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Samstag, 23. März 2013

Galerie - Djebel Amilah (6b+)

Meine ersten Touren im Hauptsektor der Galerie hatte ich bereits 1996 mit Bonsai (6a) und Kurzprogramm (6a) erschlossen. Und unmittelbar links davon gab es schon seit jeher die lässigen Bounty (6b+) und Frosch (6c+). Bis ich mir an Weihnachten 2012 dachte: "warum verlängerst du den 15m-Bonsai nicht auch auf gute 30m?". Rasch war ein Toprope installiert und so konnte ich die zusätzlichen Meter gleich durchsteigen. Am 28.12. setzte ich dann bei Wind und Kälte die ersten Bohrhaken und entschloss mich, nicht den Bonsai zu verlängern, sondern einen eigenen Einstieg zu erschliessen. Nach etwas Putzarbeit im unteren Teil war die Tour dann bald geboren und Rotpunkt geklettert.

Wie ich finde, sind es 30 wirklich lohnende Meter geworden, die mit 12 BH abgesichert sind. Gut, die ersten 10m sind nicht im berauschendsten Fels, da dieser erst durch die Sprengung beim Bau der Galerie freigelegt wurde. Der Fels ist aber solide da, somit kein Problem. Eine erste Crux wartet am Wulst oberhalb des Bonsai-Stands bei der fixen Expresse. Es will gut balanciert und gut festgehalten werden, dann ist es schon bald erledigt. Nach einem No-Hand-Rest leitet man den steilen zweiten Teil an einer griffigen Schuppe mit athletischem Dach-Abschluss ein. Man erreicht ein weiteres, abdrängendes Querband und packt die finale Wand an, welche mit kniffligen Moves nochmals die Ausdauer fordert, um zuletzt den Kettenstand mit fixem Umlenkkarabiner zu klippen.


Am 23. März gebe ich die Linie nun, nach nochmals ausgiebigem Putzen und den ersten Wiederholungen mit Feedback zur Bewertung, für alle Begeher frei. Nebenbei gelang mir übrigens auch noch die Begehung der schon länger existierenden (aber bisher kaum gekletterten) Route Fischer Man (7a) mit Einstieg von unten über Djebel Amilah. Irgendwie auch eine Erstbegehung in dieser Variante, die gesuchten, definierten Cruxmoves (ohne die Schuppe der Djebel Amilah rechts!!!) sind aber deutlich schwerer wie der Einstieg, somit ist die Integral-Begehung keine wirklich grosse Errungenschaft. Allerdings hat auch der Fischer Man durch den neuen Einstieg an Attraktivität gewonnen, war doch vorher ein Zwischenstand nötig.


Routenverzeichnis Sektor Bounty:

Bounty (L1 6a+ / L2 6b+, 32m, ***)
Durchgehend grossgriffige Kletterei, oben schwerer und schöner als unten.

Frosch (6c+, 30m, ***)
Einstieg über L1 von Bounty, danach überhängende Riss-Schwarte und Ausstieg in Wandkletterei.

Djebel Amilah (6b+, 30m, ***)
Homogene, anhaltend steile und ausdauernde Kletterei mit zwei, drei Extra-Kniffelstellen.

Fischer Man (7a, 30m, **)
Einstieg über Djebel Amilah, danach definierte Wandstelle (OHNE die Schuppe von Djebel Amilah!).

Bonsai (6a, 15m, **)
Kurze, aber durchaus interessante und leicht überhängende Wandkletterei.

Kurzprogramm (6a, 15m, *)
Kletterei in ähnlichem Stil wie Bonsai, aber nicht ganz so elegant bzw. schön.

Dienstag, 19. März 2013

Eisklettern in Braunwald - HSK (WI5)

Pascal aus Quebec war bei Freunden auf Besuch. Er hatte extra sein Eiskletter-Equipment mitgebracht, um in der Schweiz eine Route klettern zu können. So kam die Anfrage zu mir, ob ich ihn denn dabei begleiten würde. Das war mir natürlich ein Vergnügen, und so verabredeten wir uns. Schon als ich beim Treffpunkt seine durch häufigen Gebrauch abgewetzten Eisgeräte sah, war mir klar, dass dies gut kommen würde. Ich hatte verschiedene Optionen vorbereitet, die Wahl fiel schliesslich darauf, in Braunwald an einem bisher undokumentierten Fall einen Versuch zu starten. Ich hatte einige Fotos davon zugesandt erhalten, somit war gewiss, dass Eis vorhanden war und der Fall vermutlich kletterbar.

