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Montag, 8. August 2022

Roche Jaune (2421m) - Meursault-Pilami (6a)

In den Sommerferien 2021 zeigte sich das Wetter in den französischen Hautes-Alpes für einmal als nicht ganz so stabil, wie wir uns dies aus den früheren Jahren gewohnt waren. Abendliche Gewitter waren mehr die Norm als die Ausnahme und es gab sogar komplett trübe Tage - etwas, das wir bis anhin in dieser Region noch nicht erlebt hatten. Nun denn, um in Talnähe zu klettern war es trotzdem immer gut genug. Als dann wieder einmal ein strahlend schöner, stabiler Tag angesagt war, wollte mit der ganzen Familie ein Kletterausflug in die Berge gemacht werden. Über die hier vorgestellte Route gibt es bis dato keine deutschsprachige Literatur. Die Präsentation im lokalen Führer 'Oisans Nouveau, Oisans Sauvage' war aber sehr attraktiv und die Berichte auf C2C tönten positiv.

Das ist unser Gipfel, die Roche Jaune, den wir von der hier sichtbaren, schattigen Seite attackierten.

Somit fuhren wir vom Camping nach Briançon, hinauf nach Puy-Chalvin (wo es auch einen tollen Klettergarten gibt, den wir schon früher besucht hatten) und weiter und weiter den Berg hinauf zu den letzten Häusern von Les Combes (1853m), zuletzt dann über eine raue, rätikonmässige Schotterpiste bis auf 1870m, wo es beschränkte Parkmöglichkeiten gibt. Wir hatten aber Glück und konnten das Panthermobil platzieren. Um Schlag 12 Uhr mittags machten wir uns auf den Weg. Die Strategie mit dem späten Aufbruch war im Angesicht der Tatsache, dass die Route über einen nach NW ausgerichteten Pfeiler führt, wohl ausgedacht. Und natürlich entsprach sie auch dem Gusto und dem Feriengroove der Teilnehmenden.

Roche Jaune mit ihrem NW-Pfeiler und der Meursault-Pilami (erste 4 SL) in der Abendsonne.
Hier sieht man den oberen, mehr nach SW ausgerichteten Teil der Route. Der untere Teil verläuft mehr oder weniger am Pfeiler im Profil.

Vom Ausgangspunkt folgt man erst der Piste bis zu P.1907, überquert dort den Bach und wandert in westliche Richtung in das Hochtal hinein. Nach ca. 20 Minuten zweigt man erneut linkerhand auf die Pfadspur zum Col de la Trancoulette ab und steigt durch lichten Wald etwas steiler dem angepeilten Berg entgegen. Bevor man den Passübergang erreicht, heisst es nach links über ein Blockfeld und teils auf Wegspuren, zum Einstieg abzuzweigen. Dieser ist problemlos zu lokalisieren, er befindet sich am tiefsten Punkt des Pfeilers, rechts eines angelehnten Pfeilers. Um 13.15 Uhr waren wir (inkl. einer Verpflegungspause unterwegs) vor Ort, bei zügigem Gehen schafft man die ca. 400hm des Zustiegs bestimmt auch in 45 Minuten. Um 13.30 Uhr starteten wir in die Route mit der Strategie, in zwei Seilschaften (Larina & Jerome, Marcel & Kathrin) parallel zu klettern.

L1, 5c+: Holla ja, es geht gleich los! Die ersten 20m bilden gleich einen der schwierigsten Abschnitte der ganzen Route. Man klettert erst eher auf der linken, schattigen Seite, wo das Gestein etwas nordwandelig abschüssig und glatt ist. Die Absicherung mit BH ist aber top. Zum Ende der Seillänge wird es einfacher und etwas alpiner.

Larina im Vorstieg in L1 (5c), die ersten Meter bilden gleich einen herben Auftakt und können bei frischen Temperaturen auch noch zu kalten Fingern führen, da sie bis weit nach dem Mittag im Schatten liegen.

L2, 5b: Mit einer Querung nach rechts folgt die Route dem interessanten Gelände. Eine gelbe, griffige Mauer heisst es zu erklimmen. Nachher legt sich das Gelände wieder etwas zurück, in genussreicher Klimmerei geht's zum nächsten Stand, welcher wie alle in dieser Route sich durch Bequemlichkeit auszeichnet.

Jerome folgt im etwas einfacheren Ausstieg von L2 (5b).

L3, 6a: Die nominelle Crux der Route! Beginnen tut die Sache mit einer Rechtstraverse zu einem Riss. Der sieht etwas einschüchternd aus, es löst sich aber alles prima auf. Ein zweiter Riss führt auf eine geneigte Zone und schlussendlich zur Schlüsselstelle, die aus einem plattigen Wändchen besteht. Die Hauptschwierigkeit besteht nur aus ein, zwei Bewegungen, die es m.E. für eine 6a aber noch in sich haben (A0 falls nötig jedoch gut möglich).

Der Cruxmove der Route - man sieht's, es ist kurzzeitig mal gar nicht so easy (L3, 6a).

L4, 5a: Erst über eine schöne Platte hinauf, diese führt zu einem gratartigen Rücken. Diesem hat man zu folgen, wobei es nicht mehr viele Sicherungen hat und mir v.a. die Position des Standplatzes unklar war. Vermutlich gibt's da gar keinen gebohrten Stand und man müsste mit einer Zackenschlinge an einem Block Halt machen. Sowieso, um die nächste Seillänge komfortabel zu klettern, ist es eigentlich zwingend nötig, erst vor dem Übergang an die nächste Wand im Couloir Stand zu beziehen. Es gibt dort aber keine offizielle Station, mit etwas Improvisation mit BH und Schlinge und da überhaupt nicht exponiert jedoch kein Problem.

