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Montag, 6. Juli 2020

Teufelstalwand - Alpentraum (7a)

Endlich wieder einmal reicht es Kathrin und mir für eine gemeinsame MSL-Tour. Unter leicht erschwerten Bedingungen allerdings, weil wir erst noch Arbeiten müssen, können wir erst am späten Vormittag los. Unser Plan A spielt sich am Klausenpass ab, doch der Blick von Altdorf hinauf heisst wie schon vermutet nichts Gutes: alles ist dick in Quellwolken eingehüllt und in der Nebelsuppe zu schlottern macht keinen Spass. Die Alternative ist sofort zur Hand, die Teufelstalwand ist ebenso zügig zu erreichen und ein optimales Ziel für eine Kletterei an einem Juni-Nachmittag mit stabilem Wetter. Nachdem ich schon Laura (7a), Wilde 13 (7b) und das Pissoir du Diable (6b) hatte klettern können, ist dieses Mal der Alpentraum (7a) die logische Wahl. Und die entpuppt sich als absolut genial - super Kletterei von Weltklasse-Zuschnitt, wirklich eine Traumkletterei für den ganzen Alpenbogen, dazu perfekt mit BH gesichert. Definitiv die Route, die mir an der Teufelstalwand bisher am besten gefallen hat.

Die Teufelstalwand rückt ins Blickfeld. Zuerst heisst es aber, ins Inner Teufelstal an den Einstieg zu kommen...
Da wir eher spät unterwegs sind, spielen wir mit dem Gedanken, für dieses Mal eine Bewilligung zu lösen, damit wir die Bergstrasse von Nätschen Richtung Gütsch befahren können. Allerdings hat über Mittag das Tourismusbüro gleich beim Bahnhof in Andermatt geschlossen und bei der Kooperation Urseren ist auch niemand erreichbar. Einmal beim Fahrverbotsschild oberhalb des Bahnhofs angelangt sehen wir dann, dass man auch per Smartphone (mit Twint-App) bezahlen kann. Die Taxe beträgt allerdings satte 30 CHF, was uns für die wenigen eingesparten Höhenmeter dann doch zu viel an Obulus ist. Wir stationieren unser Mobil an dieser Stelle, laufen ein paar Minuten nach 13.00 Uhr los und wählen den Zustieg durch den Kirchbergwald. Folgt man den Pfaden gemäss Karte, so ist ein Höhenverlust von 60hm nicht zu vermeiden. Da im Gelände (vorerst) direkte Pfadspuren locken, versuchen wir eine Abkürzung. Diese gelingt und vermeidet den Höhenverlust, erfordert aber teilweise etwas Bushwhack und ich bin mir nicht sicher, ob ein Zeitgewinn resultierte. Wobei, wenn mehr Leute so gingen und jemand vielleicht einmal noch eine Heckenschere mitnehmen würde, hätten wir den ideal-effizienten Zustieg. Einmal auf dem Tüfelstalboden heisst es dann, weitere 100hm zur Abseilstelle zu vernichten. Für den ersten 45m-Abseiler müssen wir selber das Seil einfädeln, nachher war ein Fixseil vor Ort, so dass wir zügig und ohne Seilverhänger-Sorgen in die Schlucht gelangten. Super wäre es, wenn jemand für den ersten Abseiler auch noch ein Fixseil platzieren könnte (wenn man das jeweils im Voraus wüsste...). Der Bach war problemlos zu überqueren, jenseits querten wir, stellenweise sumpfig und mit Fixseil gesichert, horizontal zum Einstieg. Um 14.00 Uhr konnte der Startschuss fallen.

Auch von näher hat die Wand nicht ganz auf dem Apparat Platz. Man sieht den Verlauf ab L2 bis zum Ausstieg.
L1, 35m, 6a: Schöne Wandkletterei mit ein paar kniffligen Stellen, z.B. fordert ein erster kurzer Piaz, dann eine leistige Rechtsquerung an einem Aufschwung, bevor es einfacher über eine Verschneidung bzw. Rampe zum Stand geht. Gar nicht mal so einfach für eine 6a!

