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Samstag, 9. November 2024

Teufelstalwand - Im Zeichen der Freundschaft (6b+)

An der Teufelstalwand habe ich in früheren Jahren schon einiges erlebt: spannende Momente beim Abseilverhänger auf dem Weg ins Pissoir du Diable (6b), Top-Genusskletterei in Alpentraum (7a) und Wilde 13 (7b), sowie auch einen Tag mit minimalstem Kletterflow in der Laura (7a trad) - davon gibt es nicht einmal einen Blog. Bisher ausgelassen hatte ich den viel frequentierten, grossen Klassiker der Wand, die plaisirmässig eingerichtete Im Zeichen der Freundschaft (6b+). An diesem wunderbaren Herbsttag lag eine grössere und schwierigere Tour aber nicht drin. Sprich es war genau das richtige Ziel, um mit Guido die Sonne zu geniessen und sich in der Vertikale zu betätigen.

Der Blick von der Abseilstelle auf die Teufelstalwand, welche auf dem Foto jedoch nicht ganz Platz hat. Die abgebildete Routenlinie startet im letzten Drittel von L2. An diesem fabelhaften Gemäuer gibt es derzeit rund 10 verschiedene MSL-Routen.

Nachdem erst noch meine Expertise an einigen Online-Meetings gefragt war, startete unsere Tour um 9.25 Uhr (Winterzeit) beim Nätschen P.1843 vor dem Fahrverbot. Mit dem löhnen einer Taxe von 30 CHF (zahlbar per Twint) könnte man zwar noch bis zum Ober Teufelstalboden (ca. 2030m) fahren. Das spart aber nur unwesentlich Zeit und Effort, so dass wir gerne darauf verzichteten. Wir nahmen den direkten Weg durch den Wald und standen nach 30 Minuten Gehzeit bei der Abseilstelle ins Teufelstal. Für die erste Strecke mussten wir am eigenen Strick abseilen, für die folgenden beiden war ein Fixseil vorhanden. Dessen Zustand kann man als 'gut gebraucht und etwas angewittert' taxieren. Trotzdem aber noch safe und eine elegante Möglichkeit, um Zeit zu sparen und vor allem (!) das Risiko des drohenden Seilverhängers auf dem zweiten Abschnitt zu minimieren.

Spannende, wohl nicht für die Ewigkeit gemachte Formation rechts in der Teufelstalwand.

Den Bach im Teufelstal kann man einfacher gleich nach dem Abseilen überqueren. Jenseitig geht's dann kraxelnd in steilem Schrofengelände (T5) aufwärts zu einem Fixseil, welches gerade hoch in die Wilde 13 (7b) führt. An geeigneter Stelle quert man nach rechts und trifft wieder auf Fixseile, die zuletzt links hinauf zum nicht (mehr) näher bezeichneten Start von Zeichen der Freundschaft führen. Vorausgehend wählte ich die weniger empfehlenswerte Option, erst (im Aufstiegssinn) noch 100m rechts vom Bach zu gehen und ihn erst oben bei einer Verflachung mit roter Farbmarkierung am rechten Ufer zu überqueren. Übers Wasser zu kommen war weniger das Problem wie sich andersseitig im Fels zu etablieren. Die Fixseilinstallation ist da beschädigt und ausgerissen und die glitschig-glatte, wasserüberronnene Granitplatte konnte ich erst bewältigen, nachdem ich eine Bachstauung errichtet hatte, welche das Wasser ein wenig umleitete. Item, um ca. 10.40 Uhr starteten wir mit der Kletterei. Die ersten 1.5 Seillängen lagen noch im Schatten, was Ende Oktober auch so bleibt.

L1, 5c+, 30m: Mit sich gemütlich an den Fels gewöhnen ist nicht viel los. Eine Passage zwischen zwei Schuppen erfordert bald einmal zupacken und auf die Füsse stehen. Den Grad 5c+ erreicht man da gut und gerne. Möglicherweise gilt der so nur, falls man diese Passage links im Schrofengelände umgeht. Die obere Hälfte dann einfacher in einer Verschneidung.

L2, 6a, 30m: Kurz nach links rüber, dann in einer etwas glatten Verschneidung aufwärts. Pas si facile que ça, am ersten Bolt vorbei muss man doch sauber antreten und sich gewählt bewegen. Wenig später erreichten wir die Sonne und konnten das Finish geniessen, welches sich in einer leistengespickten Wand rechts einer Verschneidung abspielt.

Griffige Wandkletterei neben der Verschneidung am Ende von L2 (6a).

L3, 6a+, 35m: Aus schön wird noch schöner! Diese Seillänge trumpft mit einer absolut genialen Piazverschneidung auf. Weil der Riss im Grund stets schön scharf geschnitten ist und für die Füsse zwar nicht üppig, aber doch regelmässig etwas Struktur da ist, geht das ziemlich kommod. Auch zum Ende der Seillänge wartet noch Spezialprogramm: eine Passage, die zwischen breiter Riss und Kamin einzustufen ist, will in geschickter 3d-Kletterei bezwungen werden. Immerhin, die Rettungshenkel sind nicht weit weg.

Der Kamin am Ende von L3 (6a+) bietet eine lässige 3d-Kletterei.

L4, 6b+, 25m: Für Riss-Liebhaber ist dieser Abschnitt sicher das Prunkstück der Route. Der bouldrige Auftakt ist noch eher wandartig und erfordert zwei kräftig-weite Moves mit hohem Antreten an Schuppen. Dann folgt der fabelhafte Splitter Crack in orangem Fels. Gibt es wirklich Leute, welche dies auf der rechten Aussenseite piazen?!? Selbst ohne beides ausprobiert zu haben: straight-in mit Klemmtechnik ist ganz bestimmt viel einfacher - auch wenn der Riss breit, ja teilweise sogar offwidth, sprich zu breit für die breite Faust und die Füsse ist. Mit etwas Kreativität gibt's aber immer eine Lösung.

Prunkstück der Route: der fantastische Splitter Crack in L4 (6b+), mit Tiefblick ins Teufelstal.

L5, 6b, 25m: Eine eher kurze Seillänge, welche vom Stand nach rechts führt und dann ein paar kräftige Moves in Gegendruck-Kletterei an Schuppen verlangt. Im zweiten Teil geht's dann etwas gemächlicher zur Sache. Mit einem Blick auf den eher unbequemen Stand, die verbleibenden Expressen am Gurt und einer weiteren kurzen Länge am Horizont zog ich gleich weiter. Das (50m-)Seil reicht gut, dennoch wegen fehlendem Sichtkontakt und den nötigen Vorbeugemassnahmen gegen die Seilreibung nur etwas für Experten. Wenn man alles mit kurzen Exen klippt, so sind ca. 20 Stück notwendig und der Seilzugtod gewiss.

L6, 5c+, 20m: An einem Riss geht's um die Ecke, wo man einen breiten Graskanal erreicht. Traditionell und möglicherweise auch am einfachsten würde man sich in diesem in die Höhe arbeiten. Das ist jedoch weder elegant, angenehm noch schön. So überquert die Route den Graskanal und findet in der rechten Wand ein paar gute Leisten und Schuppen, wo es sich genussvoll Höhe gewinnen lässt. Der Stand dann wieder links vom Graskanal.

Die erste Episode vom breiten Riss bzw. Graskanal in L6 (5c+). Man kann aussen bleiben...

L7, 5c+, 25m: Dieser Abschnitt folgt nun dem Graskanal. Dank der sehr guten BH-Absicherung kann man guten Gewissens aussen bleiben und alles spreizend bewältigen. Auf diese Art und Weise geklettert, eine echt spannende, aussergewöhnliche und lässige Kletterei. Bestimmt kann man auch durch den Kanal rampfen... jedem das Seine! Zum Ende geht man noch kurz auf die linke Seite, bald kommt schon der zwischen den Zacken versteckte Stand.

...oder das Ganze eher im Inneren bewältigen. Das hier ist der zweite Teil in L7 (5c+).

L8, 6a, 25m: Dieses Teilstück empfand ich als die am wenigsten schöne Sequenz der Route, sie hat mehr den Charakter von einem Überführungsstück. Erst griffige Wand, dann kurz knifflig rechts raus, über eine Platte rechts einer Schuppe und durch die Büsche zurück nach links zu Stand auf bequemem Plateau. Die 6a-Bewertung meines Erachtens im Vergleich zu L1, L2, L6 und L7 zu hoch.