Sicht auf die Wand unterhalb der Terrasse von Bergeten, wo sich die Route befindet. Hinten das Massiv des Ortstock.
Per Standseilbahn (8 CHF für Retourbillett mit Halbtax) ging es zügig, zusammen mit vielen Skifahrern, hinauf ins sonnige Braunwald. Dort schnallten wir die Skis an für eine kurze Abfahrt zum P.1209 oberhalb des Sanatoriums. Danach wurde angefellt, und über die weiss geräumte Fahrstrasse erreichten wir nach gut 1km den P.1252 bei Unter Stafel. Von dort dann gut 150hm hoch in schönem, sonnigen Tourengelände zum Einstieg bei den Koordinaten 716'760/199'280 auf rund 1420m (siehe Karte). Insgesamt hatten wir von der Bahnstation aus gerade etwa eine Stunde gebraucht, bis wir am Einstieg angelangt waren, wobei uns die Sonne ganz schön eingeheizt hatte. Der angepeilte Fall lag aber komplett im Schatten und versprach gute Bedingungen.

Oft ist es ja so, dass sich bei Eisfällen die Perspektive drastisch ändert, wenn man einmal am Einstieg steht. Das war auch hier ähnlich. Sah der Fall von weitem nur 2 bis maximal 3 SL kurz und eher einfach aus, so wurde sofort klar, dass eine längere Reise anstand, welche im oberen Teil auch nicht zu unterschätzende Schwierigkeiten bieten würde. Und bereits die erste Seillänge würde eine ausgewachsene 50m-Stufe bereithalten, die von der Senkrechte gar nicht so viel entfernt war. Nachdem wir uns komplett angeschirrt hatten, konnte es um ca. 11.00 Uhr losgehen mit der Kletterei.

Der Fall von nahe, mit der von uns gekletterten Linie.
SL 1, 50m: Ich übernahm fürs erste die Führung. Wir entschieden uns für maximalen Genuss ganz links unten einzusteigen. Bald einmal wurde klar, dass die Bedingungen gar nicht so formidabel waren. Das Eis war teilweise etwas morsch, mit Luft- und Schneeeinschlüssen. Und was von weitem dick und kompakt aussah, war stellenweise eine recht dünne Schale, die nicht immer perfekt mit dem Untergrund verwachsen war. Dennoch gab es genügend Stellen, an denen zuverlässige Schrauben gesetzt werden konnten. Die Steilheit meist so um 75 Grad rum, mit zwei längeren Stellen von 80 Grad. Nach genau 50m erreichte ich die erste Verflachung und machte Stand. Bei den vorherrschenden Bedingungen hätte ich die Länge als einen knappen Vierer eingeschätzt. Bei perfektem Eis evtl. auch etwas leichter, und alternativ könnte man auch ganz rechts aussen/oben einsteigen, so wären Neigung und Schwierigkeiten bestimmt geringer und die Länge wohl nur 30m.

Pascal folgt in SL1, das Topout daselbst etwas zugeschneit.
SL 2, 60m: Nun war Pascal an der Reihe, 20m weit ging es in moderatem, 60 Grad steilem, aber wiederum nicht besonders gutem Eis weiter bis auf das grosse Schneefeld, das mit 35-40 Grad Neigung an den oberen Wandteil hinanführt. Als Bewertung könnte man hier vermutlich ca. WI2 angeben. Stand macht man im Eis am Beginn des oberen Wandteils. Vorsicht auf Eisschlag von oberhalb in den Felsen hängenden Zapfen!

Pascal on lead in SL 2.
SL3, 50m: Diese Länge zum Beginn der Säulen schien von weitem gar nicht sonderlich schwierig. Auch wäre sie grösstenteils mit mehrheitlich 65-75 und vor dem Ausstieg kurz 80 Grad nicht besonders steil. Allerdings war das Eis hier bei den letzten Schneefällen eingeschneit worden und mit dem Spritzwasser von den Säulen anschliessend wieder überfroren. So musste ich diese Kruste in mühsamer Arbeit aufbrechen und abräumen. Das war aber schon möglich, und ich konnte schliesslich am Sockel der mittleren Säule Stand einrichten. Rein aufgrund der Neigung ginge diese SL als WI3/3+ durch, mit den schlechten Bedingungen war es aber gefühlt schon auch sicher WI4-.

