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Sonntag, 29. März 2020

Zervreilahorn - Braveheart (7a+)

Im Vorfeld unseres 2-tägigen Besuchs stellten wir uns die Frage, in welcher Reihenfolge wir die Touren am Zervreilahorn angehen sollten. Schliesslich einigten wir uns auf die Strategie, mit der Nanouk am ersten Tag die mutmasstlich härtere Nuss und vermeintliche Königstour am Berg zu klettern und am Tag darauf noch mit der Braveheart "auszuklettern". Das ist jedoch definitiv ein viel zu despektierlicher Ausdruck für die Begehung dieser absoluten 5*-Toproute, die mich in höchste Begeisterung versetzt hat. Es wartet eine Abfolge von fantastischen, homogenen Seillängen mit vielen abwechslungsreichen, fordernden und auch unkonventionellen Moves. Wieder einmal ein Fall für das Prädikat "Weltklasse, höchst empfehlenswert"!

Hey ho, let's go! Nach der Nanouk erneut unterwegs Richtung Zervreilahorn mit dem Ziel, die Braveheart zu klettern.
Unser Plan beruhte darauf, früh aufzustehen und dann, im Gegensatz zum Vortag, die Route in der ersten Tageshälfte zu klettern. Damit dieser Plan nicht schon von Beginn weg zur Makulatur wurde, musste mein Kletterpartner mich aber erst einmal wecken und mir Beine zum Aufstehen machen. Tja, das Alter, da geht's nicht mehr so früh los ;-) Doch nach einem Kaffee und einem Frühstück glühte das Zervreilahorn schon bald golden in der Sonne. Das war Motivation genug, um sich auf die Socken zu machen und dem Fels entgegen zu streben. Wow, solche Momente machen es aus! Mit leichtem Gepäck ging es auf demselben Weg wie am Vortag Richtung Einstieg, zuletzt über 2 kurze Felsstufen (T5, II) aufs SE-Wand-Band und dort nach links. Vom bereits bekannten Einstieg der Nanouk muss man schliesslich noch 30m weiter nach links gehen, wo sich beim nächsten, einzelnen BH (mit dünnem Maillon) der Einstieg befindet. Um 7.45 Uhr waren wir als erste Seilschaft startbereit, zwei weitere sollten uns später noch folgen.

L1, 6b: Was für ein toller Auftakt! Es wartet rissige Kletterei über 35m mit nur 3 BH, das und die steile Verschneidung heischen Respekt! Doch am forderndsten ist dann erstaunlicherweise der erste Teil, der noch eher unscheinbar daherkommt. Der anhaltende Piaz danach ist schön kantig und die Wand daneben strukturiert, so fällt sogar yours truly diese Technik fast kinderleicht. Zuletzt links um die Ecke zum Stand.

Gut gespreizt ist... äh... halb geklettert. Der eher unscheinbare Start in L1 (6a+) ist die Crux, an der Verschneidungs geht's dann gut voran.
L2, 6c: Eine exzellente Seillänge! Gut machbarer, plattiger Quergang nach links, dann einer Rissspur entlang selber absichernd aufwärts. Diese verliert sich und es wartet taffe Steilplattenkletterei an einer runden Kante mit einer genialen Cruxsequenz. Diese kam mir (echt!) etwa gleich schwierig vor wie die 7a+ Platte der Nanouk vom Vortag. Zudem ist die Stelle zwar gut abgesichert, aber doch zwingend zu meistern - ohne volles Vertrauen in die Haftreibung, etwas Balance und Power kommt man da nicht durch.

Vertrackte, plattige Kletterei einer runden Kante entlang wartet in der Schlüsselstelle von L2 (6c).
L3, 7a+ oder 6b+ A0: Zuerst kurz etwas gemüsig über Stufen an den kompakten Fels und linkshaltend griffig hinauf zur abschliessenden Steilplatte. Dieses wartet erst noch mit genialen Strukturen auf (Löcher!), bevor es dann zum Abschluss richtig knifflig wird. Der Weg vom letzten Bolt direkt hinauf zum Stand ist hammerhart und (seriously!) viel schwieriger wie die 7a+ der Nanouk. Der einfachste Freikletterweg führt vom letzten Haken horizontal 3m nach rechts an die Kante, das wäre dann von vergleichbarer Schwierigkeit wie die Nanouk-Platte. Wer will, kann auch problemlos pendeln, dann geht die Länge als 6b+ A0.

