Der Brisi mit seiner wuchtig-breiten, steil-imposanten Südwand sieht aus der Ferne wie der perfekte Kletterspielplatz aus. Doch leider ist das Gestein dort wechselhaft, die wenigen modernen Routen verlangen einen Mix aus harter Sportkletterei und anspruchsvollem Alpingelände. Gemütlicher geht es auf der Westseite zu und her: mit der von Thomas Wälti erschlossenen Luky & Sina gibt es seit längerer Zeit eine Genusstour. Sie zeichnet sich durch soliden, kletterfreundlichen Fels, gute Absicherung und problemlosen Zugang aus, bietet aber doch ein eindrucksvolles und aussichtsreiches Gesamterlebnis. Im Sommer 2024 hat die Luky & Sina nun eine Nachbarroute erhalten, auf welche dieselben Attribute zutreffen. Hier der Bericht zur Erschliessung mit allen nötigen Infos über Zustieg, Kletterei, Material und dem Topo.
Blick von der Lücke zwischen Frümsel und Brisi auf die Westwand mit der Route Donnerwetter. |
Erschliessung
Die Geschichte dieser Route beginnt mit meiner Sommerskitour auf den Brisi im Mai 2024. Nach der ersten Abfahrt gönnte ich mir noch einen Abstecher durchs Frümseltal in die Lücke zwischen Frümsel und Brisi. Dort deponierte ich meine Bretter und stieg hinauf zum Einstieg der Luky & Sina, welche ich dereinst mit Kathrin und Manuela im 2009 geklettert hatte. Weil sowohl der Grasboden nach der ersten wie auch nach der zweiten Seillänge zu Fuss zugänglich sind, konnte fast die gesamte Route bzw. das Felspotenzial daneben aus nächster Nähe inspiziert werden. Es kribbelte heftig in den Fingern und am liebsten hätte ich die Moves gleich freesolo in den Skischuhen ausprobiert. Die Vernunft (zum Umdrehen bevor der Point of no Return überschritten war 😂) war zum Glück gross genug, aber das Projekt mit einer Route durch die Brisi Westwand war lanciert. Mit Guido war auch bald ein Partner für das Vorhaben gefunden. So sassen wir in den Startlöchern und prüften täglich unsere Möglichkeiten. Doch im Vorsommer 2024 war der Brisi, wenn nicht Regenschauer eine Tour vereitelten, fast permanent in dicke Quellwolken gehüllt. Am 28. Juni 2024 sollte es dann klappen, die Prognose klang endlich einmal gut genug. Doch es war wieder nichts, ein isoliertes, nächtliches Gewitter lud über den Churfirsten viel Feuchtigkeit ab und wir mussten zum Bockmattli umdisponieren. Dort gelang uns an diesem Tag die Erstbegehung der Kairos, was natürlich ein absolut ebenbürtiges Programm war.
Auf geht's zum Brisi, wie immer per Bike - lange mussten wir auf diesen Moment warten! |
Das Brisiprojekt war mit der Kairos natürlich nicht hinfällig geworden. Die Chance kam schliesslich zum Ende der Sommerferien. Am 15. August 2024 fuhren wir (wie immer) mit den Bikes von Unterwasser zur Alp Torloch und mühten uns mit sehr schwerem Gepäck zur Brisi Westwand. Meine Abschätzungen hatten ergeben, dass für dieses Projekt wohl ziemlich genau gleich viele Haken wie in der Kairos zu setzen wären. Somit lag eine 1-Tages-Erstbegehung im Bereich der Möglichkeiten. Auf jeden Fall wollten wir eine solche anstreben und sie sollte nicht an einem Detail scheitern. Voll beladen mit Material, Motivation und Power stiegen wir ein. Auf einen heftigen Bremser trafen wir jedoch bereits in der zweiten Seillänge. Ich leistete einen Verhauer von 4 Bohrhaken, den ich wieder abbauen musste. Unverhältnismässig schwierig war das in freier Kletterei, was viele Wiederholer nur zu einem Umweg über eine Schuppe gelockt hätte, von welcher man besser die Finger lässt. Das Malheur liess sich zum Glück mit einer neuen Routenführung in der oberen Hälfte des zweiten Abschnitts korrigieren. Dass dies an den Zeitreserven genagt hatte, wog weniger schwer wie die Hypothek von vier vergeudeten Bolts, die uns möglicherweise später fehlen und an der Komplettierung der Route hindern würden.
