ich für 6b und gerade im Vergleich zu den anderen Längen ziemlich billig fand. Bald einmal steht man dann im steilen Schrofengelände, wo es noch ziemlich weit bis aufs Plateau hinauf und Stand an Baum gestiegen werden muss.

Kurz vor Schluss in L5 (6b)

Um 19.05 Uhr hatten wir es schliesslich im letzten Tageslicht geschafft und konnten das Seil aufrollen. Ein Stück weit ging's hinüber zum Depot, wo wir unsere Sachen auflasen und uns an den halbstündigen Rückmarsch über das Plateau machten. Ohne grosses Erstaunen nahmen wir zu Kenntnis, dass unser Automobil als letztes dastand. Die wenigen anderen Kletterer (wir hatten den ganzen Tag über nur 1 andere Seilschaft gesichtet) hatten den Heimweg schon früher angetreten. Wir taten es ihnen gleich und waren uns einig, dass dies ein hervorragender und mit 13 gekletterten Seillängen auch ergiebiger MSL-Tag war. Auch wenn's in Plagne auf dem Topo auf den ersten Blick vielleicht mehr nach einem Klettergarten aussieht, wo man vereinzelt mehrere Seillängen am Stück klettern kann, so entpuppte sich die Sache doch anders: steil, luftig, eindrücklich und fordernd, das sind in etwa die Attribute. Natürlich sind die Wände nicht Hunderte von Metern hoch, aber auf die Kosten kommt der MSL-Fan da durchaus. 

Epilog

Während es für Viktor nach Hause ging, waren die Ostertage für mich klettermässig noch nicht abgeschlossen und die Entdeckungsreise im Bieler Jura fand ihre Fortsetzung. Am Folgetag in der Gorges du Court: wir widmeten uns der Sportkletterei in den ostseitig ausgerichteten Wänden. Die höchste davon ist die Paroi des Romains, wo man ebenfalls einige kurze MSL findet, die wir als Alternativziel zu Plagne diskutiert hatten. "For the fun of it" und für einen Einblick gönnte ich mir mit Jerome den freihängenden 70m-Abseiler über dieses steile Gemäuer. Und ja, auch da findet man ganz bestimmt den Nervenkitzel und die Luft unter den Sohlen, die man sich auf einer MSL wünscht... 

Freihängender Mega-Abseiler über die Paroi des Romains.

Sonntag, 24. Mai 2020

Grand Arête du Raimeux

Bei der Grand Arête am Mont Raimeux handelt es sich um einen famosen Jura-Klassiker. Direkt aus der Schlucht von Moutier zieht dieser Rücken empor, nach einem plattigen Auftakt kann man direkt über seine felsige Schneide gehen. Wenn man stets dem leichtest möglichen Weg folgt, so lässt sich dieser aussichtsreiche Weg mit Schwierigkeiten bis maximal T5+, III als verschärfte Alpinwanderung auch seilfrei begehen. Wer mehr klettern möchte, findet ausreichend Gelegenheit. Über die schöne, mit Dinosaurier-Fussabdrücken drapierte Einstiegsplatte führen Wege bis zum fünften Grad. Und an den zahlreichen Aufschwüngen am Grat gibt es immer wieder die Möglichkeit, je nach Lust und Laune lässige Klettersequenzen im fünften und sechsten Schwierigkeitsgrad einzubauen. Nach gut 550hm hat man die Hauptschwierigkeiten überwunden. Ab diesem Punkt lässt sich in einer landschaftlich schönen Wanderung auch noch der Kantonshöchstpunkt des Kantons Jura, eben der Mont Raimeux erreichen.

Erst kompakte Plattenkletterei, dann ein vergnüglicher Grat, zuletzt eine Wanderung: das ist die Grande Arête du Raimeux.
An einem Tag, wo die Finger vom Sportklettern bereits müde waren, der Geist aber nach einer lässigen Bergtour lechzte, rückte die Grand Arête wieder einmal in unseren Fokus. Es kam noch hinzu, dass in den Alpen mit einer Bisen-Restlage bald wieder Quellwolken entstünden und man vielerorts wohl eher mit bibbernder Kälte und nebliger Aussicht rechnen musste. So brach die ganze Familie um 10.15 Uhr in der Schlucht auf. Von der Strasse bis zum Einstieg ist es kein weiter Weg, wir brauchten ganze zwei Minuten. Ob der zwei vorausstürmenden Kinder gelangten wir jedoch schon kurz einmal in den anaeroben Bereich ;-) Am Fuss der Platte dann liessen sich die Topos aus dem Plaisir Jura und dem SAC-Führer Berner Jura irgendwie nur durchschnittlich mit der Lage vor Ort vereinbaren. Diverse Linien waren mit Farbe markiert, teils vernünftig mit Bohrhaken abgesichert, teil nur spärlich. Nun denn, hier würden wohl alle Wege nach Rom, sprich dem oberen Ende der Platte und damit dem Weiterweg auf den Grat führen. So entschieden wir uns, in zwei Seilschaften parallel zu klettern und die Kinder im Vorstieg zu schicken. Larina entschied sich für die blaue Linie am rechten Rand, einerseits hätte dies gemäss Topo mit 4c+ die schwierigste Möglichkeit sein können, andererseits sah das Gelände schön kompakt aus und es steckten regelmässig (d.h. ca. alle 5m) Bohrhaken. So kam es dann auch und in 4 Seillängen erreichten wir das Ende der Platte. Vorsicht beim Ausstieg, da liegt eine solche Menge an losem (eher kleinem) Geröll herum, dass es absolut nicht ohne Steine auszulösen geht. Jerome folgte einer gelben, zentralen Route. Dieser war vermeintlich einfacher (4a), dafür war die Absicherung mit Abständen bis 10m eher weiträumig. Doch einmal Alpinist heisst immer Alpinist, so vereinten wir uns am Ende der Platte wieder.