L9, 6a+, 30m: Laut diverser Internetberichte sollte diese Seillänge ähnlichen Charakter aufweisen wie die vorangehende. Und da uns diese ja nicht so gefallen wollte, war das nicht unbedingt eine gute Nachricht. Die Realität zeigte dann zum Glück ein anderes Bild. Ähnlich ist es vielleicht in der Hinsicht, dass es auch keine markanten Risse, Kamine oder Verschneidungen gibt und plattig-wandiger Charakter vorherrscht. In L9 ist die Kletterei aber echt cool und elegant, die Felsstruktur super.

Tolles Ambiente und Kletterei in L9 (6a+).

L10, 6b+, 30m: Nun folgt noch die Krönung. Schon bei der Begehung der Wilden 13 (deren Stand sich 2m links befindet) hatte ich die Idealverschneidung mit ihrem steilen Untergriffausstieg sehr gelockt. Doch jetzt war es soweit. Los geht's noch gemütlich über ein Podest, dann ermöglicht ein Blade in der linken Seitenwand der Verschneidung erst kommodes Fortkommen. Doch der Dettling-Antistyle kommt: kompromissloser Piaz in der Verschneidung, wo man nun nicht mehr nach Belieben die Finger bis zum Anschlag im Riss versorgen kann. Teils muss man weniger tiefe Griffe nutzen, oder dann sind die guten einfach weit auseinander. Auch die Füsse sind nicht immer super. Doch summa summarum, in einer 6b+ mit optimaler BH-Absicherung fiel mir noch leicht, was bei Trad-Absicherung und einer propagierten 6c+ schon eine Challenge wäre (selbst wenn der Fels exakt derselbe wäre). Dass man hier angriffig, voller Vertrauen und ohne mit Gear zu fummeln steigen kann, macht halt einen riesigen Unterschied. Jedenfalls, im Winkel am Ende der Verschneidung kann man nochmals kurz Luft holen, bevor zuletzt geprüft wird, wie viel Strom noch im Akku ist. Mit kräftigen Gegendruckzügen heisst es an der Untergriffschuppe für Fortschritt zu sorgen, bevor man um die Ecke biegt und über eine kurze, griffige Zielgerade das Top erreicht.

Da wartet L10 (6b+) noch auf Action. Podest, Blade, Piaz und Untergriffschuppe, so das Programm.

Ein paar Minuten vor 15.00 Uhr und damit nach rund 4:15h Kletterei waren wir mit einer (meinerseits) perfekten Begehung da. Die Bedingungen waren wirklich top gewesen: angenehm warm aber nicht heiss, ideal um sich die Herbstsonne auf den Pelz scheinen zu lassen. Ich blätterte ein wenig im Wandbuch, welches die Popularität der Route bezeugte. Im 2024 waren uns schon ca. 50 Seilschaften zuvorgekommen, an guten Weekend-Tagen treten meist mehrere Teams an. Gemütlich rollten wir unsere Seile auf und machten uns dann auf den Rückweg. Hinauf entlang der Fixseile, queren und kurz abkraxeln, dann der Strasse entlang zurück nach Nätschen, wo sich um 16.00 Uhr der Kreis schloss. Wir rollten talwärts ins neblige Unterland, wo uns auch schon bald die Dunkelheit einholte. Schon verrückt, dieser Herbstkontrast zwischen wohlig-sonnig-lichtdurchfluteter Atmosphäre oben und der feucht-dunklen Tristesse unten. Aber wir konnten sehr zufrieden sein, dass die Route zwischen meinen morgendlichen Meetings und Guidos abendlicher Probe Platz gefunden hatte und wir so den wundervollen Tag gebührend nutzen konnten.

Facts

Teufelstalwand - Zeichen der Freundschaft 6b+ (6a+ obl.) - 10 SL, 275m - *****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Exen, Cams/Keile nicht nötig

Kurzum, sicher eine der besten und beliebtesten Granitrouten dieses Schwierigkeitsbereichs in der Schweiz. Die vielen begeisterten Begeher bezeugen dies absolut und die Kletterei ist einer Via Hammerbruch am Salbit auch durchaus ebenbürtig. Zudem gibt es das Ganze mehr oder weniger talnah. Wobei man den Aufwand ins Teufelstal zu kommen nicht unterschätzen darf und das Gesamtunternehmen mit den ungünstigen Rückzugsmöglichkeiten doch nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Die Route ist trotz zahlreicher mobiler Möglichkeiten komplett und sehr üppig mit rostfreien Bohrhaken ausgestattet und hat dadurch klink & go Charakter. Ganz alle Stellen kann man aber (vermutlich) doch nicht mit Hakenhilfe entschärfen, eine 6a+ mit der Verpflichtung etwas abschüssig auf die Füsse zu stehen dürfte trotzdem obligatorisch sein. Die Route ist in diverser gedruckter Literatur beschrieben, sehr hilfreich auch die Übersichtsseite von MyBergtour.

Freitag, 25. November 2022

Schöllenen - Cyclope (7b+)

Schon bei meiner Begehung der Suworov und wenig später der Inox war mir mit der Cyclope die Linie dazwischen ins Auge gestochen. Eröffnet von den Remy-Brüdern im 1990 schien sie die ortsübliche, sehr interessante und herausfordernde Mischung zwischen kniffligen Platten und steileren Abschnitten im ortsüblichen, eisenfesten Granit zu bieten. Gewürzt war das Menü mit einem wahnwitzigen Dach in der zweitletzten Länge, welches man von der Suworov abseilend schon aus nächster Nähe hatte beobachten können. Zwar schien das Hakenmaterial in der Cyclope damals veraltet, immerhin steckte es aber (für die lokalen Gegebenheiten) nicht extrem spärlich. Im 2021 wurden durch das Urner Trio Bunschi/Gisler/Furrer alle Haken mit solidem Inoxstahl ersetzt, also stand einem Versuch erst recht nichts mehr im Wege.

Blick vom Parkplatz auf den Verlauf der Cyclope, inkl. kurzem Routenbeschrieb.

Ja, Ende Oktober klettert man üblicherweise nicht mehr in der Schöllenen. Sie ist nämlich um diese Jahreszeit ein ziemliches Schattenloch und erhascht nur noch während ~3 Stunden wärmende Sonnenstrahlen. Dementsprechend feucht und klamm kann der Fels auch sein. Doch im extrem warmen Oktober 2022 war alles anders: die Tages-Maximaltemperaturen waren auf >25 Grad angesagt, der Schatten war durchaus willkommen und ein leichter Föhnwind sorgte für idealen Grip. Auch schien mir die plattige Kletterei mit kurzem Zustieg eine gute Wahl nach der längeren Wanderung vom Vortag und dem Teamwettkampf im Quergang - zumal ich am selben Abend einen weiteren Indoor-Kletterevent bestreiten sollte. Nach dem wenige Minuten umfassenden Zustieg starteten wir um ca. 8.40 Uhr (Winterzeit!) mit der Kletterei, das war wenige Minuten bevor die Sonne um die Ecke bog und ihre raren Herbststrahlen auf den Inoxpfeiler warf.

L1, 45m, 7a 1pa: Wegen den zu Beginn extrem spärlich steckenden Bolts ist der Start gar nicht mal so einfach zu identifizieren. Natürlich wird man aber zwischen den klarer erkennbaren Suworov und Inox schon fündig werden. Bis zur ersten Sicherung ist es ja noch easy, unmittelbar vor dem zweiten BH der auf 15m Höhe steckt, wartet aber schon eine recht giftige ~6b-Reibungsstelle. Wer das "in den Sand setzt" braucht mindestens einen aufmerksamen Sicherer plus eine gehörige Portion Glück, um dem Grounder und wohl ziemlich ungeschmeidigen Folgen für die körperliche Unversehrtheit zu entgehen. Bald darauf folgt BH #3, eine schwierige Kletterstelle ist die Quittung dafür. De fakto tritt man so an, dass man denkt "hält unmöglich" - tut es dann doch. Allerdings heisst es nun, auf diesen Nicht-Tritten auch noch dynamisch abzuspringen, um die rettende Leiste zu erhaschen. Ging auch (im Nachstieg, wohlgemerkt!), im Vorstieg wäre ich da bestimmt statt auf's glatte Parkett auf den Bolt getreten, was die Sache doch wesentlich entschärft.

Viktor in etwa an der Stelle in L1 (7a 1pa), wo man auf den Bolt treten "muss". Vom Einstieg, d.h. auf dem Foto ist bereits die ganze Route ersichtlich, inklusive dem abschliessenden Dach mit dem breiten Riss, an welchem sich eine absolut geniale 7a-Seillänge befindet.

