In der östlichen Südwandplatte an der Schafbergwand habe ich inzwischen schon einige Kletterspuren hinterlassen, dies mit der Erstbegehung der XL und den umfassenden Sanierungen bzw. der Neukonzeption vom Garten Eden und den Galoschen des Glücks. Meine Vorliebe für die Schafbergwand kommt nicht von ungefähr: wo sonst gibt es solch gut zugängliche, sowohl früh wie spät im Jahr kletterbare MSL-Routen im Bereich 6b-7a mit interessanter, technischer Kletterei an sonniger Lage, in einem perfekt rauen Kalk mit hervorragender Reibung?!? So gut wie nirgends, eben...
Globi der Felsenputzer in Aktion. Was macht man nicht alles, um den Kletterern auf einer tollen Linie ein schönes Erlebnis zu bieten. |
Die Geschichte der Blues begann eigentlich am letzten Bohrtag in den Galoschen des Glücks. Schon seit langer Zeit war rechts davon im Kletterführer noch der Beginn einer Linie markiert, welche mit "altes Projekt" gekennzeichnet war. Beim Abseilen konnten wir uns einerseits davon vergewissern, dass sich rechts der Galoschen noch eine komplett eigenständige Linie mit interessanter Kletterei in prima Fels legen liesse. Andererseits beschränkte sich das alte Projekt auf nur gerade 3 Bohrhaken. Einer davon steckte in der heutigen L2, etwas neben der von uns schliesslich gewählten Linie. Ich vermute, dass sich diese 7a-Platte den Urhebern des Projekts als zu schwierig erwies. Zwei weitere Bolts stecken nämlich am Anfang der heutigen L3, diese Stelle wurde sicherlich mit einer Umgehung durchs Gemüse oder andere Routen nebenan erreicht.
Gut geputzt ist denn auch halb geklettert ;-) Bzw., so wird der Sack effizient vor Diebstahl geschützt! |
Zur Tat geschritten wurde dann an einem schönen Sommertag im August 2016. Zusammen mit dem SAC-Führerautor und Lokaldoyen Werner Küng startete ich frühmorgens, denn einerseits waren auf den Nachmittag heftige Gewitter angekündigt, andererseits riefen mich Termine schon zeitig nach Hause. Trotzdem, der Startschuss wollte gesetzt sein, aber es stellte sich die Frage, wie viele Bohrhaken und Akkukapazität wir denn mitführen sollten. Wir beschlossen in weiser Voraussicht, in dieser Hinsicht grosszügig zu sein. Denn einerseits lösten sich meine Terminverpflichtungen in Luft auf (bzw. konnten während einer Bohrpause von unterwegs geregelt werden, den mobilen Kommunikationsmitteln sei Dank!), andererseits blieb der Himmel blau, von den angekündigten Gewittern keine Spur. So gelang es tatsächlich, die gesamte Linie an einem einzigen Tag zu erschliessen, wobei ich am Ausstieg den wirklich allerletzten Bolt mit dem letzten Quäntchen Akkustrom versenkte. Das isch emal e Planig!!! Nicht ganz auf der Rechnung hatten wir dabei das Blitzgewitter, welches sich übel von hinten anschleichend beim Abseilen über uns ergoss. So trotteten wir zwar schlussendlich doch wie begossene Pudel von dannen. Allerdings nur im wörtlichen Sinne, denn es war ein grandioser Klettertag gewesen und das Herz lachte.
Was noch blieb, war das Rotpunkt-Business, sowie einige Zusatzarbeiten an Linie und Absicherung. Zwei Monate nach dem Bohren konnten wir dies am 16. Oktober 2016 an einem strahlenden Herbsttag erledigen. Mit grossem Eifer wurden wo nötig Griffe geputzt, die wenigen losen Steine entfernt und die Absicherung vervollständigt. Ebenso konnte ich die Route befreien, d.h. es glückte mir ein komplett sturzfreier Gesamtdurchstieg im Rotpunktmodus. Insbesondere bei der zweiten Seillänge war ich mir alles andere als sicher, ob dies so einfach möglich wäre. Bei einer 7a auf Reibung bewegt man sich einfach an der Haftgrenze und bereits ein kleiner Fehler kann einen abschütteln. Das liess sich jedoch vermeiden, so galt es noch bis ans Routenende konzentriert zu bleiben. Nachdem die Route noch im Herbst für wertvolle Feedbacks von einigen Freunden und Bekannten wiederholt werden konnte und der Winterpause ist nun die Zeit zur Publikation gekommen. An der Schafbergwand geht die Saison nämlich bereits los!