Die Kinder unterwegs auf der Einstiegsplatte mit den Dinosaurierspuren.
Es folgen nun noch 3 Seillängen bis zu einem ersten Gratabsatz. Die erste davon eher kraxlig im dritten Grad durch ein paar Bäume hindurch. Die zweite in kompakterem Gelände, wo eine mittige BH-Linie mit dem Grad 5b bewertet und gar nicht mal so banal ist. Das letzte Teilstück war dann nicht mehr ausgerüstet, auf unserer Linie ca. 4a und konnte perfekt mit Cams abgesichert werden. Jerome und ich stiegen parallel voraus. Ich wies da und dort auf ein gutes Placement hin und jedes Mal kam die Frage zurück, welche Grösse passt denn? Ohne Ausnahme konnte ich die richtige Grösse ansagen, was zu grossem Erstaunen seinerseits führte. Irgendwie schon witzig, wie man über 3 Jahrzehnte eine Spürnase dafür entwickelt, wo es Placements haben könnte, wie man sie effektiv nutzt, den Seilverlauf effizient hält undsoweiter. Aber das war echtes Learning by Doing und hat ihm sicherlich einen wesentlichen Fortschritt gebracht - zumal er selber absichern echt cool findet, während ich ja bekannterweise mindestens genau so gerne Bolts klippe wie ewig mit Gerätschaften herumfummle (wobei ich ebenso bekannterweise natürlich strikte dagegen bin, gut natürlich abzusichernde Routen einzubohren, mir bedeutet Clean Climbing einfach nicht sehr viel). Um ca. 12.15 Uhr und damit nach 1:45h Kletterzeit hatten wir die ersten 7 Seillängen auf den Gratabsatz bewältigt und gönnten und bei sehr angenehmen Bedingungen an der Sonne eine Mittagspause.




Ab hier hat die Kletterei nun nicht mehr Wandcharakter, sondern man folgt wirklich dem Grat. Zunächst ist dieser einfach und bietet höchstens ein paar Zweierstellen, so dass man am kurzen Seil (oder natürlich ganz ohne) gehen kann. Der nächste markante Punkt ist die auffällige Dièdre Gallet (5b), eine kurze, doch ziemlich speckige Verschneidung. Wer sie wirklich auslassen möchte, kann auch rechtsherum im dritten Grad auf den Aufschwung kraxeln, während man links (von abschüssigem Gelände startend) in der Nordwand auch schwierigere Möglichkeiten fände. Nach einer Gehpassage folgt die Wandstufe der Bastion (5a), die anschliessend noch eine kurze 3er-Verschneidung bietet, während man rechtsherum im Gehgelände fortschreiten kann. Nach weiterem Gehgelände und einem fakultativen, kurzen 5m-Abseiler (problemlos rechtsherum umgehbar) erreicht man mit dem Donjon (5a) eine der schönsten Seillängen - prima Lochkletterei in einer fast senkrechten Wand. Auch etwas speckig, geht aber schon. Kraxlig geht's über den nächsten Grataufschwung und mit einem 5m-Abseiler (Fixseil vorhanden, wenn man rechts hält auch gut im zweiten Grad abzuklettern) zum geräumigen Platz bei der Noisette, wo man den Grat gut nach Norden verlassen und zum Ausgangspunkt zurückkehren könnte. Um ca. 14.00 Uhr hatten wir diese Stelle erreicht.

Die coole Seillänge am Donjon (5a) bietet schöne Lochkletterei, kann bei Bedarf aber rechts umgangen werden.
Wir aber wollten weiter und kraxlig über ein kurzes Gratstück erreicht man die Paroi des Pitons. Dieser steile Absatz ist (vermutlich!?!) nicht umgehbar, wohl deshalb hat man hier eine Art Klettersteig mit Eisenstiften kreiert, im Führer wird diese Stelle mit 3a bewertet. Die Stelle lässt sich ohne grössere Probleme freiklettern. Ich hätte jetzt gesagt, es sei nur unwesentlich schwieriger wie das, was wir sonst teilweise geklettert hätten und damit etwa 5c. Larina konnte diesen Abschnitt zwar auch problemlos klettern, meinte aber für sie sei das eine 6a+. Irgendwo dazwischen könnte es also sein, denke ich. Anschliessend folgt mit der Via Mala (5a+) nochmals eine richtige Kletterstelle (rechts umgehbar). Den folgenden Gratabschnitt kann man direkt einfach im Zweiergelände überkraxeln, alternativ findet man in der Südwand ein paar Seillängen zwischen 5a-6a+. In einem folgenden Sattel führt nun ein Pfad nordseitig in den Wald. Diesem folgten wir, bis uns ein paar Steinmänner in eine Scharte am Grat führten. Hier könnte man wohl südseitig noch die Länge am Petit Cervin (4c+) erreichen. Da wir aber bereits in den Turnschuhen waren, umgingen wir die Stelle nordseitig. Wahlweise kraxelnd über den Grat oder nordseitig im Gehgelände durch den Wald erreicht man schliesslich das Ende der Felsen, wo wir um ca. 15.00 Uhr und nach 4:30h vom Einstieg ankamen.

