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Montag, 22. September 2025

Horefelliflue - Joyride (6c, 11 SL, Erstbegehung)

Die Horefelliflue ist eine 350m hohe, eindrückliche Wand im Voralptal. Sie ist abgeschieden in einem einsamen Bergtal gelegen und doch zügig erreichbar. Durch ihre sonnige Lage besticht sie mit einer langen Saison von Spätfrühling bis Spätherbst. Faktoriert man noch den qualitativ hochwertigen, stark strukturierten Granit mit ein, so wird klar, dass man es hier mit einem richtigen Kletterparadies zu tun hat. Zwar schon die Freikletter-Pioniere in den 1980er-Jahren hier ihre Linien gelegt, danach fiel das Gebiet aber in einen Dornröschenschlaf. Heute ist dieser vorbei: mit Mastermind, Mondpalast und Absiits sind drei ältere Routen frisch saniert und mit Knecht Klemenz und der brandneuen und in diesem Beitrag exklusiv beschriebenen Joyride stehen zwei tolle Neutouren bereit. Das alles im gehobenen Plaisirbereich, da kann man nur noch viel Spass wünschen!

Die famose, 350m hohe Horefelliflue im Voralptal mit dem Verlauf unserer Route Joyride.

Erschliessung

Tag 1

Die Geschichte dieser Route beginnt mit der Begehung der Route Mastermind gleich links nebenan, welche auf den 23. Oktober 2021 datiert. Mit Kathrin und Larina verbrachte ich da einen magischen Tag im Voralptal bei sehr genussreicher Kletterei in tollem Fels. Schon beim Klettern spähten meine Augen nach möglichen Linien in dieser Wand, beim Abseilen konnte ich mich dann noch besser davon überzeugen, dass es diese Möglichkeit gäbe. Der Funke war sogleich gesetzt und die Ungeduld zur Realisierung wie immer riesig. Gut, dass auch der gleich folgende Sonntag (24. Oktober 2021) nochmals bestes Herbstwetter bot. Da konnte ich ja gleich nochmals an die Horefelliflue aufbrechen, um die Sache in Angriff zu nehmen. Mein Vater Sepp war dabei, um mich mit dem 80m-Seil vom Einstieg zu sichern, so sollten sich bestimmt zwei Seillängen ausgehen.

Fantastisches Ambiente beim Zustieg an unserem ersten Bohrtag mit dem Sustenhorn in Bildmitte.

So weit so gut, einmal vor Ort angekommen manifestierte sich dann trotz x-maligem Umwühlen des Rucksacks und seinem verstreuten Inhalt, dass ein mehr oder weniger unverzichtbares Utensil fehlte: der Hammer. Der Sohnemann hatte ihn für Handwerksarbeiten irgendwelche Lausbubensachen gebraucht, aus dem Bohrzeug entwendet und natürlich nicht zurückgelegt. Wie üblich hatte ich beim Packen auf dessen Vollständigkeit gezählt und nicht kontrolliert, ob wirklich alles da sei. Unverrichteter Dinge gleich wieder abzuzotteln war auch nicht die zu wählende Option, also war MacGyver-Improvisation gefragt. Mein Schlagwerkzeug bestand also aus einer Irniger-Standplatte, für mehr Zug am Gerät wurde mit Reepschnur ein Granitstein befestigt. 

Vielleicht wäre MacGyver auch auf eine bessere Lösung gekommen...

Ich kann euch sagen, es funktioniert so mässig. Erstens, die Vibrationen an der Hand sind ziemlich brutal - genau darum hat ein Hammer einen Holz- oder einen gedämpften Kunststoffstiel. Zweitens, der Zug von dieser Einrichtung ist miserabel. Das Einschlagen der Haken war eine richtige Pein. Mit dem noch frischen Bohrer ging's erst noch leidlich, doch mit dem Abstumpfen der Krone nach den ersten Löchern wird der Durchmesser etwas kleiner. Somit wurde es also immer schlimmer. Noch dazu lotterte immer wieder der angebrachte Stein, oder dann zerbrach er. Wie heisst es doch so schön (oder ähnlich): "Marmor, Stein und Hammer bricht, nicht aber unsere Zuversicht...". Mit diesem Motto kam ich noch etwas voran, nach 1.5 Seillängen war dann aber Schluss... die Motivation erschöpft, beziehungsweise die Zeit rum (eben schnell kam ich mit dem Impro-Hammer leider nicht voran). Trotzdem happy darüber das Projekt gestartet zu haben, machten wir uns auf den Heimweg. Danke Neni für deine Begleitung!