L1, 50m, 6b+: Der Einstieg befindet sich am tiefsten Punkt der Felsen bei der östlichen Südwandplatte, am selben Ort (bzw. unmittelbar rechts) vom Sandührliweg. Er ist aktuell angeschrieben. Von dort geht's in anregender Plattenkletterei durchgehend im 6a-Bereich in die Höhe. Eine Stelle in der Mitte ist kniffliger zu lösen. Erst ein bisschen grössenabhängig, danach will die richtige Lösung erkannt werden, ca. 6b+. Der Stand dann auf dem grasigen Band.
L2, 40m, 7a: Es folgen zuerst 10m Zustieg in einfachem Gelände zur Knallerplatte mit der Crux. Die ersten 20m sind anhaltend schwierig. Angetreten wird meist auf Reibung, für die Hände gibt's aber durchaus die eine oder andere Leiste, hin und wieder einen Sloper und vor allem ganz viele seichte Löcher, wo man sich wünschen würde, dass sie doch nur ein bisschen griffiger wären. Gute Henkel fehlen hingegen komplett und auch das Erkennen der richtigen Lösung ist schwierig - wobei es vermutlich auch mehr als nur 1 Lösung bei ähnlichen Schwierigkeiten gibt.
Die extrem kompakte Knallerplatte in L2 (7a) von unten... |
...und von oben. Hinter uns sind uns bereits die ersten Wiederholer auf den Fersen. |
L3, 40m, 6b: Vom Stand auf dem bequemen Grasband geht's zuerst an fantastisch wasserzerfressenem Fels aufwärts. Ich würde das als eine sehr schöne Genusskletterei bezeichnen, bis auf die letzte Seillänge dürfte es sich um die einfachste Sequenz handeln. Das Finish der Länge dann kurz etwas mehr von der Vegetation durchzogen, an 2 Sanduhren gesichert zieht man etwas nach links hinaus zum Stand in bequemer Nische.
Dieselbe Stelle in L3 (6b), von welcher weiter oben das Bild vom Einbohren stammt. |
L4, 40m, 6c: Immer geradeaus auf fantastischen, kompakten Platten. Diverse bouldrige Stellen wechseln sich mit bequemen Rastpunkten ab, wo es wieder bessere Tritte hat. Dieser Fact ist ein wesentlicher Grund, warum die Route so schnell eingebohrt werden konnte, liessen sich die Haken eben immer wieder aus kraftsparender Position setzen, bevor die nächste schwierigere Stelle gemeistert werden musste.
L5, 40m, 6c+: Der Auftakt zu dieser Seillänge hat es gleich in sich und wartet mit einer kniffligen Stehpassage und seichten Wasserrillen auf. Nach den ersten 10m kann man dann Fahrt aufnehmen, ein paar unerwartet auftauchende Löcher geben gute Griffe her. Nur muss man dann schauen, dass der Elan nicht kurz vor dem Top gestoppt wird. Hier hat sich noch eine knifflige, zwingende Passage ergeben (sehr gut abgesichert, ein Sturz ist absolut harmlos, A0 jedoch nicht möglich). Es geht aber schon...
Das ist die knifflige Stelle gleich zu Beginn von L5 (6c+). Bolt klippen und fein durchmoven! |
Seitenblick aus den Galoschen des Glück auf dieselbe Passage am Anfang von L5 (6c+). |
L6, 30m, 6a: Sollen wir oder sollen wir nicht? Das hatten wir uns bereits gefragt, als wir die Galoschen des Glücks sanierten, welche wenige Meter links vom fünften Stand der Blues enden. Nämlich eine letzte Seillänge hinzufügen, welche nochmals gemütliche Moves in plattigem Fels bietet, bevor oberhalb dann definitiv nur noch Legföhren kommen. Wie man sieht, dieses Mal haben wir es gemacht - die Seillänge lässt sich übrigens auch als Finish der Galoschen des Glücks klettern.