Kraxlig und genussreich, aber nie schwierig geht's weiter über den Grat.
Während Kathrin und Jerome von hier absteigen und zurück zum Ausgangspunkt gehen wollten, zog es Larina und mich noch weiter Richtung Mont Raimeux Sommet. So liesse sich noch mit wenig Zusatzaufwand ein weiterer Kantonshöchstpunkt erreichen, für mich Nr. 19 von 26. Eigentlich ist mir dieses Sammelprojekt ja nicht sonderlich wichtig, aber was gerade so am Weg liegt, nehme ich natürlich gerne mit und so wird die Sammlung eines Tages dann möglicherweise auch vollständig sein. Durch schöne Waldlichtungen geht's ab P.1172 zur SAC-Hütte (Cabane du Raimeux), wo man trotz 'Fermeture' wohl ein kühles Getränk hätte erhalten können. Wir zogen aber gleich weiter auf's sehenswerte Plateau zum Raimeux de Grandval, dann in Richtung einiger Gleitschirmflieger mit Startschwierigkeiten und schliesslich über die letzten paar Höhenmeter zum Gipfel mit seinem kleinen Turm. Um Schlag 16.00 Uhr waren wir dort, etwa 40-45 Minuten hatten wir vom Ende der Felsen an Gehzeit gebraucht. Für den Abstieg wählten wir schliesslich die Route nach Grandval. Das ist in Bezug auf Distanz und Höhenmeter etwas kürzer und vor allem schon beinahe historisches Gelände. Am Pic de Grandval und in der Combe du Geais hatten Kathrin und ich dereinst unsere erste gemeinsame Klettertour unternommen :-)

Auf dem Plateau des Mont Raimeux, eine sehr schöne Gegend von einmaliger Weite

Am Gipfel gibt's einen kleinen Turm, so dass das Panorama noch ein wenig besser ist.

Facts

Mont Raimeux - Grande Arête 3a-5b - ca. 10 SL & viel Kraxelgelände
Material: 1x30m oder 1x40m Seil, 10 Express, Camalots 0.3-2, evtl. Keile

Wer möchte, kann die Grand Arête als Alpinwandertour ganz ohne oder mit sporadischer Seilsicherung begehen. Wenn man die Kletterabschnitte vermeidet, so überschreiten die Schwierigkeiten nirgends den dritten Schwierigkeitsgrad. Wählt man den Weg direkt über die schöne, kompakte Einstiegsplatte, folgt nachher dem kompakten Fels und übersteigt einige Gratabschnitte in logischer Linienführung direkt, so ergibt sich eine genussreiche Kletterei von ca. 10 SL in Schwierigkeiten bis 5b. Wer möchte, findet unterwegs auch noch ein paar schwierigere SL bis 6a+, allerdings ist das dann eher etwas gesucht. Die Absicherung ist knapp bis genügend (Plaisir soso). Manchmal gibt's im kompakten Gelände Abstände, die man nicht entschärfen kann. Anderswo stecken dann aber wieder Bolts, wo man prima mobil an Bäumen oder mit sicheren Cam- und Keil-Placements sichern könnte. Es ist durchaus empfehlenswert, ein Set Cams und allenfalls Keile mitzunehmen, es handelt sich auch um prima Übungsgelände dafür. Auf der Platte zu Beginn kommt man mit 30-40m Seil unter Nutzung vieler Zwischenstände gerade durch. Am Grat selber hatten wir das Seil ständig verkürzt und nie mehr mehr als 20m in Gebrauch. Ein zu langes Seil ist also eher ein Hindernis denn ein Vorteil.

Samstag, 20. Januar 2018

Arête des Sommêtres

Wer kennt das nicht auch?!? Draussen finden goldene Herbsttage statt, jedoch halten einen berufliche und sonstige weltliche Verpflichtungen davon ab, das tolle Bergwetter gebührend zu nutzen. Ja, mir geht's genau gleich. Trotzdem hatte ich für einmal Glück, führte mich doch ein Business Trip zumindest in die Nähe des Juras. Somit wollte ich auf dem Heimweg "no chli go laufe", so zumindest verabschiedete ich mich von meinen Kollegen. Mein Ziel war die Arête des Sommêtres, im neuen Plaisir Jura als sehr lohnende, 1200m lange Kletterei im Grad 3b beschrieben.

Die Arête des Sommêtres, gesehen aus dem Zustieg. Es handelt sich dabei jedoch nicht um die gesamte Kletterstrecke, sondern nur um einen Teil davon. In den Südwänden gibt's darüber hinaus auch  noch viele Klettereien, es handelt sich um einen verzweigten, etwas unbequemen Klettergarten.
Ein wenig unterschätzt hatte ich die abgelegene Lage im äussersten Nordwesten der Schweiz. Die Zugfahrt bis dahin zieht sich doch ziemlich in die Länge. Allerdings führt sie durch die äusserst sehenswerte Gegend der Freiberge/Franches Montagnes, wo ich mich bis anhin noch nie herumgetrieben hatte. Anyway, ich führte sowieso das ganze Büro mit, weshalb die Anreisezeit nebst den Blicken aus dem Fenster auch noch gut zur Arbeit genutzt werden konnte. Um 14.20 Uhr ging's schliesslich am Bahnhof von Le Noirmont los. Leider konnte ich vor Ort keine Schliessfächer entdecken und für eine Depotmöglichkeit lange herumsuchen oder -fragen wollte ich auch nicht. Somit kamen also notgedrungen Computer, Unterlagen und Arbeitsklamotten mit auf die Tour.

Die schwierigste, anhaltendste und vermutlich auch zwingendste Kletterstelle folgt unmittelbar nach dem Einstieg in dieser etwa 25m langen Verschneidung, die so im mittleren dritten Grad anzusiedeln sein dürfte. 