Dem Teufelstal wieder entronnen - auf der Rampe am Ende von L1 (6a).
L2, 25m, 6c: Sehr schöne Sequenz! Der Blick auf die steile, sehr eng gebohrte Piazverschneidung lässt etwas befürchten, das ist ja bekanntermassen nicht mein favorisierter Kletterstil. Schlussendlich ist es gängiger als gedacht, der Riss ist meist recht tief und scharf geschnitten, zum Treten ist auch nicht alles glatt. So fordert vor allem eine kurze Stelle, wo der Riss etwas mehr geschlossen ist und später dann der Wechsel von Layback zu Stem. Nach diesem strengen Auftakt geht es dann etwas gemütlicher und griffiger, aber nie leicht oder langweilig etwas rechtshaltend voran.

Ausblick auf die geschlossen wirkende Verschneidung mit Voll-Piaz in L2 (6c) - geht aber gut!
L3, 25m, 6c: Hier folgt die Route einem hammermässigen Splitter-Crack, das weckt viel Vorfreude. De visu sieht er weder sehr lang noch sehr schwierig und erst noch komplett eingebohrt aus. Einmal darin engagiert, ändert sich die Wahrnehmung dann durchaus: es ist steil, der Riss hat (für mich) gerade die ungünstige Thin Hands Dimension (d.h. die Finger klemmen nicht richtig und die Hand passt kaum rein, so dass sie ebenfalls nicht klemmt), alles ist etwas flutschig und zum Treten gibt's auch nix, die Füsse im Riss zu verklemmen ist die Devise. So war das für mich definitiv eine der anspruchsvollsten Stellen der Route, in der 7a und der 6c+ weiter oben konnte ich deutlich relaxter passieren. Die Absicherung mit BH ist wie erwähnt prima, dennoch dünkte mich der Klipp des zweiten Bolts aufgrund der labilen Position etwas risky - wenn der in die Hose geht, so hätte es wohl schon Weh getan. Mit einem Cam (wohl 0.75) könnte man das entschärfen. Damit nicht fertig, der Riss entwickelt sich zu einem Flared Slot, wo dann zum Glück auch noch ein paar "normale" Griffe auftauchen und weiterhelfen. Juggy geht's weiter über den Steilaufschwung, bevor man an einer letzten Piazverschneidung anpackt.

Ausblick auf den Splitter Crack in L3 (6c) mit den nachfolgenden Slot - alles länger, steiler und schwieriger, wie es aussieht!
Die Gegenperspektive - auch am Ende von L3 (6c) darf nochmals herzhaft, wenn auch einfacher gepiazt werden.
L4, 40m, 6b: Tolle Turnerei durch die grosse Verschneidung. Unschwierig gelangt man zum Kerzendepot im Biwak, danach geht's anhaltend in die Höhe. Der Riss im Verschneidungsgrund ist sehr breit, knieklemmend könnte man oft No-Hand-Rasten. Obwohl das Gelände aus Distanz sehr gleichbleibend aussieht, so sind die Moves äusserst abwechslungsreich. Einmal bietet die Wand links Leisten, hin und wieder kann man gut spreizen, dann piazt man an der Kante oder benutzt die Henkel, welche gut verkeilte Blöcke im Grund der Verschneidung bieten - super Fun! Erwähnenswert: hier sind die Hakenabstände im Vergleich zu manch anderer Seillänge spürbar weiter ausgefallen. Zum Abschluss gibt's dann ein henkliges Dach und dann - links draussen, ein letzter Piaz-Move.

Falls es nötig wäre... wobei es bei einem der meist bequemen Stände sicher angenehmer wäre als in dieser Nische.
L5, 30m, 6a: Vorerst gemütlich klettert man genussreich und spektakulär an Rissen und später spreizend mit der Wand des markanten Turms, welchen man fast, aber dann doch nicht ganz ersteigt. Die Crux folgt mit dem Wechsel vom Turm an die Wand. Die Absicherung ist auch hier gut, aber trotzdem sollte der Vorsteiger es im Griff haben, das Sturzgelände wäre da ungut. Rechtshaltend geht's dann gutgriffig durch die Wand, resp. an kleinen Verschneidungen zum Stand. Insgesamt wieder einmal eine 6a, die gar nicht mal so einfach ist.

