Eine starke Inversion mit sonnig-milden Bergwetter in der Höhe, gleichzeitig aber laut vielen Internet-Einträgen so richtig miesen Schneebedingungen lässt uns trotz Vorweihnachtszeit im Dezember an eine MSL denken. Wir entschliessen uns für den Bereich um den Frospfeiler an der Schafbergwand, um die an sich schön ältere, aber im 2021 sanierte Che Guevara (4 SL, 7a+) zu versuchen. Laut der Webcam sollten beste, trockene Bedingungen herrschen, der wenige Schnee würde den Zustieg kaum behindern. Genau so war es dann auch, die Temperatur am Fels war weitaus angenehmer wie bei mancher Tour im Sommer.
Blick auf die Schafbergwand im Dezember 2022 mit dem Verlauf von Che Guevara (4 SL, 7a+). |
Unsere Tour startete um 11.30 Uhr in Wildhaus. Früh aufstehen für eine Winterbegehung der Che Guevara ist zwar tatsächlich nicht erforderlich, aber so eine bis eineinhalb Stunden früher könnte man aber durchaus gerne dran sein. Immerhin, einen Teil unserer Verspätung konnten wir auf dem ersten Abschnitt aufholen. In inzwischen gewohnter Manier ging es per E-Bike über die hartgepresst schneebedeckte Strasse nach Gamplüt und bis hinauf zum Depot bei Kuhrost in der Kurve vor der Alp Fros. Von hier ist es nur noch ein Katzensprung bis zum Fels. Anlässlich meiner Begehung der Schafbergkante hatte ich Infos zu deren Zustieg publiziert. Das seien Fake News gewesen, wurde ich damals kritisiert. Das habe ich zum Anlass genommen, den Zustieg nochmals genau zu verifizieren. Hier das Resultat mit einer aufdatierten Linie auf Luftbild und Karte.
Zustieg zur Schafbergkante bzw. zum Sektor Frospfeiler. |
Von der letzten Haarnadelkurve vor der Alp Fros startet beim Kuhrost eine klar sichtbare Pfadspur über die Wiese. Nach ca. 150m führt die Spur in waldiges Gelände, überquert die Trockenmauer und führt dann zum Rand der Geröllhalde. Dort aufwärts, bis zu den Vorbautürmen. Um zum Frospfeiler bzw. der Che Guevara zu gelangen, wird der erste Vorbauturm links umgangen, nach diesem scharf rechts abbiegen und über eine Scharte in wenigen Schritten an den Fels. Die Schneebedeckung in diesem restlichen, zu Fuss zu absolvierenden Teil war zwar nicht völlig absent, oft konnte man unter den Bäumen aber sogar im aperen Gelände marschieren. So gelangten wir mühelos zum Einstieg und waren um 12.15 Uhr bereit für die Kletterei. Um die Tour ein wenig zu verlängern und nicht gleich in einen (vermeintlichen) 7a+ Hammer einsteigen zu müssen, wollten wir zuerst mit den beiden Startlängen vom Frospfeiler aufwärmen.
Das deutet auf beste Kletterbedingungen hin (die wir vorfanden). Zufahrt per Bike gut möglich! |
L1 (Frospfeiler), 30m, 6b: Schön sonnig war's und trocken, der Fels lud so richtig zum Klettern ein. In meinem Ohr waren aber trotzdem warnende Worte meines Kletterpartners "es sei dann im Fall schwieriger wie es aussieht". Meine eigene Begehung des Frospfeilers stammt aus den 1990er-Jahren und liegt damit gegen 30 Jahre zurück. Bestimmt war es mir damals auch nicht einfach vorgekommen... Steil geht es in die Höhe, meist nutzt man Seitgriffschuppen zur Fortbewegung. So richtig optimal griffig sind diese meist nicht, alles fühlt sich (trotz bester Bedingungen) ein wenig schmierig an, akute Trittarmut lässt kein entspanntes Steigen zu. Kurzum, eine 6b der zähen Sorte, sicherlich 'way too much' wenn für jene, die in der Halle gerade so eine 6b hinkriegen. Sagen wir es doch so, "kann sich auch wie 6c anfühlen".