Rückblick auf den ersten Teil des Grats, der hier mehr nach einem bewaldeten Rücken aussieht.
Zuerst läuft man durchs Dorf in Richtung der Kirchen, um dort auf die Rue du Pylon einzubiegen (die Skizze im Plaisir Jura ist exzellent). Zügigen Schrittes ging's in die Combe von Les Sommêtres, wo schliesslich der Grat sichtbar wurde - wobei man aufgrund seiner enormen Länge von nirgends die ganze Route überblicken kann. Der Weg führt zum grössten Teil abwärts, bis man in der markanten Linkskurve oberhalb von P.815 einem ausgeprägten Trampelpfad nach links hinauf folgt. Dieser führt zum Einstieg, welcher sich im markanten Sattel zwischen P.909 und P.930 befindet. Bis hierhin war gerade eine halbe Stunde verstrichen. Während ich ein paar Kletterfinken mit dabei hatte, entschloss ich mich erst einmal mit den Trailschuhen loszusteigen - schliesslich blieb ich für die ganze Tour dabei, es ist definitiv das geeignetere Schuhwerk als die Kletterfinken.

Tiefblick hart am Abgrund ;-) Trailschuhe sind hier definitiv das bessere Schuhwerk wie Kletterfinken.

Rückblick auf einen der schwierigeren Abkletter-Boulder unterwegs. Wer möchte, kann die Stufe am Baum abseilen.
Die schwierigste und anhaltendste Kletterstelle folgt unmittelbar nach dem Beginn. Nachdem man von der Nordseite her auf den Grat gekraxelt ist, geht's über ca. 30m in einer schönen, steilen Verschneidung aufwärts. Wie mir schien, lässt sich diese 3b-Stelle auch nicht (bzw. zumindest nicht ohne grösseren Aufwand) links oder rechts umgehen. Aber eigentlich ist's ja auch ganz gut so, denn wenn man diese Stelle gemeistert hat, so wird man mit dem Rest keine Probleme haben. Danach folgen im Wechsel teils Gehgelände mit deutlichen Wegspuren, Kraxelei und hin und wieder auch ein paar Kletterstellen. Erwähnt sei, dass nach der Einstiegspassage die schwierigsten Stellen meist im Abstieg zu klettern sind. Vorwiegend handelt es sich dabei jedoch um kurze Boulder und besonders exponiert sind diese Stellen in der Regel auch nicht. Für jene, die ein Seil dabei haben, lassen sich diese Abkletterpassagen auch abseilen, meist steht genau an der richtigen Stelle ein Baum.

Ein weiterer Kraxel-Aufschwung. Vieles wäre auch linksherum in Schrofen und Wald umgehbar.

Der letzte Abschnitt des Grat mit dem berühmten, jedoch nicht sehr markanten Rasiermesser im Vordergrund.
Ich gelangte in einen tollen Kletterflow und die Stellen am Grat zogen nur so an mir vorbei. Wobei erwähnt sei, dass die markanten Passagen eben weitgehend fehlen, auch wenn man sich wie ich permanent an die Gratkante hält. Selbst das Rasiermesser kurz vor Schluss fand ich etwas enttäuschend, im Prinzip kann man sogar da fast mit den Händen im Hosensack drüberspazieren. Jedenfalls tauchte schon bald das Gipfelkreuz auf. Der letzte Aufschwung kann direkt über die linke Kante gemeistert werden (im Topo 5a, BH, m.E. deutlich einfacher), so kriegt man nochmals etwas steilen Fels unter die Finger, alternativ auch durch die einfache Rinne rechts davon. Nach 58 Minuten stieg ich über die Reling beim Aussichtspunkt und die Arête des Sommêtres lag hinter mir. Nach einem Rundblick über die schöne Gegend und einem Besuch in der schönen, heimeligen und stets offenen Hütte der GAFM unmittelbar unter dem Gipfel ging's gleich weiter Richtung Bahnhof. Gerade zwei Stunden nach meinem Aufbruch war ich wieder dort. Es reichte noch komfortabel, um sich Getränke zu kaufen und zurück in den Business-Mode zu schalten, womit ich die weite Heimfahrt erneut als Arbeitszeit nutzen konnte.

Die auf den Grat gebaute Hütte der GAFM, welche sich unmittelbar unter dem Gipfel befindet. Sie ist stets offen.

Heimelige Sache! Die Lage eignet sich aber wohl besser, um Feste zu feiern als für ernsthaften Alpinismus.

Facts

Arête des Sommêtres 3b - 1200m Kletterlänge

Langer Jura-Kraxelgrat in schönem und solidem Fels. Es handelt sich um eine Mischung von Geh-, Kraxel- und etwas Klettergelände. Länger anhaltende Stellen im Fels gibt's nur wenige und deren Schwierigkeiten sind überschaubar. Wenn man die Tour in Seilschaft angeht, kann man sich durch den ständigen Wechsel von Klettern, Gehen und Abseilen bestimmt ziemlich lange verweilen. Wer sich gar durchgehend sichern möchte (was aufgrund der oft minimalen Schwierigkeiten und nicht vorhandener Exposition definitiv nicht sinnvoll oder nötig ist), darf sich auf eine Unternehmung von 40+ Seillängen einstellen. Am lohnendsten ist es sicher, wenn man sich die Tour seilfrei zutraut. Aufgrund vom soliden Fels, der wenig anhaltenden, gut gestuften und griffigen, kontrollierbaren Kletterei ist dies definitiv kein Himmelfahrtskommando. Details und ein Topo findet man wie erwähnt im Plaisir Jura von 2017

