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Dienstag, 7. Oktober 2025

Rätikon - Saguaro (10 SL, 8a, Erstbegehung)

Hart, komplex und mit maximaler Schärfe, so kann man diese Route sicherlich charakterisieren. Sie wurde schon 1991 durch Andreas Audétat und Gefährten begonnen und führt durch einen der steilsten Bereiche der Gamstobelwand bei Partnun im Rätikon. Nur 25m vor dem Ende der Schwierigkeiten ging den Pionieren der Schnauf für die Vollendung ihres Projekts aus, und so blieb die Route trotz bestem Tropflochfels und sehr guter Absicherung mehr als drei Jahrzehnte lang unbekannt. Erst im Jahr 2025 erhielt Daniel Benz Kenntnis von der Sache und vollendete die Linie im August mit Dominic Eggenberger. Ein paar Besuche zwecks Sanierung, Linienoptimierung und Training war Zeit für die Erstbegehung und den Rotpunkt-Go. Bei diesem Anlass konnte ich mit dabei sein, hier mein Bericht dazu.

Die steile Gamstobelwand an der Sulzfluh im Rätikon mit dem Verlauf von Saguaro 

Unsere Tour startete um ca. 9.15 Uhr beim P6 in Partnun Äbi (1620m). Der erste Teil vom Zustieg bietet ideales E-Bike-Gelände über Strassen mit Hartbelag bis auf 2050m. Hier geht's zu Fuss weiter auf dem markierten Wanderweg - mir bestens bekannt, hatte ich doch an den Wänden links vom Gamstritt auch schon geklettert, bzw. zwei Neutouren realisiert (Sunshine Reggae (5b) sowie die bisher noch undokumentierte Die Katze Bekova (6c) aus dem Jahr 2023). Nach Überwindung der Steilstufe erreicht man den Gemschtobel, wo man auf ca. 2330m den Weg verlässt und über die gut begehbare Geröllhalde den Wandfuss erreicht. Dieser befindet sich ca. 200m rechts (östlich) vom Beginn des Klettersteigs Partnunblick und ist mit dem Wandfoto gut identifizierbar. Um 10.30 Uhr starteten wir schliesslich mit der Kletterei.

Unterwegs zum Kessel vor dem Gamstritt. Die im Text erwähnte Neutour Die Katze Bekova (6 SL, 6c) von Larina und mir befindet sich am linken Bildrand, in der Platte links der Bildmitte findet man unsere Familien-Erstbegehung Sunshine Reggae (5 SL, 5b).

L1, 45m, 6a+: Vergnügliche, gut abgesicherte und relativ leicht verdauliche Plattenkletterei.

L2, 25m, 7a: Ein paar einfache Meter führen zu einer oft nassen Verschneidung heran, in deren überhängender Seitenwand es dann mit einer Traverse gleich heftig zur Sache geht. In etwas klötzlig-splittrigem Gestein müssen ohne Rücksicht auf Verluste ein paar Stellerleisten heftig zugeballert werden, bevor man kräftig an Seit- und Untergriffen auf ein Podest aussteigt. Puh, da war ich meinem Limit schon nahe.

"Nur" eine 7a, aber am Ende von L2 muss man definitiv schon parat sein und Leisten zuschrauben.

L3, 25m, 7c+: Die ersten Meter noch gängig zu einem Turm und an diesem hinauf. Einmal an der Hauptwand, schlägt dann schon die Stunde der Wahrheit. An kleinen, scharfen Kratzern und fast inexistenten Rauigkeiten für die Füsse gilt es für Fortschritt zu sorgen. Im Prinzip anhaltend fordernd, auch wenn der Experte hier drei besonders fordernde Einzeleinheiten erkennt. Bei mir setzte sich v.a. die Erkenntnis durch, dass diese kein bequemes Konsumgut darstellen, d.h. ich konnte nicht alle in Freikletterei lösen.

Das Gestein ist extrem rau, gute Griffe sind aber Mangelware (L3, 7c+).

