Der Bettlerstock, am Sonnenhang vom Brunni oberhalb von
Engelberg gelegen, ist nicht einfach ein Stock. Sondern im Prinzip ein ganzes
und bei näherem Hinsehen ziemlich komplexes System von Türmen. Hier hatten die lokalen
Bergführer zwei Übungstouren eingerichtet, welche überschaubar sind, kurze
Seillängen sowie gute Absicherung aufweisen und damit ein ideales Ziel für
Familien und Einsteiger hergeben. Eine weitere Attraktion gerade für Kinder
sind die zahlreichen Spielplätze und Animationen im Gebiet, aus dem Globibuch
alles bestens bekannt. Somit war es immer Projekt, hier einmal zu klettern und
sich in Engelberg nicht nur dem Schlänggen oder den alpinen MSL-Hämmern
hinzugeben. An einem Tag, wo mein Körper nach diversen MSL-Eskapaden und dem
Boulderwettkampf etwas aktive Erholung brauchte, war es dann soweit.
Der Bettlerstock prominent von SE gesehen. Die hier beschriebenen Klettereien spielen sich auf der Rückseite ab. |
Per Gondel und Sessellift geht’s für 60 CHF bequem zur Brunnihütte (retour mit Halbtax für die ganze Familie). Nach
einem Shakehands mit Globi persönlich geht’s auf den auf dem Papier nicht allzu
langen Zustieg. Das trifft mit rund 200 Höhenmetern global schon zu, allerdings ist der Rücken vom
Rosenbold hinauf weglos und für die Kleinen nicht ganz so angenehm zu gehen.
Aufgrund der sengenden Sonne waren einige Trinkpausen nötig, wir brauchten
länger als die veranschlagten 30 Minuten und würde man die Kinder fragen, so
würden sie die Länge des Zustiegs bestimmt als «megaweit» bezeichnen. Vor Ort
gibt’s dann so viele Türme, dass kurz die Frage aufkam, wo denn überhaupt
eingestiegen werden muss. Ganz westseitig ist dies der Fall, die Seillängen am
ersten Turm verlaufen sogar komplett nordseitig. Dies gibt auch vor, dass die
Routen sich eher für den Sommer und Herbst eignen.
Auf diesem Bild sind die schnuckeligen 3 Türme sichtbar (von Turm 1 jedoch nur der Gipfelbereich). |
Angenehm im Schatten konnten wir uns aufschirren und es
stellte sich die Frage, wie wir denn die Route angehen würden. Bisher waren wir
als Familie stets in einer einzigen Seilschaft geklettert, mit Papa im Vorstieg
und 3 NachsteigerInnen. Diese beiden parallel verlaufenden Routen sollten nun
aber in 2 Seilschaften angegangen werden – fragte sich nur noch, wer mit wem
klettert. Die Kinder hatten dafür eine eindeutige Antwort parat. Die Tochter
steigt bei Papa nach, während der Sohn vorsteigen «muss», damit Mama ebenfalls
nachsteigen kann. Jedem Gender Equality Freak werden wohl die Haare zu Berge
stehen, aber offenbar ist der Vorstieg Männersache, das ist schon für die
Kleinen glasklar. Der Vorstieg in der mit 4c bewerteten Route schien mir rein nach Papierform noch eine ziemliche
Herausforderung. Aber mit der derart wichtigen Aufgabe der Seilschaftsführung
betraut, gab es weder Zögern noch Zaudern – es gab ja auch «keine Alternative»
für ihn. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die Routen mit Hakenabständen von
1-2m wirklich bestens eingebohrt sind. Die Standplätze liegen immer direkt
nebeneinander, die Seillängen teilweise auch, so dass eine überwachende und
helfende Hand aus der Nachbarroute wenn nötig präsent ist.
Team Vorstieg am Werk am Fuss von Turm 2. |
So anfängertauglich das Setup ist, für die Gesamtunternehmen
trifft dies nicht ganz uneingeschränkt zu. Der Fels an den Türmen ist
grossblockig-steil-griffiger Kalksandstein, mit allen Vor- und Nachteilen
welche das für Einsteiger und Kinder mit sich bringt. Die Felsqualität ist gut
aber nicht überragend, loses Material wurde jedoch beim Einrichten
weitestgehend ausgeräumt. Zu berücksichtigen ist, dass die Kletterei eine Mischung
zwischen Wand und Grat präsentiert. So muss von Turm 2 sogar etwas abgeklettert
werden und auch der Wechsel von Turm 3 an den Bettlerstock ist etwas alpin. Während
man die Kletterei von den Türmen 1-3 zu Fuss wieder verlassen kann, so muss vom
Bettlerstock dann zwingend exponiert über die Südwand und damit abseits der
Aufstiegsroute abgeseilt werden. Achtung, hierfür ist 1x50m-Seil und
Bereitschaft dieses voll auszunutzen das absolute Minimum (besser 1x60m). Somit
ist es meines Erachtens sehr zu empfehlen, wenn hier eine in Bezug auf
Seilhandling und alpiner Strategie kompetente Begleitperson dabei ist, auch
wenn die Kletterei an sich tauglich für Einsteiger und Kinder ist – die Komplexität
dünkt mich einfach deutlich grösser, als beispielsweise einer Plattenroute in
Ponte Brolla.
Proud alpinist with a very important task! |
Nun denn, wir konnten das ganze Unternehmen erfolgreich und
mit grossem Spass bestreiten. Wieder
zurück zu den Attraktionen im Brunnigebiet, hiess danach die Devise. Vom
Kitzelpfad zum Badespass bis zum Melken einer Kuh-Attrappe wird da auch fast
alles geboten. So konnten wir uns dann am nächsten Tag wieder dem Runterfallen
in unseren Schlänggen-Projekten widmen. Während es für die Eltern ausser
heissen Fingern und müden Armen wieder einmal nichts zu ernten gab, so fiel bei
den Kindern der erste stilreine (Toprope-)Durchstieg einer Schlänggen-Route. Einerseits
die nichttriviale 6a durchgezogen und andererseits ein Vorstieg für Mama, wo
wird das bloss noch hinführen?!?
Wenige Meter vor dem Hauptgipfel am Bettlerstock. Hinten in der rechten Bildhälfte sind die Türme sichtbar. |
Bettlerstock - Kletter Lernpfad & Mungg 4c (4a obl.) - 6 SL, 150m - Krummenacher/Perret 2016
Material: 1x50m oder besser 1x60m-Seil, 8 Express
Familien- und Ausbildungstouren mit überschaubaren, kurzen Seillängen und sehr guter BH-Absicherung bei Abständen von 1-2m. Die Kletterei führt durch griffig-steilen Kalksandstein, dazwischen gibt's einige grasige Verbindungsstücke. Während man die Route an den Türmen 1-3 jederzeit zu Fuss verlassen kann, erreicht man zuletzt mit dem Bettlerstock einen richtigen Gipfel, wo man nur noch per Abseilen nach unten gelangt. Trotz der ziemlich einfachen Kletterei und der guten Absicherung ist daher und wegen dem teilweise gratartigen Charakter der Kletterei anzuraten, dass mindestens eine Person mit einer gewissen Erfahrung im Seilhandling mit von der Partie ist. Ein Topo und nähere Information findet man hier.
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