Damit ist erst die Hälfte der Seillänge beschrieben. Weiter geht's kurz mal easy über gestuftes Terrain. Der folgende Bolt am Beginn des nächsten, kompakt-schwierigen Abschnitts steckt aufgrund hohler Schuppen tief. Die Kletterstelle darob ist fordernd, ein Sturz wäre aufgrund der Stufen darunter prekär. Wenn man sich nicht ganz sicher ist, beherzige man vielleicht den Tipp, dass die Stelle rechts durch die gemüsige Verschneidung risikoärmer umgehbar ist (wir sind hier direkt geklettert, die Moves sind ca. 6b+). Unmittelbar danach spitzt sich die Sache zu, es warten extreme bis extremste Reibungsmoves. Ich konnte schön durchsteigen, dass sich mein Fuss dabei "kurz in Hakennähe befunden hat" - unwichtig, hat niemand so genau gesehen ;-) Doch seriös: für eine Bewegung konnten wir keine Freikletterlösung finden, mit den vorhandenen Griffen haften die Füsse da einfach nicht und es war unumgänglich, bei diesem Move auf Bolt #5 zu treten, um die rettende Leiste zu erhaschen. Von daher halten wir die ursprüngliche Bewertung von 7a 1pa für diese Länge als korrekt, wie es komplett frei für 7a gehen soll, ist für uns nicht nachvollziehbar. Nach dieser Stelle wird es wieder einen Tick einfacher. Das bedeutet aber nicht Entspannung, sondern es warten konstant fordernde, reibungslastige Moves bei reichlich verpflichtendem Hakenabstand. Abgeschlossen wird die Sache von einer Linkstraverse, trotz einiger willkommener Leisten kann auch hier das Blut nochmals in Wallung geraten.

Reibung total und extrem in L1 (7a), da ist man um jeden Ansatz einer Leiste froh!

L2, 25m, 6c: Dieser Abschnitt führt durch den markanten, hellen Streifen, der sich zwischen zwei Zonen mit schwarzer Felsfärbung befindet. Die tiefere Bewertung und die auf den ersten Blick durchaus vorhandene Struktur lassen eine etwas zugänglichere Kletterei vermuten. Argwöhnisch betrachten wir die Bolts, welche im bereits bekannten, verdächtigen Abstand stecken: metermässig nicht sehr distant, aber dann auch nicht wirklich nah. Bald zeigt sich, dass die Absicherung gefühlt weiter ist, wie sie es vielleicht den Anschein macht. Die Schwierigkeiten sind anhaltend, die Moves damit auch zwischen, bzgl. abseits der Haken schwierig und stets heikel. Ebenso bestehen die Strukturen oft nur aus seitlichen Kanten, was dann eben halt Anpressen der Füsse aufs glatte Parkett und somit kein relaxtes Steigen bedeutet. Ohne "richtig zu wollen" geht es hier nicht, insbesondere an der Rippe nach BH #4 und auch das etwas eierige Finish zum Stand rechts an die Kante hat es durchaus in sich. 

Zähe, psychisch fordernde Gegendruckkletterei in L2 (6c), die Füsse schon gute 2-3m über dem BH.

L3, 25m, 6b+: Diese Seillänge geht nach einem kurz etwas heiklen Start aus dem Stand raus für einmal ganz ordentlich über die Bühne, da meist für die Fortbewegung günstige Strukturen zur Verfügung stehen. In der Mitte wartet ein einziger, längerer Abstand, der aber mit einer Linksschleife gut zu bewältigen ist.

Nebst der allerletzten die einzige etwas gemütlichere Seillänge: L3 (6b+)

L4, 40m, 6c 3pa oder 7b+ (???): Nun geht's ans Eingemachte. Nach einem freundlichen Auftakt folgt bald eine neuralgische Stelle, wo die Natur den Erstbegehern einen Strich durch die Rechnung machte. De fakto bräuchte es nur ein paar Dellen oder eine taugliche Leiste und es ginge - vielleicht nicht gerade problemlos, aber doch im Rahmen der Schwierigkeiten in L2 und L3. Die Strukturen fehlen aber komplett, so bohrte man sich bei der Erstbegehung hoch und deklarierte die Seillänge als 7a 1pa oder 6c 2pa. Im Zuge der Sanierung wurde die Linie an dieser Stelle neu gelegt, sie umgeht die Problemzone nun mit einer kleinen Linksschleife. Wobei sich das Gelände da linkerhand aber eben auch nicht wirklich positiv-griffiger präsentiert, zumindest für mein Verständnis ist die Platte auch dort mehr oder weniger genauso blank und unkletterbar. Einzig ein paar kleine oder schlechte Untergriffe hat es, kaum vorstellbar wie man mit diesen ob der vorherrschenden Steilheit ausreichend Druck auf die Füsse bringen könnte.

Im Vordergrund (untere Bildhälfte) die Crux mit der als 7b+ angegebenen Stelle. Man hätte wohl den markantesten Untergriff für die Querung nach links zu nutzen, um dann in der angedeuteten Rinne diagonal v.l.n.r. über den Seilverlauf aufwärts zu steigen. Leider ist die Felsstruktur sehr ungünstig, es gibt da echt keine einzige, positive Leiste. Der ursprüngliche Verlauf ging rechts im dunklen Streifen direkt hinauf.

Konkret heisst das, dass wir hier beide selbst bei vorgehängtem Seil (im Toprope) nicht im Ansatz eine Chance sahen, die Moves frei zu klettern. Ja, im schwierigsten Abschnitt war es nicht einmal möglich, die Position zu halten 🤯 Selbst das reine Hochkommen nach dem Motto "alles gilt" ist nicht geschenkt, d.h. mit volle Kanne melken von 3 Exen mit den Händen, um die Füsse am Fels auf Haftung zu bringen, fühlt sich das immer noch als strenge 6c an 🤔. Auch nachher folgt nochmals ein Abschnitt, wo man "kratzt": kletternd an mickrigen Strukturen, in Bezug auf die Bewertung an einer 7a... wobei uns diese Passage beiden auf Anhieb gelang, womit wir den Grad im lokalen Kontext wohl höchstens als 6c taxieren dürfen. Der Rest der Seillängen führt an kleinen Verschneidungen dann etwas einfacher, dafür bei weiteren Hakenabständen zum sehr bequemen Stand, der unmittelbar neben dem Verlauf der Suworov liegt.

Wenn man nach der unmöglichen Plattenstelle in L4 (6c 3pa oder 7b+ (???)) einmal die Strukturen erreicht hat, geht es besser voran. Das Finish entlang von kleinen Verschneidungen bietet sogar schon fast entspannende Kletterei.

L5, 45m, 6c: Eine lange Seillänge mit viel Abwechslung. Das Gelände präsentiert sich hier nun steiler, so dass man kaum mehr von Platten-, sondern viel mehr von Wandkletterei sprechen muss. Wobei natürlich der Fussarbeit nach wie vor eine ganz entscheidende Komponente zukommt. Doch im Einzelnen: los geht es verschneidungsartig, wobei man sich auf unterschiedlich ausgerichteten Flächen ideal platzieren muss und allerlei Arten von Schieben und Stemmen für die Fortbewegung nutzt. Der nächste Abschnitt wird geprägt von einem mehr oder weniger horizontalen Quergang, wo ziemlich gute, aber teils weit voneinander entfernte Griffe in eine Sequenz eingereiht sein wollen. Die Traverse führt zu Stand 4 der Inox. Hier Station zu machen ist jedoch nicht zwingend nötig, mit einer geschickten Seilführung und zwei, drei strategisch platzierten, langen Exen leidet man auch in der zweiten Hälfte nicht unter starkem Seilzug. Vom Inox-Stand geht's kurz easy über eine Rampe links aufwärts, wo mit einer kleinen, dunklen und giftigen Verschneidung die Crux wartet. Diese Stelle ist bestimmt öfters nass bzw. unkletterbar. Dank mehrerer niederschlagsfreier Tage vor der Tour beschränkte sich das Wasser bei uns auf ein kleines Rinnsal, welches man weitgehend vermeiden konnte. Zum Glück, denn das Piazen an den Crimps im Verschneidungsgrund ist doch einigermassen delikat. Nachdem das Gelände sich danach nochmals etwas griffiger präsentiert, zieht es zum Ende wieder an. An Leisten und Kanten presst man die Füsse jenseits der Haken aufs Parkett, eine komplizierte Querung bringt einen schliesslich nach links hinüber zu Stand 6 der Suworov. Auch in diesem ganze Schlussabschnitt saftete es noch hier und da, nach Regen also besser abwarten.

Die Querung am Ende von L5 (6c) fordert aufgrund ihrer Anlage auch den Nachsteiger...

