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Freitag, 17. Oktober 2025

Hintisberg - Ophrys (7a)

Nur 10 Tage zuvor waren wir noch bei hochsommerlichen Verhältnissen im Rätikon geklettert. Doch inzwischen war weit hinunter Schnee gefallen und die Nächte waren schon frostig. Eine Bisenlage mit Hochnebel und möglicher Umwandlung in Quellwolken liess uns auf ein Gebiet besinnen, welches sehr sonnig gelegen und nicht in den Voralpen liegt. Für den Hintisberg entschieden wir uns schliesslich, wo die Routen ideale Herbstlänge aufweisen. Und da ich bisher erst selten vor Ort war, standen noch ganz viele Ziele zur Auswahl.

Die Wand von Hintisberg mit der Verlauf der Route Ophrys (7a).

Weit kurvten wir aus dem Tal hinauf zur Alp Hintisberg, der Kletterparkplatz befindet sich erst etwas weiter oben beim Waldstück auf ca. 1840m. An einer Parkuhr ca. 2.5km nach dem Abzweig von der Hauptstrasse ist der Obulus von 10 CHF für die Fahrt zu löhnen, dies ist entweder mit Münzen oder dann mit diversen Apps (u.a. Twint, Parking Pay) möglich. Wir schulterten unsere Säcke und liefen in rund einer halben Stunde hinauf zur Wand. Eile war nicht geboten, denn wir waren eher zu früh aufgekreuzt. Die Sonne war noch hinter der Bira versteckt, erst um ca. 9.30 Uhr wird die Wand anfangs Oktober von den wärmenden Sonnenstrahlen bestrichen. Da es auch so noch frisch war, wärmten wir mit der 2-SL-Route Munggä (6a+, 6a+) erst einmal auf. Ein Abseiler brachte und zurück auf den Boden und wir verschoben zum Start der Ophrys, welcher mit roter Farbe angeschrieben ist und sich ca. 10m links (westlich) der markanten Grotte in Wandmitte befindet. Um ca. 10.20 Uhr starteten wir in diese Route.

Darauf haben wir gewartet! Die Sonne erreicht die Wand Anfang Oktober erst um ca. 9.30 Uhr.

L1, 30m, 6c: Nach einigen gutmütigen Metern zum Auftakt geht's dann bald steil zur Sache. Eine böse verbogene Hakenöse signalisiert die erste Powerstelle mit kräftigen Moves an einer Rissspur. Dies wird gefolgt von einer weiteren kniffligen Sektion mit einem seicht-flutschigen Riss, wo es vor allem die richtige Lösung zu erkennen gilt. Das kann man auch deutlich schwieriger wie als 6c klettern... und erreicht so das etwas leichtere, aber immer noch pumpige Restgelände zum Stand. Auch auf dem leichtesten Weg: tough Cookie für 6c, eher 6c+.

Die Route legt gleich fulminant los, zudem gilt's den besten Weg zu finden in L1 (6c).

L2, 25m, 6c: Zuerst linksrum auf die Schuppe rauf, dann folgt eine Rechtsquerung. Die permanenten Chalkspuren heissen einen, diese eher tief anzugehen. Ich wollte auch nicht das Risiko eingehen, die hohe Querung zu wählen, vermutlich ginge die aber schon auch. Man quert hinüber bis zum Stand von Zeit der Dürre, geht ab dort aber eher wieder leicht linkshaltend gerade hinauf. Der nächste BH ist von unten kommend nicht immer gleich erkennbar. Es kommen aber schon welche, die Länge ist prima gesichert und bietet hervorragende, kräftig-ausdauernde Wandkletterei. Zum Schluss dann noch der Mantle auf's Standband, welches bequemes Strandbad-Feeling vermittelt.

Der Griff nach dem rettenden Henkel in L2 (6c).

L3, 30m, 6c: Links raus aus dem Stand, eine erste Wandstufe führt zu einem Band, wo man mehrere Meter nach links quert und den Begrenzungspfeiler erklimmt. Bald einmal geht's in sehr pumpigen Ausdauergelände zur Sache. Kleine Dächlein sind zu überwinden, die Griffe zwar schon meist gross, aber oft auch rund und die Wand hängt über, es gilt kräftige Blockierzüge durchzuriegeln. Die ziemlich aussergewöhnliche Felsstruktur bringt auch eine Unübersichtlichkeit mit sich und so heisst es, sich bis zum ziemlich unbequemen, mitten in der Steilwand gelegenen Stand durchzufighten. Denke eine Bewertung von 6c+ passt auch hier eher besser.

Wunderbar die Herbstkletterei am Hintisberg - hier beim Auftakt in L3 (6c).
Das Finish von L3 (6c) dann in pumpigem Steilgelände an guten, aber runden Griffen.

L4, 25m, 6c: Der steile, drückende Wandabschnitt gleich ob dem Stand offeriert gute Griffe, so kommt man zügig und noch fast ungerupft voran. Die Crux der Länge besteht dann in einer kleingriffigeren Sektion bevor man die markante Schuppe erreicht, welche den zweiten Teil dieses Abschnitts charakterisiert. Entgegen der Beschreibungen im Internet fand ich das gar nicht mal ganz so einfach, insgesamt ist's aber definitiv die einfachste Länge der Route. Weiter geht's dann der Schuppe entlang hinauf und an deren Gipfel nach links zum Stand.

Linkstraverse am Ende von L4 (6c).

