An der Teufelstalwand habe ich in früheren Jahren schon einiges erlebt: spannende Momente beim Abseilverhänger auf dem Weg ins Pissoir du Diable (6b), Top-Genusskletterei in Alpentraum (7a) und Wilde 13 (7b), sowie auch einen Tag mit minimalstem Kletterflow in der Laura (7a trad) - davon gibt es nicht einmal einen Blog. Bisher ausgelassen hatte ich den viel frequentierten, grossen Klassiker der Wand, die plaisirmässig eingerichtete Im Zeichen der Freundschaft (6b+). An diesem wunderbaren Herbsttag lag eine grössere und schwierigere Tour aber nicht drin. Sprich es war genau das richtige Ziel, um mit Guido die Sonne zu geniessen und sich in der Vertikale zu betätigen.
Nachdem erst noch meine Expertise an einigen Online-Meetings gefragt war, startete unsere Tour um 9.25 Uhr (Winterzeit) beim Nätschen P.1843 vor dem Fahrverbot. Mit dem löhnen einer Taxe von 30 CHF (zahlbar per Twint) könnte man zwar noch bis zum Ober Teufelstalboden (ca. 2030m) fahren. Das spart aber nur unwesentlich Zeit und Effort, so dass wir gerne darauf verzichteten. Wir nahmen den direkten Weg durch den Wald und standen nach 30 Minuten Gehzeit bei der Abseilstelle ins Teufelstal. Für die erste Strecke mussten wir am eigenen Strick abseilen, für die folgenden beiden war ein Fixseil vorhanden. Dessen Zustand kann man als 'gut gebraucht und etwas angewittert' taxieren. Trotzdem aber noch safe und eine elegante Möglichkeit, um Zeit zu sparen und vor allem (!) das Risiko des drohenden Seilverhängers auf dem zweiten Abschnitt zu minimieren.
Spannende, wohl nicht für die Ewigkeit gemachte Formation rechts in der Teufelstalwand. |
Den Bach im Teufelstal kann man einfacher gleich nach dem Abseilen überqueren. Jenseitig geht's dann kraxelnd in steilem Schrofengelände (T5) aufwärts zu einem Fixseil, welches gerade hoch in die Wilde 13 (7b) führt. An geeigneter Stelle quert man nach rechts und trifft wieder auf Fixseile, die zuletzt links hinauf zum nicht (mehr) näher bezeichneten Start von Zeichen der Freundschaft führen. Vorausgehend wählte ich die weniger empfehlenswerte Option, erst (im Aufstiegssinn) noch 100m rechts vom Bach zu gehen und ihn erst oben bei einer Verflachung mit roter Farbmarkierung am rechten Ufer zu überqueren. Übers Wasser zu kommen war weniger das Problem wie sich andersseitig im Fels zu etablieren. Die Fixseilinstallation ist da beschädigt und ausgerissen und die glitschig-glatte, wasserüberronnene Granitplatte konnte ich erst bewältigen, nachdem ich eine Bachstauung errichtet hatte, welche das Wasser ein wenig umleitete. Item, um ca. 10.40 Uhr starteten wir mit der Kletterei. Die ersten 1.5 Seillängen lagen noch im Schatten, was Ende Oktober auch so bleibt.
L1, 5c+, 30m: Mit sich gemütlich an den Fels gewöhnen ist nicht viel los. Eine Passage zwischen zwei Schuppen erfordert bald einmal zupacken und auf die Füsse stehen. Den Grad 5c+ erreicht man da gut und gerne. Möglicherweise gilt der so nur, falls man diese Passage links im Schrofengelände umgeht. Die obere Hälfte dann einfacher in einer Verschneidung.
L2, 6a, 30m: Kurz nach links rüber, dann in einer etwas glatten Verschneidung aufwärts. Pas si facile que ça, am ersten Bolt vorbei muss man doch sauber antreten und sich gewählt bewegen. Wenig später erreichten wir die Sonne und konnten das Finish geniessen, welches sich in einer leistengespickten Wand rechts einer Verschneidung abspielt.