L2 (Frospfeiler), 25m, 6a+: Steil, griffig und definitiv nichttrivial geht's weiter, wobei das Gestein in dieser Seillänge schon mehr Struktur offeriert und irgendwie sowohl angenehmer wie auch einfacher zu beklettern ist. Wer unbedingt wollte und genügend Exen dabei hat (ca. 14-15 Stück), kann die beiden Längen gut verbinden (die Kletterlänge liegt bei 40 bis maximal 45 Meter). Laut dem Topo schien es uns möglich, vom zweiten Frospfeiler Stand via ein Teilstück der Pfeilerrisse direkt in L2 der Che Guevara zu gelangen. Vor Ort präsentierte sich das aber als schwierig. Erst einmal heisst es Abklettern, es geht um einen Pfeiler herum und in Sachen Seilverlauf wäre es eine unmögliche Situation.
Prima Tropflochfels in L2 vom Frospfeiler (6a+), erst recht für eine Route dieser Generation! |
L1 (Che Guevara), 30m, original UIAA 8, Alpsteinführer 7a+, unsere Bewertung 7a: Los geht's an einem ca. 8m hohen, vorgelagerten Pfeiler. Ja, da steigt man halt rasch rauf, denkt man sich erst. Bald aber wird man sich gewahr, dass das nicht ganz so easy ist... klar unschwierig im Gesamtkontext, aber es täuscht. Von diesem freistehenden Turm weg begibt man sich via Spreizschritt in die Hauptwand. Die Seillänge verläuft hart an einer zur Rampe ausgebildeten Kante entlang. Während der Fels links in der Wand bestens, sehr kompakt und strukturarm ist, so präsentiert sich die Rampe selber bisweilen etwas grasig und splittrig. So wie die Bolts platziert sind, kann bzw. muss man aber weitgehend unter Nutzung der Kante klettern. Das ist die logische Linie, und auch viel einfacher. Nur mittig locken einen zwei weit nach links gesetzte BH, die Kante für wenige Meter zu verlassen. Zumindest für den Vorsteiger ist es angenehmer dies zu tun - man kann die Bolts zwar definitiv auch von der Kante klippen, aber nur unter erschwerten Bedingungen. Oben dann wird das Gelände etwas einfacher, das Finish ist etwas grasig und vom Fels her nicht so toll - zudem stecken da die Bolts auch nicht mehr so üppig, ein zusätzliches Exemplar würde die Sache angenehmer machen.
L2 (Che Guevara), 25m, original UIAA 7, Alpsteinführer 6b+, unsere Bewertung 6c+: Hier wird der Vorsteiger gut möglicherweise eine Weile damit beschäftigt sein, den Stand zu verlassen. Denn gleich zum Auftakt hält die Seillänge eine heftige Einzelstelle als Crux bereit. Nach unserem Empfinden ist das eine der schwierigsten Kletterstellen der Route - sicher gibt's in L1 und L4 nix von ähnlichem Zuschnitt. Sprich, es ist einfach prekär und uns nur knapp gelungen. Auch inklusive dem sich anbietenden Hechtsprung an die kleine Föhre bestimmt eine 6c+. Wobei der originale Stand eben etwas rechts und höher steckte und man vor der Sanierung möglicherweise eine einfachere Schleife rechts herum klettern konnte - das würde die massive Differenz der empfundenen Schwierigkeit erklären. Nachher folgt ein etwas einfacherer Runout (mit Cam 0.5 zu entschärfen), bevor nach dem zweiten BH die fordernde Plattenquerung hinein in die Verschneidung der Pfeilerrisse folgt. Einmal da angelangt, geht es einfacher voran. Zur Zeit der Erstbegehung dieser Clean-Route im Jahr 1981 galt das als eine UIAA 6, nach heutigem Massstab würde man wohl eher 6a+ (als 5c+) sagen. Im ersten Stück der Verschneidung legt man gerne noch einen Camalot 3, nachher ist's gut mit BH gesichert bis hinauf zum unbequemen Stand.