L6, 30m, 7a: Das Prunkstück der Route, absolut einzigartig! Auf geht's: wenige Meter linkerhand führt die Suworov über die dort absolut popelig aussehende Stufe in die liegende Wand darob, was jedoch deren klettertechnische Schlüsselstelle darstellt. Die Cyclope verläuft hingegen vom Stand gerade hinauf, in Richtung des grossen Dachs, welches von einem markanten, breiten Riss durchzogen ist. Obwohl die Anfangsstufe hier steiler, höher und schwieriger aussieht, ist sie verblüffenderweise doch einfacher zu haben - auch wenn am ersten Bolt ein etwas kniffliger, zwingend zu meisternder Boulderzug wartet. Danach führt ein schöner Jam-Riss ans Dach heran - Risshandschuhe können hilfreich sein, sind aber dank dem angenehm texturierten Fels und nicht allzu hohen Schwierigkeiten nicht zwingend. Das Dach selber dann, absolut unglaublich! Ich habe es schliesslich mit einer Knee(bar)-First-Strategie geklettert. Will heissen, ich war sozusagen kopfüber in der Route und habe mit Gegendruck-Zügen mein Knie immer höher im Riss eingeklemmt - sehr, sehr aussergewöhnlich, ganz sicherlich die Seillänge, wo ich bisher am meisten von Kneebars abhängig war. Und dies im Granit, am Inoxpfeiler, wo man es ganz bestimmt nicht erwarten würde. Die Crux bestand für mich schliesslich darin, aus der Kopfüber-Position wieder in eine normale Körperhaltung mit Kopf oben und Füssen unten zu wechseln. Das ging aber, zum Ende wird in einer luftigen Traverse links hinaus noch etwas Ausdauer an guten Griffen abgefragt und so war die Sache nach einem währschaften Full-Body-Workout mit einem sauberen Onsight erledigt, cool! Es sei erwähnt, dass mir hier die Bewertung nun auch absolut realistisch vorkam, dies im Gegensatz zu den teils unmöglich harten Platten davor (v.a. in L1, L2 und L4). Viktor nutzte laut seinen Erzählungen (vom oberen Stand besteht kein Sichtkontakt) andere, diversere Möglichkeiten des Sich-Festklemmens, was ebenfalls in einem sauberen Durchstieg resultierte.

Das grosse Rissdach in L6 (7a) - absolut einzigartig, kopfüber mit Kneebar-First geklettert.

L7, 30m, 6b: Fast schon geschafft... mit entspannter Kletterei folgt man bei guter Absicherung einer Kante, um nach 10-15m in die finale 6b-Verschneidung der Suworov zu münden, die wir beide schon bei früherer Gelegenheit geklettert hatten. Der glatte Fels, die Trittarmut und die Kleingriffigkeit machen diesen Abschnitt durchaus fordernd. Wenn die BH hier im Stil der unteren Cyclope-Seillängen stecken würden, könnte einem durchaus nochmals ein kalter Schauer über den Rücken laufen. Das tun sie aber nicht, hier kann im 1m-Rhythmus geklippt werden, womit es mit ein paar etwas wackligen Zügen dann eben schliesslich doch gut geht. Nach wie vor war übrigens der dünne Riss im Grund der Verschneidung perfekt grasfrei, das Putzen hatte anscheinend einen wirklich nachhaltigen Effekt.

Das Gras beginnt erst dort, wo die Route (fast) fertig ist. Glatte Schlussverschneidung in L7 (6b).

Um 14.10 Uhr und damit nach 5:30h der Kletterei waren wir im Rahmen des zur Verfügung stehenden Zeitbudgets am Ende der Route angelangt. Der zwischenzeitlich aufgekommene Frust über unser Unvermögen, die Plattenstellen frei zu klettern war längst wieder verflogen. Die oberen Seillängen waren ein echt herausragend Vergnügen gewesen und liefen besser, so dass am Ende nur 1x kurz auf den BH stehen in L1 und 3x heftig die Exe melken in L4 als Tolggen im Reinheft blieben und man ganz amerikanisch von einem 98% Free Ascent sprechen kann. Die Abseilerei geht sehr zügig vonstatten. Erstens sind es auch mit 2x50m-Seilen nur 4 Manöver (Top -> S5 -> S4 -> S2 -> Boden, Achtung teilweise reicht das Seil nur knapp!) und dank der steil-glatten Wand ist nur minimal Seilpflege nötig. 

Kommode Abseilerei, mit Blick auf Zustieg und Parkplatz.

So konnten wir bald nordwärts fahren und ich kam rechtzeitig zum Indoor-Kletterevent. Eigentlich hatte ich mir ja gedacht, dass ich mich dort vor allem beim Lösen der nicht kletterspezifischen Challenges beteiligen würde. Doch als deutlich stärkster Kletterer in der Gruppe konnte ich meine Kameraden dann doch nicht hängen lassen und übernahm den mir designierten Posten mit den Hang Challenges und dem Klettern der schwierigen Routen. Naja, Bizeps und Fingerstrom waren in der Schöllenen ja nicht übermässig strapaziert worden, darum passte das schon. Und vor allem aber waren die Indoor-Routen zwar nicht tiefer bewertet wie die Platten in L2 und L4, aber doch wesentlich einfacher zu bewältigen. Das weiss man ja, kann man jetzt sagen... aber schliesslich bin ich ja kein physisch besonders starker, für Indoor-Routen sonderlich prädestinierter Mensch, weise viel Outdoor-Erfahrung auf und bin auch auf Platten stärker wie die meisten meiner Peers. Wenn's jemand gäbe, für den die Bewertungen noch halbwegs korrespondieren müssten, dann wäre ich bestimmt eine solche Person. Aber nein, es ist auch für mich nicht annähernd der Fall - für fast alle anderen wird die Diskrepanz noch massiv grösser sein...

Facts

Schöllenen - Cyclope 7a A0 (7b+ frei?, 6c obl.) - 7 SL, 240m - C. & Y. Remy 1990 - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express

Neben der einfacheren Suworov und der ultraklassischen Inox eine weitere, sehr tolle Route an diesem Pfeiler. Die Kletterei ist abwechslungsreich und bietet von extremen Platten über Wandstellen, Risse, Verschneidungen und einem massiven Überhang ein reich befülltes Programm. Der Charakter ist wenig erstaunlicherweise ähnlich wie in den beiden benachbarten Routen. In Bezug auf Schwierigkeiten und Anspruch liegt die Cyclope aber deutlich näher bei der Inox wie bei der Suworov. Doch während bei der Inox die 7a-Reibungsstellen bei der Sanierung oftmals absolut kompromisslos obligatorisch konzipiert wurden, sind die Bolts in der Cyclope näher an der Originalabsicherung gesetzt und somit hilft in der Cyclope A0 durchaus über die schwierigsten Passagen hinweg. Auch wenn die Absicherung als gut bezeichnet werden kann, so ist sie im Bereich von 6c und tiefer auch im delikaten Reibungsgelände oft zwingend und immer wieder mal mit dem Potenzial für Stürze, die vielleicht kaum echt gefährlich, aber in diesem geneigten Terrain oder wegen Stufen darunter doch sicherlich unangenehm wären. Rein qualitativ steht die Qualität der Kletterei jener in der Inox kaum nach. Das Hauptmerkmal der Inox ist halt eben, dass alle Seillängen (bis auf eine) echte Knaller im 7a/+ Bereich sind, während die Bewertungen in der Cyclope mehr schwanken und es von noch relativ machbaren 6bc-Abschnitten bis zur (nahezu?) unmöglichen Reibungsstelle die komplette Bandbreite gibt. Zur Orientierung unten ein älteres Topo (Internetfund, von vor der Sanierung), zusätzlich der Link zum Topo des Sanierungsteams, einen Kletterführer der die Möglichkeiten in der Schöllenen umfassend beschreibt gibt es derzeit leider nicht.

Älteres Topo der Cyclope (Nr. 2), die Nr. 3 ist die Chifir.

Montag, 6. Juli 2020

Teufelstalwand - Alpentraum (7a)

Endlich wieder einmal reicht es Kathrin und mir für eine gemeinsame MSL-Tour. Unter leicht erschwerten Bedingungen allerdings, weil wir erst noch Arbeiten müssen, können wir erst am späten Vormittag los. Unser Plan A spielt sich am Klausenpass ab, doch der Blick von Altdorf hinauf heisst wie schon vermutet nichts Gutes: alles ist dick in Quellwolken eingehüllt und in der Nebelsuppe zu schlottern macht keinen Spass. Die Alternative ist sofort zur Hand, die Teufelstalwand ist ebenso zügig zu erreichen und ein optimales Ziel für eine Kletterei an einem Juni-Nachmittag mit stabilem Wetter. Nachdem ich schon Laura (7a), Wilde 13 (7b) und das Pissoir du Diable (6b) hatte klettern können, ist dieses Mal der Alpentraum (7a) die logische Wahl. Und die entpuppt sich als absolut genial - super Kletterei von Weltklasse-Zuschnitt, wirklich eine Traumkletterei für den ganzen Alpenbogen, dazu perfekt mit BH gesichert. Definitiv die Route, die mir an der Teufelstalwand bisher am besten gefallen hat.