L4, 20m, 8a: Eine längere Boulderstelle zu Beginn markiert die Hauptschwierigkeit. Diese ist grundsätzlich im ortsüblichen Stil konstruiert, wobei hier tatsächlich ein dynamischer Move oder Sprung an einen grösseren Sloper zum Programm gehört. Die obere Hälfte der Seillänge bietet dann vergleichsweise gutgriffiges ~7b-Gelände, da ist noch einiges an Rési gefragt - diesen Abschnitt konnte ich im Gegensatz zum ersten Teil am Stück durchsteigen.

Die Crux in L4 (8a) ist in der Tasche, nun nur nicht mehr Abwerfen lassen!

L5, 20m, 7c: Hatte ich in den letzten beiden Längen hart zu beissen, so lief es hier zum Glück wieder etwas flotter. Die Kletterei hier einen Tick steiler wie in den Cruxzonen von L3/L4, griffiger und damit nicht nur einfacher, sondern auch zugänglicher. In verschärfter Wandkletterei im Bereich 7b/+ geht's zu einem kleinen Dächli mit der Hauptschwierigkeit, wo ich 2-3x ansetzen musste, bis die Lösung sass. Von da bis zum Stand kann man durchaus noch versauern, erneut im Bereich 7b/+ wird Ausdauer und Übersicht gefordert - mir ging's grad auf.

Die typische Felsstruktur anhand von diesem Shot in L5 (7c) gut erkennbar. Es gibt viele kleine Käntchen in diesem scharfen Fels. Allerdings müssen diese auch ausreichen, denn schön positive Leisten sind meistens Mangelware.

L6, 20m, 7c+: Ein fotogener Abschnitt, welcher mit einer Querung nach links hinaus beginnt, wobei Fels, Kletterei und Schwierigkeit nahtlos wie zuletzt fortsetzen. Die Crux folgt an der Stelle, wo man den Pfeiler linkerhand gewinnen muss. Es gilt, sich geschickt in einem Winkel zu platzieren, dann scharfe Kratzer zu erhaschen und entschlossen zu einem tollen Finish in genialem Fels zu entkommen. Ich vermute, diese Länge könnte an der Crux (da im Winkel) etwas grössenabhängig sein - mir ging das relativ gut, während sich Daniel da schwerer tat und seinen einzigen Fehlversuch hatte, welche mit einem Second Go dann ausgebügelt werden konnte. 

Der Akteur gerade in der Cruxzone von L6 (7c+).

L7, 25m, 7a+: In einer grauen Spritzbeton-Zone geht's in einem langen Quergang nach rechts. V.a. der Fels, aber auch die sonstige Anlage erinnert durchaus an L4 (7a+) im Silbergeier. Obwohl deutlich einfacher wie die umliegenden Teilstücke, so ist dieser Abschnitt dann doch nicht geschenkt und trotz der guten Absicherung muss man sich v.a. auch am hinteren Seilende so richtig engagieren. Endlich wieder einmal eine, die ich flashen konnte - ohne jedwelche Reserve, allerdings.

Die Querung im Spritzbeton-Fels von L7 (7a+) - super Kletterei!

L8, 20m, 8a: Während die Route sonst 1:1 dem Verlauf von Andreas Audétat aus dem Jahr 1991 folgt, hatte dieser sich damals auf dieser Höhe wenige Meter links in einer splittrigen, kaum frei kletterbaren Zone versucht (und das Projekt nicht zuletzt deswegen aufgegeben). Nun geht's ein paar Meter rechts davon am Rand eines dunklen, oft Wasser führenden Streifens hinauf - dies mit dem Nachteil, dass der Fels etwas staubig ist, dafür ist er strukturierter. Trotzdem, es geht gleich volle Kanne los, an kleinen Leisten und Zacken gilt es trittarm und deshalb mit viel Körperspannung zu arbeiten. Hier warf ich (ausnahmsweise) relativ zügig das Handtuch, der Nachstiegs-Flash war bald vergeigt und der Textilgriff zu verlockend. Nach dem Auftakt gehen die Schwierigkeiten etwas zurück, doch es bleibt bis zum Klippen des Stands sehr fordernd und technisch.

Unglaublich kompakter Fels mit dementsprechend anspruchsvoller Kletterei in L8 (8a).