L5, 30m, 7a: Hier gibt's keine zwei Fragen, gleich aus dem Stand raus folgt die kräftige Dachpassage. An diesem gibt's vorerst durchaus noch vorzügliche Henkel, doch oberhalb bietet die wasserzerfressen raue Wand nebst einigen sloprigen Löchern nur noch scharfe Kratzer. Mein Onsight-Versuch war gut, scheiterte aber doch, bevor ich engültig über dem Dach etabliert war. Es stellte sich heraus, dass ich eine absolut vernünftige Beta probiert hatte - doch um diese erfolgreich auszuführen, war ich einfach nicht stark genug. Und dies auch nach genauem Befühlen und Optimieren. Somit musste eine andere Lösung her. Erst nach einigem Tüfteln und mit Griff in die Trickkiste ward diese gefunden - so hiess es nun nur noch, sie auch am Stück zu realisieren. Ich liess mich zum Stand ab für einen 2nd Go. Nur mit dem Zusammenkratzen aller Reserven konnte ich das Dach überwinden. Und in der Wand darob wurde es auch nochmals spannend. Die scharfe Wandkletterei ist zwar schon einfacher, aber obligatorisch, nicht ganz so offensichtlich und vor allem hatte ich diesen Part nicht ausgecheckt - mit ein paar Mal tief Durchschnaufen ging es aber. Die zweite Hälfte der Länge präsentiert sich dann deutlich einfacher, man erreicht schliesslich ein bequemes Band.

Am Henkel kann man sich vor der Überwindung des Dachs nochmals erholen - oder auch seine Kraft für ein paar Faxen verpuffen. Wobei, von einem coolen Poser-Foto hat man im Nachhinein vielleicht mehr wie von der virtuellen Trophäe des roten Punktes?!?

L6, 35m, 6c: Dass wir uns hier nicht in die Spectacolo verkofferten liegt v.a. daran, dass deren Start so richtig pickelhart ist. Man sei sich gewahr, die Ophrys verläuft hier links von Spectacolo (sprich man kreuzt diese Route) und führt vom Stand beim Baum drüben weiter - also entweder direkt nach L5 dort nachsichern oder dann mit einem kurzen Überbrückungsstück dahin wechseln. Gleich vom Boden weg wartet ein harter Boulder an scharfen Griffen, zäh für eine 6c! Die Fortsetzung bietet dann eher technisch gefärbte Kletterei, zwischendurch auch gar nicht mal so easy, aber es löst sich alles auf. Zuletzt geht's dann noch über Gras 15m zum gut sichtbaren Stand hoch.

Von L6 (6c) sieht man nur den grasigen Schlussteil, aber welch ein Panorama!

Um 14.10 Uhr und damit nach rund 3:50h der Kletterei waren wir beide am Top. Da hatte ich doch mehr Guzzi geben müssen, wie einem das Topo glauben machen würde. Die meisten der 6c-Längen waren taff, und die 7a?!? Meines Erachtens erst recht. Diesen Grad klettere ich bei guter Absicherung und physischer Kletterei fast immer im ersten Go - hier ging's hingegen selbst im zweiten nur knapp. Immerhin blieb der rote Punkt, aber auch die Fragezeichen, ob die angegebene Bewertung denn auch wirklich zutreffend sei. Ein Upgrade wäre vermutlich nicht verkehrt, für uns hiess es aber, vorerst einmal wieder down an den Wandfuss zu kommen. Dies geschieht via die Route Spectacolo und es ist durchaus vorteilhaft, 2x60m-Seile dabeizuhaben. So würden 3 Manöver reichen, mit 2x50m sind hingegen 5 davon notwendig. Das Topo im Extrem West weist die zu nutzenden Stände korrekt aus. Hält man sich an diese "Instruktionen", so kommt man trotz dem massiv überhängenden Gelände ohne grössere Schwierigkeiten zurück auf den Boden. Trotzdem, das 1x1 des Abseilens muss man hier aus dem Effeff beherrschen, die Seile baumeln einfach ins Leere und einfach so "gratis" erreicht man den Fels nicht mehr. Wir setzten uns zufrieden ins Gras am Einstieg und genossen einen Vesper. Nachdem die Uhr schon etwas vorgerückt war und die Wand nicht mehr lange in der Sonne zu stehen schien, räumten wir unser Material schliesslich zusammen und machten uns auf den Abstieg. Wir waren voll auf unsere Kosten gekommen und die Familien freuten sich bestimmt über eine zeitige Heimkehr. 

Facts

Hintisberg - Ophrys 7a (6b obl.) - 6 SL, 185m - C. & Y. Remy 1991 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine durchgehend steile und fordernde Kletterei in einem sehr speziellen Gestein. Der gelbe Fels sieht optisch nicht sonderlich schön aus, bzw. wirkt sogar etwas brüchig. Das täuscht aber, denn eigentlich ist alles solide. Die Kletterei an grossen, aber oft runden Griffen ist speziell und pumpig - v.a. auch, weil die Bewertungen jetzt nicht gerade sehr gutmütig ausgefallen sind. Die Absicherung mit verzinkten BH ist tiptop ausgefallen. Etwas Anspruch ist durchaus da im Vorstieg, es gibt aber keine weiten Abstände oder heikle Runouts. Mobile Absicherung ist nicht nötig, man kann unbesorgt ausschliesslich Exen an den Gurt hängen. Ein Hinweis: in der Nähe vom Einstieg tropft es oft aus den Dächern oberhalb herunter. Die Route ist davon aber in der Regel aufgrund der geschickten Linienführung nicht betroffen. Ein Topo zur Route findet man im Extrem West, Band II.

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