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Samstag, 29. August 2020

Ailefroide - Snoopy Directe (6b)

Es war wieder einmal etwas Abwechslung zum Sportklettergeschehen nötig, ja vielleicht könnte man auch sagen, ein Ruhetag. Was liegt da näher, als auf eine MSL zu gehen. Nach der Vereinbarung, dieses Mal eine Tour mit etwas kürzerem Zustieg als beim letzten Mal zu wählen, waren alle begeistert dabei. Da wir eben erst noch ein wenig länger ruhten, im See badeten und gemütlich frühstückten, auf den Abend aber dann auch Gewitter angekündigt waren, blieben uns am Schluss gar nicht mehr so viele Optionen offen. Doch in Ailefroide gibt es eine solch grosse Auswahl an MSL-Routen, dass wir noch für die nächsten Jahrzehnte bedient sind. Für die vormittags schattige Paroi de la Draye waren wir bereits zu spät dran, für die SE-Wände noch zu früh (und länger warten wollten wir nicht), so dass der nordexponierte Sektor Fissure die beste Wahl schien. Da gibt's zwar im Hochsommer auch bis am frühen Nachmittag etwas Streiflicht von der Sonne, aber gebrutzelt wird man da nicht.

Die Paroi de la Fissure in Ailefroide mit dem Verlauf der Snoopy Directe (erste 2 SL nicht sichtbar).

Bei früherer Gelegenheit hatten wir ja an der Fissure bereits die 'A tire d'ailes froides' (8 SL, 5c) als Familientour geklettert. In unserer Erinnerung schien das lange zurück, da mussten die Kinder noch klein gewesen sein. Der Blick in den Blog zeigt dann, dass dies erst 2 Jahre her ist. Tja, sie werden einfach unglaublich schnell gross und vor allem auch stärker beim Klettern. Die Tourenwahl hielten wir uns bis zuletzt offen, schliesslich ist der Sektor extrem populär - kein Wunder bei 10 Minuten ebenerdigem Anmarsch, Plaisir-Absicherung und ganztags angenehmen Bedingungen. Glücklicherweise bzw. wie erhofft war dann aber gerade beim vorrangigen Ziel, der 'Snoopy Directe' (9 SL, 280m, 6b) freie Bahn. Eine Seilschaft hatte eben die dritte SL beendet, die würde uns wohl nicht mehr aufhalten. Kathrin und Jerome wollten sich an die unmittelbar daneben parallel verlaufende, traditionelle 'Snoopy' (9 SL, 280m, 5c 2pa) halten, welche laut Topo im Schnitt einfachere Kletterei bieten sollte. Zudem sind im Plaisir Sud sind beide Touren als gleich 'gut+' abgesichert und gleich schön (4*) beschrieben. Soviel vorweg, das trifft nicht zu, die 'Snoopy' wirkt etwas alpin, ist deutlich schlechter geboltet und zwar einfacher, aber für weniger Versierte nicht unbedingt das ideale Ziel. Um ca. 13.30 Uhr waren wir alle bereit und konnten wenige Meter nebeneinander in die erste Seillänge starten.

Sicht von der Paroi de la Draye auf Ailefroide mit seinem grossen Campingplatz und die Paroi de la Fissure, wo ich Ein- und Ausstieg der Snoopy Directe mit den Pfeilen markiert habe.

L1, 45m, 5c: Von unten sieht es (wie üblich in Ailefroide...) auch hier ein wenig gemüsig aus, aber die Kletterei ist dann doch ganz lässig. Erst mal über ein Dächli hinweg, dann wieder eher plattig, gefolgt von einem Aufschwüngli. Gemütliche Kletterei mit sehr guter Absicherung (13 BH), ideal zum Aufwärmen.

