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Mittwoch, 17. Januar 2024

Salginatobel-Rundtour

Keine Frage, was an diesem Sonntag zu tun war: super Pulverschnee, geringe Lawinengefahr und ideales Bergwetter. Auf zu einer exquisiten Skitour, konnte die Devise da nur lauten. In mir drin verspürte ich dennoch ein leichtes Zögern, denn es gab ja noch unerledigte Sportkletterprojekte. Ob der Kälte ein bisschen gesucht vielleicht, aber möglich wäre es bestimmt gewesen. Tja, das ist das Privileg der Bergsportler, welche sich nur auf eine Disziplin fokussieren. Da muss man dann nicht überlegen, ob Ski, Seil oder Bouldermatte. Jedenfalls, der Wechsel zwischen den Disziplinen fällt nicht immer ganz leicht, die Entscheidungsfindung bereitet durch das Mehr an Optionen manchmal Kopfzerbrechen. Aber dafür sind die diversen Erlebnisse natürlich eine grosse Bereicherung.

Wer Einsamkeit will, muss eine Tour gehen, für die sich sonst niemand interessiert...

Mit dem Sonnenaufgang geht's los (im Januar schafft das selbst Langschläfer Dettling noch 😁)

Auftakt zur Tour war um 8.00 Uhr bei der Seilbahn Fanas. Etwas erstaunlicherweise war ich auf der ersten Fahrt (16 CHF/Person) der einzige Fahrgast. Das lag wohl daran, dass die Südhänge nicht mehr die beste Reputation genossen und mein Ansinnen mit der Rundtour definitiv in die Kategorie Special Interest gehörte. Um 8.20 Uhr machte ich mich bei der Bergstation (1700m) auf den langen Weg. Die Route auf den Sassauna war natürlich gespurt - leider Multi-Use, sprich das Trassee war von Schneeschuh- und Fussgängern zertreten. Trotzdem war es in wunderbarer Morgenstimmung ein sehr schöner Aufstieg. Nach einer knappen Stunde hatte ich den Gipfel (2307m) erreicht.

Blick vom Gipfel auf meinen Weiterweg. Am Horizont links die Schesaplana und rechts der Bildmitte die Rätikon-Felsberge Kirchlispitzen, Drusenfluh und Sulzfluh. Mein nächstes Ziel Pfäwi in der linken Bildhälfte (nicht am Horizont, mit der schattigen Flanke). 

Es folgte ein erster Höhepunkt, die Abfahrt über die Sassauna NW-Flanke. Der einfachste Einstieg befindet sich 100m westlich vom Gipfel, bei Idealbedingungen geht's auch 20m westlich vom höchsten Punkt. Extrem steil fährt man da nicht Ski, die Neigung liegt auf der gutmütigsten Linie bei 30-35 Grad. Aber die ganze Flanke ist schon riesig und hat viele Steilpartien - da darf gar nichts ins Rutschen kommen, absolut sichere Bedingungen sind unabdingbar. Die waren gegeben und da idealer, gesetzter Pulverschnee lag, durfte ich diesen Schwüngen gerne 100 von 100 Punkten geben. Auf 1800m im Gebiet von Ludera kamen die Ski zum Stehen und die Felle wurden wieder montiert. 

In Bildmitte die Sassauna NW-Flanke, ein absolut ideales Skigelände.

Um 9.40 Uhr ging's weiter Richtung Luderer Fürggli. Am besten geht's erst etwas querend über den Graben vom Schwieggatobel hinweg, dann hinauf zum (oberen) Sommerweg und mehr oder weniger diesem entlang zum Sattel. Für Sammler gibt's mit 47hm Zusatzaufwand noch den absolut unbedeutenden, aber irgendwie doch noch neckischen Gipfel vom Picardichopf (2096m) einzusammeln. Zum Pfäwi geht's dem aussichtsreichen NW-Grat entlang. Hier machte ich nun aus der Spur (der Gemsen) auch ein Multi-Use. Sie werden meine Planierarbeit hoffentlich geschätzt haben. Um 10.40 Uhr war die Arbeit getan und der Gipfel vom Pfäwi (2304m) erreicht. Die Felle konnten abgezogen werden und die Vorfreude auf eine nächste geniale Abfahrt paarte sich mit der formidablen Aussicht.

Blick vom Pfäwi (2304m) zum Sassauna (2307m), gut sichtbar die schattige NW-Flanke.