Der Turm in L5 (6a), sicher nicht für die geologische Ewigkeit gemacht... 
L6, 40m, 7a: Die Cruxlänge, was für ein Gerät, megagenial! Gleich etwas knifflig geht's aus dem Stand raus, wobei der Abstand zum zweiten BH leicht allegro ist. Dort kann man wieder etwas durchschnaufen und nun in der seichten Verschneidung meist auf Gegendruck vorwärtsmoven, wobei dank ein paar besseren Griffen oder Tritten immer wieder einmal geschüttelt werden kann. Als nächstes auf dem Programm steht eine kräftige Untergriffquerung, zu deren Abschluss man sich knifflig nach rechts auf eine geneigte Rampe (Rastpunkt) drücken muss. Mit einem Spannweitenzug gelangt man wieder nach links ins das Riss-/Schuppensystem, das man schon zuvor benutzt hat. Dieses wird steiler, die Griffe/Kante werden tendenziell nicht besser/runder, die Kletterei ist anhaltend. Doch an der entscheidenden Stelle bietet dann wie von Zauberhand die Wand plötzlich etwas Struktur, so kann gecrimpt und schlau angetreten werden und die Thank-God-Jug rückt hoffentlich in Reichweite, bevor dem Kletterer der Saft ausgegangen ist - supercool! Ganz final wartet dann noch eine feine Rechtsquerung, dem Bolt sei Dank macht der Vorsteiger diese im Toprope und profitiert vom Gewicht des Seils, was die Sache fast banal macht - würde man hier 3m über der letzten Sicherung klettern, so hätte der Balancy-Move bestimmt eine andere Dimension.

Auch wenn es in der Cruxlänge (L6, 7a) weiterhin Risse, Schuppen und Verschneidungen hat, so herrscht insgesamt doch mehr Wandklettercharakter vor. Wie man sieht, ist die Felsqualität hier super - der Granit orange beinahe wie in Chamonix und doch auch ordentlich strukturiert. Sonst ist das Gestein an der Teufelstalwand doch vielerorts eher grau-grün-schwarz, mit weniger Reibung und Struktur.
L7, 20m, 6c+: Von unten sieht diese Länge ein wenig nach dem Teflon Corner der Teufelstalwand aus, viele andere Berichte schreiben von technischer Kletterei. Aber schlussendlich ist die Sache für mich doch ganz anders wie erwartet. Es hat viel mehr Griffe wie gedacht, gestemmt wird nur wenig, man movt viel mehr athletisch im Piaz oder an Leisten, wobei ich mich bei einer ganz entscheidenden gefragt habe, wie diese genau an der richtigen Stelle in die Wand gezaubert wurde... Nach etwas Antreten im Verschneidungsgrund steht man schliesslich unter der finalen Untergriffschuppe, wo mit den Füssen auf Gegendruck nach links in die steile Wand gequert wird: tricky Auftaktmove, dann kurz dranbleiben, mal kurz den Bizeps spannen oder mit Dynamo auf den Sloper patschen und ein Mantle - das ging viel müheloser wie erst gedacht. Eine total geniale Sequenz, zudem sehr eng mit Bolts ausgestattet.

An Untergriffen Druck auf die Reibungstritte bringen und einen weiten Move patschen heisst es am Ende von L7 (6c+)
L8, 20m, 5c: Kurzes Überführungsstück, immer griffig und tendenziell auch etwas piazig der Verschneidung entlang - für einmal wirklich eine gemütliche Sache. Zum Schluss in speziellem, schiefrigem Fels nach rechts raus. Wer mag und genügend Exen mitführt, kann diese Sequenz problemlos an L7 anhängen.

Seitenblick zu unseren Nachbarn in der Laura (7a). Da geht's nicht ganz so schnell vorwärts...
L9, 25m, 6c: Erst links an der griffigen Schuppe, dann eine Hangelquerung entlang der Ameisenstrasse, bevor ein Mantle auf's Band vor der entscheidenden Verschneidung führt. Gemütlich lässt diese einen an sich ran - Griffe und Tritte, alles da. Doch zu früh gefreut, plötzlich wird es doch noch herb! Der Riss verengt sich, die Tritte schwinden. Schon powerig erreiche ich ziemlich ausgestreckt einen Untergriff. Nun heisst's aber noch, mit den Füssen einen verwirrenden Tanz auf dem glatten Parkett hinzulegen, bevor Finger und Arme ihren Dienst quittieren. Da war ich doch plötzlich und etwas unverhofft am Limit, dank einem kreativen Dropknee an der Verschneidung und dem Risiko-Flucht-nach-vorne-Schalter, der sich betätigen liess, ging es auf. Geil-o-mat - wäre auch schade gewesen, hier noch den Komplett-Onsight zu vergeigen! Zuletzt dann deutlich nach rechts und easy in einer gestuften Verschneidung zum Stand.