Nein, von L2 der Che Guevara haben wir kein gutes Foto - die Churfirsten sind ein würdiger Ersatz! |
L3 (Che Guevara), 25m, original UIAA 8+, Alpsteinführer 7a, unsere Bewertung 7a+: Da haben wir keine Zweifel, das ist sowohl die schönste wie auch deutlich die schwierigste Seillänge der Route! Über den kompakten Pfeiler zieht sie heraufordernd in die Höhe. Man bedient sich dabei an kleinen und seichten Seitgriffschlitzen, die Füsse müssen heftig auf die steile, strukturarme Wand gepresst werden. Leider ist die Absicherung hier den Umständen entsprechend zu knapp ausgefallen: ein unbequemer Stand, wo man nur schwierig dynamisch sichern kann, weniger als senkrechte Wand, so richtig harte und unsichere Kletterei. Bedenklich sind v.a. die Abstände zwischen den BH #1/#2 sowie #2/#3. Hier muss man harte Stürze mit Faktor >1 einkalkulieren - sehr bedenklich für das Geläuf, ein Fuss ist da sicher schnell gebrochen. Vorsicht also und schade, dass hier nicht ein wenig üppiger saniert wurde. Nur ein einziger oder allenfalls zwei Zusatzbolts hätten schon gereicht. Naja, es gibt 2 Alternativen: stark sein und durchziehen, oder dann die cleane 5b der Pfeilerrisse klettern und seinem Wohlbefinden zuliebe im Toprope klettern...
Knallharte Kletterei in L3 der Che Guevara (7a+) - kommt auf dem Foto vielleicht nicht so zur Geltung. |
L4 (Che Guevara), 25m, original UIAA 8, Alpsteinführer 6c+/7a, unsere Bewertung 6c+: Schon vom Stand aus wird man sich gewahr, dass hier kaum mehr die gleich extremen Herausforderungen wie in L3 warten. So kommt es dann auch, wobei es eher einen Tick taffer ist wie man de visu vielleicht denkt. Es hat zwar manch eine Struktur, wobei es sich vielfach um runde "Füdli-Risse" handelt und so richtig kantig-positives Material weitgehend absent ist. Auch die Absicherung ist hier wieder deutlich freundlicher - etwas Einsatz ist zwar schon nötig, aber es ist weder psychisch besonders fordernd noch riskiert man seine körperliche Unversehrtheit. Nur vor dem letzten BH wartet ein weiter Abstand, ein prima Placement von einem 0.75er-Cam ist absolut unabdingbar, aber absolut safe und einfach zu identifizieren. Auch nach diesem letzten BH sind es noch ca. 8m hinauf zum Stand. Die Schwierigkeiten lassen nach, ebenso die Felsqualität, die beiden Cams 0.2 und 0.3 leisten hier gute Dienste.
Bald geschafft! Die letzten Meter in L4 von Che Guevara (6c+) erfordern noch das Legen von Cams. |
Zufrieden stehen wir am Top, eine freie Begehung ist uns gelungen. In Sachen Onsight habe ich in L3 so ziemlich sofort das Handtuch geworfen, dieses Risiko wollte ich definitiv nicht eingehen... naja, man muss einfach wissen, was man sich zutrauen kann. Nicht ganz einverstanden waren wir im Rückblick mit den Bewertungen aus dem SAC-Führer Alpstein. Wo diese ganz genau zu verorten sind, ist ja immer eine schwierige Entscheidung (die Unterschiede zwischen den Gebieten sind so gross). Für unseren Vorschlag haben wir schliesslich entschieden, die Maximalschwierigkeit von 7a+ als Verankerung zu belassen. Das passt auch in etwa, wenn man in dieser Art der Kletterei versiert ist. Doch wiederum, "kann sich schwieriger anfühlen", sprich eine 7a+ in der Halle fällt uns z.B. deutlich leichter. Die anderen, einfacheren Seillängen haben wir dann im Vergleich zu L3 einzustufen versucht.