Das Projekt erfolgreich gestartet - ein zufriedener Tag!

Tag 2

Um diese Scharte auszuwetzen, zog es mich schon bald wieder nach Horefelli. Am Freitag 29. Oktober 2021 war es nochmals sonnig und ich machte mich alleine auf dem Weg - dieses Mal nach peinlicher Überprüfung von sämtlichem benötigtem Material, sprich also inklusive Hammer. Relativ zügig war ich im Rope Solo beim Umkehrpunkt angelangt und vollendete gleich die zweite Seillänge. Nun hiess es, auf den Boden zurückzukehren um das Seil zu lösen, dann ging's wieder hinauf. Im Anschluss bohrte ich die dritte Seillänge ein. Einige abstehende Schuppen und etwas durchzogenes Terrain konnte ich elegant rechts liegen lassen und eine prima Lösung mit guter Kletterei an einem kleinen Pfeiler finden. Weiter ging's auch gleich in die vierte Sequenz, wo der Beginn über eine Platte und neben einer kleinen Verschneidung auch ohne grosse Umschweife eingerichtet werden konnte. Selbst an der folgenden Steilstelle liess sich ideal ein BH platzieren und die nötigen Strukturen fürs Bezwingen dieser 6b-Passage waren da.

Der Start in L4 (6c), deren ersten Hälfte am Bohrtag 2 eingerichtet wurde.

Dies gab den Blick frei auf eine kompakte Platte. Ein paar Meter konnte man noch über gute Tritte leicht hochsteigen, aber dann wurde es superkompakt. Zweifel kamen auf: da gerade hinauf? Es schien auf den ersten Blick sehr herausfordernd, die bis dato angetroffenen Schwierigkeiten möglicherweise deutlich sprengend. Doch die Alternativen waren rar: links war komplette Fehlanzeige, da wäre es noch schwieriger gewesen. Etwas rechts zwar eine Rissspur, dafür eher steileres und kaum strukturiertes Terrain. Oder musste ich die Passage sogar ganz rechts durch eine grottenähnliche Struktur der angrenzenden Riesenverschneidung umgehen?!? Diese Linienführung wäre sehr indirekt gewesen, vom Gelände her unschön und da "im Bauch des Berges" wohl auch öfters nass. An diesem Tag kam ich zu keiner Entscheidung mehr. Sowieso, die Zeit war um und ich seilte ab.

Der Winter schickt einen Gruss, das war's für 2021. Die Saison an der Horefelli ist aber lang!

Tag 3

Bis zur Fortsetzung sollte es einige Zeit dauern. Es war nicht die Ungewissheit über das Projekt. Aber im 2022 stand für mich im Göschener Tal der Abschluss des Gandschijen-Projekts (Up in the Sky, 7a+) im Fokus. Und im 2023 war ich mit den Recherchen für den Rätikonführer ausgelastet, zudem wollte ich die dortigen Projekte möglichst vor dem vermeintlichen Redaktionsschluss zum Ende bringen. So also 2024, und auch da wurde es wieder Herbst, bis ich am 29. September 2024 meine nächste Aufwartung an der Horefelli machte. Bis zum Erreichen des Vortriebspunkts dauerte es nun schon eine ganze Weile. Im Rope Solo will ja doch 2x geklettert, 1x abgeseilt und 1x gehault werden, das alles nacheinander und von derselben Person. Tja, der Solo-Erschliessungsmodus ist schon deutlich kommoder, wenn man von oben zur Baustelle gelangen kann - an der Horefelliflue war das aber keine Option, da das Top nur sehr aufwändig zu erreichen ist und die beiden existierenden Routen im Sektor nicht bis zum Ende der Wand führten.

