- -

Mittwoch, 3. August 2022

Ueschenen - Andromeda (7a)

Die Wahl dieses Tourenziels ist für uns durch einige Sachzwänge entstanden - andere Sporteltern werden es uns wohl bestens nachfühlen können. Zuerst mussten wir Jerome zum Treffpunkt für den Aufbruch in sein mehrtägiges Trainingslager bringen. Dann ging es gleich weiter mit dem Lieferdienst: Larina durfte ein Schnupperweekend bei der Kletter-Nationalmannschaft verbringen, das war die nächste anzufahrende Adresse. Nachdem die Mittagsstunde schon bald erreicht war, hatten dann Kathrin und ich freie Wahl bezüglich des weiteren Programms. Was liesse sich denn an einem heissen Sommernachmittag denn noch lohnendes unternehmen? Mit Start in der Region Bern sollte es ein Tourenziel sein, welches wir sonst nicht regelmässig besuchen. So kamen wir auf die mir bisher noch nicht bekannte SE-Wand in Ueschenen. Diese ist zwar mehr als sonniges Herbstziel bekannt. Ich malte mir jedoch aus, dass wir hier mit Thermik, ein paar Quellwolken und dem nachmittags einkehrenden Schatten auch an einem >30 Grad-Tag auf gute Bedingungen träfen - genau so kam es dann auch :-)

Blick auf die Ueschener Flue vom Ausgangspunkt am Rychenbärgli, Ein- und Ausstieg von Andromeda (8 SL, 7a) sind markiert.

Die Anreise erfordert auch ab Bern noch einiges an Sitzleder. Zuerst wird nach Kandersteg bzw. ganz in den Talschluss bei Eggeschwand gekurvt, wo 10 CHF an Taxe für die Fahrt gelöhnt werden müssen. Man kann vorbildlich per App (oder auch mit Münzen) bezahlen. Kurvenreich geht's von da noch weit in die Höhe. Wir wählten die Abstellmöglichkeit bei der Bergwirtschaft Rychenbärgli (ca. 1880m). Es gibt dort allerdings nur wenige Plätze, welche für die Gäste reserviert sind. Man muss also unbedingt nachfragen, wo man abstellen kann/darf und eine Konsumation vor oder nach dem Klettern scheint absolut obligatorisch. Um 13.00 Uhr starteten wir auf die Tour. Der Zustieg führt über einen Pfad die Alpweide hoch und dann in einigem Auf und Ab etwas mühsam dem Wandfuss entlang durchs Kraut noch weit nach links. Um den nicht näher beschrifteten oder bezeichneten Einstieg zu finden, ist etwas Spürsinn nötig. Etwas nach 13.30 Uhr starteten wir in die Route.

L1, 25m, 6b+: Auf los geht's los, nach einem kurzen, einfachen Vorgeplänkel an einer Art Vorbau wartet schon das erste Dächlein. Die Griffe sind aber da, dennoch heisst es die Linie zu erkennen, doch man gelangt noch ohne grössere Schwierigkeiten unter das finale Dach hinauf. Mit einem kniffligen Boulderzug an Untergriff darüber hinweg und powerig ins senkrechte Gelände darob retten. Ein schöner Auftakt, es war auch gar nicht so staubig (liegt wohl am extrem trockenen Sommer 2022).

Steile und athletische Kletterei mit kniffligem Abschlussdach wartet in L1 (6b+)

L2, 20m, 6b: Eher kurze, aber doch anspruchsvolle, steile Seillänge. Sie beginnt mit einer Querung nach rechts, nachher geht's kräftig an griffigen Schuppen in die Höhe, bevor man zuletzt wieder feiner nach rechts zum Stand quert. Hier gilt es trotz der sehr guten Absicherung teilweise auch zwischen den Haken nicht ganz trivial zu klettern.

Tolle Kletterei in wendenmässigem Fels (L2, 6b).

L3, 15m, 6b+: Vom Stand betrachtet sieht dieser Abschnitt fast schon banal aus. Das liegt in erster Linie daran, dass sich das Gelände ziemlich zurücklegt. Eindrücke können aber täuschen und so auch hier: positive Strukturen gibt es kaum mehr, die steilplattige Kletterei ist sehr technisch, erfordert gute Reibungstechnik und die Bedienung von kleinsten Untergriffschüpplein. Nach einem Mantle auf ein Band folgt eine weitere, etwas einfachere Stelle zum Hinstehen, bevor schon der nächste Stand kommt.