Freitag, 13. Oktober 2017

Schweiz plaisir JURA 2017

Diese Woche steckte er frisch ab Presse im Briefkasten - der nach dem extrem JURA zweite, noch fehlende Kletterführer aus dem Filidor-Verlag für die Flühe, Grätli und Platten im Nordwesten der Schweiz. Die letzte Auflage des plaisir JURA datierte aus dem Jahr 2008, auch schon wieder ein Weilchen her. Seit da gibt's selbst im bereits bestens ausgekundschafteten Jura noch diverse Neuheiten oder Neuentdeckungen, dazu wie immer sanierte Gebiete, neue Parkplätze oder aktualisierte Hinweise in Sachen Naturschutz. Somit ohne Zweifel ein Führer, den es sich zu kaufen lohnt!

plaisir JURA und extrem JURA, beide topaktuell aus dem Jahr 2017.
Wie man es sich vom Autor Sandro von Känel gewohnt ist, glänzt das im handlichen Kleinformat erschienene Büchlein durch Übersichtlichkeit, Klarheit und sehr ansprechende Gestaltung. Es ist schon ein Meisterwerk, wie man alle nötigen Infos ohne viel Text und Raum darstellen kann - und doch ist alles vorhanden, was es braucht und gut lesbar ist es obendrein! Gegenüber der letzten Auflage ist die Anzahl Gebiete von 62 auf 67 angestiegen. Neu gibt's auch für jede Region eine Übersichtstabelle zur jahreszeitlichen Eignung der Gebiete und deren Kindertauglichkeit - eine vorbildliche Sache. Eine weitere Neuerung für einen Filidor-Führer stellt die Zusammenarbeit mit Vertical Life dar. Im Buch ist ein Code enthalten, mit welchem man alle Jura-Gebiete in der Vertical Life App auf dem Smartphone freischalten kann. Ist das die Zukunft der Kletterführer?!? Ich bin nicht sicher. Einen sauber recherchierten und ansprechend gestalteten auf Papier gedruckten Führer in der Hand zu halten, macht einfach Freude - da gibt eine App definitiv nicht dasselbe Gefühl. Zumal für mich bei der elektronischen Version einfach immer ein Rest von Unübersichtlichkeit vorhanden ist.

Gebietsübersicht aus dem plaisir JURA, oben rechts der noch verborgene Code für die Vertical Life App.
Dieser Beitrag wäre nicht komplett, wenn ich nicht auch noch einen kritischen Punkt anbringen würde. Gut, im vorliegenden Fall ist das aufgrund der sehr hohen Qualität nun wirklich nicht ganz einfach. Gewisse Schwierigkeiten bringt die Trennung des Jura-Führers in Extrem und Plaisir mit sich. So sind etliche Gebiete absolut korrekterweise in beiden Werken beschrieben, jeweils mit dem Fokus auf die schwierigeren oder einfacheren Touren (z.B. Pelzli, Falkenflue, Eptingen). Andere sind nur in einem der beiden Führer enthalten, so z.B. das Hombergflüeli im Plaisir und die Muggenberg-Grotte im Extrem. Soweit ebenfalls alles perfekt, gibt's doch im  einen Gebiet nix über 6b und im anderen nix unter 7c. Doch es gibt halt auch Grenzfälle. So ist der Klettergarten in Vingelz nur im Plaisir aufgeführt, obwohl er auch dem Hardmover einiges zu bieten vermag. Andersrum ist der Chuenisberg im Basler Jura ein Gebiet, das nur im Extrem figuriert, obwohl es dort durchaus auch lohnende Routen im Plaisirbereich gibt. Insgesamt finde ich die Gebietsauswahl für beide Führer aber absolut in Ordnung. Das von mir erwähnte Dilemma hätte man nur lösen können, indem man beide Werke in einem einzigen, dicken, teuren und unhandlichen Führer vereint hätte. Eine andere Alternative wäre eine regionale Trennung in Südost- und Nordwest-Teil gewesen,  was aber noch gewichtigere Nachteile mit sich gebracht hätte. Mir verbleibt, an dieser Stelle Sandro von Känel herzlich für seinen immensen Einsatz zu danken. Klettern ohne gute Topos wäre deutlich erschwert und würde nicht halb so viel Spass machen! Weitere Infos zum plaisir JURA hier!

Freitag, 5. Mai 2017

Sportklettern in St. Loup

Noch einmal hatte es Ende April vor unserer Haustür 30cm Neuschnee gegeben, dazu in der Südschweiz die ganze Woche hindurch Bindfäden geschifft. Da war guter Rat teuer für das geplante Sportkletter-Weekend mit der Familie. Solchen findet man in der Regel auf den Wetterseiten (siehe hier), wo sich die gefallene Niederschlagsmenge übersichtlich darstellen lässt. Neben dem Zentralwallis hatte es auch im Waadtländer Jura nur moderat geregnet. Also auf ins nach im brandneuen Extrem Jura beschriebene St. Loup!