Hammerharte Plattenkletterei in L3 (7a+). Aus dieser Position dem Seilverlauf entlang direkt nach oben zu klettern ist echt richtig, richtig schwierig. Der logischere Verlauf den Strukturen entlang führt (in Kletterrichtung) nach rechts und ist auch ganz schön knifflig, d.h. verdient im Vergleich zur Nanouk definitiv auch den Grad 7a+. Wer es nicht drauf hat, kann an dieser Stelle auch einfach einen harmlosen Pendelquergang machen.
L4, 6c: Kurze, aber dennoch sehr schöne und interessante Seillänge. Die kleine Verschneidung sieht ziemlich glatt aus. Ein dünner Riss mit einer crimpy Kante in der rechten Wand erlaubt dann aber an der entscheidenden Stelle Gegendruck-Kletterei, so dass die Sache günstig von der Hand geht. Nach meinem Empfinden die einfachste der 6c's in der Braveheart, auch die Bohrhaken stecken hier in kurzen Abständen.

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L5, 6b: Eine Seillänge der allerersten Güteklasse! Zuerst auf das Gartenbeet hinauf und dann durch die steile, kaminartige Verschneidung mobil absichernd unter das Dach hinauf. Dessen Überwindung geht eigentlich ganz kommod, wenn man's richtig anpackt [...]. Nachher folgt ein luftiger Quergang nach rechts in der ideal strukturierten Wand, genial! Zum Schluss dann etwas einfacher der Kante entlang aufwärts.

In L5 (6b) geht's erst durch die kaminartige Verschneidung, dann folgt eine luftige Traverse in Wandkletterei.
L6, 6c: Vielleicht die komplexeste Seillänge der Route, durchaus etwas unkonventionell, aber der Oberhammer. Ein dunkler, kaminähnlicher Slot zieht hier in die Höhe, der mit allerlei Techniken überlistet werden will. Schon bald gilt's ernst und mobil mit Cams absichernd muss zwingend schwierig geklettert werden. Squeeze, Jam, Hangel, mit der Kante links oder in der Wand rechts, in purer 3d-Manier wollen hier alle Register gezogen werden, mega! Der Stand befindet sich übrigens links aussen nicht sichtbar um die Kante herum. Wer aber den gängigsten Weg wählt, kommt schon dahin.

Hinein in den anspruchsvollen Slot von L6 (6c), der allerlei Klettertechniken verlangt.
L7, 6b: Gleich über dem Stand geht's an der schönen Kante hinauf. Direkt dort zu bleiben ist sicher am elegantesten und ziemlich sicher auch am einfachsten. Danach geht's einfacher nach links und man muss mobil absichern. Der Nachsteiger ist sicher froh, wenn beim Legen an ihn gedacht wird (Crux nach Aushängen des letzten BH an der Kante, Pendler droht!).

Fels, Ambiente und Kletterei: einfach fantastisch (L7, 6b)!
L8, 6c: Der Zick-Zack-Riss, eine wahre Perle! Vom Stand noch gängig den breiten Riss hinauf. Darf man hier schon den 3er- und den 2er-Cam verballern oder fehlen die nachher?!? Ja, man darf. Der Riss zieht dann nach links. Erst queren, dann mit genialen, athletischen Moves diagonal hinauf. Mit ein paar Jams und etwas Saft im Oberarm ist's zügig erledigt, da hätte ich mir die Passage gerne noch ein wenig länger gewünscht! Rechts oben kommt schon bald der Stand.

Ausblick auf den bereits weitherum bekannten Zickzack-Riss, die markante Kletterstelle in L8 (6c).
L9, 5c+: Die schöne, aber recht kurze Abschlusslänge kann gut an die vorangehende angehängt werden. Zuerst eine prima Verschneidung mit sehr breitem Riss (etwas Runout, hier passen zuerst nur sehr grosse Cams). Nach einer weiteren Stufe kommt man schon bald in einfacheres Gelände und zum Ausstieg, welcher sich an der Kante zum Gipfelplateau befindet.