Griffige Wandkletterei neben der Verschneidung am Ende von L2 (6a). |
L3, 6a+, 35m: Aus schön wird noch schöner! Diese Seillänge trumpft mit einer absolut genialen Piazverschneidung auf. Weil der Riss im Grund stets schön scharf geschnitten ist und für die Füsse zwar nicht üppig, aber doch regelmässig etwas Struktur da ist, geht das ziemlich kommod. Auch zum Ende der Seillänge wartet noch Spezialprogramm: eine Passage, die zwischen breiter Riss und Kamin einzustufen ist, will in geschickter 3d-Kletterei bezwungen werden. Immerhin, die Rettungshenkel sind nicht weit weg.
Der Kamin am Ende von L3 (6a+) bietet eine lässige 3d-Kletterei. |
L4, 6b+, 25m: Für Riss-Liebhaber ist dieser Abschnitt sicher das Prunkstück der Route. Der bouldrige Auftakt ist noch eher wandartig und erfordert zwei kräftig-weite Moves mit hohem Antreten an Schuppen. Dann folgt der fabelhafte Splitter Crack in orangem Fels. Gibt es wirklich Leute, welche dies auf der rechten Aussenseite piazen?!? Selbst ohne beides ausprobiert zu haben: straight-in mit Klemmtechnik ist ganz bestimmt viel einfacher - auch wenn der Riss breit, ja teilweise sogar offwidth, sprich zu breit für die breite Faust und die Füsse ist. Mit etwas Kreativität gibt's aber immer eine Lösung.
Prunkstück der Route: der fantastische Splitter Crack in L4 (6b+), mit Tiefblick ins Teufelstal. |
L5, 6b, 25m: Eine eher kurze Seillänge, welche vom Stand nach rechts führt und dann ein paar kräftige Moves in Gegendruck-Kletterei an Schuppen verlangt. Im zweiten Teil geht's dann etwas gemächlicher zur Sache. Mit einem Blick auf den eher unbequemen Stand, die verbleibenden Expressen am Gurt und einer weiteren kurzen Länge am Horizont zog ich gleich weiter. Das (50m-)Seil reicht gut, dennoch wegen fehlendem Sichtkontakt und den nötigen Vorbeugemassnahmen gegen die Seilreibung nur etwas für Experten. Wenn man alles mit kurzen Exen klippt, so sind ca. 20 Stück notwendig und der Seilzugtod gewiss.
L6, 5c+, 20m: An einem Riss geht's um die Ecke, wo man einen breiten Graskanal erreicht. Traditionell und möglicherweise auch am einfachsten würde man sich in diesem in die Höhe arbeiten. Das ist jedoch weder elegant, angenehm noch schön. So überquert die Route den Graskanal und findet in der rechten Wand ein paar gute Leisten und Schuppen, wo es sich genussvoll Höhe gewinnen lässt. Der Stand dann wieder links vom Graskanal.
Die erste Episode vom breiten Riss bzw. Graskanal in L6 (5c+). Man kann aussen bleiben... |
L7, 5c+, 25m: Dieser Abschnitt folgt nun dem Graskanal. Dank der sehr guten BH-Absicherung kann man guten Gewissens aussen bleiben und alles spreizend bewältigen. Auf diese Art und Weise geklettert, eine echt spannende, aussergewöhnliche und lässige Kletterei. Bestimmt kann man auch durch den Kanal rampfen... jedem das Seine! Zum Ende geht man noch kurz auf die linke Seite, bald kommt schon der zwischen den Zacken versteckte Stand.
...oder das Ganze eher im Inneren bewältigen. Das hier ist der zweite Teil in L7 (5c+). |
L8, 6a, 25m: Dieses Teilstück empfand ich als die am wenigsten schöne Sequenz der Route, sie hat mehr den Charakter von einem Überführungsstück. Erst griffige Wand, dann kurz knifflig rechts raus, über eine Platte rechts einer Schuppe und durch die Büsche zurück nach links zu Stand auf bequemem Plateau. Die 6a-Bewertung meines Erachtens im Vergleich zu L1, L2, L6 und L7 zu hoch.
L9, 6a+, 30m: Laut diverser Internetberichte sollte diese Seillänge ähnlichen Charakter aufweisen wie die vorangehende. Und da uns diese ja nicht so gefallen wollte, war das nicht unbedingt eine gute Nachricht. Die Realität zeigte dann zum Glück ein anderes Bild. Ähnlich ist es vielleicht in der Hinsicht, dass es auch keine markanten Risse, Kamine oder Verschneidungen gibt und plattig-wandiger Charakter vorherrscht. In L9 ist die Kletterei aber echt cool und elegant, die Felsstruktur super.