Harte Arbeit in SL3. Wobei, nachdem die Kruste mal abgeräumt war, ging es sicher schon viel besser.
SL4, 50m: Und jetzt kam das Pièce de Resistance: auf dem Foto hatte diese Säule popelig ausgesehen. Halt wie ein kurzes, senkrechtes Stücklein, das man rasch macht. Hier war aber nun klar, dass 20 absolut kompromisslos vertikale Meter in röhrigem Eis zu bewältigen waren. Den Plan, die etwas kürzere mittlere Säule zu begehen und mit einer Querung ins einfachere Eis auszusteigen verwarf ich ob den überhängenden Blumenkohlen und Blüten sogleich. Pascal meinte, dass er die Führung gerne an mich abgeben würde. Die Ungewissheit nagte auch an mir, aber mit dem Selbstvertrauen der kürzlich begangenen, steilen Fälle, den neuen Eisgeräten, dem Motto "Schritt für Schritt" und notfalls dem Rasten an Eisschrauben würde es schon gehen. So kämpfte ich die Stufe (ohne an Schrauben zu pausieren) nieder, rammte meine Pickel bombenfest ins Eis, verbrauchte in kraftraubender Arbeit fast mein ganzes Arsenal an Schrauben, um schliesslich den Schock meines Lebens zu erfahren... Als ich zu einem kraftvollen Pickelschlag ansetzte, gab die Säule ein markerschütterndes, sehr lautes "Knack" von sich. Irgendwo war diese 20m hohe, 8m breite und 3m dicke Säule gerissen. An welcher Stelle konnte ich jedoch nicht ausfindig machen. Behutsam kletterte ich weiter, um dann an der ersten geeigneten Stelle einen Abseilpunkt einzurichten.

Sie warten auf ihren Einsatz an der Säule. Aus naheliegenden Gründen gibt es davon keine Action-Fotos...
Das Ende der Tour war nach fast 5 Stunden Kletterei erreicht. Pascal war ob dem Knack die Lust auf ein Nachsteigen gründlich vergangen, er wollte das Risiko nicht herausfordern. Somit bliesen wir zum Heimweg, an einer Mischung von Abalakovs und natürlichen Fixpunkten ging es rasch und problemlos zurück an den Einstieg. Immer wieder stellten wir uns die Frage, warum eine solche, massive und gut verwachsene Säule knacken konnte. Der Teufel liegt wohl im Detail: der am Fels gewachsene Teil oberhalb war etwas hinterspült (was natürlich von unten nicht sichtbar war). Auffallen können hätte einzig, dass die Säule an der Aussenseite trocken, innen hingegen etwas feucht war. Aber naja, nachher ist man natürlich immer schlauer. Um Erfahrungen und ein eindrückliches Erlebnis reicher machten wir uns auf dem Heimweg. In schönem, feuchtem Pulver kurvten wir hinunter zum P.1252, von da ging es, mit erst ganz wenig Stockeinsatz, danach in rasanter Fahrt retour zum P.1209. Kurzer Fussaufstieg zur Station, und da die Lifte eben Betriebsschluss hatten, mit einer Viertelstunde Wartezeit retour nach Linthal. Das Fazit von Pascal war klar. Eisklettern in der Schweiz ist anders als bei ihm zuhause, ja gar scary stuff: hohe Berge, alpine Gefahren, qualitativ mässiges Eis und dann erst die knackende Säule. Trotzdem war es natürlich ein extrem eindrücklicher und auch lehrreicher Tag für ihn.

Schon auf dem Rückweg. Sicht auf den oberen Wandteil, unsere Route führte über die rechte der 3 Säulen.
Facts

Braunwald/Bergeten - HSK - III, WI5, 210m - M. Dettling & P. Blanchette, 24.2.2013

Der Fall ist im Führer Hot Ice - Band Ost (Urs Odermatt, 2012) nicht erwähnt, nur der Bergetenfall ca. 500m südlich davon hat Eingang gefunden. Auch sonst konnte ich keine Berichte von Begehungen in Erfahrung bringen. Allerdings ist der Fall von Braunwald aus ein gut einsehbar und stellt eine logische, gut zugängliche Linie dar. Möglicherweise wurde er bereits früher begangen. Sollte uns dennoch die Ehre zustehen, der Tour einen Namen zu verleihen, so bietet sich "Hopp Schwiiz Kanada" perfekt an. Den richtigen Ton im Ohr dazu findet man hier...