Plattige Kletterei mit etwas abschüssigem Charakter steht in L3 (6b+) auf dem Programm.

L4, 20m, 6a+: Beim Auftakt in diese Länge habe ich die fixen Sicherungen vermisst. De fakto findet man auf der ersten Hälfte dieses Abschnitt rein gar nix, was mich bei dieser ansonsten sehr eng abgesicherten Route doch reichlich seltsam dünkte. Klar handelt es sich um relativ unschwierige Kletterei, aber so im 5b-Bereich ist es dann doch und somit etwas heikel (stürzen darf man da jedenfalls nicht). Eine Wandstufe mit athletischer Kletterei an schönen Leisten bringt einen dann schon bald zum gut sichtbaren Stand. Diese Länge kann gut an L3 angehängt werden.

Piekfeine Moves und toller Fels in L4 (6a+).

L5, 20m, 6b+: Ebenfalls eher kurze, aber sehr anhaltende Seillänge mit toller, technisch anspruchsvoller Steilplattenkletterei. Was auf den ersten Blick abweisend erscheint, präsentiert auf genaueres Hinsehen doch immer ein Möglichkeit, ohne extreme Schwierigkeiten zu steigen. Man darf einfach die Ruhe und die Übersicht nicht verlieren - was durch die sehr eng gehaltene Absicherung bestimmt stark erleichtert wird.

Kleine Strukturen nutzen, um die Füsse auf die Unterlage zu pressen heisst es in L5 (6b+).

L6, 15m, 5c+: Noch kürzere Seillänge, die eher den Charakter eines Überführungsstücks hat. Trotzdem schöne Kletterei - sie dünkte mich im Vergleich auch weniger einfach, wie ich es aufgrund der deutlich tieferen Einstufung erwartet hatte. Wer möchte (und genügend Exen am Gurt hat), kann diesen Abschnitt problemlos an L5 anhängen. Einzig der Stand nach dieser Länge liegt für die Fortsetzung (L7, 7a) ungünstig weit rechts und sorgt dort dann für ungünstigen Seilverlauf. Wir haben daher direkt am Beginn der steilen Kletterei von L7 einen improvisierten Stand gemacht, was sich dank 2 nahe steckenden BH (einer von Argus, der erste von L7) anbietet.

Aussicht aus der Wand zum Ausgangspunkt Rychenbärgli (unterer Bildrand), zur Blüemlisalpgruppe (Bildmitte) und zum Oeschinensee, wo Kathrin und ich dieses Jahr ja auch schon ein eisiges Kletterabenteuer hatten.

L7, 20m, 7a: Tolle Seillänge mit athletischer Kletterei an bestem Fels. Zu nutzen gilt es einerseits einige tropflochartige, scharfe Strukturen, andererseits seichte Schlitze. Zuerst heisst es, mit ziemlicher Entschlossenheit ans Werk zu gehen und kräftig zu ziehen, mittig will dann überlegt geklettert werden - es ist alles andere als einfach die beste Sequenz zu lesen und es pumpt gehörig. Jedenfalls wird man sicher sehr froh sein, schlussendlich bessere Griffe in die Hand zu kriegen und am Ende etwas leichter zum Stand zu steigen. Wem es übrigens schon verleidet ist oder wer sich die 7a nicht zutraut, kann diese Länge rechtsherum auf der Argus bei einer Schwierigkeit von 6a umgehen. 

L8, 10m, 6a: Mini-Seillänge über eine Stufe und eine kurze Verschneidung, welche man problemlos an die vorangehende anhängen kann. Der Stand befindet sich dann unmittelbar vor der Gipfelwiese.

Der Nachteil, wenn man Seillängen überspringt: die Foto-Ausbeute wird deutlich schlechter. So gibt es aus der Crux (L7, 7a) eben kein Bild, weil wir die kurze L8 (6a) gleich noch angehängt haben. In letzterer sieht man Kathrin die finalen Meter zum Top klettern.