The Monkey Face, gesehen im Sektor Bain de Sang. Die Route Nightmare (8a+) gleich rechts davon ist eine echte Perle!
Das zwischen Lausanne und Yverdon im malerischen Flusstälchen des Nozon gelegene Gebiet wurde in den 1990er-Jahren vor allem durch die Routen der Gebrüder Fred und François Nicole bekannt. Nebst vielen weiteren harten Geräten war es vor allem die eindrücklich glatte Wandpartie der Bain de Sang (9a), welche diese Felsen in den Fokus brachten. Es handelte sich dabei um eine der weltweit frühen Routen in diesem Schwierigkeitsbereich. Doch es gibt nicht nur schwere Routen in St. Loup, vom Plaisirbereich über die mittleren Grade bis nach ganz oben, es ist unter den total rund 300 Klettereien wirklich alles vorhanden. Was man jedoch nicht erwarten darf, sind athletische Ausdauerhämmer in Grotten von spanischem Zuschnitt. Das Felsband ist zwar teils bis zu 50m hoch, die Kletterei aber meist knapp unter oder über der Senkrechte angesiedelt. Es dominiert Wandkletterei an manchmal unverhofft guten Löchern, Briefkasten-Schlitzen und Schuppen, wobei auf dem nächsten Meter dann schon wieder alles griffarm und wenig strukturiert ist. Charakteristisch für die Kletterei in St. Loup ist ein ziemlich beschränktes Angebot an Tritten. Der Fels ist für (mein Verständnis von) Jura-Verhältnissen sehr gut und die Reibung gar nicht mal so übel - nichtsdestotrotz aber halt doch etwas ganz anderes wie z.B. im Rätikon oder an der Schafbergwand, wo man überall auf nichts antreten kann. Von den Jura-Gebieten, die mir bekannt sind, hat mich St. Loup am meisten an die Falkenflue erinnert.

Banal oder schwierig? Eher das Zweitere. Blick auf die Wandpartie mit dem Projekt Demain und Bain de Sang (9a). 
Es ist allgemein bekannt, das Gebiet sei sehr kinderfreundlich - das ist an sich nicht falsch. Trotzdem möchte ich das Bild ein wenig korrigieren, damit man weiss, was einen hier erwartet. Ja, das ruhige und von einer Güterstrasse (Fahrverbot!) durchzogene Nozon-Tal ist eine gute, bequem zugängliche Umgebung. Wenn es warm genug ist, gibt der Bach auch gute Spielmöglichkeiten her. Obwohl der Wandfuss meist nur wenige Meter vom Strässchen entfernt ist, besteht aber in der Regel keine direkte Sichtverbindung zum Bach, weil dazwischen dichtes Buschwerk wächst. Auch das Gelände an den Einstiegen ist meist relativ eng und etwas unbequem, wenn natürlich auch ungefährlich. Dieses Setup macht die Wahl der richtigen Jahreszeit für dieses Gebiet denn auch nicht ganz einfach. Im Winter ist's in diesem Tälchen bestimmt nicht sonderlich mild, und die Sicherungsperson friert sich im Schatten der Büsche einen ab. An der Sonne klettern tut man meist erst in der zweiten Routenhälfte. Umgekehrt im Sommer, da ist's unten zwar  durchaus angenehm, dafür aber kann man oben gebrutzelt werden. Somit sind Frühling und Herbst sicher die besten Jahreszeiten. Wir kletterten am ersten Tag in den vorderen Sektoren gleich beim Eingang ins Tälchen. Die bis zu 40m langen Routen boten besten, technisch anspruchsvollen Klettergenuss. Einige Routentipps:

Sept pas si durs! (7a): Höchst empfehlenswert, immer wieder griffige Löcher und Schuppen, gängig.
Pour toi Auguste grimpeur étoile (7b+): Knifflige Einzelstellen und Ruhepunkte, eher gutmütig.
Beurre noir (7a): Gut, aber direkt über die Haken in der Crux (sonst expo!) massiv schwerer wie 7a.

Kathrin in der Sept pas si durs! (7a), 40m Klettergenuss bis zum Top vom Cliff.
Am zweiten Tag liessen wir es uns dann nicht nehmen, rund um den Extremklassiker Bain de Sang (9a) zu klettern. Diese selber liessen wir verständlicherweise aus und vergnügten uns in den folgenden Routen:

Riff-Raff (6b): Kurz, aber alles andere als banal für den Grad, sehr technisch.
Les ailes de Mercure (7a+): Bouldereinstieg, Crux am kräftigen, trittarmen Wulst.
Odyssée (7c+): Empfehlung mit Bouldereinstieg, nachher weite Züge an guten Griffen.
L'ososcaphe à thermosiphon (7a+): Kurz, aber ein sehr kniffliges Bewegungsproblem.

Zu tun gäbe es noch viel, viel mehr und die technisch anspruchsvolle Tüftel-Kletterei in nicht ganz so steilem Gelände taugt mir auch sehr. Leider ist's für einen Tagesausflug zu weit weg für uns, aber auf dem Campingplatz in La Sarraz (mit Schwimmbad) kann man sich sehr gut installieren. A+ à St. Loup!

Fazit dieses Weekends und Graffiti am Einstieg von Bain de Sang (9a).

Dienstag, 25. April 2017

Extrem Jura

Zurück von den Kletterferien im Süden ein Blick in den Briefkasten und da ist er: der neue Extrem Jura von Sandro von Känel aus dem Filidor Verlag. Redaktionell habe ich an diesem Führer zwar nicht mitgewirkt, immerhin sind darin aber unsere Routen im Klettergebiet Gaicht am Bielersee beschrieben. Zeit für einen kurzen Blick in den Führer und eine Schilderung meiner Eindrücke.