Die Teufelstalwand rückt ins Blickfeld. Zuerst heisst es aber, ins Inner Teufelstal an den Einstieg zu kommen...
Da wir eher spät unterwegs sind, spielen wir mit dem Gedanken, für dieses Mal eine Bewilligung zu lösen, damit wir die Bergstrasse von Nätschen Richtung Gütsch befahren können. Allerdings hat über Mittag das Tourismusbüro gleich beim Bahnhof in Andermatt geschlossen und bei der Kooperation Urseren ist auch niemand erreichbar. Einmal beim Fahrverbotsschild oberhalb des Bahnhofs angelangt sehen wir dann, dass man auch per Smartphone (mit Twint-App) bezahlen kann. Die Taxe beträgt allerdings satte 30 CHF, was uns für die wenigen eingesparten Höhenmeter dann doch zu viel an Obulus ist. Wir stationieren unser Mobil an dieser Stelle, laufen ein paar Minuten nach 13.00 Uhr los und wählen den Zustieg durch den Kirchbergwald. Folgt man den Pfaden gemäss Karte, so ist ein Höhenverlust von 60hm nicht zu vermeiden. Da im Gelände (vorerst) direkte Pfadspuren locken, versuchen wir eine Abkürzung. Diese gelingt und vermeidet den Höhenverlust, erfordert aber teilweise etwas Bushwhack und ich bin mir nicht sicher, ob ein Zeitgewinn resultierte. Wobei, wenn mehr Leute so gingen und jemand vielleicht einmal noch eine Heckenschere mitnehmen würde, hätten wir den ideal-effizienten Zustieg. Einmal auf dem Tüfelstalboden heisst es dann, weitere 100hm zur Abseilstelle zu vernichten. Für den ersten 45m-Abseiler müssen wir selber das Seil einfädeln, nachher war ein Fixseil vor Ort, so dass wir zügig und ohne Seilverhänger-Sorgen in die Schlucht gelangten. Super wäre es, wenn jemand für den ersten Abseiler auch noch ein Fixseil platzieren könnte (wenn man das jeweils im Voraus wüsste...). Der Bach war problemlos zu überqueren, jenseits querten wir, stellenweise sumpfig und mit Fixseil gesichert, horizontal zum Einstieg. Um 14.00 Uhr konnte der Startschuss fallen.

Auch von näher hat die Wand nicht ganz auf dem Apparat Platz. Man sieht den Verlauf ab L2 bis zum Ausstieg.
L1, 35m, 6a: Schöne Wandkletterei mit ein paar kniffligen Stellen, z.B. fordert ein erster kurzer Piaz, dann eine leistige Rechtsquerung an einem Aufschwung, bevor es einfacher über eine Verschneidung bzw. Rampe zum Stand geht. Gar nicht mal so einfach für eine 6a!

Dem Teufelstal wieder entronnen - auf der Rampe am Ende von L1 (6a).
L2, 25m, 6c: Sehr schöne Sequenz! Der Blick auf die steile, sehr eng gebohrte Piazverschneidung lässt etwas befürchten, das ist ja bekanntermassen nicht mein favorisierter Kletterstil. Schlussendlich ist es gängiger als gedacht, der Riss ist meist recht tief und scharf geschnitten, zum Treten ist auch nicht alles glatt. So fordert vor allem eine kurze Stelle, wo der Riss etwas mehr geschlossen ist und später dann der Wechsel von Layback zu Stem. Nach diesem strengen Auftakt geht es dann etwas gemütlicher und griffiger, aber nie leicht oder langweilig etwas rechtshaltend voran.

Ausblick auf die geschlossen wirkende Verschneidung mit Voll-Piaz in L2 (6c) - geht aber gut!
L3, 25m, 6c: Hier folgt die Route einem hammermässigen Splitter-Crack, das weckt viel Vorfreude. De visu sieht er weder sehr lang noch sehr schwierig und erst noch komplett eingebohrt aus. Einmal darin engagiert, ändert sich die Wahrnehmung dann durchaus: es ist steil, der Riss hat (für mich) gerade die ungünstige Thin Hands Dimension (d.h. die Finger klemmen nicht richtig und die Hand passt kaum rein, so dass sie ebenfalls nicht klemmt), alles ist etwas flutschig und zum Treten gibt's auch nix, die Füsse im Riss zu verklemmen ist die Devise. So war das für mich definitiv eine der anspruchsvollsten Stellen der Route, in der 7a und der 6c+ weiter oben konnte ich deutlich relaxter passieren. Die Absicherung mit BH ist wie erwähnt prima, dennoch dünkte mich der Klipp des zweiten Bolts aufgrund der labilen Position etwas risky - wenn der in die Hose geht, so hätte es wohl schon Weh getan. Mit einem Cam (wohl 0.75) könnte man das entschärfen. Damit nicht fertig, der Riss entwickelt sich zu einem Flared Slot, wo dann zum Glück auch noch ein paar "normale" Griffe auftauchen und weiterhelfen. Juggy geht's weiter über den Steilaufschwung, bevor man an einer letzten Piazverschneidung anpackt.

Ausblick auf den Splitter Crack in L3 (6c) mit den nachfolgenden Slot - alles länger, steiler und schwieriger, wie es aussieht!
Die Gegenperspektive - auch am Ende von L3 (6c) darf nochmals herzhaft, wenn auch einfacher gepiazt werden.
L4, 40m, 6b: Tolle Turnerei durch die grosse Verschneidung. Unschwierig gelangt man zum Kerzendepot im Biwak, danach geht's anhaltend in die Höhe. Der Riss im Verschneidungsgrund ist sehr breit, knieklemmend könnte man oft No-Hand-Rasten. Obwohl das Gelände aus Distanz sehr gleichbleibend aussieht, so sind die Moves äusserst abwechslungsreich. Einmal bietet die Wand links Leisten, hin und wieder kann man gut spreizen, dann piazt man an der Kante oder benutzt die Henkel, welche gut verkeilte Blöcke im Grund der Verschneidung bieten - super Fun! Erwähnenswert: hier sind die Hakenabstände im Vergleich zu manch anderer Seillänge spürbar weiter ausgefallen. Zum Abschluss gibt's dann ein henkliges Dach und dann - links draussen, ein letzter Piaz-Move.

Falls es nötig wäre... wobei es bei einem der meist bequemen Stände sicher angenehmer wäre als in dieser Nische.
L5, 30m, 6a: Vorerst gemütlich klettert man genussreich und spektakulär an Rissen und später spreizend mit der Wand des markanten Turms, welchen man fast, aber dann doch nicht ganz ersteigt. Die Crux folgt mit dem Wechsel vom Turm an die Wand. Die Absicherung ist auch hier gut, aber trotzdem sollte der Vorsteiger es im Griff haben, das Sturzgelände wäre da ungut. Rechtshaltend geht's dann gutgriffig durch die Wand, resp. an kleinen Verschneidungen zum Stand. Insgesamt wieder einmal eine 6a, die gar nicht mal so einfach ist.

Der Turm in L5 (6a), sicher nicht für die geologische Ewigkeit gemacht... 
L6, 40m, 7a: Die Cruxlänge, was für ein Gerät, megagenial! Gleich etwas knifflig geht's aus dem Stand raus, wobei der Abstand zum zweiten BH leicht allegro ist. Dort kann man wieder etwas durchschnaufen und nun in der seichten Verschneidung meist auf Gegendruck vorwärtsmoven, wobei dank ein paar besseren Griffen oder Tritten immer wieder einmal geschüttelt werden kann. Als nächstes auf dem Programm steht eine kräftige Untergriffquerung, zu deren Abschluss man sich knifflig nach rechts auf eine geneigte Rampe (Rastpunkt) drücken muss. Mit einem Spannweitenzug gelangt man wieder nach links ins das Riss-/Schuppensystem, das man schon zuvor benutzt hat. Dieses wird steiler, die Griffe/Kante werden tendenziell nicht besser/runder, die Kletterei ist anhaltend. Doch an der entscheidenden Stelle bietet dann wie von Zauberhand die Wand plötzlich etwas Struktur, so kann gecrimpt und schlau angetreten werden und die Thank-God-Jug rückt hoffentlich in Reichweite, bevor dem Kletterer der Saft ausgegangen ist - supercool! Ganz final wartet dann noch eine feine Rechtsquerung, dem Bolt sei Dank macht der Vorsteiger diese im Toprope und profitiert vom Gewicht des Seils, was die Sache fast banal macht - würde man hier 3m über der letzten Sicherung klettern, so hätte der Balancy-Move bestimmt eine andere Dimension.