L2, 40m, 6a: Nachdem oben in L4 offenbar ein mittleres Drama im Gang war und unsere zweite Seilschaft auch nicht ganz gleich schnell unterwegs war, konnte ich Larina überzeugen, hier doch in den Vorstieg zu gehen, Zeit würden wir wohl noch mehr als genügend haben. Das tat sie dann auch: bald kommt man hier zu einem steilen Aufschwung mit athletischen Moves, gar nicht mal so einfach (eher 6a+). Danach geht's dann gemütlicher von dannen, nur vor dem Stand heisst's nochmals besser aufpassen - zumal hier (offenbar schon seit Jahren) an einem BH die Lasche fehlt, geht aber schon!

L3, 40m, 5c: Zuerst geht's in einfacher Kletterei ein wenig durch den Gemüsegarten, bis sich die Wand zum Ende der Seillänge wieder aufsteilt. Da warten dann noch ein paar sehr schöne Moves. Auch hier gilt wieder: gar nicht mal so einfach! Als ich als Nachsteiger am Stand eintreffe, ist die vordere Seilschaft immer noch in L4 beschäftigt (das waren sie schon, als wir noch am Wandfuss standen :-/).

Larina im Vorstieg in L3 (5c), oben die langsamen Kletterer in L4 (6b).

L4, 30m, 6b: Meine Ermunterungen halfen hier nichts mehr, im Angesicht der 6b-Crux musste der alte Kämpfer wieder in den Vorstieg. Dabei wäre hier die Absicherung mit 12 BH wirklich super und geklettert hat Larina die Crux definitiv auch eleganter als ich. Die kommt gleich zu Beginn an einer senkrechten, glatten Wandstufe. Mein taktiler Detektor signalisiert mir sogleich, dass der Griff unter meinen Pfoten wohl kaum natürlich gewachsen ist und die visuelle Kontrolle zeigt, dass hier tatsächlich die Bohrmaschine im Einsatz war... schade! Ich fand diesen Move trotzdem fordernd und die Bewertung etwas nach unten homogenisiert... aber vielleicht liegt es einfach daran, dass ich an gebohrten Löchern grausam schlecht klettere. Anyway, ein Grossteil der Begeher wird diese Stelle wohl mit dem Griff zum Haken lösen. Danach geht's besser vorwärts und zu einer Rissverschneidung, an welcher herzhaft gepiazt werden darf, wobei das Anklettern dieser nochmals etwas schwierig ist, v.a. auch weil die Haken komisch weit links stecken.

L5, 35m, 6a: Tja, nun waren wir tatsächlich durch die überforderte Seilschaft vor uns blockiert und mussten uns auf eine längere Wartezeit einstellen. Irgendwann konnten wir dann auch weiter in die sehr schöne, anhaltende und homogene Wandkletterei in mit vielen Leisten strukturiertem Fels. Ebenfalls sehr üppig abgesichert (13 BH) und nach meinem Empfinden eher 'soft for the grade'.

Jerome im Vorstieg in L4 (Direktvariante, 5c) von Snoopy.

L6, 30m, 6a: In ähnlichem Stil ging es weiter, sprich mit sehr schöner Wandkletterei in strukturiertem Fels und nochmaliger Wartezeit aufgrund der Zeitlupen-Seilschaft. Danach hatten sie aber ein einsehen, dass es a) für alle angenehmer ist, wenn sie uns vorbeilassen und sie b) dadurch keinen wesentlichen Zeitverlust erleiden würden.

L7, 35m, 5c: Hier kreuzt man die klassische 'Snoopy', deren Stand auch als Zwischensicherung benutzt wird. Den Weg bis dahin kann man sich entweder links schwer machen oder rechtsherum cruisen. Die Crux folgt aber erst im oberen Teil der Seillänge, wo man in nun etwas plattigem Gelände den besten Weg erkennen muss.

Ultimo tiro mit viel Tiefblick (L9, 6a).

L8, 40m, 6a+: Im ersten Teil über eine längere Strecke anhaltend schwierige, plattige Kletterei, welche saubere Fussarbeit erfordert und wo immer wieder Untergriffe bedient werden müssen, super. Nach etwas einfacherem Gelände folgt dann noch ein glattes Schlussstück inklusive dem Mantle zum Stand, wobei hier erneut ein mit der Bohrmaschine bearbeiteter Griff zur Verfügung steht. Die Absicherung mit 13 BH ist auch hier formidabel ausgefallen.