L9, 30m, 7c: Bis zum BH #3 dieser Länge kamen die Ersterschliesser im 1991, da wartet noch die übliche, scharfe Wandkletterei. Ein paar leidliche Leisten später kommt dann die Crux mit einer coolen, bewegungsintensiven Bouldersequenz - auch da ist der Fels kurz etwas staubig und man findet nicht den 1a-Grip wie sonst in der Wand. Als letzter, optisch durchaus abschreckender Programmpunkt der Länge folgt dann eine überhängende Gegendruck-Verschneidung - sie geht besser wie befürchtet und bietet Ausdauergelände im 7a-Bereich.

Wandkletterei in L9 (7c), bevor der letzte Teil durch eine steile Verschneidung führt.

L10, 25m, 6b: Im Prinzip ein kurzes Outro, welches aber wunderschönen Premier-Cru-Fels bietet, wie man ihn von den Kirchlispitzen kennt. Die Idee wäre, den Abschnitt rechts in der Wand zu klettern und nicht an den Turm zu spreizen, was die Sache deutlich vereinfacht. Zuletzt dann einfacher zum Routenende auf einem Pfeilerkopf, von welchem man zu Fuss aufsteigend das Karrenfeld der Sulzfluh erreichen kann.

Um ca. 17.30 Uhr nach rund 7:00h der Kletterei waren wir am Top. Daniel wieder einmal mit einer schier unglaublichen Performance! Für mich sehr eindrücklich, alle diese schwierigen Stellen so sauber und souverän durchziehen zu können - das war wieder einmal Klettersport vom Feinsten, welchem ich da zusehen konnte. Meine Leistung war nicht ganz so überragend: die einfacheren Seillängen hatte ich durchsteigen können, ein paar der harten Pitches (L5, L6, L9) gelangen mir immerhin komplett frei, während gewisse Passagen in L3, L4 und L8 zur Rubrik Aktenzeichen XY ungelöst gehören und ich mich dort mit dem Linken der einfacheren Passagen zufrieden geben musste. Aber natürlich hatte es trotzdem enormen Spass gemacht. 

Riding the pig... steiles Abseilen über die Gamstobelwand.

Wir machten uns schliesslich ans Abseilen. Im Nachhinein hat Daniel die Abseilpiste mit einem routenunabhängigen Stand noch deutlich bequemer gemacht. Somit verweise ich auf das Topo, unsere Variante von diesem Tag zu beschreiben macht hingegen keinen Sinn. Am Einstieg durfte ich dann die 7 Buchstaben von SAGUARO mit roter Farbe auf dem Fels verewigen, bevor wir talwärts liefen bzw. später fuhren. Ein genialer Tag neigte sich dem Ende zu - ich bin gespannt, wann die ersten Wiederholungen dieser Route erfolgen werden.

Büroarbeit am Fels... die Nische am Einstieg ist sehr charakteristisch.

Facts

Rätikon / Gamstobelwand - Saguaro 8a (7a+ obl.) - 10 SL, 255m - A. Audétat 1991 / D. Benz 2025 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 11 Express, Cams/Keile nicht nötig und kaum einsetzbar

Grossartige und eindrückliche Kletterei, welche in ihrem zentralen Teil mit einigen anhaltenden Seillängen von hoher Schwierigkeit aufwartet. Die Kletterei mit vielen kleinen Kratzern, scharfen Tropflöchern und abschüssigen Tritten erfordert oft einiges an technischer Zauberei. Nur starke athletische Fähigkeiten mitzubringen dürfte für einen Erfolg kaum ausreichend sein, da muss man einfach richtig gut klettern können. Die Felsqualität ist meist sehr gut, der stachelige Kaktusfels bietet hervorragende Reibung, erfordert aber entsprechend Haut auf den Fingerkuppen. An einigen wenigen Stellen wirken die zu verwendenden Strukturen etwas fragil, wenngleich bei meinem/unserem Go alles Stand gehalten hat. Die Absicherung der Route war im Originalzustand sehr eng gehalten. Bei der Sanierung 2025 wurde dies so beibehalten, fast alle BH wurden jedoch durch rostfreies Material ersetzt, wobei deren Platzierung teilweise optimiert wurde und die Standplätze an bequemere Ort verlegt wurden. Daniel hat ein sehr präzises Topo zur Route gezeichnet, es ist unten als Bild vorhanden und kann auch als PDF runtergeladen werden.

Das Topo zur Saguaro von Daniel. Bessere Qualität gibt's im PDF-Download.

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