So umfangreich ist die Foto-Ausbeute jeweils nicht, wenn man alleine Einbohren geht. Somit widmen wir diese visuelle Impression dem treuen, aber meistens doch eher etwas lästigen Begleiter namens Haulbag. Tja, es hat mich jeweils einige Nerven und Körner gekostet, bis der Sack beim Vortriebspunkt angekommen war - nicht nur an den Tagen, wo ich alleine unterwegs war.

Jedenfalls, ich wollte mir an diesem Solo-Bohrtag die Lage am Umkehrpunkt von 2021 nochmals zu Gemüte führen und dann nicht ewig Werweissen, sondern eine Entscheidung fällen und Anpacken. Meine Fazit vor Ort: "gredig obsi" war die sinnvollste Option. Alles andere wären mühsame und weniger attraktive Umwege gewesen - und dazu vielleicht noch nicht einmal einfacher. Eine gewisse Challenge war das Bohren der drei folgenden BH in dieser reibungslastigen 6c-Passage zwar durchaus - aber es gelang mir ohne Sturz und Würgerei. Erleichtert, dass sich dieses Fragezeichen in lohnende, gut freikletterbare und schwierigkeitsmässig in den Rahmen der Route passende Moves verwandelt hatte, konnte ich bald darauf Stand einrichten. Somit konnte ich zur Realisierung der fünften Seillänge schreiten, wo schöne Strukturen angenehmes Fortkommen und relativ kommode Bohrarbeit versprachen. Allzu weit kam ich trotzdem nicht mehr: ein stumpfer Bohrer (der harte Granit hier ist absolut unbarmherzig in dieser Hinsicht) und die Mitnahme eines nicht voll geladenen Akkus beendeten den Fortschritt, bevor das Tageslicht und meine Kräfte komplett zu Ende waren.

An genau dieser Stelle in L5 (6a) gab es an Tag 3 im 2024 nur noch ein halbfertiges Bohrloch, dementsprechend musste ich im Rope Solo zum darunter liegenden BH abklettern. Rund ein Jahr später und just im Moment, wo dieses Foto belichtet wurde, konnte es dann komplettiert werden. Wobei mich an jenem Tag auch wieder eine Akkupleite an einem relativ ungünstigen Ort ereilte...

Tag 4

So ganz alleine und gewürzt mit immer wieder ein paar Missgeschicken wäre es möglicherweise noch sehr lange gegangen, bis dieses Projekt sein Ende gefunden hätte. Glücklicherweise konnte ich Guido für die Mitarbeit begeistern. Zwar dauerte es auch wieder eine ganze Weile, bis wir am 31. August 2025 die benötigte Schnittmenge von Verfügbarkeit, Wetter und Bedingungen vorfanden. An sich verlief die Kletterei bis zum Ende der vierten Seillänge zügig und auch rotpunkt. Weniger Freude machte hingegen das Hieven des extraschweren Haulbags namens "gestrandeter Walfisch" über den geneigten, rauen und strukturierten Fels. Aber ja, irgendwann konnte es am halbfertigen zweiten Bohrloch in L5 weitergehen und grundsätzlich lief es trotz immer wieder anspruchsvollem Gelände flott vorwärts. Sämtliche Fragezeichen lösten sich mit gangbarer und sehr lohnender Kletterei auf, der einzige Bremser bzw. Zeitfresser war eine Akkupleite in etwa an der dümmsten Stelle in L6. So konstatierten wir nach dem Fertigstellen von L7, dass es nun wohl besser wäre, in die Mastermind zu queren und über diese noch zu deren Schluss bzw. dem Wandbuch zu klettern. Zu klären galt es nämlich die Frage, ob unsere Linie noch weiter bis zum Top der Wand führen sollte, oder ob am Ende von Knecht Klemenz und Mastermind ebenfalls Schluss wäre. Nun schon zum dritten Mal sperberte ich in die Wandpartien oberhalb hinauf, erneut ohne zu einem ganz eindeutigen Schluss zu kommen.

Typische Pose mit kritischem Erschliesserblick auf das, was da wohl kommen möge...

