Das Bügeleisen ist ein auffälliger Felspfeiler auf der orografisch linken Seite des Haslitals, genau gegenüber der Handegg-Wände mit ihren vielen bekannten Touren. Der helle Fels und die Kompaktheit lassen vermuten, dass man hier auf lohnende und herausfordernde Platten trifft und genau so entpuppt es sich dann auch. Wobei die Kletterei durchaus einen etwas anderen Charakter als gegenüber hat. Es ist etwas steiler, dafür ist der Fels ein wenig üppiger strukturiert. Auffallend sind auch die vielen stumpfen, diagonal verlaufenden Risse, die man immer wieder in seine Klettersequenz einzubauen hat. Mit dem kurzen Zustieg und einer Länge von nur 5 SL bzw. 200m handelt es sich eher um Halbtagestouren, die man im Vorbeigehen oder als Apéro bzw. Dessert zu einer anderen Tour mitnehmen kann.
Nachdem uns die Mama zwecks Steigerung des derzeit gebeutelten Bruttosozialprodukts verlassen hatte, galt es für uns drei übrig gebliebenen eine geeignete Tour zu finden. Ganz so hoch hinaus wie am Vortag mit dem Siebenschläfer zu gehen, schien dabei nicht die richtige Strategie zu sein. Entweder etwas moderates im Bereich von 10-12 Seillängen oder etwas schwierigere, aber dafür kürzere Touren standen zur Auswahl. Die Kids entschieden sich für das Bügeleisen, das war auch für meinen Geschmack eine attraktive Wahl. Direkt an der Grimselstrasse, beim Beginn einer mit Fahrverbot belegten Waldstrasse gibt's ein paar wenige Parkplätze. Dieser folgt man für 50m, wo ein mit Steinmännern markierter, guter Pfad abzweigt, der erst links und später rechts der Geröllreisse durchs Unterholz führt - sollte irgendwann Bushwhacking nötig sein, so ist man falsch unterwegs. Nach ca. 15 Minuten erreichten wir den Einstieg, wo eine andere Familie bereits mit der ersten Seillänge beschäftigt war. So konnten wir uns gemütlich auf die Tour vorbereiten und kletterten um ca. 10.15 Uhr los.
L1, 5a: Nachdem wir gut hatten beobachten können, was in dieser Länge auf einen wartet, entschloss sich Jerome zum Vorstieg. In bravouröser Manier schlich er über die erste Reibungsplatte, danach geht's auf einer Art Plattenrücken einfacher dahin, bevor sich im zweiten Teil ein nicht so einfach zu lesender, griffiger Wulst in den Weg stellt, bevor man den etwas unbequemen Stand erreicht.
L2, 5a: Wir nahmen einen Führungswechsel vor, die nächsten beiden Seillängen würde Larina im Vorstieg machen. Die zweite Länge bietet keine Reibungskletterei, sondern es geht einer diagonal verlaufenden Verwerfung entlang griffig in die Höhe, zum Schluss gibt's noch etwas Wandkletterei. Schöne Kletterei, gut abgesichert, der einzige Wermutstropfen ist der erneut etwas unbequeme Stand.
Ausblick auf L3 (5c), die Akteurin hat gerade den erwähnten Runout gemeistert (und diesen mit Schlinge an der Legföhre entschärft :-)). |
L3, 5c: Im ersten Teil der Seillänge klettert man in ähnlichem Stil wie zuvor in der griffigen Wand und an diagonal verlaufenden Strukturen. Zum Abschluss der ersten Hälfte verunsichert ein "fehlender Bohrhaken" die Vorsteigerin. Klar, das Gelände ist da einfacher, aber passen die dortigen 8m Hakenabstand wirklich noch zur Einstufung "Plaisir super"? Wie auch immer, es geht schon, stürzen vor dem nächsten Klipp wäre aber definitiv keine gute Idee. Schwierig wird es aber erst etwas später, plötzlich verschwinden die soweit guten Griffe und es heisst gekonnt unter Ausnützung von ein paar "Unebenheiten" über das plattige Gelände moven. Mit einer einfachen Linksquerung erreicht man eine schöne Plattform, welche den einzigen, richtig bequemen Stand der Route bietet.
L4, 5c+: Die letzten beiden Seillängen soll nun noch Papa vorsteigen. Die Route folgt nun den offensichtlichen, diagonal verlaufenden Rissen. Diese sind des Öfteren ziemlich stumpf ausgefallen. Mit einem Mix von Brotlaib-Pinching und hie und da einem Piaz arbeitet man sich in die Höhe. Mal geht's recht gut voran, dann ist es plötzlich wieder überraschend knifflig - eine sehr gut abgesicherte Länge, aber nicht geschenkt!
