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Sonntag, 14. August 2022

Ailefroide - La voie des Maîtres (6c+)

Eine plattige MSL im Granit, aber bitte nicht zu einfach, so hiess die Bestellung von Madame. Ausgiebig wurde der Kletterführer gewälzt, um ihre Wünsche gegen Anspruch und Machbarkeit für den designierten Vorsteiger abzuwägen. Schliesslich hiess es 'auf zur Slab-Meisterprüfung' in der Voie des Maitres (13 SL, 6c+) im Sektor Palavar von Ailefroide. Eine grandiose Tour, die mit Knallerplatten überhaupt nicht geizt! Wir konnten die Route in unseren Sommerferien 2021 mit Genuss und Erfolg klettern, hier der Bericht dazu.

Da heisst es zupacken und richtig gescheit auf die Füsse stehen! Larina in Action in L5 (6c).

Vom Hauptplatz in Ailefroide folgt man erst der Strasse in Vallon de Selé, wo man nach ca. 600m Parkmöglichkeiten findet. Der Zustieg von da scheint kurz, es sind aber doch 250hm zu überwinden. Man folgt erst für ein kurzes Stück dem Wanderweg zum Refuge du Pelvoux, zweigt aber bald auf einem sehr gut ausgetretenen Pfad rechts hinauf in Richtung der Felsen ab. Noch bevor man am tiefsten Punkt der Felsen mit dem Einstieg der extrem populären Route Palavar-les-flots angelangt ist, hält man sich nach rechts gegen die Schlucht hinter dem Little Palavar. Das Gelände, wo die Route beginnt, sieht extrem nach Gemüsegarten aus... und so ist es auch nicht einfach, den Start zu finden. Etwas nach 13.00 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

L1, 4c: Wie erwähnt, botanisch gefärbte, unlohnende Länge ohne nennenswerte Schwierigkeiten. Es stecken einige Bolts, nur sind sie gar nicht mal so einfach zu lokalisieren. Kann man als verschärften Teil des Zustiegs verbuchen.

L2, 6c: Nun geht's aber fulminant los! Kurz hinauf, dann will ein Dachgürtel bouldrig nach links überwunden werden (A0 möglich). In der nachfolgenden Platte will dann aber geklettert werden, hier sind die Abstände zwingend gehalten, die Kletterei dafür etwas einfacher.

Nach der Dächli-Bouldercrux wartet in L2 (6c) noch ein fordernder Plattenausstieg.

L3, 5c und L4, 6a: In L3 querend deutlich über die Platte nach rechts, im Gesamtkontext eine unschwierige Seillänge, die zügig erledigt ist. Hier stecken die Bolts nicht ganz so eng. Auch in L4 ist der Charakter plattig, ich empfand sie als diejenige mit den weitesten Hakenabständen. Der Ausstieg dann etwas botanisch aber markant an der kleinen Föhre.

Etwas botanischer Ausstieg, dafür aber fotogen in den Farben (L4, 6a).

L5, 6c: Supercoole Steilplattenlänge, prima klettergartenmässig abgesichert. In der Mitte warten die kritischen Moves, es heisst sich sorgfältig zu platzieren, eher sloprige Griffe zu bedienen um Druck auf die Füsse zu bringen, welchen zu 100% zu vertrauen ist. Auch nach der Crux geht's kontinuierlich interessant weiter und lässt bis zum Schluss nicht nach, einfach genial!

L5 (6c) bietet anhaltend fordernde, steilplattige Kletterei mit prima Absicherung - echt genial. 

L6-L9, 6a-6a+: In L6 (6a) erst diagonal über eine Platte hinauf, dann nach rechts fast horizontal durch eine botanische Zone. In L7 (6a) wird das Gelände wieder kompakter, man steigt über eine schöne Platte hinauf. Etwas Abwechslung gibt es in L8 (6a+), wo die Route erst einem verschneidungsähnlichen Dächli folgt - sieht schwierig aus, löst sich aber prima auf. In L9 (6a) geht's plattig in eine buschige Zone hinauf, wo man vor dem Schlussbouquet ideal an einem bequemen Stand eine Pause einlegen kann.

Kurz mal etwas botanisch am Ende von L6 (6a)...
...dann wieder kompakte Plattenkletterei in den folgenden Längen, hier L9 (6a).