Am Top angekommen!
Um 12.45 Uhr und damit doch erst nach 5:00h Kletterei waren wir am Top angekommen, allerdings hatten wir uns auch die Zeit genommen, die ganze Route sauber freizuklettern. Es herrschten sehr angenehme Bedingungen, somit konnten wir das unvergleichliche Ambiente am Top geniessen. Den Weg zum Mittelgipfel hatten wir ja bereits am Vortag unternommen, das wollten wir nicht wiederholen. Zu meiner Überraschung traf ich auf dem Gipfelplateau aber auf einige Bekannte aus der Wettkampfszene, die ich hier oben ganz bestimmt nicht erwartet hatte. Gemütlich konnten wir uns über die neusten Erlebnisse aus den wettkampffreien Zeit der Sommerferien berichten. So machten wir uns erst nach einer Stunde ans Abseilen. Dazu wählten wir die Braveheart, da auf der Abseilpiste der Fahnenroute Andrang herrschte. Sowieso bringt jene gegenüber einem Abseilen über die Braveheart nichts, auch hier erreicht man in 5 gestreckten Manövern zügig wieder den Einstieg. Gemütlich räumten wir unser Material zusammen und liefen dann durch die schöne Berggegend retour nach Zervreila. Wow, das waren nun 2 richtig coole Touren gewesen!

Facts

Zervreilahorn - Braveheart 7a+ (6c obl.) - 9 SL, 255m - Humm/Illien 2005 - *****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.2-3

Super geniale, abwechslungsreiche und (von der kurzen Crux in L3, wo auch ein Pendelquergang möglich ist einmal abgesehen) homogen schwierige Gneiskletterei. Sie verdient aufgrund von Linie, Ambiente, Gesteinsqualität und den zahlreichen originellen Kletterstellen wirklich das Prädikat Weltklasse. Die Anforderungen sind nicht ganz so hoch, wie der etwas martialische Name vermuten lässt. Es stecken 36 Zwischenbohrhaken (+14 an den Ständen), die Schlüsselstellen sind alle gut mit Inoxmaterial eingebohrt. Es müssen durchaus diverse Stellen mobil abgesichert werden, was jedoch immer gut möglich ist, v.a. lösen sich diese klettertechnisch auch immer in Minne auf. Ein vollständiger Satz Cams ist für diese Route ausreichend, wenn man den Anforderungen gewachsen ist.

Montag, 23. März 2020

Boulderei Hallenmeisterschaft 2020

An dieser Stelle der Bericht zum letzten Kletterwettkampf im Frühjahr 2020, bevor der Corona-Lockdown alle weiteren Veranstaltungen stoppte. Tja, vor ein paar  Jahren hätte ich es mir kaum träumen lassen, dass ich dereinst über die Absage von Indoor-Kletterevents enttäuscht sein würde. Und im Angesicht der aktuellen Situation ist das ja auch bloss ein Luxusproblem. Trotzdem zeigt es, wie zentral diese Events für uns inzwischen geworden sind und wie viel Freude wir daran haben. Einen kleinen Teil davon möchte ich mit diesem etwas verspäteten Bericht über die Hallenmeisterschaft in der Boulderei vermitteln.

100% Vollgas, so muss es sein!
Heuer bestritten wir die Hallenmeisterschaft zum dritten Mal, bereits im 2018 hatte ich ein paar Zeilen darüber geschrieben. Wie immer war die Halle mit ~50 Problemen komplett neu beschraubt. Je nach Kategorie (U14, Damen, Herren) war in der Qualifikation ein unterschiedliches Set von 30 Bouldern zu lösen. Der Wertungsmodus war ganz simpel, Zone=1, Top=2, Flash=3 Punkte. Ich tat, was ich in solchen Situationen immer tue: beobachten, analysieren, mir Zeit nehmen und ja keinen Flash verschenken. So konnte ich schliesslich 20 Flashes auf meine Scorecard notieren und mich danach noch ein wenig um das Sammeln von zusätzlichen Punkten kümmern. Es reichte schliesslich für Rang 3 in der Quali und damit die Teilnahme am Finaldurchgang. Zwischen meinen persönlichen Versuchen galt meine Aufmerksamkeit dem Coachen der beiden Kinder. Sie machten ihre Sache tipptopp und durften nach vielen erfolgreichen Begehungen auf Rang 2 (Larina) und Rang 3 (Jerome) am U14-Final teilnehmen.

Beide Dettling-Kinder in Aktion. Foto: boulderei.ch
Schon von vornhinein war klar, dass es für die jeweiligen Kategoriensieger eine wunderschöne Bouldermatte zu gewinnen gibt. Einen topmotivierten Aspiranten dafür hatte Team Dettling definitiv mit dabei. Selbstredend hatte er mit dieser Absicht nur schon gegen seine ältere Schwester, aber erst recht gegen die >2 Jahre ältere Boulder-Schweizermeisterin einen schwierigen Stand. Aber es machte nur schon Freude, ihm zuzusehen, wie er 100% oder noch ein wenig mehr für den Erfolg gab. Für Larina hingegen ist es ein altbekanntes "Problem", dass an Severina kein leichtes Vorbeikommen ist - so auch dieses Mal wieder. Wir nehmen das aber absolut ohne Groll oder Neid, sondern nur als Ansporn dafür, was möglich ist. However, auch von Larina habe ich an diesem Tag sehr viele exzellente Go's gesehen, das war echt super, bravo! Somit gab's also vom U14-Wettkampf keine Bouldermatte, aber doch noch ein paar sehr schöne Preise (herzlichen Dank den Sponsoren Bächli Bergsport, Bouldern.ch & Internal Flight)!