Tag 5

Zwei Tage später beim nächsten Packvorgang des Haulbags musste jedoch ein Entscheid fallen: 10 oder 40 Bohrhaken? 1 oder 3 Akkus? Das Teufelchen vom bequemen Homo Oeconomicus hatte eine klare Meinung dazu. Die Ware an den Einstieg zu schleppen war ja das eine (wo mir auch Guido wie immer sehr behilflich war). Doch den nervigen gestrandeten Walfisch nun schon ganze 7 Seillängen in die Höhe zu hieven war mir ehrlich gesagt eine grauenvolle Aussicht. Ob das dann auch wirklich entschädigt würde?!? Doch die Flinte gleich schon vorweg ins Korn zu werfen war auch keine Option und so biss ich in den sauren Apfel und erledigte diesen "Part of the Game". Zur "Abwechslung" durfte ich zwischen diesen Kraftakten elegant und leichtfüssig die schon weit fortgeschrittene Route klettern, bis ich mich an Stand 7 dann schwer behängte und das Schlussstück zum Wandbuch in Angriff nahm. Dies mit dem erschwerenden Wunsch im Gepäck, gleich einen sturz- und hängerfreien Durchstieg der Wand zu realisieren, es musste also im Onsight-Modus gebohrt werden. Was in diesem Gelände kräftemässig noch geht, aber vor allem für die Füsse eine heftige Belastung ist: es war schon eine gewisse mentale Energie nötig, nicht nach jedem gesetzten Bolt etwas zu rasten und kurz aus den Finken zu schlüpfen. 

Bei diesem Foto kann man die heftige Belastung der Füsse vielleicht fühlen?!?

Überrascht stellten wir fest, dass bei der Sanierung von Mastermind offenbar der von uns genutzte Weg im ersten Teil von L8 gewählt und später wieder abgebaut worden war. Das lag ganz sicher daran, dass das Sanierungsteam in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts rechts durch einen Kamin mit losen Blöcken geklettert war. Da fand ich eine viel bessere Linie links davon, zum Glück auch mit perfekt zur Route passenden Schwierigkeiten. Guido schloss dann zügig auf und bald richteten sich unsere Blicke beim Wandbuch erneut nach oben. Sollen wir, oder sollen wir nicht?!? Nachschauen war die einzige Option um das zu klären. Es ging nicht allzu lange und das Setzen einer ersten Zwischensicherung in Form von einem BH war unumgänglich - und damit war der Stein definitiv ins Rollen geraten. Wie es sich zeigen sollte, war das keine schlechte Sache. Nach einem kurzen gratartigen Abschnitt war in L9 zwar ein Grasband zu überqueren, dann ging es jedoch mit lohnender Kletterei in gutem Fels weiter. Drei zusätzliche Seillängen mit absolut lohnender Kletterei wurden es schliesslich, bis wir im goldenen Abendlicht den letzten Standplatz am Top der Wand versenkten. Die Route war damit FERTIG erschlossen, gleichzeitig komplett ROTPUNKT geklettert und ein riesiger GENUSS war's für uns:  zufrieden konnten wir uns am Top den High-Five geben und den Heimweg antreten. Vielen herzlichen Dank Guido für deine wertvolle Mitarbeit bei diesem Projekt!

Finito Lavori! Nur die letzten Meter zum Top der Route fehlen Guido hier noch.