Vom Charakter her könnte man sagen: lohnender 4SL-Fall an schöner Lage mit moderatem Zustieg. Die Ausrichtung ist NNE, in den frühen Morgenstunden etwas Sonne. Wohl meist jeden Winter gute Bedingungen im Januar und Februar. Lawinengefahr droht kaum, die von den Säulen und den am Fels hängenden Zapfen ausgehende Gefahr ist im Text beschrieben. Der Zustieg dauert eine knappe Stunde, Skis sind durchaus zu empfehlen und verkürzen auch den Rückweg ziemlich. Natürlich ist der Anmarsch auch mit Schneeschuhen gut machbar. Eine Vergleichstour in Bezug auf Charakter und Schwierigkeit ist meines Erachtens der Azzurro im Zanai.

Mittwoch, 13. März 2013

Kletterführer Zentralschweizer Voralpen: Teil Südwest

Nun ist er mit einem ganzen Jahr Verspätung doch noch erschienen, der Südwest-Band des SAC-Kletterführers Zentralschweizer Voralpen. Auch wenn für Insider und online präsente Kletterer die ganz grossen Neuigkeiten in Form von bisher gänzlich unbekannten Gebieten und Routen fehlen, so handelt es sich doch um ein sehr empfehlenswertes Buch. Die letzte Ausgabe stammt aus dem Jahr 1995 und war inzwischen so hoffnungslos überholt, wie das Design veraltet war. Da ich auch einige Beiträge zu diesem Führer geleistet hatte, erhielt ich ein Exemplar frisch ab Presse. An dieser Stelle meine ersten Eindrücke.


Die Sache mit der 1-jährigen Verspätung ist ja so eine Sache. Sie liegt an endlosen Querelen und Streitigkeiten, welche Gebiete denn nun aus Naturschutzgründen im Führer erscheinen dürfen. Der Autor Urs Lötscher hatte alle Klettergebiete zwar zeitig zur Prüfung eingereicht. Doch was schliesslich zur Publikation gewährt und von ihm gezeichnet wurde, stand später doch wieder zur Diskussion und wurde wieder gekippt. Wie gross sein Frust über diese unnütze Arbeit und auch über den nicht kompletten Führer schliesslich war, lässt sich aus der Tatsache erahnen, dass er auf eigenen Wunsch nicht offiziell als Autor aufgeführt ist.

Der SAC findet für diese Verspätung die blumige Umschreibung, der Führer sei "auf Naturverträglichkeit geprüft". Ausgedeutscht heisst dies neben der Verspätung, dass Gebiete fehlen: Lücken bestehen vor allem bei einigen regional bedeutenden MSL-Routen im Rugghubelgebiet und auch im Melchtal. Der Argumentation des SAC, dass ein Publikationsverzicht drohende Verbote abwende, kann ich durchaus eine gewisse Sympathie abgewinnen. Andererseits mutet das Argument im vorliegenden Fall etwas bizarr an, sind doch eben diese Gebiete im 2012 erschienenen Führer "Klettern in der Schweiz" (Matteo Della Bordella, Edizioni Versante Sud) enthalten, und werden es auch im demnächst erscheinenden "Schweiz Extrem Ost" (Sandro von Känel, Filidor) sein. 