Auch wenn es in der Cruxlänge (L6, 7a) weiterhin Risse, Schuppen und Verschneidungen hat, so herrscht insgesamt doch mehr Wandklettercharakter vor. Wie man sieht, ist die Felsqualität hier super - der Granit orange beinahe wie in Chamonix und doch auch ordentlich strukturiert. Sonst ist das Gestein an der Teufelstalwand doch vielerorts eher grau-grün-schwarz, mit weniger Reibung und Struktur.
L7, 20m, 6c+: Von unten sieht diese Länge ein wenig nach dem Teflon Corner der Teufelstalwand aus, viele andere Berichte schreiben von technischer Kletterei. Aber schlussendlich ist die Sache für mich doch ganz anders wie erwartet. Es hat viel mehr Griffe wie gedacht, gestemmt wird nur wenig, man movt viel mehr athletisch im Piaz oder an Leisten, wobei ich mich bei einer ganz entscheidenden gefragt habe, wie diese genau an der richtigen Stelle in die Wand gezaubert wurde... Nach etwas Antreten im Verschneidungsgrund steht man schliesslich unter der finalen Untergriffschuppe, wo mit den Füssen auf Gegendruck nach links in die steile Wand gequert wird: tricky Auftaktmove, dann kurz dranbleiben, mal kurz den Bizeps spannen oder mit Dynamo auf den Sloper patschen und ein Mantle - das ging viel müheloser wie erst gedacht. Eine total geniale Sequenz, zudem sehr eng mit Bolts ausgestattet.

An Untergriffen Druck auf die Reibungstritte bringen und einen weiten Move patschen heisst es am Ende von L7 (6c+)
L8, 20m, 5c: Kurzes Überführungsstück, immer griffig und tendenziell auch etwas piazig der Verschneidung entlang - für einmal wirklich eine gemütliche Sache. Zum Schluss in speziellem, schiefrigem Fels nach rechts raus. Wer mag und genügend Exen mitführt, kann diese Sequenz problemlos an L7 anhängen.

Seitenblick zu unseren Nachbarn in der Laura (7a). Da geht's nicht ganz so schnell vorwärts...
L9, 25m, 6c: Erst links an der griffigen Schuppe, dann eine Hangelquerung entlang der Ameisenstrasse, bevor ein Mantle auf's Band vor der entscheidenden Verschneidung führt. Gemütlich lässt diese einen an sich ran - Griffe und Tritte, alles da. Doch zu früh gefreut, plötzlich wird es doch noch herb! Der Riss verengt sich, die Tritte schwinden. Schon powerig erreiche ich ziemlich ausgestreckt einen Untergriff. Nun heisst's aber noch, mit den Füssen einen verwirrenden Tanz auf dem glatten Parkett hinzulegen, bevor Finger und Arme ihren Dienst quittieren. Da war ich doch plötzlich und etwas unverhofft am Limit, dank einem kreativen Dropknee an der Verschneidung und dem Risiko-Flucht-nach-vorne-Schalter, der sich betätigen liess, ging es auf. Geil-o-mat - wäre auch schade gewesen, hier noch den Komplett-Onsight zu vergeigen! Zuletzt dann deutlich nach rechts und easy in einer gestuften Verschneidung zum Stand.

Sieht gutmütig aus, aber ab dieser Position gilt es nochmals ernst - der Onsight-Spoiler wartet in L9 (6c).
L10, 45m, 5a: Gemässigte, plattige Kletterei über teils etwas flechtige Platten und bucklige Aufschwünge, wobei immer mal wieder ein Henkel oder ein abgesägter Baumstumpf einen guten Griff hergibt. Am schwierigsten sind die letzten Moves zum Stand hinauf - gut verlängern hilft hier sicher, um potenziellen Seilzug einzudämmen.

Die letzte Länge (L10, 5a) hat plattigen Charakter und ist zwar lang, aber zügig erledigt. Passt dann zu diesem Zeitpunkt!
Um 18.45 Uhr und somit nach 3:45h begeisternder Kletterei sind wir am Ausstieg. An sich wäre der Platz superbequem um sich der Lektüre des Routenbuchs zu widmen, wo sich schon viele zufriedene Begeher eingetragen haben. Allerdings hat es viele Ameisen, welche ganz gierig darauf sind, endlich wieder einmal einen Menschen besteigen zu können. So gibt's nur kurz ein Guetsli für uns, sowieso sollten wir langsam abdampfen, damit wir daheim sind wenn die Kinder von ihren Trainings zurück kommen und um sie ins Bett zu stecken. So hampeln wir wie üblich die Fixseile hinauf, wie jedes Mal bisher fahren diese 'unnötigen' 150hm Aufstieg wenn man doch eigentlich heim und hinunter wollte nochmals in die Beine. Später dann querend, durchs Couloir absteigend und nochmals querend gelangen wir zur Strasse und über diese zurück zum Nätschen (Zeitbedarf ca. 45 Minuten). Höchst zufrieden über diese absolut geniale Tour zuckeln wir über die angenehm leeren Strassen heim.



Facts

Teufelstalwand - Alpentraum 7a (6b obl.) - 10 SL, 310m - Würsch/Linder 2011 - *****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, evtl. Cam 0.5/0.75

Weltklasse, da gibt es keine Zweifel! Fels und Kletterei im Alpentraum überzeugen auf der ganzen Linie, die Schwierigkeiten sind anhaltend, homogen und die Moves abwechslungsreich, das Ganze auf einer logischen Linie, die geradlinig gen Himmel zieht. Hingehen und Klettern, kann man da nur sagen. Mitnehmen muss man nur 14 Exen, da die ganze Route mit zahlreichen Inoxbolts ausgestattet ist. In gewissen Passagen stecken diese sehr eng (xxxxx), bei anderen (auch schwierigen Stellen) ist der Anspruch dann aber doch wieder etwas höher und man muss auch zwischen den Haken etwas bieten (xxxx). Alles in allem aber eine richtige Clip & Go Kletterei, einfach zum Geniessen. Und ich muss sagen, mir hat das enorm Spass gemacht - viel mehr als in den cleanen Trad-Routen nebenan, wo man sich erst mordsschwer mit Gear behängt, nachher mehr am Rumfummeln als am Klettern ist und sich beständig die besten Griffmöglichkeiten mit Cams blockiert. So erstaunt es natürlich auch wenig, dass ich den Alpentraum trotz auf dem Topo ähnlichen Schwierigkeiten als viel einfacher wahrgenommen habe als die Trad-Routen links - man kann viel schneller und offensiver klettern, die mentale Komponente spielt möglicherweise zusätzlich eine Rolle. Insgesamt dünkte es mich, dass der Alpentraum mehr ein Fall von 6b anstatt 6c obligatorisch ist - trotzdem soll man die Route nicht unterschätzen, insbesondere da ein Rückzug in die Schlucht zwar problemlos wäre, der Ausweg aus dieser aber schwierig zu finden, mühsam und nicht ungefährlich ist.

Dienstag, 2. Juni 2020

Schöllenen - Inox (7a)

Die Inox, am gleichnamigen, markanten Pfeiler in der Schöllenen stellt ein wahres Granit-Testpiece dar. Bereits 1983 war sie von den Remy-Brothers in kühner Manier erstbegangen worden, eine für die damalige Zeit wirklich herausragende Leistung. Lange Jahre haftete ihr der Ruhm einer extremen Kletterei an, bevor sie durch die Eröffnung von höher bewerteten Routen im Kalk von Wenden und Rätikon etwas in Vergessenheit geriet. Nach einer komplett missglückten Pseudo-Sanierung durch die Erstbegeher im 2007 wurde die Route dann verdankenswerter Weise im 2012 durch Spiri et al. renoviert und mit soliden Inoxbolts versehen. Die Hakenanzahl blieb dabei gegenüber der Erstbegehung praktisch unverändert, diese wurden jedoch mit Blick auf Sicherheit und Anspruch an den Kletterer grösstenteils neu platziert. Kaum mehr eine Stelle ist nun echt gefährlich, aber auch kaum eine schwierige Kletterstelle lässt sich mit Hakenhilfe entschärfen, so dass der Grad 7a in abschüssigem, superkompaktem Granit obligatorisch geklettert werden muss. Ich würde sagen: die Inox ist ein absolutes Must-Do für jeden ambitionierten MSL-Kletterer in der Schweiz, eine absolute Hammerroute!