Zustieg

Los geht's bei der Voralpkurve (P.1402) an der Strasse ins Göschener Tal, wo man den markierten Wanderweg zur Voralphütte einschlägt. Gleich zu Beginn überquert man die Voralpreuss, dann geht's durch einige Kehren den Wald hinauf, bevor sich das Tal öffnet und man flacher taleinwärts geht. Nach einer Weile rückt die Horefelliflue in den Fokus. Es lohnt sich aber, geduldig zu bleiben. Nachdem man die geröllige Zone im Auslauf der Spicherribichelen überquert hat, wandert man weiter bis zu den Gebäuden der Alp Horefelli. Erst dort verlässt man den Wanderweg und strebt man dem Wandfuss entgegen, wobei sich auf der logischen Linie eine gute Pfadspur präsentiert. Beim Erreichen des tiefsten Punktes der Wand geht's noch etwas nach rechts hinauf, bevor man den Bereich erreicht, wo v.l.n.r. Knecht Klemenz, Mastermind und Joyride starten. Die Einstiege sind jeweils ca. 10m auseinander, jener von Joyride wenige Meter vor der markanten Verschneidung, mit eingemeisselten Initialen "JR" und Farbanschrift markiert. Die Koordinaten des auf 1900m gelegenen Einstiegs lauten CH LV95: 2'682'040, 1'170'165 bzw. WGS84: 46.677655, 8.510892. Der Zustieg umfasst gerade 500hm, bei zügigem Gehen sind diese in 1:00-1:15h gut machbar.

Unzweifelhaft, hier geht' los. Wie lange die Farbe wohl hält?!?

Routenbeschreibung

Horefelliflue - Joyride 6c (6b obl.) - 11 SL, 380m - M. Dettling & G. Arnold 2025
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

L1, 35m, 6a, 7 BH: Auf los geht's grad los, schon die ersten Meter erfordern gleich etwas beherztes Antreten, bevor man dann auf strukturiertem Fels zügiger voranschreiten kann. Wobei trotzdem "Augen auf" für den einfachsten Weg gilt, denn dieser verläuft nämlich nicht immer in direkter Hakenlinie. Im oberen Teil heisst es dann nochmals, Souplesse zu zeigen und die Füsse zügig über einen Wulst zu bringen, bevor der erste Standplatz über prima strukturierten Fels erreicht wird.

Toll strukturierter und sauberer Granit wartet in L1 (6a).

L2, 30m, 5c+, 8 BH: Nach unserem Gusto ist die die einfachste Sequenz im unteren Routenteil bis zum Wandbuch (nach L8). Los geht's mit genüsslicher Plattenkletterei, dann kurz einer Verschneidung entlang, wo die linke Seitenwand aber griffig strukturiert ist. Eine Hangelquerung bildet den originellen Abschluss, lässt einem jedoch sicherlich auch keine grauen Haare wachsen.

Die "Hangelquerung" in L2 (5c+) scheint doch mehr fuss- als fingerlastig zu sein 😁

L3, 35m, 6a+, 8 BH: Eher plattig, aber schön strukturiert pirscht man sich an einen ersten Wulst heran, welcher recht knifflig zu überwinden ist. Genussreiche, strukturierte Platten bringen einen dann zu einem kleinen Pfeiler, den man erst an Seitgriffen anpackt und dann mittels einiger perfekt platzierter Thank-God-Crimps entert. Zuletzt nach rechts zu einigen grossen Schuppen - sie sind gut verankert, trotzdem den Verstand walten lassen.

Am Start von L3 (6a+) am Bohrtag 4, welcher am ersten sonnigen Tag nach starken Regenfällen stattfand, zudem starteten wir tageszeitlich früh. Wie man sieht, war die Wand an jenem Tag tatsächlich stellenweise feucht, davor hatte ich dies noch nie so erlebt. Joyride liess sich nach dem Motto "hart am Wasser, aber daneben geht's vorbei" aber auch so gut klettern. Mit der Sonneneinstrahlung war die Feuchtigkeit zudem sowieso bald Geschichte.

L4, 35m, 6c, 9 BH: Ein Diagonalrail bringt einen zu einer kleinen Verschneidung, welche erst plattig und dann mit Hilfe eines Risses gemeistert wird. Bei der folgenden Steilstufe steht die Natur dem Freiklettergedanken unterstützend zur Hilfe: genau dort wo es sie braucht, sind Knubbel und Leisten - gut antreten und weit durchmoven muss man trotzdem. Das bringt einen zur plattigen Cruxzone. Erst geht's noch easy "Stägeli uuf", doch dann wird es fein. Erst entlang von einer Rissspur gewählt bewegen, dann entschieden plattig nach rechts zaubern zu einer Rissspur mit Leisten und an dieser hinauf. Das letzte Dächli erfordert nochmals einen beherzten Aufsteher, bevor es geschafft ist.

