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Freitag, 7. April 2023

Zigerschwitz 2023

Die Kinder waren wieder einmal dahin an den Boulderwettkampf im Rahmen des Swiss Youth Climbing Cup im O'Bloc, resp. dorthin an den Speed-Wettkampf der Swiss Parkour Series in Lugano ausgeflogen. Die Gelegenheit eigentlich, um sich wieder einmal draussen zu bewegen. Das Problem nur: eine verletzungshalber eingeschränkte Frau und regnerisches Wetter allenthalben. Nach einem spannenden Indoor-Ersatzprogramm musste ich mich nicht lange umsehen. Der Zigerschwitz ist ein regionaler Boulderwettkampf in der Lintharena in Näfels, der heuer zum ersten Mal auf dem Programm stand. Das hatte mich als passionierten Wettkämpfer natürlich sowieso schon sehr gereizt, die sich präsentierende Situation erzwang meinen Besuch schon fast. Hier meine Geschichte von und mit diesem Anlass.

* Alle Fotos in diesem Beitrag sind von Martin Knobel Photography (knobelphoto.com) 🙏

Das Foto alleine ist fast schon ein Spoiler für diesen Blog, da soll es die Caption nicht auch noch sein!

Nach sehr frühem Aufstehen (zwecks Versorgung der Kinder), einem chilligen Vormittag daheim, der Anreise nach Näfels und einem seriösen Aufwärmen fiel um 13.00 Uhr der Startschuss zur Qualifikation. Total 42 Boulder standen auf dem Programm, 5 Stunden Zeit gab es dafür zur Verfügung, "Achtung, fertig, los!" hiess das Motto. Geschraubt war hervorragend, abwechslungsreich und in der Schwierigkeit perfekt passend - Chapeau 🤠. Das ist natürlich der Verdienst des Schrauberteams, sicher nicht erschwert wurde dessen Aufgabe durch die Tatsache, dass die Anlage in der GLKB-Boulderhalle ja sowieso etwas vom Besten weitherum ist. Von der fordernden, bewegungsintensiven Platte bis zur ausdauernden (Seilfrei-)Kletterroute in der grossen Grotte war das ganze Spektrum an Problemen vorhanden. Das eine um das andere Top fand Aufnahme auf meinem Laufblatt - dank dem grosszügig bemessenen Zeitbudget war (vorerst) keine Eile, sondern das Einteilen der Kräfte angesagt.

Gut studiert und gut geputzt ist die halbe Miete!

Gegen das Ende hin wurde es aber doch spannend und eine gewisse Hektik kam auf:  die persönliche Ranglistenposition konnte im Live-Ranking auf einer Onlineplattform verfolgt werden. Es kristallisierte sich heraus, dass für mich die realistische Chance auf eine Teilnahme am 5er-Final bestand. Natürlich aspirierten diverse Konkurrenten ebenso darauf, ein paar zusätzliche Tops an den nunmehr allesamt schwierigen Restproblemen waren also gefragt. Einfacher gesagt als getan, doch mit dem Mobilisieren aller verbleibenden Kräfte konnte ich 15 Minuten vor Ablauf der Quali einen harten, punkteträchtigen athletischen Boulder im x-ten Go doch noch toppen und mich temporär auf den entscheidenden Rang 5 schieben. Wenn nun nur nicht meine Mitstreiter noch irgendwo ein Top buchen würden...

Hat es draussen doch nicht nur geregnet 🧐 Naja, es hat sich wohl nur um eine kurze Aufhellung bei typischem Aprilwetter gehandelt. Aber natürlich hatte ich keine Zeit, um mich um solche Kinkerlitzchen zu kümmern. Dieser Quali-Plattenboulder forderte meinen ganzen Einsatz, für mich war das die schwierigste Slab.

Der Fokus richtete sich auf einen dynamischen Koordinationsboulder, wo sich eine Art High Noon einstellte. Mehrere Akteure aspirierten da auf ein potenziell wertvolles Last-Minute-Top, welches die Rangliste möglicherweise erneut auf den Kopf gestellt hätte. Natürlich musste ich mich da auch einreihen, um gegebenenfalls mein Punktekonto weiter äufnen zu können. Also hauten wir abwechselnd Versuch um Versuch raus, was mir nun neben dem bereits aufgebrauchten Strom auch noch die letzte Haut von den Fingerkuppen schliff. Naja, strategisch-haushälterisch war das nicht, in der Situation aber irgendwie erforderlich. Schliesslich kam der Schlussgong, tatsächlich hatte es keine Tops mehr gegeben und mein fünfter Rang, d.h. die Finalquali blieb bestehen. Erst einmal war 1 Stunde Pause angesagt. Die Erkenntnis, dass die nicht reichen würde, um Kraft und Haut zu regenerieren war offensichtlich - ebenso die Einsicht, dass ein pokerndes Abwarten beim Quali High Noon vielleicht noch ziemlich schlau gewesen wäre.

Ziemlich harter Athletikboulder (aber nicht der alles entscheidende der Quali...).