Gebietsvorstellung mit Foto und Einleitungstext, Piktogramme, Kärtchen und Informationen. 
Aber na ja, konzentrieren wir uns besser auf den Inhalt des Führers anstatt auf die Geschichten rund um die grosse Verspätung. Einige charakteristische Punkte sind:
  • Der fast komplette Verzicht auf eigentliche Topos. Der Routenverlauf ist auf qualitativ hochwertigen Wandfotos eingezeichnet, welche Autor Urs Lötscher bei seiner grossen Leidenschaft, dem Gleitschirmfliegen, aufgenommen hat. Generell ist es so, dass für gut mit fixem Material abgesicherte Routen (worum es sich bei der Mehrzahl der beschriebenen Touren handelt) Fototopos als hilfreich und ausreichend zu taxieren sind. Anders sieht das auf selbst abzusichernden Routen mit wenig Material aus, wo feine Details über die zu wählende Route besser mit einem klassischen Topo vermittelt werden können. 
  • Für jedes Gebiet gibt es eine Vorstellung mit einem ganzseitigen Farbfoto und einem kurzen, den Charakter beschreibenden Einführungstext aus der Feder eines Gebietskenners. Ebenso gibt es zu jedem Gebiet eine Informationsseite mit Piktogrammen zu Routenangebot, Exposition, Kletterstil, benötigtem Material, Absicherung, Zugang und Eignung für Kinder. Ebenso ein Übersichtskärtchen, Hinweise zur Erschliessung und zu Besonderheiten.
Typische Seite zu MSL-Routen mit grossformatigen Action-Fotos und Fototopos auf perfekten Wandbildern.
Eine Review wäre nicht komplett ohne einige Verbesserungsvorschläge abzugeben. Dass die Erschliesser einfach alphabetisch anstatt nach der Wichtigkeit ihres Beitrags zur Route/Gebiet aufgeführt werden, ist unüblich. Es ist zwar nicht in jedem Fall möglich, die korrekte Reihenfolge zu identifizieren, oft aber schon. Zu bedenken ist, dass beim Einrichten von Klettergärten oft Dutzende von Arbeitsstunden ohne Lohn und Dank, sowie Hunderte bis Tausende von Franken fürs Material aufgeworfen werden. Dies hätte meines Erachtens eine sorgfältigere Würdigung verdient. Zwei Details, die mir weiter noch aufgefallen sind, umfassen die Tatsache, dass immer noch Friend- statt Camalotsgrössen angegeben werden, obwohl letztere inzwischen wirklich der allgemein akzeptierte Standard sind. Zudem sind die Angaben zur Kindertauglichkeit sind aus meiner Sicht (als Vater von Kindern im Altern von 2 und 3 Jahren) teilweise ziemlich optimistisch ausgefallen. Positiver formuliert: sie beziehen sich eher auf Kinder im Alter von 8-12 Jahren.

Fazit

Es handelt sich um einen klaren, übersichtlichen Kletterführer mit vielen schönen Bildern, der die Gegend südlich von Luzern bis zum Brünig fast komplett beschreibt. Er ist ganz sicher ein Muss für die Bibliothek eines Felskletterers aus dem Raum Zentralschweiz, Zürich und Aargau. Ebenso werden die schönen Klettereien im Zentrum der Schweiz auch manchen Anhänger von weiter her finden. Prädikat: sofort bestellen, die Outdoor-Klettersaison hat bereits gestartet!

Samstag, 9. März 2013

Nicht verpassen: Video zu Change (9b+)

Es ist nicht das Ziel dieses Blogs, irgendwelche Fundstücke aus dem Internet aufzubereiten und wiederzukauen, sondern mein Fokus liegt auf eigenem Content. Für einmal mache ich aber eine Ausnahme. Das Video von Adam Ondra in seinem Meisterstück Change (9b+), ihres Zeichens die erste Route in diesem Schwierigkeitsgrad weltweit, sollte keiner verpassen, der etwas mit Klettern am Hut hat.

Während man in Klettervideos sonst oft den Eindruck hat "wo liegt denn das Problem" und erfolgreiche Begehungen generell meist "einfach" aussehen, bekommt man hier einen guten Eindruck der tatsächlichen Schwierigkeiten. Die notwendigen Bewegungen sind extrem komplex und man sieht von weitem, welche Körperspannung und Fingerkraft für die Moves erforderlich sind. Es ist sicher nicht vermessen, Adam Ondra als derzeit besten Felskletterer zu bezeichnen. Seinem Mix von Fingerkraft, Ausdauer, Beweglichkeit, Persistenz und mentaler Stärke kann aktuell kein anderer das Wasser reichen.



Der beste Spruch, den ich als Replik zum Video gelesen habe: "Unterhalb stehen nun einige Häuser zum Verkauf. Die Bewohner fürchteten sich vor den blutrünstigen Trollen, die gemäss den Grunzlauten in der Grotte hausen müssen". Spannend wird vor allem sein, ob und wann eine Wiederholung (oder bloss ein Versuch davon) stattfindet. Ist Adam Ondra nur der Vorreiter einer neuen Generation von Kletterern, die alle auf diesem Niveau operieren werden? Oder ist er ein Ausnahmetalent, dessen heutige Leistungen und Routen auch in vielen Jahren noch Spitzenleistungen sind? Man kann auf jeden Fall gespannt sein. Adam Ondra selbst hat inzwischen mit der Erstbegehung von La Dura Dura (9b+) bereits nachgelegt.