Auf dem gratartigen Rücken in L4 (5a), Blick von unserem Stand im Couloir zu Beginn der nächsten Wand.

L5, 5b: Etwas kleingriffig hinauf, nach links und über eine plattige Stelle zum grasigen Ausstieg. Schöne Kletterei mit interessanter Linie, gut abgesichert. Wie schon erwähnt, mit dem offiziellen Stand nach L4 in der Mitte des Rückens wegen Seilzug kaum vernünftig zu machen.

Granola mit Coeur extra moelleux hat uns noch über jede MSL in der Dauphiné geholfen :-)

L6, 5c: Schöne und ziemlich anspruchsvolle Seillänge, die über kompakte Platten führt. Die Schwierigkeiten sind ziemlich anhaltend im 5b-Bereich mit ein paar schwierigeren Schritten im ersten Wanderl, später muss dann noch ein Wulst ziemlich knifflig erklommen und das Ausstiegsplättli gemeistert werden, bevor der Stand wieder bequem auf einem Grasband ist.

Auf der Ausstiegsplatte in L6 (5c) heisst es fein antreten!

L7, 5c: Dieses ziemlich lange Schlussstück braucht etwas Spürnase. Erst steilplattige Kletterei über eine Wand, dann heisst es auf einem Band deutlich nach rechts zu queren und die nächste Mauer in steiler Kletterei zu bezwingen (wegen dem Seilverlauf wäre ein Sturz da eher ungünstig). Den Stand zu finden ist gar nicht so einfach, hier und da befinden sich Dübel ohne Plättli - er ist oberhalb einer weiteren Stufe, auf den letzten Metern liegt einiges an losen Steinen herum.

Die Mama erreicht den letzten Stand der Route (Ausstieg aus L7, 5c).

Von diesem Punkt ist in den Topos noch eine letzte Seillänge im Grad 2c eingetragen. Dabei handelt es sich aber um kaum exponiertes Gehgelände, wir haben sie nicht mehr gesichert. Mit einem kurzen Aufstieg ist man bald am Gipfel, wo wir um 18.15 Uhr und somit nach 4:45h Kletterei eintrafen. Die Strategie mit einer Kinder- und einer Erwachsenenseilschaft hatte bestens funktioniert - Larina hatte die ganze Route onsight geklettert, bravo. Hin und wieder mussten wir aber etwas aufeinander warten und die Organisation an den Standplätzen nahm auch etwas Zeit in Anspruch, was die eher lange Begehungszeit erklärt - kein Problem aber, es war ein wunderschöner Sommernachmittag mit angenehmen Bedingungen und bequemen Rastmöglichkeiten am Stand.

Aussicht zum Col de la Trancoulette, der Gipfel hinten die Tête d'Aval, wo von Süden die berühmte und sehr hoch gelobte MSL-Route Rank Xerox (~20 SL, 7a) hinauf führt. Ja, dieser Berg und seine Route sind allgegenwärtig im Val Durance. Ich freue mich schon extrem auf den Tag, an welchem dieses Projekt zu Realisierung kommt. 

Der Abstieg vom Gipfel führt zwar weglos, aber in einfachem Grasgelände südseitig hinunter. Man trifft schliesslich auf eine Spur, welche nach links hinauf zum Gipfel La Croix d'Aquila, bzw. nach rechts zum Col de la Trancoulette führt. Der Abstecher hinauf zum gerühmten Aussichtspunkt über das Val Durance hätte gereizt, doch die Familie war dafür nicht mehr zu begeistern und so verkniff ich mir den Umweg ebenfalls. Auf dem Abstieg vom Col konnten wir die eben erkletterte, stolze Wand nochmals in ihrer ganzen Pracht bestaunen. Nachher ging's zügig retour zum Ausgangspunkt, wo sich der Kreis um ca. 19.20 Uhr schloss. Für den Abstieg brauchten wir nur rund 45 Minuten. 

Auf dem Heimweg, einfach eine sehr schöne Gegend!
Facts

Roche Jaune - Meursault-Pilami 6a (5c obl.) - 7 SL, 250m - Giraud/Raimond/Rougegré 1995 - ***;xxxx
Material: 1x50m-Seil, 12 Express

Sehr schöne, plaisirartige Kletterei in wunderschöner Bergumgebung mit Gipfelerlebnis. Der Fels ist an den schwierigen Stellen fest und von guter Qualität, im einfacheren Gelände gibt es auch hier und da etwas Gras und lose Steine. Die Route ist aber gut für einen Einstieg in das alpinere Klettern geeignet. Zu beachten ist einzig, dass ein Rückzug wegen dem querenden Verlauf bald einmal nur unter erheblichen Schwierigkeiten möglich wäre (zudem sind natürlich auch die Standplätze nicht dafür eingerichtet). Die Absicherung mit BH und ein paar wenigen Schlaghaken ist auf Stufe Plaisir gut+. Die Schlüsselstellen sind klettergartenmässig eingerichtet bzw. erlauben sogar A0, in einfacheren Passagen gibt's auch mal etwas grössere Abstände. Mobiles Material hatte ich keines mit dabei und empfand dies nicht als nötig, auch wenn es hier und da bestimmt noch Gelegenheit gäbe, einen Cam zu legen. Ein Topo zur Route findet man in 'Oisans Noveau, Oisans Sauvage, Livre Est' von J.M. Cambon.

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