Der Startschuss ist gesetzt! Beim Bohren der dritten Zwischensicherung in L1 (5c+). |
Es galt jedoch kein Trübsal zu blasen, sondern sich in die Komplettierung des Projekts zu engagieren. Nach einer Grasbandquerung nahmen wir die dritte Klettersequenz in Angriff. Steil war es da, die anhaltende 45m-Seillänge im Grad 6b forderte 10 Bohrhaken, entsprechend auch Zeit und Kraft. Sämtliche im Voraus fragliche Passagen lösten sich aber gut auf, das war die Hauptsache. Eine Verschneidung mit erstaunlich kniffliger Ausstiegspassage brachte uns schliesslich als fünfte Seillänge auf das oberste Grasband, mit freiem Blick auf den letzten Felsriegel. Diesen hatte ich bei meiner Reko anlässlich der Skitour nicht inspizieren können. Auf den Fotos von früher meinte ich zwar, eine Linie zu erkennen. Doch deren Steilheit und Details zur Felsqualität liessen sich auf den Pixeln am Bildschirm nur summarisch bewerten. Sprich es war unklar, bei welchen Schwierigkeiten es ging und wie lohnend es wäre. Das Schicksal war uns aber gnädig bestimmt: an einem scharf geschnittenen, griffigen Riss liess sich das steile Gelände wie gewünscht im 6b-Bereich bewältigen. Mit ein paar kraftraubenden Bohrmanövern gelangte ich zur finalen, genial zu kletternden Schuppe, setzte den allerletzten Bolt den wir mitführten und gelangte so zum Top. Wie gut, dass wir da, den finalen Stand der Luky & Sina nutzen konnten, sonst wäre unsere Route an diesem Tag nicht vollendet worden. Das war eine Punktlandung im wahrsten Sinne des Wortes gewesen, die mit einer genialen Abendstimmung am Top versüsst wurde.
Noch ausstehend war damit nur die Krönung des Projekts durch eine Begehung mit leichtem Gepäck und Rotpunktambitionen. Erneut vereitelte instabiles Wetter die Pläne, erste Schneefälle ermöglichten sogar schon eine Voralpen-Skitour im September. Nach den Herbstferien hielt dann aber doch der gewünschte goldene Oktober seinen Einzug, so dass wir am 27. Oktober 2024 zur Tat schreiten konnten. Die erwünschte Rotpunktbegehung gelang ohne Schwierigkeiten, aber mit viel Freude. Wir genossen einen fantastischen Herbsttag bei bestem Wetter mit genussvoller Kletterei. Gold wert war auch die Erkenntnis, dass Route und ihre Moves sich noch besser anfühlten, als wir dies vom Tag der Erstbegehung in Erinnerung hatten. Das war ein tolles Projekt, vielen herzlichen Dank Guido für deine Mithilfe und Mitarbeit!
Bei erneut fantastischem Ambiente kurz vor dem Top in L7 (6b) - danke Guido! |
Zustieg
Autofahrer erreichen von Unterwasser über die taxpflichtige Strasse (13 CHF/Tag, Taxautomat für Münzen, Twint oder Parkingpay-App vor Unterqueren der Iltiosbahn) die Selamatt und stationieren ihr Gefährt in der Gegend von P.1561 bei den Ställen vom Thurtalerstofel (Kartenlink, bitte den Alpbetrieb nicht behindern!). Dann auf markiertem Wanderweg via Brisizimmer und P.1798 am Fuss des Brisirückens ins Frümseltal zur Lücke P.2044. Nun der Krete ostwärts folgend hinauf, eine erste Gruppe von Felstürmen wird links umgangen. Man erreicht so den markanten Schacht am Grat. Im Sattel oberhalb von diesem findet man den Einstieg (2 BH, Markierung "Luky & Sina"). Koordinaten CH LV95: 2'739'085, 1'223'995, Höhe 2110m, Kartenlink. Gehzeit ab P.1561 ca. 60-75 Minuten.
Mit dem Bike kann man bis Brisizimmer fahren, oder alternativ auch zur Alp Torloch (dorthin anscheinend Fahrverbot für Autos, v.a. gibt es keine Parkplätze). Die Alp Torloch als Ausgangspunkt macht jedoch nur dann Sinn, wenn man den Westabstieg vom Brisi (siehe unten) wählt. Beim Abstieg über den Brisi-Nordrücken ist ein Bikedepot bei Brisizimmer insgesamt vorteilhafter und schneller. Die Querung von Torloch zum markierten Wanderweg im Frümseltal kann auf der falschen Fährte durch Kraut, Stauden und mühsame Karren beschwerlich sein. Insidertipp: es gibt eine zurückhaltend mit pinken Punkten markierte Ideallinie (Startpunkt ostseitig, Startpunkt westseitig).