Dienstag, 5. März 2013

Brunnenstock (3211m) & Voralphorn (3203m)

* Text: Marcel, Fotos: Chris, Adrian, Marcel

Die beiden im Titel erwähnten Gipfel sind einsame Ziele, die zwischen Voralp- und Chelenalptal im Herzen der Schweiz liegen. Während der Brunnenstock sich bis auf die sehr abgelegene Lage offensichtlich ohne grössere Schwierigkeiten im Rahmen einer Skitour erreichen lässt, stellt das Voralphorn eine Unbekannte dar. Der SAC-Führer wirft eine Sommerbewertung von WS aus. Ganz lapidar steht da: "von der Scharte zwischen P.3202 und P.3203 erreicht man den Gipfel von Süden". Über das zu erwartende Terrain und die Schwierigkeiten steht da rein gar nichts geschrieben, und auch das Netz hat(te) ausser einem Bericht einer Sommerbegehung nicht viel Informatives zu bieten.

Nun stellt sich natürlich die Frage, ob man denn eine solche Tour im Internet dokumentieren soll, wenn man sie begangen hat. Immerhin löst eine solche Beschreibung wiederum einen der immer rareren weissen Flecken von der Schweizer Landkarte. Die letzten Ungewissheiten werden ausgeräumt und der Abenteuerfaktor sinkt. Zudem habe ich gerade kürzlich wieder ein extrem negatives Feedback zu diesem Blog erhalten. Es gibt tatsächlich Leute, denen sind solche Beiträge so zuwider, dass sie den Blog am liebsten auf den Mond schiessen würden. Sowieso sei alles nur Selbstdarstellung, und es würden höchstens Leute auf Touren gelockt, denen sie nicht gewachsen wären.

Super Tourengelände! Im Aufstieg zur gut sichtbaren Lücke 3110m zwischen Chelenalp- und Voralphorn.
Nun, sowas muss man entweder abhaken, oder dann aufhören. Nachdem ich persönlich aus Internet-Tourenberichten in der Regel weit mehr nützliche Infos entnehme als aus der Führerliteratur (die in diesem Beitrag vorgestellten Gipfel sind ein sehr gutes Beispiel dafür), bleibe ich mit eigenen Beiträgen ebenfalls aktiv. Zusätzlich: auch wenn man von gewissen Personen als Blogger schon  nicht (mehr) für voll genommen wird, so wiegen für mich die nur dank dem Blog entstandenen Bekanntschaften deutlich höher. So ergab sich schon manch tolle Tour, die ich ohne meine Web-Aktivitäten kaum hätte unternehmen können.

Zuerst ist aber ein langer Zustieg durchs flache Voralptal zu bewältigen. Landschaftlich aber prima!
Tourenbericht

Zur Verfügung stand das absolute Traum-Weekend: es war perfektes Wetter ohne Wind mit milden Temperaturen aber ohne Tauwetter angesagt. Eine üppige, sichere und mit etwas Gespür noch pulvrige Schneedecke lag, der südseitige Fels war bereits gut ausgeapert und bekletterbar, und auch im Eis ging noch vieles. Was natürlich wiederum die Qual der Wahl verursacht. Nach Diskussionen, Setzen von Prioritäten, Erwägen und Verwerfen etlicher Ideen einigten wir uns schliesslich, im Voralptal einen Versuch zu starten. Nach nächtlicher Anfahrt ging es kurz vor 6 Uhr morgens in Abfrutt P.1165, kurz hinter Göschenen los.

Da kann man wieder sagen: so eine breite Skipiste, aber überhaupt keine Skifahrer: Flachsteinfirn.
Bis zum Beginn des wirklich lohnenden Skitourengeländes sind +/- 700hm und 2 Stunden Zustieg zu erledigen. Erst auf der gepisteten Strasse gegen die Göscheneralp hin, dann etwas mühsam durch den Wald am Eingang des Voralptals oberhalb Wiggen, schliesslich im lieblichen, aber flachen Tal selbst. Erst auf 1900m biegt man links ab und steigt die idealen Hänge hinauf zum Flachensteinfirn und den Gipfeln. Das reduziert natürlich die Zahl der Anwärter beträchtlich, somit wird auch nach diesem Bericht kein Ansturm auf die nun beschriebenen Gipfel erfolgen.