Dass der Final zu einer schwierigen Angelegenheit werden könnte, lag nicht nur an meinem Zustand, sondern auch an den Konkurrenten. Ich hatte die grosse Ehre, mich u.a. mit Giani zu messen, einem vortrefflichen Outdoor-Boulderer mit 8C/+ im Palmares. Weiter war Daisuke dabei, wie stark er bouldert hatte ich schon bei mancher Gelegenheit beobachten können - zuletzt im Final der Tifigen am Quadrel Rock Rodeo, wo er gegenüber den nationalen Eliteathleten eine richtig gute Figur abgab und seinen japanischen Wurzeln alle Ehre machte. Schon a priori fühlte sich das in etwa so an, wie wenn man mit einem alten Traktor gegen zwei Ferraris ein Rennen fährt... noch dazu war beim Traktor auch noch der Tank leer Dass sich das irgendwie ausgehen würde, da musste schon eine ziemlich spezielle "Rennstrecke" definiert werden.

Das ist der plattig-technische Finalboulder - für mich leider alles ein bisschen nahe beisammen.

Im Final - vor grossem Publikum - standen uns 3 Boulder bevor, die im Weltcup-Modus nach einer vorgängigen, gemeinsamen Besichtigung mit 4 Minuten Zeitlimit geklettert sein wollten. Nr. 1 eine Platte mit Volumen und Slopern, Nr. 2 ein dynamisches Koordinationsproblem mit Sprung zur Seite und Nr. 3 ein athletischer Boulder mit "Off the Wagon"-Campus-Schlussequenz. De visu schienen das alles ein wenig wie Boulder, wo man bei einer normalen Session lieber gleich zum nächsten, machbar erscheinenden Problem weiterzieht 🙈. Diese Option stand nun aber nicht zur Verfügung, also positiv denken! Wer weiss, Platten sollten dem Autor ja eigentlich liegen, beim lateralen Koordinationsmove könnte die Reichweite helfen und im Überhang dürfte es ja vielleicht zumindest für die Zone reichen... 🤞🏼

Getting ready to rumble with a French blow 😁

Eigentlich war das ja eine ganz interessante Situation für mich. Ich verfolge ja viele Wettkämpfe als Coach oder Zuschauer von der Seitenlinie oder am Livestream und fiebere mit Athletinnen mit. Für einmal in ihrer Haut zu stecken und vor Publikum, mit Zeitlimit, an (persönlich zu) schwierigen Bouldern in suboptimalem Zustand gegen übermächtige Gegner bestehen zu müssen... so etwas am eigenen Leib zu erleben und es sich nicht nur vorzustellen, ist doch einfach nur so richtig lehrreich. Wobei ich ja sogar noch in der privilegierten Situation bin, dass es bei mir persönlich "um nichts geht", d.h. nicht noch Druck und Erwartungen von dritter Seite auf mir lasten. Das demonstriert sehr eindrücklich, dass das Sportlerleben nicht nur ein Zuckerschlecken ist.

Nochmals ein Qualiboulder - harter Angriff auf die Senioren-Hamstrings - besser schnell toppen 🤨

Die Realität zeigte dann, dass positives Denken zwar sicher nicht fehl am Platz ist, aber ohne etwas Power im Bizeps halt eben doch nicht zum Toppen von schwierigen Kletterproblemen reicht... 🤷🏼‍♂️ mein Frame passte schlecht für die Platte, da war alles zu nahe beisammen für mich. Die Koordination hätte ich mit mehr Zeit und Versuchen eventuell sogar gepackt, aber 4 Minuten sind mehr als nur schnell rum, vor allem auch weil die Startposition und der erste Move bockhart athletisch waren und nicht in beliebiger Kadenz repliziert werden konnten. Und tja, beim letzten Boulder kam ich zwar tatsächlich etwas voran (siehe Titelfoto), die üble Kugel der Zone aber tauchte auch nicht auf meinem Resultatblatt auf. C'est la vie, ich blieb auf meine Qualirang 5. Gewonnen wurde der Anlass von Daisuke vor Giani, die sich beide alle 3 Tops holten im Final holten - herzliche Gratulation, das war 👌🏼.

101% Fokus im Koordinationsboulder des Finals 

Endlich konnten meine geschundenen, pink gefärbten und teil sogar schon blutigen Griffel in den Ruhezustand versetzt werden. Nach der stimmungsvollen Siegerehrung mit grosszügigen Preisen (herzlichen Dank an die Sponsoren 🙌🏼) liessen wir den Abend beim gemeinsamen, im Startgeld inbegriffenen Pastaplausch ausklingen. Dort und auch später ergab sich die Gelegenheit, ein Resüme zu ziehen. Und das kann nur lauten "wow!". Der Zigerschwitz hat für einen solchen Regionalwettkampf neue Standards gesetzt! Super Boulder, ein Finale mit allem drum und dran, 1a-Stimmung am Wettkampf, viele motivierte Helfer und ein Profi-Fotograf, der erstklassige Bilder gemacht hat. Ich kann dem Team von Vertical Glarnerland nur ein grosses Lob und meinen herzlichsten Dank aussprechen! Das hat einfach gfägt, ich freue mich schon auf die Ausgabe im 2024 🤗

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