L5, 6a: Über die erste Stufe hinauf geht's ähnlich den diagonal-stumpfen Rissen entlang noch relativ gemässigt vorwärts, bis man plötzlich über eine sehr feingriffige Platte nach links zu traversieren hat. Not so easy, die Schwierigkeit ist wohl auch etwas von der Reichweite abhängig. Wieder etwas griffiger und einfacher geht's weiter, eine eng abgesicherte Stelle lässt eine weitere Crux vermuten. Diese lässt sich aber mit einer guten Linienwahl entschärfen, bevor man in anhaltender und genussreicher Kletterei das Top erreicht.
Tiefblick auf die letzten Meter zum Top in der letzten Seillänge (6a). |
Dieses befindet sich bei einem Muniring wenige Meter bevor der Fels mit Latschen bewachsen ist. Um 12.45 Uhr und damit nach ca. 2:30h Kletterei sind wir dort. Da man nicht bequem sitzen kann, beschliessen wir gleich wieder in die Tiefe zu gleiten und fädeln die Seile. Weil hinter uns nochmals zwei Seilschaften nachkommen, wollen wir nicht über die Route, sondern direkt über die südlich ausgerichtete Felspartie abseilen. Das interessiert mich zusätzlich, weil hier zwei Linien mit neuen Inox-Bolts in die Höhe ziehen. Ob es sich dabei um (teilweise) neue Routen oder um sanierte, schon länger bestehende Touren handelt, hat sich für mich nicht zu 100% geklärt. Schade kriegt man dazu keine genauen Infos, offenbar wurde an diesem Pfeiler schon viel mehr geklettert, als man aufgrund des publizierten Materials vermuten könnte. Allerdings, das sei auch gesagt, die Routen sehen einerseits ziemlich schwierig und andererseits anspruchsvoll gesichert aus (in beiderlei Hinsicht kein Vergleich mit der von uns begangenen, klassischen Bügeleisen-Route). Mit zwei gestreckten 50m-Manövern setzen wir den Fuss wieder auf den Grund. Nun gilt es aber noch, neben der Wand abzusteigen. Das Gelände ist steil und mit rutschigem Gras bewachsen, ohne Seilsicherung geht's nicht (nur mit Kletterfinken und den Kids erst recht). Der Plan B besteht darin, etwas rechts durch die Büsche zu gehen. Das geht seilfrei und ist soweit ok, sofern man nicht gerade eine Allergie gegen Alpenrosen und Legföhren hat. Nur ganz zuletzt, kurz vor dem Einstieg müssen wir für eine 4m hohe, überhängende Felsstufe tatsächlich nochmals das Seil zu Hilfe nehmen. Das Fazit: für alpin taugliche Personen bildet dieser Abstieg bei Andrang eine Alternative zum kompletten Abseilen über die Route, generell würde ich aber eher zu letzterem raten.
Facts
Handegg - Bügeleisen 6a (5c obl.) - 5 SL, 200m - Balsiger/Streich 1980, saniert von Känel/Müller 2018 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig
Schöne, schon morgens besonnte Halbtagestour über den auffälligen Pfeiler. Die Kletterei kommt etwas griffiger und vielleicht ein wenig abwechslungsreicher daher wie in anderen Touren der Umgebung, das Schleichen auf Reibung im Gletscherschliff ist hier praktisch inexistent. Eigentlich ist der Fels durchaus als sehr gut zu bezeichnen, er weist aber etwas mehr Flechten und schwarzen Belag wie an den Handeggwänden gegenüber auf. Seit der Sanierung im 2018 ist die Route sehr gut abgesichert: an den schwierigen Stellen stecken die Bolts klettergartenmässig, wenn das Gelände etwas einfacher ist, kann man jeweils auch ziemlich bald wieder klippen, nur in deutlich einfacherem Terrain gibt's auch mal einen weiteren Abstand, wo man mehrere Meter über die Bolts steigen muss. Das zur Zeit aktuellste Topo zur Route findet man im Plaisir West 2019, Band I.
Die Route links des Bügeleisens wurde von Bruno und Kurt Müller eröffnet, 5 SL, 7a: http://www.rauchquarz.ch/images/topo-komplett-an-early-morning-walk.jpg
AntwortenLöschenJa, das ist aus heutiger Perspektive richtig - und den Early Morning Walk konnte ich inzwischen sogar selber klettern. Der Early Morning Walk war aber zur Zeit meiner Bügeleisen-Begehung noch nicht da und es gibt links tatsächlich noch 2 andere Routen. Die eine geht bis ganz oben (alte Route, saniert), die andere ist wohl ein abgebrochenes Projekt.
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