Kraftraubender Aufstieg in die Lücke 3110m. Es ist deutlich steiler, als es hier den Anschein macht!
Eine Spur anlegend gelangten wir problemlos unter das Couloir, welches in die Lücke (ca. 3110m) südlich vom Voralphorn hinaufführt. Dieses ist knapp 100hm hoch und gegen 40 Grad steil. Wegen der SE-Exposition dürfte es häufig eingeblasen sein und auch der Bergschrund kann Schwierigkeiten bereiten, also Vorsicht! Diesbezüglich gab es keine Probleme für uns, dennoch war der Aufstieg mit vielen Spitzkehren anstrengend und wegen der teils auf dem harten Untergrund abrutschenden Schneedecke kraftraubend. Nach 5 langen und harten Stunden Aufstieg hatten wir die ersten knapp 2000hm im Kasten und pausierten in der Lücke 3110m ausgiebig.

Zum Schluss sind etliche Spitzkehren nötig, bis man die Lücke 3110m erreicht hat.
Der Weg von da zum Voralphorn sah zwar nicht trivial, aber auch nicht unmöglich aus. Da würden wir sicher einen Versuch wagen und auch wenn ein Erfolg nicht sicher war, so bestanden doch vernünftige Chancen, den Gipfel zu erreichen. Wir entschieden dann aber gemeinsam, dem einfacheren, aber noch weiter entfernten Brunnenstock einen Besuch abzustatten. Das erforderte, von der Lücke 3110m nach Westen durch ein Couloir rund 80hm auf den Brunnenfirn abzusteigen. Auch dieses Westcouloir war rund 40 Grad steil, der Schnee war aber griesig, es hatte es viel weniger davon, ja teilweise schauten gar die Felsen heraus. Einmal unten auf dem Firn, ging es dann aber zügig die knapp 200hm Richtung Brunnenstock. Man steigt die zuletzt recht steile S-Flanke hoch. Den Gipfel erreicht man entweder wie wir von links über den SW-Grat (Skidepot 40hm vor dem Top, einfacher Fussaufstieg über einen Blockgrat, trotzdem kann man auch hier abstürzen!), alternativ ginge auch der E-Grat (Skidepot 15hm unter dem Top, minimal kürzerer Fussaufstieg, aber steil und exponiert).

Unterwegs zum Brunnenstock (3211m).
Auf dem Gipfel hielten wir eine Rast. Während der Brunnenstock an sich eine nicht besonders bedeutende Erhebung ist, so liegt er doch in einer sehr schönen, einsamen Gebirgslandschaft. Die Blicke auf Dammastock, Sustenhorn, Fleckistock und viele weitere Gipfel waren grandios. Nach etwa 20 Minuten machten wir uns wieder auf den Weg, wir hatten ja noch etwas vor. Es folgte eine erste Abfahrt in feuchtem Pulver un der Wiederaufstieg zur Lücke 3110m durch das Westcouloir. Diesen machten wir zu Fuss, ob dem griesigen Schnee war er kräftezehrend. Gute 1.5 Stunden nach unserem Aufbruch hatten wir die Lücke wieder erreicht und standen am Ort, wo der Gipfelgang zum Voralphorn beginnen konnte.

Adrian hatte sich entschieden, in der Lücke zu warten. Bei Chris und mir war der Mumm für einen Versuch aber nach wie vor da, und so machten wir uns kletterfertig. Nach einige gerölligen Metern geht es dann gleich richtig los. Ein rund 50m hoher Steilaufschwung will bewältigt werden. Der Granit ist, wie ich finde, von durchaus guter alpiner Qualität. Natürlich ist in einem solchen Gelände nicht ganz alles bombenfest und so vermute ich, dass viele den Fels am Voralphorn vermutlich als brüchig bezeichnen würden. Ebenso muss man wissen, dass man sich hier zwar nur in Zweier- oder vielleicht maximal kurz im Dreiergelände bewegt, die Kombination von Skischuhen, Steigeisen und plattigem Granit aber definitiv leicht suboptimal für die Felskletterei ist. 

Wiederaufstieg in die Lücke 3110m durchs Westcouloir.