Bikedepot bei Brisizimmer, hinten nicht nur der Säntis, sondern mit Wildhauser Schafbergwand und Moor zwei Top-Klettergebiete in Sichtweite. |
Routenbeschreibung
Donnerwetter 6b (6a obl) - 7 SL, 230m - Marcel Dettling & Guido Arnold 2024
Material: 1x50m-Seil, 12 Express, evtl. Cam 0.4
L1, 25m, 5c+, 3 BH: Vom Stand im Sattel ob dem Schacht startet Luky & Sina nach rechts, Donnerwetter steigt in die kompakte Platte etwas links oben ein. Die kurze Wandstufe beschäftigt einen vermutlich länger, wie man zuerst meint. Es ist doch recht steil, man muss sauber antreten und die positiven Crimps identifzieren, an welchen man sich festhalten kann. Nach 10m steigt man schon auf das Grasband aus und traversiert auf diesem 15m horizontal hinüber zum gemeinsamen Stand mit Luky & Sina. Dieser Abschnitt kann auch problemlos linksherum umgangen werden.
L2, 35m, 6a+, 8 BH: Hier geht Luky & Sina mehr oder weniger direkt über dem Stand weiter, während Donnerwetter ein paar Meter links startet. Zur optimalen Sicherung des Vorsteigers sollte man sich vielleicht nicht gerade mit der kürzesten Selbstsicherungsschlinge am Stand fixieren (auf dem breiten und wenig steilen Grasband ist überhaupt keine Sicherung nötig). Es folgt ein prima Start über kompakte Steilplatten mit Seit- und Untergriffschlitzen, toll! Bald einmal lässt es etwas nach, mit genussvollen Moves im Fünfergelände kommt man zum Top dieser Wand.
Tolle Kletterei an Unter- und Seitgriffen in L2 (6a+). |
L3, 40m, T4, 0 BH: Erst über das problemlos begehbare Grasband horizontal hinüber zu einem Block mit SU-Schlinge. Die letzten Meter sind dann etwas gerölliger und werden leicht absteigend begangen. Die Bohrhaken drüben an der Wand für die Fortsetzung der nächsten Seillänge sind gut sichtbar. Am Stand/Einstieg steckt nur ein einzelner Haken. Da es sich hier um kein Absturzgelände handelt, scheint das so vertretbar. Wer unbedingt einen zweiten Sicherungspunkt will, kann in einem Querschlitz den Camalot 0.4 legen.
Im Vordergrund die SU-Schlinge und der letzte Teil von L3, dort wo Guido steht führt L4 weiter. |
L4, 40m, 6b, 10 BH: Steil geht's los, dank den griffigen Schuppen erst links in der Wand. Auf ein paar Metern Höhe ist es dann kommoder, die Verschneidung rechts in die Sequenz einzubauen. Griffig und etwas weniger steil geht es nach deren Ende weiter. Der nächste Programmpunkt bzw. die Crux besteht aus einem kniffligen Mantle über einen Wulst (etwas rechtsrum angehen, direkt über den Haken ist das taff!). Nachher folgt wieder schön griffiges Steilgelände im Bereich von 5c+/6a zu einem luftigen Stand hinauf.
Marcel hat die griffigen Schuppen am Start von L4 (6b) schon genutzt und spreizt nun an die Verschneidung. |
L5, 35m, 5c+, 4 BH: Grob in der Verschneidung geht's weiter. Vorderhand genussreicher und auch nicht schwieriger, wenn man links in der Seitenwand klettert, das ist die Ideallinie. Vorbei geht's an einem witzigen Klemmblock, an welchem wir wie verrückt gerüttelt haben. Er liess sich nicht bewegen, man nutze ihn trotzdem mit Bedacht (oder gar nicht, geht auch ohne wesentlich höhere Schwierigkeiten). Am kniffligsten ist dann der Ausstieg aus der Verschneidung, der sich aber doch auch gut wegstehen lässt. Weiter geht's dann in gestuftem Grasgelände, wo man zur Sicherung (falls es einem nötig erscheint) nochmals den Cam 0.4 unterbringt. Der Stand kommt erst oben auf der wenig steilen Wiese an einem Felsblock (einfach zu finden).
Marcel unterwegs in der Verschneidung von L5 (5c+) bei der Rotpunktbegehung. |
L6, 30m, T3, 0 BH: Aufstieg über die Grasflanke zur nächsten und letzten Wand. Der Einstieg befindet sich bei einer kleinen Höhle, die Bohrhaken sind ca. 3m rechts einer markanten Verschneidung gut sichtbar. Am Boden der kleinen Höhle befindet sich in ein paar Steine eingebettet das Honigglas mit dem Wandbuch, wo man gerne seinen Eintrag machen darf. Da es sich nicht um Absturzgelände handelt, steckt auch hier am Stand/Einstieg nur ein einzelner Bohrhaken, mehr braucht es nicht. Ein zweiter Sicherungspunkt könnte mit dem Cam 0.4 im Riss gelegt werden.