Um 17.15 Uhr und damit nach 3:45h Kletterei hatten wir das Top erreicht. Die Route war wirklich ein grosser Genuss gewesen - der Fels meist wendenmässig gut, aber natürlich mit viel besserer Absicherung, weniger ernsthaftem Ambiente und damit auch psychisch deutlich tieferem Anspruch. Hier kann man problemlos Vollgas geben und voll angreifen, was wir natürlich auch gerne taten und was mit einer einwandfreien Begehung belohnt wurde :-) Auch die äusseren Bedingungen waren perfekt gewesen, wie erwartet mussten wir weder in der Hitze schmoren noch im Wind schlottern. Trotzdem, eine Rast am Ausstieg bot sich nicht an, viel mehr der Weg auf die Terrasse vom Rychenbärgli. Das Abseilen verläuft hier wirklich sehr speditiv, auch mit 2x50m-Seilen sind nur gerade 3 Manöver nötig, bis man wieder auf dem Boden steht (Top -> Stand 5 -> Stand 2 -> Einstieg), wo man etwas nördlich bei einem Wasserfall gleich eine erfrischende Dusche nehmen könnte. Wir verzichteten darauf, schnürten die Schuhe, querten erneut etwas mühsam in Auf und Ab durchs Kraut und waren bald zurück beim Ausgangspunkt, wo uns ein feines Znacht serviert wurde - ein toller Tag.

Das war dann schon am Folgetag, Sportklettern in Gehrenen mit tollem Blick auf die Niesenkette.

Auch für die folgenden Tage blieben wir im Kandertal. Nachdem wir Larina (die erst einmal etwas Erholung von ihrem anstrengenden Weekend brauchte) abgeholt hatten, beschränkten wir uns auf das Sportklettern in schattigen Gebieten. Davon gibt's in der Gegend ja einige, die mir bis dato noch unbekannt waren. So kletterten wir noch in Gehrenen (Alter Sektor, Schatten bis ca. 15 Uhr) und stiegen danach aufs Gehrihorn, an der Sulzweng in Inner Ueschenen (Schatten ab 13 Uhr) und in Wildi (Schatten bis 15 Uhr), wo wir noch einige harte Nüsse knacken konnte. In Erinnerung geblieben ist mir auch eine Konversation mit einem in Norwegen ansässigen Alpinsportler, der auf dem Camping unser Nachbar war. Ich erklärte ihm, dass ich die (Fels-)Klettermöglichkeiten in der Gegend bisher nicht so ausgiebig kennen würde, da sie von uns 'zu weit weg' lägen (bzw. sich ebenbürtige Möglichkeiten halt eben näher befinden). Wie lange wir denn ins Kandertal zu fahren hätten, fragte er zurück. Ob meiner Aussage, es dauere ca. 2-2.5h, war er ziemlich verwundert - ist es doch für sie normal, selbst für eine Skitour einen Anfahrtsweg von 5-7h in Kauf zu nehmen. "Verrückte Sache, Maloney", kann man da nur noch sagen.

Auch 2 Tage später fanden wir den erwünschten Schatten beim Sportklettern an der Sulzweng.

Facts

Ueschenen - Andromeda 7a (6b+ obl.) - 7 SL, 180m - Erik Detmer 1995 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express

Sehr schöne MSL-Sportkletterei mit kurzem Zustieg und noch kürzeren Seillängen. Die Felsqualität ist weitestgehend sehr überzeugend und erreicht beinahe Wenden-Niveau. Die Kletterei schwankt zwischen steilplattig-technisch, fingerkräftigen Wandpassagen und ein paar kleinen Dächlein. Die Absicherung steckt meistens eng, einige wenige etwas zwingende Passagen verlangen aber doch ein gewisses Vorstiegsniveau. Zu erwähnen ist, dass das Material von 1995 mit der ungünstigen Mischung von verzinkten Dübeln und rostfreien Laschen schon etwas angejahrt aussieht. Mobile Mittel sind nicht nötig und auch kaum anzubringen. Wer einige Seillängen verbinden möchte (z.B. 3/4, 5/6, 7/8 sind sehr gut möglich), sollte etwa 6 Exen zusätzlich zu den 10 empfohlenen mitführen - man entscheide selbst, ob das Sinn macht. Zu beachten ist noch, dass die Route unmittelbar neben (quasi-)permanenten Wasserläufen durchführt. Nach intensiven Niederschlägen und/oder der Schneeschmelze kann ich mir gut vorstellen, dass gewisse Teile der Route betroffen sind. Das Originaltopo aus dem Schweizer Klettermagazin Ravage 1/96 ist unten abgebildet, ansonsten ist das Gebiet bestens in den Filidor Führern Plaisir West und Extrem West beschrieben.

Originaltopo aus Ravage 1/96

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.