L9, 35m, 6a: Wenig nach rechts und über die Stufe hinweg. Da befindet sich auch gleich die schwierigste Stelle und ja auch da, diese Löcher sind nicht alle natürlich gewachsen (ohne diese ist es aber echt noch knifflig, schwieriger 6c-Reibungsmantle!). Nach dieser Stufe ist man auf die einfacheren Schlussplatten entlassen und kann beschwingt ins waldige Ausstiegsgelände cruisen.

Es sei an dieser Stelle erwähnt... im ganzen Gebiet wurde ungeeignetes Material verwendet, sprich verzinkte Einschlaganker mit rostfreien Laschen. Das ist in etwa der durchschnittliche Zustand der Sicherungen in dieser Route von 2007. Sprich im Moment gerade noch ok, aber ewig halten wird das nicht. Der Erstbegeher JM Cambon ist dieses Jahr ja leider tödlich verunglückt. Er hat uns eine Menge an tollen Routen hinterlassen, die nun eben in den nächsten Jahren alle saniert werden sollten... da wartet eine wahre Herkulesaufgabe.

Um 16.15 Uhr waren wir am Top, das macht 2:45 Stunden Kletterzeit, wobei wir einen Teil davon mit Warten verbracht hatten und ja auch Larina die Hälfte der Seillängen hatte vorsteigen können (wobei sie wohl ähnlich schnell wie ich klettert, denke ich). Bis unser zweites Team auch am Top war sollte es noch etwas dauern, noch länger hatte allerdings die von uns überholte Seilschaft... Über letzteres will ich nun hier keine weiteren Worte mehr verlieren, bzgl. der klassischen 'Snoopy' sei gesagt, dass dort die Absicherung nur auf Stufe "Plaisir gut" ist, sprich die einfacheren Abschnitte spärlich gesichert sind und der Routenverlauf nicht immer glasklar ist. Zudem ist im Mittelteil scheinbar nur die halbfett eingezeichnete 5c/6a+ Variante wirklich eingebohrt. Nichtsdestotrotz hatte hier auch Jerome einen wesentlichen Teil der Seillängen vorsteigen können, bravo! Auf den Heimweg machten wir uns dann alle via den Fussabstieg. Eine Abseilpiste wäre zwar eingerichtet, aber per Pedes geht's sicher deutlich schneller und bequemer. Einzig beim exponierten Ausstieg aus der Schlucht (Fixseile vorhanden) gilt es Acht zu geben, der Rest ist kommodes Gehgelände. So waren wir bald zurück in Ailefroide, konnten ein kühles Getränk geniessen und nach diesem Genusstag zurück zu unserem Zelt fahren. Leider war es bald der letzte Tag unserer Sommerferien. Wow, war das wieder eine tolle und auch bergsportlich ergiebige Zeit gewesen...

On the Ride Home... 

Facts

Ailefroide - Snoopy Directe 6b (5c+ obl.) - 9 SL, 280m - JM Cambon 2007 - ***;xxxxx

Material: 1x50m-Seil (2x50m zum Abseilen), 14 Express

Hübsche Plaisirtour mit kurzem Zugang, homogenen Schwierigkeiten im 6a-Bereich und üppiger Absicherung. Hier ist die Stufe "Plaisir super" definitiv angebracht, man kann bedenkenlos voll angreifen und so gut wie jeden schwierigen Schritt mit dem Griff zum Haken entschärfen. Leider zieht dieses Setup auch viele Kletterer an, welche den Schwierigkeiten überhaupt nicht gewachsen sind und nur extrem langsam vorankommen. Man plane seine Begehung also idealerweise antizyklisch. Ein Topo findet man in vielen Führern, u.a. Plaisir Sud, Topoguide Band III, Oisans Nouveau Oisans Sauvage, Briançon Climbs, usw.

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