Geniale Abendstimmung am Gamplüt, fetziger Bike-Downhill nach Wildhaus 😀 |
Bewertungsdiskussionen hin oder her: die Sonne näherte sich schon dem Horizont, es war Zeit um in die Tiefe zu gleiten. Mit 2x60m-Seilen rauscht man bequem (aber knapp!) zu Stand 1, von wo es noch 25-30m auf den Boden sind. Mit 2x50m-Seilen nutzt man Stand 2 und steht auch in 2 Manövern wieder auf Terra Firma. Wer will, kann auch mit einem 60er-Einfachseil klettern, vermutlich reicht sogar ein 50er mit etwas Vorsicht und Zirkeln beim Abseilen über L1 (bei beiden Varianten ist 4x Abseilen nötig). Wir stiegen ab zur Strasse, senkten den Sattel der Bikes und genossen bei einem grandiosen Abendrot eine genial spassige Abfahrt nach Wildhaus. Der Schnee war super griffig, mit den fetten Reifen konnte man so richtig zügig cruisen. Um 17.15 Uhr war der Spass vorbei - das war jetzt ein echt gmögiger Tag gewesen!
Stechtechnisch anspruchsvoll - sowohl für den Akteur wie für den Gummi. Die Dragos, welche ich vor den Sommerferien am Poncione di Ruino das erste Mal eingesetzt hatte, haben auf dieser Tour das Zeitliche gesegnet (wie immer, ich nutze für alle Disziplinen nur ein einziges Paar Kletterfinken, somit ist die Lebensdauer gerade so ein halbes Jahr). |
Facts
Schafbergwand - Che Guevara 7a+ (6c+ obl.) - 4 SL, 100m - Furrer/Eggenberg 1989 - ***;xxx
Material: Seile siehe oben im Text, 10 Express, Camalot 0.2-0.75 & 3 plus evtl. 1 & 2.
Kurze Sportklettertour am Frospfeiler, ideal für die kurzen Tage im Winter oder in der wärmeren Jahreszeit bei unsicherem Wetter. Wenn's dann doch noch für mehr reicht, lässt sich die Route auch ideal mit anderen kurzen MSL im Sektor kombinieren (z.B. Luftschloss, Frospfeiler). Die Kletterei verläuft weitgehend in gutem, schönem Fels. Nur kurze Abschnitte sind etwas botanisch oder leicht splittrig. Wie so oft an der Schafbergwand: entweder ist der Fels kompakt, dann aber auch etwas glatt und äusserst anspruchsvoll zu beklettern. Oder dann führen die Routen entlang der Strukturen, dies aber eben zum Preis von etwas rustikalerer und botanischer Kletterei. Die Che Guevara bewegt sich oft zwischen diesen den beiden Extremen. So richtig super ist L3, die anderen Seillängen würde wir als "netten Zeitvertrieb" bezeichnen. Die Route wurde 2021 saniert, wobei die Hakenabstände und der Anspruch etwas inhomogen wirken. Über weite Teile hat man eine super solide xxxx-Absicherung. Doch gerade in der schwierigsten Länge sind die Abstände sehr zwingend, dies bei alles andere als sturzfreundlichem Gelände. Hier muss man entweder viel Können oder reichlich Unerschrockenheit an den Tag legen. Alternativ kann man dort via eine cleane 5b-Länge der Pfeilerrisse ein Toprope einhängen. Für diese Umgehung sind Cams von 0.2-3 anzuraten, folgt man durchgehend dem Parcours der Che Guevara kommt man mit den Grössen 0.2-0.75 und 3 gut durch. Ein Topo zur Route und weitere Infos findet man im SAC-Kletterführer Alpstein von Werner Küng.
It looks like winter climbing in Spain
AntwortenLöschenI have almost decided to sell my ice axes...
Yes, ice axes have a hard life around here too... Well, or maybe (to avoid any misunderstandings) a chilled life, because they can stay in the cupboard. But then... see my upcoming post 🤗
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