Sieht gutmütig aus, aber ab dieser Position gilt es nochmals ernst - der Onsight-Spoiler wartet in L9 (6c).
L10, 45m, 5a: Gemässigte, plattige Kletterei über teils etwas flechtige Platten und bucklige Aufschwünge, wobei immer mal wieder ein Henkel oder ein abgesägter Baumstumpf einen guten Griff hergibt. Am schwierigsten sind die letzten Moves zum Stand hinauf - gut verlängern hilft hier sicher, um potenziellen Seilzug einzudämmen.

Die letzte Länge (L10, 5a) hat plattigen Charakter und ist zwar lang, aber zügig erledigt. Passt dann zu diesem Zeitpunkt!
Um 18.45 Uhr und somit nach 3:45h begeisternder Kletterei sind wir am Ausstieg. An sich wäre der Platz superbequem um sich der Lektüre des Routenbuchs zu widmen, wo sich schon viele zufriedene Begeher eingetragen haben. Allerdings hat es viele Ameisen, welche ganz gierig darauf sind, endlich wieder einmal einen Menschen besteigen zu können. So gibt's nur kurz ein Guetsli für uns, sowieso sollten wir langsam abdampfen, damit wir daheim sind wenn die Kinder von ihren Trainings zurück kommen und um sie ins Bett zu stecken. So hampeln wir wie üblich die Fixseile hinauf, wie jedes Mal bisher fahren diese 'unnötigen' 150hm Aufstieg wenn man doch eigentlich heim und hinunter wollte nochmals in die Beine. Später dann querend, durchs Couloir absteigend und nochmals querend gelangen wir zur Strasse und über diese zurück zum Nätschen (Zeitbedarf ca. 45 Minuten). Höchst zufrieden über diese absolut geniale Tour zuckeln wir über die angenehm leeren Strassen heim.



Facts

Teufelstalwand - Alpentraum 7a (6b obl.) - 10 SL, 310m - Würsch/Linder 2011 - *****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, evtl. Cam 0.5/0.75

Weltklasse, da gibt es keine Zweifel! Fels und Kletterei im Alpentraum überzeugen auf der ganzen Linie, die Schwierigkeiten sind anhaltend, homogen und die Moves abwechslungsreich, das Ganze auf einer logischen Linie, die geradlinig gen Himmel zieht. Hingehen und Klettern, kann man da nur sagen. Mitnehmen muss man nur 14 Exen, da die ganze Route mit zahlreichen Inoxbolts ausgestattet ist. In gewissen Passagen stecken diese sehr eng (xxxxx), bei anderen (auch schwierigen Stellen) ist der Anspruch dann aber doch wieder etwas höher und man muss auch zwischen den Haken etwas bieten (xxxx). Alles in allem aber eine richtige Clip & Go Kletterei, einfach zum Geniessen. Und ich muss sagen, mir hat das enorm Spass gemacht - viel mehr als in den cleanen Trad-Routen nebenan, wo man sich erst mordsschwer mit Gear behängt, nachher mehr am Rumfummeln als am Klettern ist und sich beständig die besten Griffmöglichkeiten mit Cams blockiert. So erstaunt es natürlich auch wenig, dass ich den Alpentraum trotz auf dem Topo ähnlichen Schwierigkeiten als viel einfacher wahrgenommen habe als die Trad-Routen links - man kann viel schneller und offensiver klettern, die mentale Komponente spielt möglicherweise zusätzlich eine Rolle. Insgesamt dünkte es mich, dass der Alpentraum mehr ein Fall von 6b anstatt 6c obligatorisch ist - trotzdem soll man die Route nicht unterschätzen, insbesondere da ein Rückzug in die Schlucht zwar problemlos wäre, der Ausweg aus dieser aber schwierig zu finden, mühsam und nicht ungefährlich ist.

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