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Mittwoch, 1. Juli 2020

Ofen - Indianerpfeiler (6b+)

Der Indianerpfeiler markiert eine der ersten, modern geprägten Routen durch die Hauptwand am Ofen. Auch wenn keine extremen Schwierigkeiten warten, so wurde hier 1983 doch mutig in die kompakten Wandzonen hinein geklettert. Im Laufe der Jahre wurde die Tour dann durch das Hinzufügen von Sicherungspunkten in eine Plaisirroute umgestaltet. Nachdem ich schon viele der (zum Teil deutlich schwierigeren) Routen an der Ofenwand hatte klettern können, schien eine Begehung von diesem Klassiker gar nicht mehr allzu wahrscheinlich. Doch dann, an einem Tag wo mit löchrigen Fingern und müden Muskeln sportklettermässig nichts mehr gegangen wäre und auch das Wetter keine Ausflüge höher hinauf zuliess, trat mein Kletterpartner mit diesem Vorschlag an mich heran. Das war die ideale Gelegenheit, um sich einen weiteren Punkt im 'Moderne Zeiten'-Sammelkonto gutschreiben zu lassen.

That's why... Klettern nur mit dick getaptem Finger möglich - für einfachere MSL ok, Sportklettern am Limit unmöglich.
Die Webcam am Bonistock zeigte frühmorgens nichts Erbauliches, selbst die überhaupt nicht anfällige Ofenwand war aufgrund vom mauen Wetter der vergangenen Zeit und nächtlicher Niederschläge schwarz. Zeit für einen zweiten Kaffee und etwas Kontemplation. Schliesslich obsiegte die Überzeugung, dass es später am Tag dann schon gehen würde, was sich schliesslich absolut bewahrheitete. So starteten wir um 11.20 Uhr am üblichen Ausgangspunkt in Turrenbach (P.985). Wie immer zuletzt hatte ich das Bike mitgebracht, so hiess es vorerst tüchtig in die Pedalen zu treten. Jedes Mal vergesse ich von neuem, wie steil und anstregend diese Strasse doch zu befahren ist. Vielleicht besitze ich bis zum nächsten Mal dann das E-Bike, welches diesen Abschnitt so viel bequemer machen würde. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass ich auch dieses Mal wieder meine Standard-Zeit von 35 Minuten bis zum Unter Boden (P. 1455) benötigte. Wobei man ehrlich gesagt auch nicht viel langsamer fahren könnte, da man dann schlicht und einfach mangels Tempo umfallen würde. 

Die rabenschwarz nasse Ofenwand genau im Zentrum des Bildes, am Huetstock liegt sogar etwas Neuschnee!
Zu Fuss ging es weiter, schliesslich trafen wir nach total 85 Minuten reichlich verschwitzt am Wandfuss ein. Dort ergab sich eine spezielle Begegnung mit einem Solo-Aspiranten, der uns den Vortritt gewähren wollte, was wir als für alle sinnvoll erachteten und dankend annahmen. Doch obwohl er keine 10 Minuten auf das Freiwerden der ersten Länge hätte warten müssen, zog er schliesslich doch frustriert und grummelnd davon. Ein paar Minuten nach 13.00 Uhr hatten wir losgelegt.

Bis wir da waren, hatte die Situation massiv gebessert. Ein- und Ausstieg vom Indianerpfeiler sind auf dem Foto markiert.
L1, 30m, 4b: Eine grauenhafte Seillänge, die einem Graskanal entlang in die Höhe führt. Der Fels ist lottrig hoch 7, auch liegt lose Ware herum. Hier ist echt Erfahrung in solchem Gelände gefragt, sonst wird das sogar gefährlich. Es ist mit Abstand die schlechteste Seillänge, die ich am Ofen je geklettert bin.

Man sieht's, wenig erbauliches Gelände in L1 (4b).
L2, 30m, 5b: Die ersten Meter sind auch noch nicht restlos überzeugend, d.h. der Fels nach wie vor nicht besonders solide. Nachher bessert es aber zum Glück gewaltig und es wartet die auf dieser Höhe typische, so richtig coole Ofen-Backstein und Querschlitz-Kletterei mit einem steilplattigen Finish. Für den angegebenen Grad ist das erstaunlich athletisch bzw. fein, eine Bewertung von 5c+ erscheint wesentlich realistischer.

Kompaktes Gelände und schöne Kletterei am Ende von L2 (5b).
L3, 30m, 5c: Zuerst geht's weiter im Stil von L2, d.h. Backsteine und Querschlitze. Über eine geneigte Zone kommt man dann zu einer Verschneidung, welche es emporzusteigen gilt. Während die Wand sonst gut abgetrocknet hatte, war diese noch komplett nass, aber dennoch problemlos zu bewältigen. Insgesamt dünkte mich dieser Abschnitt spürbar einfacher wie L2.

L4, 35m, 6a: Eine sehr schöne Seillänge mit etwas verzwickter Linienführung, lange Exen helfen potenziellen Seilzug einzudämmen. Erst rechts, dann links geht's über Steilplatten, Querschlitze und Tropflöcher in die Höhe. Am Ende gilt es dann, nochmals nach rechts zu queren zum Hängestand. Es zahlt sich jedoch aus, noch weitere 5m zum deutlich bequemeren Stand der Chrüzspinne zu traversieren. Der Schwierigkeitsgrad passt etwa, die 6a+ von C2C könnte auch hinkommen.