Mit vollem Einsatz Richtung Bouldermatte. Leider hat's nicht ganz gereicht. Foto: boulderei.ch
Beide haben ihren eigenen Kletterstil: der eine dynamisch, die andere super geschmeidig.
Nun ja, wenn's um die Bouldermatte geht, hätte ja auch der alte Vater seinen Dienst tun können. Der Herren-Final wurde im Weltcup-Style (4 Probleme mit jeweils 4+ Minuten Zeit) durchgeführt. Die Boulder waren exzellent und es hat mir enorm Spass gemacht, auf dieser Bühne zu performen. Das gelang mir gar nicht mal so schlecht: beim ersten Boulder brauchte ich zwar 3 Versuche, um die Startposition aufzulösen. Den Trick einmal entschlüsselt, kam ich zur Zone voran und schliesslich fehlte mir nur ganz wenig zum Top. Boulder #2 war ein dynamisches Problem im Steilgelände, welches für mich nicht lösbar war. Das dritte Problem war ein hübscher Plattenboulder, den ich flashen konnte. Boulder #4 war schliesslich ausdauernd an Volumen. Meine 2 Minuten dauernde Flash-Begehung scheiterte verflixt nochmals am letzten Move und in der verbleibenden Zeit konnte ich mich nicht mehr genügend erholen, um die Sache noch zu erledigen. Tja, als Coach würde man da dem Athleten sagen, 2 Begehungen am letzten Move hergeschenkt, das sollte in einem Final nicht passieren. Daher die Gegenperspektive schon auch sehr hilfreich: die Boulder in einem Final sind einfach immer knifflig-hart, 4 Minuten sind extrem schnell vorbei und die Versuche finden so kurz getaktet statt, dass die Kraftreserven bald schwinden, c'est la vie! So rangierte ich schliesslich auf Rang 3, mit einer Zone oder einem Top mehr wäre ich Zweiter gewesen. Der Sieg und die Bouldermatte wären aber sowieso ausser Reichweite gewesen. Der Gewinner (ein 'fuoriclasse') konnte alle 4 Finalboulder easy toppen. Trotzdem war ich natürlich absolut zufrieden, es hatte enorm Spass gemacht und mir verbleibt nichts, ausser dem Boulderei-Team ganz herzlich für den Einsatz und diesen mega-lässigen Wettkampf zu danken!

Podest U14. Foto: boulderei.ch

Podest Herren. Foto: boulderei.ch

Epilog

Bis wir vom Wettkampf daheim und im Bett lagen, war es schon beinahe Mitternacht. Am darauf folgenden Tag war Top-Bergwetter angesagt. Doch früh loszugehen war so keine Alternative mehr, Klettern zu gehen nach dem intensiven Wettkampf auch nicht unbedingt. So einigten wir uns darauf, ein wenig den frischen Pulverschnee zu geniessen. Die Kinder waren mehr motiviert für eine Tour als zum Freeriden oder Pistenfahren, so ging's im Toggenburg Richtung Bläss Chopf. Die Bedingungen waren tatsächlich einwandfrei, wir konnten First Lines legen und es war einfach ein schöner und genussreicher Ausflug. Insgesamt ein super Weekend mit den Kindern, während die zeitflexible Mama in den Kletterferien war :-)


Donnerstag, 5. März 2020

Onsernone / Parete Sud - DMMP (7a+)