L10, 6c: Die Route quert erst markant nach rechts und weicht dabei etwas dem Grünzeug aus. Dann gerade hinauf, hier folgt die eng abgesicherte Crux. Einige kleine Leisten müssen zwingend gezwickt werden und natürlich braucht es sowohl die Technik wie das Vertrauen in die Füsse.

L11, 6c+: Kurze, aber sehr kompakte Plattenlänge. Erst hinauf, dann markante Querung nach rechts und ziemlich knifflig nochmals hinauf zum Stand. Gut gelesen ist aber halb geklettert, wir fanden diese Passage nicht schwieriger wie die 6c-Längen, die wir schon bewältigt hatten. Der Stand am Ende dann reichlich unbequem.

Da sind wir schon auf den letzten Metern der Route unterwegs!

L12, 6b: Man fühlt sich schon beinahe am Top, der Grat von Palavar-les-flots ist linkerhand zum Greifen nah. Es folgt aber noch mehr Kletterei wie gedacht, die Linie zieht nämlich etwas diagonal nach rechts unter dem Grat hinauf. Geniale Kletterei in prima strukturiertem Fels, hier sind die Abstände wieder etwas grösser.

L13, 4a: Man erreicht den Grat und folgt diesem über die Route Palavar-les-flots zum endgültigen Ende. Ein richtiger Genuss, der Fels auch hier prima strukturiert.

Tiefblick auf den Zeltplatz von Ailefroide, ein wahres Babylonien!

Um 18.50 Uhr und damit doch nach über 5:30h der Kletterei hatten wir das Plattenbrevet geschafft! Und zwar mit Bravour, wir konnten beide die komplette Route einwandfrei im Onsight bzw. Flash klettern. Das nächste Mal darf es für Madame dann also noch schwieriger sein. Die Frage ist nur, ob ich es dann auch noch kann...?!? Oder vielleicht tauschen wir dann einfach mal die Seilenden ;-) Solche Gedankenspiele hielten uns am Top nicht länger auf, es war Zeit für den Heimweg und das Nachtessen. Eine vorzügliche Abseilpiste führt in 6 langen Manövern an routenunabhängigen Standplätzen im Bereich der 'La vie devant soi' auf einen Geröllplatz hinter der kleinen Palavar-Spitze, von wo man zu Fuss weiter absteigen kann (tw. Drahtseile, weiterer Abseiler möglich). Wir erledigten dies wie immer effizient und zügig, beim zweiten Manöver passierten wir (ohne sie irgendwie zu behindern) eine Seilschaft, die in Zeitlupe operierte. Kaum zu glauben, dass sie nur gerade eine Strecke tiefer waren, als wir bereits am Einstieg die Schuhe schnürten! So sassen wir bald einmal auf dem Polster. Auf der Rückfahrt lief im Autoradio wie immer wenn wir in der Gegend sind, Imagine Radio. Er spielte Partysound und wir waren uns beide einig, welch fantastisches Gefühl es ist, mit einer erfolgreich gekletterten, anspruchsvollen MSL in der Tasche in dieser Stimmung zurück 'nach Hause' zu cruisen :-)

Facts

Ailefroide / Palavar - La voie des maîtres 6c+ (6b obl.) - 13 SL, 500m - J.M. Cambon & Y. Ghesquiers 1990 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Die Route trägt ihren Namen nicht ohne Grund, sie bietet viele hervorragende Plattensequenzen. Wobei es wie immer keine reinen Schleicher sind, der stark strukturierte Ailefroide-Granit mit seiner perfekten Reibung bietet knifflige, technische Steilplattenkletterei mit viel Abwechslung in den Moves. Die Route wurde im 2021 mit eingeklebten Ringen saniert, wobei die originalen Abstände beibehalten wurden. Die Absicherung ist an den schwierigen Stellen >=6b eng gehalten. Darunter sind die Abstände etwas grösser, bleiben aber immer im grünen Bereich. Einzig ab der zweiten Hälfte von L2 bis zu L4 heisst es etwas mehr "marschieren" - passt aber schon! Ein Topo findet sich im lokalen Führer Oisans Nouveau, Oisans Sauvage, Livre Est von Erschliesser J.M. Cambon.

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