Hier sieht man die letzten Meter der Cruxlänge (L4, 6c), auf einem Foto weiter oben gibt's auch noch Impressionen von deren Start. Um jedoch zu sehen, wie es an der dazwischen liegenden Schlüsselstelle zur Sache geht, muss man sich vor Ort begeben. 

L5, 30m, 6a, 6 BH: Der logische (und schönste) Pfad führte den Erschliesser hier diagonal in prima strukturiertem Fels über 2 BH nach links hinaus. Es folgt dann die steilplattige Crux gerade hinauf, bevor man zurück nach rechts traversieren muss. So erreicht man schliesslich etwas vegetativ durchzogenes, einfaches Terrain. Es wird rechts über einen kleinen Grat zu bequemem Stand mit idealer Sitzgelegenheit erklommen.

Erst führt L5 (6a) über einen tollen Plattenschuss, am Ende navigiert man um den Jardin herum.

L6, 50m, 6a+, 10 BH: Eine lange Reise! In einem Winkel geht's vorerst in die Höhe, wobei das eine oder andere Mal die Lösung zu erkennen ist. Findet man diese, ist kein wirklich schwieriger Schritt dabei, knifflig ist's aber mehrmals. Schliesslich überwindet man ein kleines Überhängli und klettert dann viele Meter homogen schwierig über eine strukturierte, rampenartige Wand gegen das grosse, sperrende Dach hinauf.

Guido hoch über der Alp Horefelli im schön strukturierten Fels von L6 (6a+).

L7, 30m, 6b, 6 BH: Würde es aus dieser Sackgasse einen Ausweg geben? Da 10m oberhalb die Mastermind auf der einfachsten Linie quert, blieb nur die steile, rechte Seitenwand. Rissige Strukturen bieten sich da als Griffe und als Trittrampe an, so geht's recht gut - auch wenn man zu Beginn noch zwei klein-positive Crimps herzhaft zuschrauben muss. Einmal auf der oberen, liegenden Wand angelangt geht's einfacher daher, auch die Stufe am Schluss ist dank viel Struktur gut zu haben.

Die fotogene Stelle über die "Seitenwand" am Anfang von L7 (6b).

L8, 30m, 6b+, 7 BH: Der logische Weg führt einen der markanten Verwerfung entlang, bzw. man steigt im plattigen Gelände links daneben. So kommt man an den abschliessenden Steilriegel heran. Da herrscht kurz nicht die üppig-griffig-strukturierte, für die Horefelli typische Felsstruktur vor. Doch zuerst erlauben griffige Schuppen das Fortkommen, zuletzt wird's aber an einer Rissspur doch noch tricky, bevor Henkel in die Hand fallen und zum Stand mit dem Routenbuch (gemeinsam mit Mastermind und Knecht Klemenz) führen.

Nochmals eines von der (absolut freudvollen Erschliessungs-)Arbeit...

L9, 45m, 4a, 4 BH: Den Entdecker zieht's hier weiter - vorerst unschwierig einem kurzen Grat entlang, wobei man bei zweiten Haken am besten entschieden nach rechts in den grossen Jardin hält (dort einfach begehbar, weiter dem Grat entlang weniger gäbig). Nach ca. 10m folgen wieder schöne, geneigte und gut strukturierte Platten, über welche man zügig zum nächsten Stand gelangt.

Die bisher existierenden Routen enden bei der Position des Fotografen. Weiter geht's hier mit L9 (4a).

L10, 35m, 5c, 5 BH: Bei moderaten Schwierigkeiten geht's los, die Route führt über die plattige Verschneidungsrampe diagonal nach links hinauf. Das Gelände steilt sich schliesslich etwas auf, so dass am Auslauf der Verschneidung noch ein paar forderndere, plattige Moves zum vorletzten Stand (auf einem bequemen Band gelegen) nötig sind.

Eine lässige und gemütliche Kletterei bei sehr schönem Panorama in L10 (5c).