Wenn man am Tag zuvor in der Dimitri an der Parete ai Monti unterwegs war, so drängt sich ein Ausflug in die DMMP (9 SL, 7a+) an der Parete Sud gleich nebenan auf. Für uns ging das allerdings nicht ohne Umwege, wollten wir an diesem Tag doch eigentlich im Valle Bavona klettern. Obwohl die ausgesuchte Route ebenfalls südexponiert und auf ähnlicher Höhenlage wie die Onsernone-Touren war, gab's dort nichts zu holen - feucht, kalt, grimmig, die Lage in einem Alpental statt voralpiner Hügellandschaft macht den Unterschied. Als vernünftige Ausweichgelegenheit präsentierte sich dann fast alleinig die DMMP, auf welche ich a priori gar nicht so scharf war. Zwar wird sie im SAC-Kletterführer Tessin als "eine der schönsten Routen des Onsernone-Tals" bezeichnet. Andererseits schreiben zwei mir persönlich bekannte, hervorragende Plattenkletterer auf dem Web (1,2) auch davon, dass die Cruxlängen "unmachbar" seien. Mein persönlicher Blick auf die glatte, abweisende Einstiegsplatte lag zwar schon bald 13 Jahre zurück, als allzu machbar hatte ich die Sache de visu aber auch nicht in Erinnerung. Nun denn, mit Blick auf die fehlenden Alternativen willigte ich doch für die DMMP ein - und es sollte schliesslich viel besser kommen als gedacht!

Plattenknaller im Onsernone! Viktor folgt in L2 der DMMP, einer unterbewerteten 6b. Auch sichtbar das Band, über welches man zusteigt. 
Nach dem Hin und Her starteten wir erst um 10.00 Uhr den Marsch bei der Kirche in Mosogno. Zügig liefen wir die 330hm auf gutem, gelb markiertem Pfad nach Piano. Dort befindet sich der Einstieg in die "offizielle" Zustiegsroute rechts der Hütten (Steinmann). Sehr spärlich gibt's mal eine rote Markierung an einem Baum, aber einen Pfad dann definitiv nicht. Während der Vegetationszeit dürfte man sich auch durch einen regelrechten Farndickicht zu kämpfen haben. Immerhin war das im Februar absolut kein Thema. Womöglich wäre es bequemer, die Stufe hinter den Piano-Hütten etwas nordwärts ausholend via Serta zu umgehen. Laut Landeskarte scheint das Gelände dort offener und weniger steil, aber wer weiss. Jedenfalls gilt es, nach Piani und hinter den P.1272 zu gelangen, wo man der verfallenen Steinmauer entlang zur Kante geht. An der logischen Stelle (Steinmann vorhanden, eine Markierung konnten wir nicht erkennen) beginnt die Querung, die mit etwas auf und ab in gut 10 Minuten über breite Bänder zum Einstieg führt. Nach total 50 Minuten Gehzeit waren wir vor Ort und machten uns umgehend startbereit. Auf mein Zweifeln an der DMMP hin hatte mir mein Kletterpartner das Angebot gemacht, sich die Cruxlängen (soweit nötig) technisch hochzukämpfen, damit ich als Seilzweiter die Moves bestmöglich frei probieren könnte. An einen Onsight glaubte ich in der vorliegenden Situation von Vornhinein nicht - welch mutige (aber ehrlich gesagt absolut objektive) Einstellung :-/. Um 11.00 Uhr kletterte Viktor los.

Hier geht's los und es ist von Beginn weg klar, gute Griffe findet man auf dieser Extremplatte nicht.
L1, 40m, 7a+ (bzw. subjektiv 7c): Gleich die allerersten Meter haben es heftig in sich, immerhin kommt man da noch mit Trittschlingen und auf die Bolts stehen durch. In der zweiten Hälfte der Seillänge hilft dann aber mehrmals nur noch der mutige Schritt über die Platte, da sind die Abstände deutlich weiter! Nur schon den Stand zu erreichen gleicht hier also einer Leistung, die nicht gering geschätzt werden darf. Ich nehme mir dann hintendrein die Zeit, einer freien Passage auf den Zahn zu fühlen. Kritisch ist der Weg vom ersten zum zweiten Bolt. Linksrum mit Nutzung der Quarzeinschlusses finde ich schliesslich eine machbare Lösung. Weil man da allerdings ca. 1m links der Hakenlinie ist und den zweiten BH erst auf Brusthöhe klippt, würde ein Sturz im Vorstieg trotz an sich kurzem Hakenabstand zurück auf Terra Firma führen. Notabene bei Moves, die (für mich) unkontrollierbar an der Abrutschgrenze sind. Nach anhaltend schwerem Gelände, das ich ohne weiteres als durchgehend 7a+-Platte einstufen würde, folgt die nächste Crux auf dem Weg vom sechsten zum siebten Haken, wo ein Minimal-Percentage-Plattendynamo nötig ist. Auf einer leichten Verflachung Schwung holen, mit Fuss auf rutschigstem Parkett weitere Energie ins System bringen und dann das Ganze an einem miesen Sloper wieder unter Kontrolle bringen. Für den Rest der Seillänge braucht's dann "nur" noch etwas Mut und Zuversicht über den Haken, aber das geht dann wohl so als 6c/7a-Platte durch, wobei die Schuppe am Ende der Länge mobil mit Cams abgesichert werden muss. Fazit: als frei kletterbar würde ich diese Länge einstufen, für einen Rotpunkt im Vorstieg müsste ich aber, falls überhaupt möglich, viel, viel mehr investieren als für eine "normale" 7a+ (das ist ein Grad, den ich bei griffiger Kletterei fast immer onsight kann). Plattenbewertungen sind ja immer so eine Sache - aber damit die Sache subjektiv und persönlich etwa im Einklang mit athletischen Seillängen steht, müsste man hier mindestens 7c geben. Nachtrag: die Tatsache, dass ich inzwischen in Osogna die extreme Plattenroute 'Fazzini Riccarda' (7c) rasch punkten konnte, gibt mir bei dieser Einschätzung noch mehr Gewissheit (auch wenn man aus 2 Einzelbeobachtungen keine Statistik machen soll und die beiden Seillängen in ihrem Charakter nicht zu 100% identisch sind).