Der Routenverlauf der Inox in der Schöllenen.
In der Woche zuvor hatte ich back-to-back zwei 8a-Routen punkten können. Was lag also näher, als in der Inox zu testen, wie weit es wirklich um meine Kletterfertigkeiten steht. Wer sich ein wenig auskennt, weiss genau was das bedeutet: ein Grad der im bekannten, überhängenden Klettergarten gerade noch zum Aufwärmen taugt, erscheint im haltlosen Granit plötzlich als unbezwingbar. Oder mit anderen Worten, in einer solchen Route wie der Inox kann man einfach nur "aufs Dach kriegen". Nun denn, hin und wieder schadet dieses Gefühl nicht und so machten wir uns auf den Weg. Nachdem wir beide kürzlich für die benachbarte Suworov (6c) vor Ort waren, mussten wir uns um den Zustieg keine langen Gedanken machen. Raschen Schrittes folgten wir dem Graben des Schutzwalls bis zur Stelle, wo unser Steinmann den Beginn der Pfadspuren markierte, die in wenigen Minuten zum Einstieg führen. Dieser befindet sich wenige Meter rechts vom tiefsten Punkt und ist an den Bolts mit den rostfreien Fixé-Laschen, welche in die Verschneidung führen, zweifelsfrei zu identifizieren. Wir einigten uns, die Route im Block-Vorstieg anzugehen, wobei mir persönlich der zweite Teil zufiel. Um 10.30 Uhr hatten wir alles parat und zwar mit gehörig Respekt, aber guten Mutes bei Sonnenschein und angenehmen Temperaturen ein.

A little bit of history... die folgenden Seiten sind auch interessant, aber die muss man vor Ort nachlesen :-)
L1, 35m, 6 BH, 7a: Die erste Seillänge präsentiert sich vom Einstieg de visu als gutmütiges Teilstück zum Aufwärmen, man fragt sich beinahe schon, wo der 7a-Move wohl überhaupt steckt. Voll montiert präsentiert sich dann allerdings schon das vermeintlich triviale Abheben vom Boden als gar nicht mal so einfach. Nichtsdestotrotz, der Auftakt über 3 BH und einem selbst abzusichernden Abschnitt in der Verschneidung ist noch leicht verdaulich. Die Klimax folgt am Schluss, wo bei der Sanierung die linke, frei kletterbare Variante gebohrt wurde (die A0-Möglichkeit rechts existiert nicht mehr). Man muss fein an Untergriffen antreten, um eine verzwickte Pinch zu erreichen und diese mit den Füssen im Nichts durchmoven - das ist schon einmal der erste Test und die 7a ziemlich obligatorisch. Mir ging's im Nachstieg gerade auf, ich konnte die Länge flashen.

Ausblick auf L1 (7a), die erst noch relativ gutmütig daherkommt, es im Finish dann aber doch in sich hat.
L2, 30m, 6 BH, 7a: Den gewonnenen Schwung sollte man nun nutzen, um über die äusserst knifflige Crux gleich zu Beginn der zweiten Länge hinwegzukommen. Hier wurde der erste Bolt etwas fies links aussen platziert, so dass er zur Fortbewegung nicht verwendet werden kann, mit dem alten Placement war das möglich... In abschüssigem, etwas glitschigem Gelände muss hier auf die leisesten Andeutungen einer Delle angetreten werden, wenige, ungünstig ausgerichtete Seit-/Untergriffe leisten dabei etwas Unterstützung. Nun sollte man sich bevor die Füsse rutschen nach der Seitgriffleiste weit oben strecken und diese hernach in Streckenfortschritt ummünzen. Nach einem heiklen Aufrichter kann dann endlich wieder geklippt werden. In unserem Fall erforderte diese Stelle unzählige Versuche und ein paar harte Stürze in den ersten Bolt - für meinen persönlichen Geschmack dürfte es sich hiermit sogar um die schwierigste Einzelstelle handeln. Damit ist es nicht gegessen, der Abschnitt zum dritten Bolt eignet sich hervorragend, um allfällige aufgekommene Glücksgefühle wieder zu dämpfen. Direkt oder rechtsrum? Das originale Topo zeigt  die Rechtsvariante, was einen aber auf eine heikle, sloprige Linksquerung weit über dem letzten Bolt zwingt - es ist die vielleicht einzige, schwierige Kletterstelle der Route im >=6bc-Bereich, wo ein Sturz sehr unangenehm scheint. Direkt geklettert wäre es psychisch angenehmer, aber sturzmässig auch nicht ganz unbedenklich und vermutlich schwieriger (wir sind beide rechtsrum). Der Abschnitt über die letzten 3 Haken zum Stand ist dann vergleichsweise einfach zu haben.

Auch dieser Abschnitt sieht auf dem Foto wesentlich einfacher aus, als er in Realität ist. Die heikle, sloprige Linksquerung in L2 (7a).
L3, 40m, 8 BH, 7a: Eine Monsterlänge, super! Nach einen schon nicht ganz einfachen Auftakt stellen sich die ersten Fragezeichen am zweiten Bolt - nämlich ob man sich auf die Untergriffquerung oberhalb dessen oder die abschüssige Wandkletterei direkt am Haken einlassen soll. Da wir beide schlussendlich dieselbe Lösung gewählt haben, bleibt die Frage an dieser Stelle unbeantwortet. Die Stelle bringt einen zur Crux am nächsten Haken, wo man an zwei schlechten Leisten die Füsse auf die Platte presst, so dass sie im Abrutschgelände trotzdem haften. So gelangt man zu einer Verschneidung, in welcher sich ein grosser Teil der Seillänge abspielt. Zuerst gelangt man noch recht gut vorwärts, aber die Sache neigt sich nach rechts und wird immer abdrängender und kniffliger. Mit kreativ-abwechslungsreichen funky Moves (unverhofft auftauchende Leisten in der Wand rechts, Piaz im Riss, Verwendung der Kante) turnt man in die Höhe, total genial - Haken steckt natürlich auch nur alle 4-5m einer. Zuletzt quert man dann an ein paar perfekten Zuschraub-Crimps nach rechts hinaus in die Wand, über welche man den Stand erreicht. In dieser Seillänge gelang uns sogar ein Team-Onsight, sie ist zwar deutlich anhaltender als L2, für mein persönliches Empfinden aber leichter.

Crimpy Wandquerung am Ende von L3 (7a).
L4, 30m, 2 BH, 6a+: Die "einfache" Länge der Route, aber geschenkt gibt's da wie erwartet wenig bis gar nichts. Seien wir mal ehrlich, wenn z.B. der bekannte, von mir kurz darauf begangene '30m-Riss' in der Sagittarius am Grimsel wirklich eine 6a+ sein sollte, so müsste diese Länge hier mindestens eine 6c sein. Aber item, im Gesamtkontext der Inox wird dieses Teilstück wohl keinen Begeher ausbremsen (ausser er hätte seine Cams vergessen). Durch die griffige Wand erreicht man an einem Bolt vorbei die clean sanierte Piazschuppe. Steil und ungünstig nach rechts geneigt zieht diese in die Höhe, die Wand rechts ist strukturlos und glatt, so dass nur ein kompromissloser Layback hilft. Der Riss im Grund der Verschneidung hat erst Grösse 0.5, dann 0.75 und schliesslich 1, meinereiner braucht für diesen Abschnitt auch zwingend 3 Cams. Bei einem diagonalen Rail verlässt man die erste Verschneidung knifflig nach links zu einem BH, um den zweiten, ähnlich langen Teil an einer weiteren, kräftigen Piazschuppe zu klettern. Auf diesen 15 cleanen Metern passen erneut dieselben Cams wie unten, so dass man 0.5-1 am besten doppelt mitführt. Aber meine Piaz-Vorliebe kennt man ja, sie wird nur noch getoppt von langen Runouts in cleanen Piazrissen...