Tolles Ambiente und Kletterei in L9 (6a+). |
L10, 6b+, 30m: Nun folgt noch die Krönung. Schon bei der Begehung der Wilden 13 (deren Stand sich 2m links befindet) hatte ich die Idealverschneidung mit ihrem steilen Untergriffausstieg sehr gelockt. Doch jetzt war es soweit. Los geht's noch gemütlich über ein Podest, dann ermöglicht ein Blade in der linken Seitenwand der Verschneidung erst kommodes Fortkommen. Doch der Dettling-Antistyle kommt: kompromissloser Piaz in der Verschneidung, wo man nun nicht mehr nach Belieben die Finger bis zum Anschlag im Riss versorgen kann. Teils muss man weniger tiefe Griffe nutzen, oder dann sind die guten einfach weit auseinander. Auch die Füsse sind nicht immer super. Doch summa summarum, in einer 6b+ mit optimaler BH-Absicherung fiel mir noch leicht, was bei Trad-Absicherung und einer propagierten 6c+ schon eine Challenge wäre (selbst wenn der Fels exakt derselbe wäre). Dass man hier angriffig, voller Vertrauen und ohne mit Gear zu fummeln steigen kann, macht halt einen riesigen Unterschied. Jedenfalls, im Winkel am Ende der Verschneidung kann man nochmals kurz Luft holen, bevor zuletzt geprüft wird, wie viel Strom noch im Akku ist. Mit kräftigen Gegendruckzügen heisst es an der Untergriffschuppe für Fortschritt zu sorgen, bevor man um die Ecke biegt und über eine kurze, griffige Zielgerade das Top erreicht.
Da wartet L10 (6b+) noch auf Action. Podest, Blade, Piaz und Untergriffschuppe, so das Programm. |
Ein paar Minuten vor 15.00 Uhr und damit nach rund 4:15h Kletterei waren wir mit einer (meinerseits) perfekten Begehung da. Die Bedingungen waren wirklich top gewesen: angenehm warm aber nicht heiss, ideal um sich die Herbstsonne auf den Pelz scheinen zu lassen. Ich blätterte ein wenig im Wandbuch, welches die Popularität der Route bezeugte. Im 2024 waren uns schon ca. 50 Seilschaften zuvorgekommen, an guten Weekend-Tagen treten meist mehrere Teams an. Gemütlich rollten wir unsere Seile auf und machten uns dann auf den Rückweg. Hinauf entlang der Fixseile, queren und kurz abkraxeln, dann der Strasse entlang zurück nach Nätschen, wo sich um 16.00 Uhr der Kreis schloss. Wir rollten talwärts ins neblige Unterland, wo uns auch schon bald die Dunkelheit einholte. Schon verrückt, dieser Herbstkontrast zwischen wohlig-sonnig-lichtdurchfluteter Atmosphäre oben und der feucht-dunklen Tristesse unten. Aber wir konnten sehr zufrieden sein, dass die Route zwischen meinen morgendlichen Meetings und Guidos abendlicher Probe Platz gefunden hatte und wir so den wundervollen Tag gebührend nutzen konnten.
Facts
Teufelstalwand - Zeichen der Freundschaft 6b+ (6a+ obl.) - 10 SL, 275m - *****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Exen, Cams/Keile nicht nötig
Kurzum, sicher eine der besten und beliebtesten Granitrouten dieses Schwierigkeitsbereichs in der Schweiz. Die vielen begeisterten Begeher bezeugen dies absolut und die Kletterei ist einer Via Hammerbruch am Salbit auch durchaus ebenbürtig. Zudem gibt es das Ganze mehr oder weniger talnah. Wobei man den Aufwand ins Teufelstal zu kommen nicht unterschätzen darf und das Gesamtunternehmen mit den ungünstigen Rückzugsmöglichkeiten doch nicht auf die leichte Schulter genommen werden sollte. Die Route ist trotz zahlreicher mobiler Möglichkeiten komplett und sehr üppig mit rostfreien Bohrhaken ausgestattet und hat dadurch klink & go Charakter. Ganz alle Stellen kann man aber (vermutlich) doch nicht mit Hakenhilfe entschärfen, eine 6a+ mit der Verpflichtung etwas abschüssig auf die Füsse zu stehen dürfte trotzdem obligatorisch sein. Die Route ist in diverser gedruckter Literatur beschrieben, sehr hilfreich auch die Übersichtsseite von MyBergtour.
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