Anhaltend anspruchsvoll präsentiert sich L1 (offizielle 7a+, eher 7c). Erst die letzten Meter sind dann gängiger.
L2, 50m, 6b (bzw. subjektiv 6c/7a): Das Gelände wird zwar vermeintlich etwas flacher und der im Topo verzeichnete Schwierigkeitsgrad nimmt schon banale Züge an. Für die Kletterei trifft das aber nicht zu. In der ersten Hälfte warten weitere, sackschwierige Plattenboulder, die nach meinem persönlichen Empfinden nichts mit dem Grad 6b zu tun haben - schon manch einer soll hier dankbar die Hakenlasche als Tritt akzeptiert haben. In der zweiten Hälfte legen dann vor allem die Hakenabstände eine Schippe drauf. Bei (vermeintlich) ähnlichen Schwierigkeiten muss man auf einmal 5m und mehr zur nächsten Rettungsinsel steigen. Allerdings ist die Absicherung fair. Dort wo man weit über dem Haken ist, geht's dank etwas Struktur dann doch ohne übertriebene Angstattacken und bevor es wieder schwierig wird, kann man wieder klippen. Überhaupt erstaunlich, wie winzige Leisten und ein paar Dellen hier rasch einen Unterschied zwischen beinahe Komfort-Cruising und nahezu unmöglich machen.

Um eine 6b-Länge macht man meist kein grosses Tamtam. Aber hier ist echt sogar das hart.
L3, 50m, 6a (bzw. subjektiv 6b): "La longeur facile de la voie", allerdings muss man dieses Prädikat irgendwie im Gesamtkontext sehen. Auch hier stecken die Bolts nicht eng. Doch erneut geht's schon, in den Runouts ist die Sache etwas strukturierter und bei entsprechendem Können kontrollierbar. Nichtsdestotrotz, aufregend ist es schon: da machst du mal ein paar nicht rückgängige zu machende Moves über den Haken weg, dann stehst du 3m darüber und weisst genau: zurück - geht nicht; stürzen - keine Option mehr. Also Augen zu und durch. Der erste Teil der Seillänge entlang der markanten Schuppe muss übrigens mobil abgesichert werden.

Leider ist die Parete Sud nicht freistehend - unter dem Strich ist es nämlich ein gewaltiger Gneisdom. Hier L3 (6a).
L4, 40m, 6b+ (bzw. subjektiv 6c+): Ab hier wird das Gelände steiler, d.h. es wartet nicht mehr Reibungskletterei, sondern technisch anspruchsvolle Wandkletterei. Mit den Füssen steht man natürlich weiterhin meist "im Nichts", aber ohne dass es Griffe hätte, käme man hier nun nicht mehr weiter. Zuerst einmal geht's hier weit zur ersten Sicherung, aber dank ein paar Leisten geht's gut auf. Auch sonst kommt man mit geschickter Planung und inzwischen etwas Gewöhnung an die Gegebenheiten recht gut zur Stelle, wo definitiv die Linksquerung ansetzt. Erst arbeitet man sich an einem Dächlein mit miserablen Untergriffen auf Gegendruck nach links (hinter dem Grün versteckt sich da übrigens ein erst noch unsichtbarer BH), dann entscheidet am Bolt mit dem Umkehr-Maillon vorbei die exakte Körperpositionierung, ob man die markante Schuppe erreicht. An dieser sitzt ein Cam 0.5 perfekt - zum nächsten BH ist's zwar nicht mehr so weit, aber das Klippen desselbigen ohne die mobile Sicherung könnte für Panikattacken sorgen. Zuletzt dann nochmals ein affengeiler Plattenboulder: irgendwie geschickt in die Seitgriffe kommen, Sloper patschen, Gegendruck aufbauen und auf die rettende Trittleiste manteln (5*-Deluxe!!!).