Klare Linien und ein ziemlich taffer Piaz in L4 (hart 6a+).
L5, 35m, 6 BH, 7a+: Die nominelle Crux, das kann ja heiter werden! Den ersten Bolt erreicht man mühelos, allerdings zum Preis einer schon echt kniffligen Rechtstraverse darüber hinweg. Eigentlich ist da ein verdammt guter (natürlich abschüsser Reibungs-)Tritt, aber irgendwie ist es doch kaum möglich, sich da drüber zu schieben, ohne dass der Fuss rutscht. Einmal gelungen, ist man dafür an ein paar griffigen Strukturen rasch beim zweiten Haken, wo die Musik zu spielen beginnt. Eine unglaublich kompakte Platte mit ein paar Noppen stellt sich in den Weg und es will erst einmal entschlüsselt werden, wie man darüber hinweg kommt. Direkt hoch sind die rettenden Griffe und auch der nächste BH nicht einmal meilenweit entfernt, dafür aber ist das Gelände am Bolt richtig blank. Am einfachsten geht's zuerst linksrum in die Höhe, dafür wartet dann eine heikle Horizontaltraverse deutlich über dem Haken. Hat man eine Lösung für diese Passage gefunden, bringen einen gut zu managende Moves über 2 BH zu einer henkligen Dächerzone, welche im Zuge der Sanierung 'gecleant' wurde. Man kann aber gut legen und turnt nach rechts hinauf, cool! Am Ende kommen dann nochmals 2 Bolts, wobei schon der Klipp des Finalen sich als knifflig präsentiert. Das gilt erst recht für die folgende Kletterstelle, wo es auch wieder viel Interpretationsspielraum gibt. Vom Hook bis hin zu einem kleinen Umweg nach rechts ist vieles denkbar, was wohl am besten aufgeht?!? Finde es selber heraus ;-)

Zuerst wartet in L5 (7a+) superkompaktes Gelände, danach folgen einige griffigere Dächer.
L6, 40m, 6 BH, 7a: Nach einem Start-Mantle klettert man zügig vorwärts zu einem knapp 1m ausladenden Dach, welches die Erstbegeher wie man anhand der alten Bohrkronen sieht, A0 erschlossen haben. Heutzutage ist fertig mit solcher Praktik, steckt der Bolt doch unterhalb im Dach und nachher folgt nichts (bzw. nur Griffe, aber kein Metall ;-)). Diese Crimps sind nicht so schlecht und der Mantle übers Dächle zwar zwingend, aber auch nicht voll die Härte - ich empfand diese Stelle als klar einfacher wie die fusslastigeren L2 und L5. Damit enden die Hauptschwierigkeiten, doch in weiterhin fordernder, schöner 6bc-Kletterei mit ein paar zwingenden Passagen erreicht man zuletzt nach links tendierend den Ausstiegsstand mit dem Gamellen-Wandbuch, nur etwa 10m vom Ende der Suworov entfernt.

Die letzten Meter zum Top in L6 (7a).
Nach zähem Ringen hatten wir ein paar Minuten nach 17.00 Uhr und damit nach über 6:30h Kletterei das Top erreicht. Ja, so vergeht die Zeit, wenn man um diverse Kletterstellen heftig kämpfen muss und die Boulderpuzzles erst entschlüsselt werden wollen. Doch anders geht's bei dieser voll zwingend gehaltenen Absicherung nicht, ausser natürlich man fühle sich so in seinem Element, dass man die Inox einfach hochspazieren könnte. Allen die sowas drauf haben gebührt unser höchster Respekt, tja da würde ich gerne dabei zusehen und mir eine Scheibe davon abschneiden! Trotz unserer ausufernden Begehungszeit sind wir hochzufrieden, es hatte total Spass gemacht! Ja, in der Inox ist der Grad 7a halt einfach schon richtig, richtig schwierig. Ohne Bewegungstalent, ohne gute Reibungstechnik und ohne das Mindset, sich auf Kletterei an der Haft- und Abrutschgrenze in abschüssigem Gelände jenseits der letzten Sicherung einzulassen, kommt man hier nirgendwo hin - nur mit Kraft allein geht's nicht, allerdings ist etwas Strom in Finger und Arm dann auch durchaus wieder unabdingbar. Es ist nämlich auch nicht so, dass es sich um reine Reibungskletterei handeln würde, die Wand ist recht steil und man hat ständig kleinere oder grössere Griffe in der Hand. 

Auf dem Heimweg... der Inox-Pfeiler mit seinem etwas weniger steilen Sockel hat auf den Fotos einfach ein klein wenig etwas von der Nose am El Cap. Genau dafür hatte mir mein Kollega Roby die Route dereinst auch empfohlen, hatte er sie doch selber als Trainingsroute für sein Freikletterprojekt am El Cap genutzt. Dieses ist dann tatsächlich gelungen, eine absolut geniale und in den Medien viel zu wenig gewürdigte Geschichte. 
Nachdem wir ausgiebig im Wandbuch gelesen hatten - wir markierten die 32. Begehung seit der Sanierung vor 8 Jahren, wobei etliche Kletterer gleich mehrere dieser auf sich vereinen - machten wir uns auf die Abseilfahrt. Im Laufe des Tages hatte sich die Sonne erst wegen Wolken rar gemacht, später war sie dann sogar hinter dem Horizont verschwunden. Zusätzlich war eine steife Brise aufgekommen, so dass wir (positiv gesehen) stets auf exzellente Bedingungen am Reibungslimit hatten zählen können. Für die Abseilerei wären hier 60m-Seile durchaus praktisch, so würde man in nur 3 Manövern wieder an den Einstieg kommen. Mit den 50er-Stricken muss man hingegen jeden Stand nutzen, nur zuletzt kann man sich diagonal gerade auf den etwas höher gelegenen Einstieg der Suworov retten. Wir packten unsere Ware und philosophierten schon jetzt: "wann und für welche Tour würden wir wohl hierher zurückkommen?". Die Inox hatte uns bereits in ihren Bann gezogen - eigentlich wäre es ja schon noch nötig, hier einmal noch alle Längen zu punkten oder noch besser, so gut zu werden, dass man über alle diese Boulderstellen einfach hinaufschweben kann. Eine andere Möglichkeit bestünde noch in der Cyclope, welche de visu durchaus ein paar interessante Kletterstellen bereithalten könnte. Abgesehen von den rostig-alten Haken und der weit gebohrten ersten Länge sieht die Absicherung dort noch recht zugänglich aus. Pointless erscheint hingegen die Chifir rechts der Inox. Komplett unverständlich, wie die Brothers hier ihren eigenen Meilenstein Inox mit einer unlogischen, nicht frei kletterbaren Linie mit diversen A1-Bohrhakenleitern und teilweise gemeinsamen Ständen entwertet haben.



Facts

Schöllenen - Inox 7a+ (7a obl.) - 6 SL, 210m - C. & Y. Remy 1983, saniert 2012 - *****;xxx
Material: 2x50m (oder bequem zum Abseilen) 2x60m-Seile, 12 Express, Cams 1x 0.2-0.4 & 2x 0.5-1

Trotz der moderaten Bewertung im 7a-Bereich wird diese haarsträubende Granitroute auch heute noch für manchen Kletterer ein Testpiece darstellen. Einerseits liegt das am Charakter der Kletterei, die perfekte Fusstechnik, gute Nerven und auch etwas Kraft erfordert, wobei letztere sicher bei den wenigsten Aspiranten den limitierenden Faktor darstellt. Die Bohrhaken sind solide und intelligent platziert - es scheint allerdings mit Absicht so, dass die Kletterei so obligatorisch wie möglich ist. Wahnwitzig weit oder gefährlich sind die Abstände eigentlich nie, nur halt eben auch an den Schlüsselstellen oft zwingend. Ob man dies nun als xx oder xxx wertet, ist ein wenig Ansichtssache. Wäre die Kletterei nur ein wenig mehr positiv-griffig-kontrollierbar-zugänglich, so würde man bei diesen Abständen ohne weiteres von guter Absicherung reden und somit entscheide ich mich für die xxx. Stellenweise müssen Cams platziert werden, was dann aber sehr gut möglich ist. In der Originalversion (so schien es uns) konnten vermutlich etliche der schwierigen Kletterstellen genullt werden, dies aber wohl zum Preis von gefährlichen Abständen im etwas einfacheren Gelände - somit weist die Route heute sicher das gesündere und sportlich wertvollere Absicherungskonzept auf. Bezüglich der Schönheit der Route gibt es keine Zweifel: das verdient volle 5*, Weltklasse! Stünde diese Tour im Yosemite, so wäre sie ganz sicher ein gehypt-überranntes Testpiece. Nun befindet sie sich halt "nur" in der Schöllenen (ja immerhin auch ein geschichtsträchtiger Ort) mit ihrem etwas gewöhnungsbedürftigen Ambiente und führt auch auf keinen Gipfel, aber die Kletterei ist einfach so gut, so komplett, so anhaltend und so fordernd, dass die Höchstnote absolut verdient ist.