Jetzt ist die Extrem-Reihe aus dem Filidor-Verlag komplett: Süd, West, Jura und Ost.
Im Vorwort schreibt Sandro "Felsen und Routen gibt's im Jura im Überfluss. Leider aber ist nicht jede Flue kompakt oder durch jahrelangen Kletterbetrieb sind einige Routen verbraucht. Die nachfolgend beschriebenen Klettergebiete sind eine strenge Auswahl aller Gebiete des Juras [...]. Es warten toller Fels, gemütliche Plätze und haufenweise harte Routen auf euch". Besser kann man es meines Erachtens nicht ausdrücken. Ein Auswahlführer mit allen lohnenswerten Sportklettergebieten von 6a-9a über den ganzen Jurabogen, das ist doch einmal eine echt geniale Idee. Kaum zu glauben, wie viele lohnenswerte Routen hier meiner (und deiner) Begehung harren! 

Am Sportklettern in der Gorges du Court (Extrem Jura S. 98ff)
Der Extrem Jura schliesst eine echte Lücke im Kletterführermarkt: um Topos für alle beschriebenen Gebiete zu erwerben, musste man bisher die 3 SAC-Führer für den Berner Jura, Solothurner Jura und den eigentlichen Jura kaufen, noch dazu für den südwestlichen Teil den Escalades der Gebrüder Remy. Und danach bestand immer noch eine wesentliche Lücke für den Basler Jura, wo alle früher erschienen Topos vergriffen sind und man bis dato keinerlei Führerliteratur käuflich erwerben konnte. Aus dieser Sicht spart man mit dem Extrem Jura also eine ganze Menge an Geld und Papier. Klar, in den Gebietsführern sind noch etliche weitere Gebiete von lokalem oder höchstens regionalem Interesse beschrieben. Aber eben, längst nicht jedes dieser Kleingebiete im Jura ist kompakt und für die Sportkletterei lohnend. Andererseits sind im Extrem Jura auch Gebiete enthalten, welche bisher noch nie oder noch nie in dieser Form (z.B. Rappenfels, Chestel) veröffentlicht wurden.

Auch in Eptingen gibt's ganz interessante Routen (Extrem Jura S. 352ff).
Von der Gestaltung her bezeichne ich den Extrem Jura definitiv als Meisterwerk. Er ist frei von unnötigem Ballast, aber trotzdem ist alles da, was es braucht. Trotz der Dichte an Information wirkt er übersichtlich und klar. Die Topos und Zugangsskizzen sind präzise, wie man es sich von den anderen Führern von Sandro bereits gewohnt ist. Die Bebilderung mit qualitativ hochwertigen und auch aussagekräftigen Fotos ist sehr gelungen. Jedes Gebiet und wo nötig sogar jeder Sektor sind präzise charakterisiert. Standardisiert gibt's Infos zu Kletterstil, Besonnung, geeigneter Jahreszeit, Felstrocknung und Klettermöglichkeiten bei Regen. Hier merkt man, dass Sandro alle beschriebenen Gebiete besucht und mit den lokalen Kletterern kooperiert hat. Wenn noch etwas fehlt, dann vielleicht eine Tabelle, wo diese Globalinfos zu den Gebieten kurz zusammengefasst sind, so dass die Gebietswahl vereinfacht wird. Wie auch immer, alles in allem macht der Extrem Jura ganz einfach grossen Appetit, an den Flüe in unserem nordwestlichen Landesteil ans Werk zu gehen. Besten Dank Sandro für den grossen Einsatz, man kann sich gut vorstellen, wie viel Arbeit und Herzblut in diesem Führer steckt! Hier geht's übrigens zur Bestellung: klick!

Donnerstag, 19. Mai 2016

Sportklettern in Vingelz

Pfingsten 2016, ein schwieriges Kapitel in Bezug aufs Klettern für mich. Sintflutartige Niederschläge mit über 100mm Regenmenge innerhalb von 48h hatten alle meine Projekte in der näheren Umgebung unter Wasser gesetzt und ein längerer Trip in trockenere Gefilde war dieses Mal leider nicht möglich. So galt es, alle Register zu ziehen um doch noch möglichst viel herauszuholen.

Not so bad after all... an Pfingsten scheint doch noch die Sonne, zumindest wenn man sich am Bielersee befindet.
Zur Planung sehr hilfreich sind bzw. wären genaue Karten mit der totalen Niederschlagssumme. Leider kenne ich keine Website, welche eine richtig gute Kartendarstellung mit flächiger Übersicht der aggregierten Niederschlagsmengen für beliebiges Zeitintervall bereithält. Am nützlichsten empfinde ich einerseits die Karte von meteoradar.ch, welche aber immer nur maximal die letzten 24h abdeckt und leider kein Archiv bereithält. Bei kachelmannwetter.com gibt's eine nicht ganz so schöne Karte, dafür aber doch eine numerische, flächige Darstellung und vor allem ein Archiv, wo man die tägliche Regensumme mittels einfachem durchklicken gut untersuchen kann. Das Fazit meiner Analyse war, dass in ausser für mich nicht erreichbaren Gegenden wie z.B. dem Zentralwallis vor allem im Bieler Seeland im Vergleich zu vielerorts sonst nur relativ wenig Niederschlag gefallen war (ca. 50-60mm). So entstand der Plan, einmal die Felsen von Vingelz zu besuchen, auch nachdem diese als sehr schnell abtrocknend beschrieben werden. Surft man ein wenig im Netz, so kann man diese Wahl durchaus hinterfragen, erhält das Gebiet doch allenthalben schlechte Presse. Soviel vorweg, ich teile diesen Eindruck nicht, mir hat es gefallen.