Sicht von unten aufs Westcouloir in die Lücke 3110m, links die Felsen vom Voralphorn, die es zu erklettern gilt.
Somit ist klar, dass man erstens Erfahrung im Klettern braucht und zweitens einigermassen gut auf den Steigeisen stehen können muss. Die Felsen waren zwar weitgehend schneefrei, die Ausnahme hiervon wurde aber natürlich von allen guten Griffen und Tritten gebildet. Die Steigeisen an den Füssen waren also unabdingbar, jedoch kletterte ich lieber mit den blossen Händen wie mit den Eisgeräten. Ebenso ist keinerlei fixe Absicherung vorhanden, d.h. man muss nicht nur selber Friends und Schlingen legen (was recht gut möglich ist), sondern auch selbständig den besten und einfachsten Weg finden - dies alles gelang mir tiptop und ich erreichte eine Verflachung, von wo die Schwierigkeiten deutlich abzunehmen schienen. Von da waren es dann noch rund 10 Kletterminuten über den nun einfacheren, gut begehbaren Blockgrat zum Gipfel. Auf diesem ist Seilsicherung weder nötig noch zweckmässig. Dennoch Vorsicht, auch das ist noch Absturzgelände!

Kletterei am Voralphorn, 2.-3. Grad, mit Skischuhen und Steigeisen.
Trotzdem geht es zügig voran. Man muss selber absichern, was aber recht gut möglich ist.
Sicht von oben. Der Fels grösstenteils schneefrei, aber eben nicht komplett. Steigeisen waren also unverzichtbar.
Chris am Ende der grössten Schwierigkeiten, aber hier folgt der einfachere Blockgrat.
Hier der erwähnte Blockgrat. Nicht wirklich schwierig, dennoch kein Spaziergang.
Am Top. Mindestens einer der beiden ist etwas "uf de Schnurre".
Im Abstieg seilten wir über die steilsten Passagen an natürlichen Verankerungen ab.
In rund 30 Minuten nach Aufbruch von der Lücke, und 7.5 Stunden nach unserem Aufbruch im Tal hatten wir glücklich und (ich) auch bereits ein bisschen müde den zweiten Gipfel erfolgreich erreicht. Nun galt es noch, sicher wieder ins Tal zu kommen. Der Blockgrat war keine Sache, über die Steilstufe seilten wir 2x an Felszacken ab, so dass wir eine gute Stunde nach Aufbruch wieder in der Lücke 3110m und zurück bei Adrian waren. Dann wurden die Skis angeschnallt, und über fabelhafte Pulverhänge (und dies fast 3 Wochen nach dem letzten Schneefall!) kurvten wir retour ins Voralptal. Unten im Flachen, beim Stöckeln und Treppeln, stellte sich bei mir plötzlich die grosse Krise ein. Mit der 700hm nonstop-Spurarbeit hoch zur Lücke 3110m, den anstrengenden Couloir-Aufstiegen, viel Sonne, der Wärme, wenig Schlaf und nicht ausreichender Kohlehydrat- und Flüssigkeitszufuhr wies ich plötzlich Probleme mit dem Kreislauf auf: es flimmerte und wurde mir schwarz vor den Augen, beinahe ging ich KO. So musste ich mich 2x sogar im Schatten etwas hinlegen, um mich etwas abzukühlen und auszuruhen. Nach zwei, drei Minuten ging es dann wieder besser, und ich konnte den restlichen Weg zum Auto erledigen, wo sich der Kreis 9.5 Stunden nach Aufbruch wieder schloss. Bald waren wir beim nächsten Gasthaus, wo nach einem grossen Cola Unterzuckerung und Flüssigkeitsmangel behoben werden konnten. Unverzüglich fühlte ich mich wieder bei Kräften, schon beinahe hätte es für eine zweite Runde gereicht ;-)

Die Skiabfahrt einfach ein Traum und das Zückerchen auf diese Tour.
Facts

Brunnenstock und Voralphorn bieten einsame, alpine Skitouren im weitläufigen Voralptal. Beide werden äusserst selten besucht, so dass man hier meist seine eigene Spur legen kann und muss. Somit sind die lauf-, konditions- und orientierungsstarken Tourengängern vorbehalten. Die skitechnischen Schwierigkeiten sind bei der Bewertung S einzustufen und beschränken sich eigentlich auf das Couloir zur Lücke 3110m. Während der Brunnenstock einen recht zugänglichen Fussaufstieg bereit hält, ist am Voralphorn alpine Kletterei gefragt, die Seil und Sicherungsmaterial erfordert. Ich würde folgendes empfehlen:

- Klettergurt
- mind. 30m, besser 40m-Seil
- Steigeisen
- Pickel (Eisgeräte kaum notwendig)
- 3-4 mittlere Friends (zB Camalots 0.4-1)
- Bandschlingen und Reepschnüre

Weitere Infos und Fotos findet man im sehr guten, ausführlichen Bericht von Chris.

Davon kann man nicht genug bekommen!