Toller Fels und richtig gute Kletterei bis ganz nach oben! |
Nach getaner Arbeit gleitet man mit 6 Abseilmanövern (2x50m-Seile nötig!) wieder zurück an den Einstieg. Die Standplätze sind dafür ausgerüstet, je nach Gegenverkehr kann bzw. soll man auch solche der benachbarten Routen in Erwägung ziehen. Was die Bewertungen betrifft, so herrscht unter den bereits erfolgreichen Begehern so etwas wie ein Konsens vor. Wie schwierig das aber in der Praxis sein kann, zeigt folgendes Beispiel: Werner und ich sind die Cruxlängen von Galoschen und Blues gemeinsam und auch mit derselben Methode angegangen. Mir fällt jene der Galoschen deutlich schwerer, ich würde dort ein "+" (d.h. einen halben Grad) höher bewerten als in der Blues. Werner sieht das hingegen genau andersrum. Daher gelten nun beide Längen als 7a, was als ungefährer Richtwert bestimmt zutrifft. Die Denkweise, dass es den einzigen, korrekten Grad für jede Seillänge gibt, trifft einfach nicht zu. Schon kleine Unterschiede in Bezug auf die körperlichen Gegebenheiten (u.a. Grösse, Beweglichkeit, usw.) können zu einer anderen Wahrnehmung führen. Plus hin oder minus her, jedenfalls wünsche ich allen Wiederholern viel Spass an der Schafbergwand.
Facts
Schafbergwand - Blues in my Shoes 7a (6b+ obl.) - 6 SL, 240m - Dettling/Küng 2016
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Keile/Friends nicht nötig
Eine lässige Route durch die östliche Südwandplatte, welche über weite Strecken technische Kletterei über Steilplatten in fantastisch rauem, kompakten Fels bietet. Wie in den anderen Routen am Berg klettert man auch hier ab und zu an einem Grasbüschel vorbei oder bezieht Standplatz im Grünen. Das alles ist dem Genuss jedoch kaum abträglich. Wie alle anderen auch ist diese Route besonders wertvoll, weil die tiefe (~1500m) und sehr sonnige (Expo SSE) Lage ein MSL-Klettern bis spät in den Herbst sowie bereits an den ersten Frühlingstagen erlaubt. Die Route ist gut mit rostfreien BH abgesichert, trotzdem will der eine oder andere nichttriviale Plattenmove obligatorisch gemeistert sein. Der Anspruch ist dabei ähnlich wie in meinen anderen Linien XL, Galoschen und Garten Eden.
Topo
Hier gibt es das komplette Topo zum PDF-Download.
Hi Marcel.
AntwortenLöschenDanke für deinen Einsatz. Denkst du, die Bedingungen sind dieses Wochenende schon gut?
Lg
Hallo Adi,
LöschenIch bin nicht 100% sicher, da ich weder selber vor Ort war, noch von jemandem gehört habe, der vor Ort gewesen wäre. Kann mir aber kaum vorstellen, dass es aktuell an der SBW nicht gut zum Klettern sein sollte. Die Webcam vom Chäserrugg:
https://chaeserrugg.roundshot.com/
gibt einen idealen Blick in das Gebiet. Das scheint mir schon sehr weiträumig um die SBW herum und auch viel höher hinauf schneefrei zu sein.
Viel Spass!
Marcel
Hi Marcel. Vielen Dank für den Link. Waren gestern bei besten Bedingungen ganz alleine an der SBW . Wir hatten den Blues gefühlt und ich konnte mir ne OS Begehung der Linie abholen. Wirklich eine sehr schöne Tour. Danke euch vielmals für die Arbeit. Persönlich fand ich die SSL mehr als nur 1 Grad schwerer als den Rest. Evtl war ich aber auch noch nicht warm gelaufen.
LöschenHoi Adi,
LöschenSuper, gratuliere! Freut mich sehr, dass es euch gefallen hat.
Lieber Gruss, Marcel
Hoi Marcel,
AntwortenLöschenZuerst vielen Dank an euch beide für die tolle Route, welche ihr gefunden/eingerichtet habt.
Nachdem wir euch vor einem Jahr zufällig bei der Rotpunkt-Begehung von der 'Galoschen des Glücks' aus beobachten konnten, sind wir gestern die Route nun auch geklettert.
Sie hat mir sehr gut gefallen; Tiptop ausgerüstet und dein Bericht finde ich auch treffend.
Einzig die letzte Seillänge fand ich deutlich weniger schön wie der Rest und etwas unangenehm und schwerer als 6a (vielleicht bin ich auch falsch geklettert).
Die Crux-SL fand ich auch etwas weniger schwer als diejenige von Galoschen des Glücks; 7a passt aber schon. Dort habe ich leider mein Onsight vergeben (der Rest war ok); schön war's natürlich trotzdem.
Lieber Gruss
Hans