Die Regensummenkarte von meteoradar.ch, allerdings erst nach Pfingsten. Ein Archiv hiervon gibt es leider nicht...
Je weiter wir aus dem immer noch regnerischen und verhangenen Osten nach Westen fuhren, desto mehr öffnete sich der Himmel. Auf dem gebührenpflichtigen und teuren Parkplatz am Dorfrand von Vingelz  (1 CHF pro Stunde, genügend Münzen bereithalten!) schien dann bereits die Sonne vom nahezu wolkenlosen Himmel und wir meisterten mit Vorfreude die 15 Minuten Zustieg auf bequemer, breiter Waldstrasse. Erst eine Seilschaft war vor Ort, als wir am Fels eintrafen - dies änderte sich nachher zwar noch etwas, allzu gross war der Andrang jedoch nie. So hatte man beinahe freie Wahl, an welchen Touren man sich versuchen mochte. Nur beinahe, weil eben auch hier an einigen Stellen noch etwas Feuchtigkeit aus dem Fels drückte. Bis und mit dem Grad 7a war dies kaum ein Problem, betroffen waren vor allem die schweren Routen, welche durch die eher raren, überhängenden Zonen der Wand führen. Wir wollten aber nicht verzagen, zuerst galt es sowieso das Aufwärmprogramm zu absolvieren und bis danach würde möglicherweise weitere Besserung eintreten. Das war dann auch der Fall, schlussendlich litt unser Vingelz-Trip nahezu gar nicht unter dem Grossregenereignis. Nachfolgend eine Beschreibung der Routen ab 7a, welche ich klettern konnte: 

Am Fels in Vingelz. Weder hoch noch steil, aber trotzdem gut.
Boo Cheddar, 7a: Kurze, technische und senkrechte Route, wo die Musik auf wenigen Metern spielt. Kleine Löcher, schlechte Tritte und von unten ist kaum einsehbar, welcher Griff nun als nächster angezielt werden soll.

Piepmatz, 7a: Ähnlicher Charakter wie Boo Cheddar und die Routen rundherum, wobei diese hier etwas athletischer und anhaltender daherkommt. Die Moves fand ich aber echt genial, Leisten, Löcher, Untergriffe und echte Bewegungsprobleme - sehr empfehlenswert! Fand ich im übrigen deutlich härter wie Boo Cheddar, ist aber in diesen Routen oft eine Frage der Morphologie.

Minipanza, 7c: Ein kurzer, überhängender Bauch rechts aussen im Sektor mit den Kinder- bzw. Anfängerrouten. Hier hielten wir uns natürlich sowieso auf, und so konnte mir meine Tochter das erste Mal ein paar Exen in mein Projekt hängen. Viererplatte zum Auftakt mit Zwischenstand, dann eben der Bauch mit einem Boulder am Seil. Hier konnte ich gleich passieren, trotz nur wenigen Spuren ist relativ offensichtlich, wie man es anpacken muss :-)

Grip, 7c+: Nach überhängendem Einstieg an Henkeln folgt in L1 (6b) eine Sequenz, wo auf sehr glatter Platte angetreten werden muss und der Challenge darin besteht, mittels Seitgriffen und ein paar Löchern/Leisten genügend Druck auf die Füsse zu bringen. Nach dem Zwischenstand ein Bauch, der mittels kleinem Bidoigt und der Schuppe auf Schulter mit weitem Zug zu Seitgriff überlistet wird, dabei schlecht, schwer und glatt anzutreten mit den Füssen. Das bleibt so, auch beim nächsten, weiten, dynamischen Zug zur guten Untergriffschuppe. Das war's schon beinahe, an ein paar Henkeln gelangt man zum Top. Also auch ein Boulder, aber was für ein cooler!

An der Feuerstelle wurde mächtig eingeheizt, schade hatten wir keine Wurst dabei.

Facts

Der Klettergarten Vingelz hält rund 50 Routen von 4a-8b bereit, die Routenlänge beträgt meist 10-15m. Alle Touren sind gut bis sehr gut abgesichert, teils mit Klebehaken saniert, anderswo stecken noch ältere Zinkbolts, die aber in vernünftigem Zustand sind. Die Kletterei ist mehrheitlich senkrecht und spielt sich vielfach an kleinen, seichten Löchern ab. Das Gestein ist glatt, die Sache ist stehtechnisch anspruchsvoll. Abgegriffen oder nicht, das ist hier die Frage: glatt und reibungsarm war der Fels hier sicher von Beginn weg, daher hat sich wegen der Spuren kaum viel geändert, mich hat die teilweise vorhandene Patina nicht gestört. Aber vielleicht bietet sie eine gute Ausrede, wenn es mit den Begehungen sonst nicht so klappt ;-) Ich fand die Routen wirklich lohnend. Klar, kein Ausdauergelände an guten Griffen, sondern stets knifflig und bouldrig interessant, Fingerkraft an kleinen Griffen,  Kreativität und Fusstechnik verhelfen zum Erfolg, typisch Jura halt. Der Klettergarten ist als sehr kinderfreundlich zu bezeichnen, das Gelände an den Einstiegen ist flach, der umgebende Wald ungefährlich und gut als Spielplatz zu nutzen. Eine Feuerstelle besteht ebenfalls bereits. Die Wand ist nach SSE ausgerichtet, mit einem Laubwald davor. An warmen Wintertagen mag es hier kletterbar sein, wobei man sich am Einstieg und in der ersten Routenhälfte meist im (Halb)schatten befindet. An warmen Sommertagen brennt die Sonne v.a. im oberen Wandteil sicherlich zu fest rein. Dann ist es ein taugliches Gebiet für abends, da die Wand ab Mitte Nachmittag am Schatten liegt. Ideal sind sicherlich die Übergangszeiten im Frühling und Herbst, zumal die Wand bloss auf 560m Höhe liegt.