Auftakt in die geniale L4 (6b+), die nachher dem Dächlein entlang diagonal nach links führt.
L5, 30m, 6b (bzw. subjektiv 6b+): Auch eher eine der einfacheren Seillängen dieser Route, die einer schönen Rissspur folgt. Doch auch diese entpuppt sich bald als kniffliger wie sie aussieht. Für den Stand gibt's zwei Möglichkeiten. Der erste, den man erreicht ist wohl prinzipiell zum Abseilen gedacht, der originale Kletterstand ist der obere - spielt aber nicht wirklich eine Rolle. Kritisch ist einzig zu bewerten, dass von beiden Ständen weg gleich ziemlich schwierige Kletterei bei grösserem Hakenabstand folgt - ein Sturz wäre da unangenehm.

Weiterhin anspruchsvolle Kletterei, ein paar Rissspuren machen in L5 (6b) das Fortkommen für einmal ein wenig einfacher.
L6, 40m, 6b+ (bzw. subjektiv 6c+): Was für ein Gerät, diese Länge! Hier muss man alle Register ziehen und Schliche benutzen, um an Höhe zu gewinnen. Fast jeder Meter im ersten Teil der Seillänge will mit technischen Boulderstellen erkämpft werden. Aber was für tolle Moves es da gibt! Man erreicht schliesslich ein Band, bei welchem sich ein improvisierter Stand befindet (BH+NH). Dieser wird aber besser überklettert. Die folgenden beiden Haken stecken bizarr weit rechts der logischen und machbaren Kletterei. Das Finish ist dann nochmals hart und kühn. Unmittelbar neben einem senkrechten, nicht nutzbaren Graskanal will die steile Wand an minimaler Struktur bezwungen werden. Sind einmal ein paar Moves vom Haken weg gemacht, bleibt nur noch die Flucht nach vorne. Läck Bobby, war ich froh als die aus der Ferne identifizierten Leisten endlich erreicht waren und schliesslich der Mantle darauf hinauf gelungen war - eine überaus zwingende Passage!

Man kann es auf diesem Foto gut erahnen: das Finish von L6 (6b+) ist echt anspruchsvoll, muss doch die steil-glatte Platte oberhalb der letzten Sicherung bewältigt werden!
L7, 30m, 7a+ (bzw. subjektiv 7b): Hier wartet die berüchtigte "Placca dell'Alfio". Nach einem gangbaren Linksbogen folgt am zweiten BH die knifflige Crux, welche einen auf eine mit , Dellen, Noppen und kleinen Strukturen gespickte Platte befördert. Cool bleiben und moven, dann geht's, notfalls besteht hier noch die Möglichkeit um A0 zu tricksen. Aber nicht mehr lange. Just dort, wo sich die Wand ein wenig zurücklegt, wird sie auch weniger strukturiert und es gilt, 4-5m in einem Runout über die Platte zu schleichen. Eine richtige Herzschlag-Passage und nur nicht daran denken, was wäre wenn! Im Rest der Seillänge geht's dann besser voran, bzw. es entpuppt sich immer wieder eine Lösung für das, was zuvor herausfordernd ausgesehen hat. Einzig der Move an den Stand hat es nochmals in sich. Alles in allem dünkte und dieser Abschnitt doch klar einfacher wie L1 - weniger anhaltend und weniger an der Grenze des Machbaren. Aber sicher nicht geschenkt.

Rückblick auf die obere Cruxlänge (L7, 7a+).
L8, 50m, 6b+ (bzw. subjektiv 6c): Originell geht's über die Kante hinweg, wo nach einer flachen Platte nochmals ein Steilaufschwung wartet. Der sieht easy aus, sich darob auf der folgenden Platte zu etablieren ist jedoch nicht wirklich einfach. Schieben, schieben, schieben und schlussendlich aufstehen bevor man nach hinten wegkippt, so lautet in etwa das Motto. Nach ca. 40m erreicht man einen Abseilstand - diesen besser überklettern und noch 10m durch die Botanik hinauf, ansonsten wird das (50m-)Seil auf der letzten Länge knapp.