Wie cool, dass auch diese Grasbandlänge ohne Kletterschwierigkeiten spektakulär aussieht! |
L7, 30m, 6b, 8 BH: So richtig steil und kräftig geht's hier los, dank dem griffigen Riss mit seiner scharfen Kante und ein paar Tritten steigen die Schwierigkeiten doch nicht übermässig an. Es gilt die Übersicht zu behalten, bis das Terrain nach ca. 10m etwas einfacher wird. Gerade hinauf kommt man zur markanten Riesenschuppe. Eine grandiose Turnerei in bestem Fels an dieser bringt einen hinauf zum Top, ein paar einfache Moves führen rechtshaltend zum letzten Stand, welcher gemeinsam mit Luky & Sina ist.
Abstieg
Am einfachsten in knapp 10 Minuten vom Ausstieg weiter dem Westgrat bzw. der Gipfelkrete entlang (Gehgelände, T3) zum Kreuz am höchsten Punkt vom Brisi und von dort den markierten Wanderweg über den Nordrücken zum Abstieg nutzen, was einen in total ca. 60 Minuten retour zum P.1561 an der Selamattstrasse bringt.
Guido auf dem Weg zum Brisigipfel, welcher der Gipfelkrete entlang führt. Was für eine Gegend! |
Alternativ kann auch der Westabstieg verwendet werden, welcher Absteigen und Abseilen kombiniert. Zuerst vom Top (in Wandansicht) rechts der letzten Seillänge durch eine T4-Rinne absteigen, dann am Fuss des Felsriegels (am Start von L7 vorbei) zur Abseilstelle am Fuss der markanten Pfeilers queren. 3x Abseilen à jeweils 20-24m bringt einen auf die Wiese auf Höhe Start von L4. Von dort steigt man zu Fuss im Schrofengelände (T4/T5) ab, die ersten drei Seillängen der Route (im Abstiegssinn) rechts umgehend. Ungefähr auf Höhe des Einstiegs quert man hinüber zum Schacht bzw. der Krete, steigt ab zu P.2044 und gelangt über die markierten Wege durchs Frümseltal retour zu seinem Ausgangspunkt. Der Zeitbedarf dürfte so bei 60-90 Minuten liegen, je nachdem wohin man muss/will.
Büroarbeit auf dem Brisi 😀 |
Abseilen/Rückzug
Die Route Donnerwetter ist nicht zum Abseilen eingerichtet! Nach L1 und L2/L3 kann man über die Bänder nordwärts ausqueren und absteigen, nach L4 lässt es sich zu deren Start abseilen und dasselbe tun. Hat man L5 bewältigt, so kann L7 durch die T4-Rinne rechts umgangen und der Gipfel erreicht werden. Oder man quert von da über die Wiese zur der beim Abstieg erwähnten Abseilmöglichkeit.
Wie bekannt mag es der Mann im Bild gar nicht, eine MSL nicht bis zu ihrem Ende zu klettern 😉 |
Material, Absicherung, Topo & Hinweise
Die Route ist durchgehend mit soliden, rostfreien Bohrhaken auf Stufe xxxx bzw. Plaisir gut+ eingerichtet und klassifiziert unseres Erachtens als Genusstour auf gehobenem Niveau. Ein gewisser Anspruch ist im Vorstieg dennoch präsent. Die Haken wurden zur Sicherung und zur Vermeidung von gefährlichen Stürzen platziert und nicht, um sich an jeder Stelle nach Belieben daran hochziehen zu können. So ist der Grad 5c+ ganz sicher, vermutlich sogar 6a obligatorisch zu meistern. Im vierten und unteren fünften Grad muss man auch einmal ein paar Meter über die Haken steigen, für Churfirstenverhältnisse gut abgesichert ist das Terrain auch dort. Mobile Sicherungen sind nach Meinung des Autors nicht zwingend anzubringen, gewisse Möglichkeiten findet man hier und da. Am ehesten nützlich (aber auch verzichtbar) ist der Camalot 0.4, um im Stehgelände am Anfang von L4 und L7 einen zweiten Sicherungspunkt zu schaffen und im grasigen Kraxelgelände am Ende von L5 noch eine Zusatzsicherung zu haben. Hinweis: auf den Seillängen ist der Fels generell solide, rau, griffig und genussvoll zu beklettern. Bei den Ausstiegen auf Bänder und in gestuftes Gelände ist jedoch eine gewisse Wachsamkeit auf loses Gestein durchaus empfehlenswert. Für Kletterer mit etwas alpiner Erfahrung ist das aber problemlos zu meistern. So bleibt mir nur noch, viel Spass bei einer Wiederholung der Route zu wünschen und auf den PDF-Download für das unten abgebildete Topo hinzuweisen.
Das Topo zur Route, gibt es auch zum Download als PDF. |
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