L11, 25m, 6a+, 5 BH: Es wartet noch ein toller Abschluss durch die hier wieder steilere Wand mit ihren griffigen Schuppen und Rissen. Da gilt es noch ein paar Mal zu überlegen, welches wohl der beste Weg ist. Luftig geht's zuletzt an die exponierte Kante, welche elegant gemeistert wird - die tolle Position wiegt hoffentlich den hier (wie so oft am Top einer Wand) zunehmenden Flechtenbewuchs auf, der die letzten Meter charakterisiert.

Bald geschafft! Marcel bohrt die letzte Zwischensicherung der Route in L11 (6a+).

Abseilen

Vom Routenende wird über die Route abgeseilt, alle Standplätze sind entsprechend eingerichtet. Dazu sind mind. 2x50m-Seile nötig, mit welchen alle Standplätze genutzt werden müssen (11 Manöver, wer sich traut kann den Stand nach L7 auslassen, 50m!). Bringt man 2x60m-Seile mit, so kann man von S11 -> S9, S8 -> S6, S5 -> S3 und S2 -> Boden noch 3-4 Manöver einsparen, auf diesen Strecken besteht auch keine grosse Gefahr eines Seilverhängers. Ein Fussabstieg ist nicht möglich, bzw. wäre sehr aufwändig, da zuerst steiles Schrofengelände erklommen werden muss und nachher ein grosser Umweg in Kauf zu nehmen ist.

Vor dem Abseilen heisst es zum Top klettern! Guido ist kurz davor, dieses zu erreichen (L11, 6a+).

Planungsgrundlagen, Absicherung & Topo

Die Route ist mit total 75 rostfreien Zwischen-BH und 22 Stand-BH vollständig und nach dem Standard Plaisir gut+ (Stufe 4/5) abgesichert. Die Haken wurden fair platziert, d.h. sie sind gut sichtbar, vor schwierigen Stellen kann immer geklippt werden und es sind dort keine gefährlichen oder weiten Stürze zu befürchten. Ein gewisser Anspruch ist im Vorstieg dennoch vorhanden, es heisst es auch zwischen den Haken zu klettern und im plattigen Granit auf die Füsse zu stehen, es kann nicht alles mit A0 ermogelt werden. Ebenso muss man im einfacheren, gut kontrollierbaren, griffig-trittigen Gelände (4a-5a) wiederholt auch Hakenabstände von 5-7m bewältigen. Mobile Sicherungsmittel sind nicht zwingend notwendig und können aufgrund der kompakten Felsstruktur nur vereinzelt angebracht werden, am ehesten noch in den letzten 2 Seillängen. Wenn man trotzdem Klemmgeräte mitführen möchten, dann machen wohl 0.3-1 oder 2 am meisten Sinn.

Dieses Foto ist von einer der beiden letzten Seillängen. Ganz konkret vom Ende von L10 (5c).

Die Saison an der Horefelliflue dauert lange. Die Wand ist nach Süden ausgerichtet und in sonniger Lage. Nach Regenfällen trocknet die Horefelliflue recht zügig wieder ab - deutlich schneller jedenfalls als z.B. die Sandbalm-Platten beim Ausgangspunkt an der Voralpkurve. Jahreszeitlich geht's ab Anfang Juni sicherlich (fast) immer, oft kann sicher auch schon im Mai geklettert werden. Im Herbst geht die Horefelliflue, bis das Gelände unterhalb von 2000m eingeschneit wird. Selbst spät im Jahr geniesst man noch ein erstaunlich langes Sonnenfenster, so dass die Route von schnellen Seilschaften bis Ende November angegangen werden kann. Hier eine grobe Planungshilfe (ohne letzte Gewähr) mit den Zeiten, wo die Sonne den Wandfuss erreicht, bzw. den oberen Routenteil verlässt:

23.09. 09.45 - 17.30 (Sommerzeit)
23.10. 10.15 - 16.30 (Sommerzeit)
23.11. 09.15 - 14.15 (Winterzeit)
23.12. 09.45 - 14.00 (Winterzeit)

So, jetzt braucht es nur noch das Topo (PDF-Download), dann kann es losgehen 😀

Das Topo zu unserer Route Joyride an der Horefelliflue


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