Steil nach rechts über eine erste Kante hinweg in L8 (6b+), die Crux folgt allerdings erst später.
L9, 40m, 6b (bzw. subjektiv 6b): Von unten sieht's reichlich grasig-botanisch und trivial aus, auch scheint die obere Kante der Wand zum Greifen nah. In der Tat klettert sich der erste Teil bei für einmal moderaten Schwierigkeiten zügig. Der Standplatz kommt aber erst viel später und um diesen zu erreichen, sind auch noch ein paar nichttriviale Plattenmoves in nun deutlich weniger grasdurchsetztem Fels zwingend. Nichtsdestotrotz ist es die einzige Seillänge, wo der von mir gefühlte Schwierigkeitsgrad nicht von der offiziellen Vorgabe abweicht.

Erst ein wenig botanisch, oben dann aber nochmals plattig. Das Finish der Route mit L9, 6b.
Um 17.00 Uhr und damit nach doch 6:00h fordernder Kletterei sind wir am Top angelangt. Es gibt nur einen kurzen Handshake, dann machen wir uns subito ans Abseilen. Weder kann man sich am Top frei bewegen, noch bietet es neue Ausblicke. Zudem ist das Ambiente eher fröstelig: wie ich später anhand der Wetterstationen ausmache, beträgt die Temperatur ca. 3 Grad und die Sonne schien auch nicht wirklich. Trotzdem, kalt war es unterwegs nicht und in Retrospektive sind das wohl sogar echt gute Bedingungen für die DMMP. Bei Wärme haben die Füsse auf dieser Route sicher enorm zu leiden und die Winzgriffe lassen sich bestimmt auch nicht besser bedienen. Mit dem Nutzen der separaten Abseilstände und Ausnutzung der letzten Faser unserer 50m-Seile reicht es mit 7 gestreckten Manövern in 35 Minuten retour zum Einstieg. Auch hier hält uns nichts mehr lange auf, wir packen die Säcke und laufen gen Tal. Wenn man will, geht das in 30 Minuten ziemlich zügig. Also sitzen wir schon bald auf dem Polster und fahren heimwärts. Tja, unverhofft kommt vielleicht nicht ganz so oft. Aber das war nun wirklich eine unerwartet geniale Kletterei. Anhaltend, mental und technisch fordernd - so viele coole Plattenboulder habe ich noch selten an einem Tag erledigt.

Facts

Parete Sud - DMMP 7a+ (6c+ obl.) - 9 SL, 380m - Petazzi, Tanner et al. - ****;xxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.2-2 (evtl. nur jede zweite Grösse)

Der Plattendom der Parete Sud am Pizzo della Croce ist zwar schon von weither im Locarnese sichtbar, lockt aber schlussendlich doch nicht allzu viele Kletterer an. Woran das genau liegt, ist nicht ganz einfach zu ergründen. Ich bin mir sicher, dass diese Route mit ihrer Kletterei, stünde sie z.B. im Yosemite National Park, endlos gehypt würde. Ja, die Sache ist eher reibungslastig, wobei die Wand nach 3 Seillängen steiler wird und nicht mehr nur grifflos geschlichen werden muss, sondern ein wahres Feuerwerk an technisch anspruchsvollen Kletterstellen folgt. Die Anforderungen sind erstaunlich homogen und geschenkte Meter gibt's nur wenige. Auf meiner persönlichen Skala ist das die 4* auf jeden Fall wert! Positiv hinzu kommt auch, dass das sportliche Absicherungskonzept für mein persönliches Können gerade tiptop aufgeht. Viele Stellen sind mental fordernd, wo es einfacher wird werden die Abstände auch sofort länger. Es bleibt aber alles fair und gerade noch im grünen Bereich. Ich würde sagen, unteres Level von xxx trifft es in etwa. Auch wenn es nicht allzu oft der Fall ist, so müssen doch einige Stellen zwingend mobil abgesichert werden. Auf ein komplettes Set Camalots von 0.2-2 hätten wir nicht verzichten wollen, wer kühn drauf ist kann (weniger empfehlenswert) allenfalls noch jede zweite Grösse (0.3, 0.5, 1) weglassen. Nach unserem Empfinden sind die offiziellen, in der Literatur publizierten Schwierigkeitsangaben zu tief, daher habe ich teils massiv nach oben korrigierte Einstufungen oben im Bericht angegeben. Ebenso ist der offizielle, obligatorische Schwierigkeitsgrad von 6b gerade z.B. im Quervergleich mit der Dimitri (6c obl.) zu optimistisch. In der DMMP am Ausstieg anzukommen stellt mich Sicherheit deutlich höhere Anforderungen. Aber es lohnt sich absolut, sich dieser Herausforderung zu stellen!