Sehr schöne und grosszügige Kletterei wartet in L4 (6a).
L5, 25m, 6b: Sofern man diese nicht schon zuvor geklettert hat, folgt nun die Querung nach rechts zum Chrüzspinne-Stand. Nun gilt es, die rechte Hakenlinie zu wählen (links wäre die Chrüzspinne). Ziemlich knifflig führt ein Riss durch die steile Wand. Ein paar Klemmer, ein schöner Untergriffzug und ein ominöser Absatz am Riss helfen weiter. Geschenkt ist diese Passage nicht, 6b mag schon sein, die 6b+ von C2C könnte noch besser stimmen.

Zauberei? Nein, Kneebar! Nachher geht's in L5 (6b) dann entlang von einem Riss zur Sache.
L6, 40m, 6b+: Hier könnte man nochmals fälschlicherweise gerade hinauf in die Chrüzspinne abdriften, aber der Indianerpfeiler führt über die etwas splittrig-geneigte Zone deutlich nach rechts. Einige Topos zeigen einen Stand am Fuss des Dachriegels, vor Ort habe ich diesen jedoch nicht wahrgenommen. Grundsätzlich wäre es aber schon sinnvoll, am Fuss des Riegels Stand zu machen, denn sonst könnte ein Sturz trotz der engen Absicherung noch bald einmal auf dem flachen Gelände darunter enden. Der Überhang ist dann richtig athletisch und ohne sich kurz mal gescheit festzuhalten und einen weiten Move durchzuriegeln geht das nicht, was den Rahmen der Plaisir-Bewertung von 6b m.E. sprengt - alle anderen Topos bewerten mit 6b+, aber sogar die 6c von C2C könnte realistisch sein. Danach führt immer noch steile, sehr schöne Tropflochkletterei, zum Stand mit Wandbuch hinauf.

Nach dem anstrengenden Überhang folgt in L6 (6b+) sehr schöne Tropflochkletterei.
L7, 30m, 6a+: Hier klettert man nun der Kaminverschneidung entlang, steil und athletisch! Die linke Seitenwand ist bisweilen etwas brüchig, passt aber schon! Als Zeitvertrieb (und klettern ist ja nichts anderes) lässt es sich auch sehr schön in der rechten Wand alleine moven, teils gemeinsam mit dem Verlauf vom Game Girl. Zuletzt dann geht das nicht mehr, über die Schuppen steigt man athletisch zum Routenende aus.

In der teils kaminartigen Verschneidung oder rechts davon in der Wand klettert sich L7 (6a+).
Ein paar Minuten vor 16.00 Uhr hatten wir dieses erreicht, die Kletterei hatte uns also rund 2:40h in Anspruch genommen. Durch ein grasiges Couloir könnte man noch 15m zum Grat aufsteigen, müsste dann allerdings auf die zentrale Abseilpiste wechseln. Ich stand ja schon etliche Male auf dem Ofen-"Gipfel" und mein Kletterpartner verspürte das Reissen auch nicht, so fädelten wir gleich die Seile und glitten in die Tiefe. Das gelang super-effizient, mit 3x50m unter Benutzung der Stände von Schwarz Peter standen wir bereits wieder am Wandfuss. Das erfordert aber die Bereitschaft, das Seil wirklich bis zur letzten Faser auszunutzen und etwas Zutrauen, dass dann zum Seilende schon wieder ein Stand auftaucht. Am Wandfuss gab es auch nicht mehr viel zu tun, wir packten zusammen und gingen nach Osten, um über das Geröll zu surfen. Zügigen Schrittes marschierten wir retour zum Unter Boden und mit dem Bike in wenigen Minuten an rasanter Fahrt zum Parkplatz, wo sich der Kreis um 17.30 Uhr schloss. Schlussendlich war die ganze Tour doch prima aufgegangen, die Nässe war kein Faktor gewesen, das Wetter hatte gehalten und der Indianerpfeiler bot sehr schöne Kletterei mit einigen "nicht ganz ohne"-Stellen, das war doch wirklich ein perfektes Programm als Ruhetag für einen geschundenen Sportkletterer.

Facts

Ofen - Indianerpfeiler 6b (6a+ obl.) - 7 SL, 190m - Britschgi/Thalmann 1983 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express (einige davon verlängerbar), evtl. Cams 0.5-1

Ursprünglich eine kühne Freikletterroute, heute zu einer schönen Plaisirtour umfunktioniert. Nach einem einfachen, aber brüchig-herben Auftakt folgt tatsächlich prima Kletterei mit ein paar sehr lässigen Passagen und einem zähen Überhang als Schlüsselstelle. Die Route ist nach mehrmaligem Hinzufügen von Sicherungspunkten nun prima auf Stufe "Plaisir gut+" bzw. xxxx gesichert. Hier und da könnte man in den Querschlitzen schon einen Cam versorgen, wenn man denn wollte. Als nötig empfunden haben wir dies jedoch nirgends. Der Ofen ist in diversen Topos enthalten (Plaisir Ost, Extrem Ost, SAC-Kletterführer Zentralschweizer Voralpen). Eine vollständige Übersicht erhält man gratis und franko auch hier. Zuletzt noch der übliche Hinweis: die Strasse zum Unter Boden darf (und soll!) mit dem Auto nicht befahren werden. Das Klettern am Ofen ist vom 15.11.-15.5. nicht erlaubt und bis am 15.6. besteht zusätzlich ein empfohlener Kletterverzicht.

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