Die nordseitige Abfahrt vom Pfäwi via Hinterberg und Freschidörsch ist dann mit ein paar kurzen Stellen im Bereich von 35 Grad nicht extrem steil - war aber sehr genussreich mit idealem Skigelände und perfektem Powder, besser kann es wirklich nicht sein! Nur zu bald kamen die Skis in der Talsohle beim Vordersäss zum Stehen. Dies ist wirklich ein sehr abgelegener Platz: rundherum nur Berge, kein Blick ins bewohnte Tal und erst recht kein rascher Weg zurück dahin. Weil auch noch der Handyempfang fehlt, fühlt man sich da rasch ziemlich isoliert und schon ein kleines Problem mit nicht (mehr) klebenden Fellen oder einem verlorenen Ski würde einen da durchaus in die Bredouille bringen.

Blick zur Schesaplana aus der Pfäwi-Nordflanke, wo meine zweite Abfahrt durchführte.

Bei mir lief aber alles flott und ich genoss das Gefühl der Abgeschiedenheit extrem. Das Tal war komplett unberührt, keine einzige Spur von Menschen oder Tieren war sichtbar. Da fühlte ich mich gleich wie auf Terra Incognita, während ich ab 11.15 Uhr durch hektarweise besten Pulverschnee Richtung Golrosa spurte. Ein Tipp noch für jene, die es mir dereinst gleichtun wollen: die Rinne vom Valser Bach lässt sich nicht überall einfach queren, insgesamt ist der Aufstieg auf der linken (nördlichen) Seite vom Bach wohl als angenehmer zu werten. Gehen tut's aber definitiv auf beiden Seiten.

Rückblick ins einsame Hochtal des Valser Bachs am Fuss der Schesaplana-Südflanke.

Um 12.40 Uhr hatte ich den Passübergang der Golrosa (2124m) erreicht. Fast 90 Minuten also für die nur 450hm, aber es ist eben auch eine beträchtliche Strecke von nahezu 4km, die man dabei (in nicht immer gerader Linie) zurücklegt. Beim Übergang wird der Blick auf die Rätikon-Felsberge frei. Darauf hatte ich mich natürlich sehr gefreut, denn aus dieser Perspektive hatte ich die Wände bisher nie gesehen. Sowieso bilden die westlichen Kirchlispitzen 1-3 aus der typischen Kletterer-Optik eine vernachlässigte Grösse und es war schön, diese für einmal etwas näher zu Gesicht zu bekommen.

Blick von der Golrosa auf die Rätikon-Kletterberge: Kirchlispitzen, Drusenfluh und Sulzfluh.

Mein Rückweg in die Zivilisation sollte ab der Golrosa via den Höchstelli erfolgen. Bei sicheren Verhältnissen kann man dazu die steilen Nordhänge vom Girenspitz ohne Höhenverlust queren. Andernfalls wäre eine kurze Abfahrt Richtung Vorder Cavell die sicherere Variante. Für mich war das nicht nötig und somit war es prinzipiell nur noch ein Katzensprung zum letzten Kulminationspunkt. Wobei die Beine langsam etwas schwer wurden, mit der Nachmittagstour vom Vortag hatte ich in 24h nun bereits fast 3500hm zurückgelegt, dies bei fast der Hälfte davon inkl. der Spurarbeit. Um 13.10 Uhr schlug ich auf dem Höchstelli (2297m) an. Von da kann es wieder abwärts gehen, wobei der ambitionierte Gipfelsammler sich die Gelegenheit mit dem nahe gelegenen Girenspitz (2393m) nicht entgehen lässt. Skitechnisch lohnt es sich allerdings eher nicht und der Aufstieg entlang dem teils stark verwächteten Grat war auch nicht unbedingt dem Genre Plaisir zuzuordnen. Einfacher wäre es wohl, diesen Gipfel direkt von NW bzw. N anzugehen, man würde sich so auch einiges an Rund-um-den-Berg-herum-Distanz sparen.

Der Girenspitz (2393m) mit seinem überwächteten SSE-Grat vom Höchstelli.

Der Kulminationspunkt war erreicht, nun war wieder Skifahren angesagt! Wobei über den ersten Teil über die steilen Südhänge hinunter nicht viel Rühmenswertes gesagt werden kann. Teilweise war es schwingbar, je nach Steilheit und Expo aber auch ein unmöglicher Zwieback-Karton. Immerhin war es relativ schnell vorüber, unter 2150m war der nach Schuders verlaufende Rücken genügend flach, dass die Schneeoberfläche noch locker war und beschwingt gekurvt werden konnte. Bis zu dieser Stelle war von Schuders her gespurt, wobei diese Tourengänger über den SE-Rücken von Falvanja abgefahren waren. Das sah echt verlockend aus, hätte mir aber ultimativ die Fluggelegenheit genommen, weshalb ich die Idee dort abzufahren verwarf...

Sicht aus der Kartonzone auf den nach Schuders verlaufenden Rücken (mit wieder gutem Schnee).

Dies war sowieso ein springender Punkt meiner ganzen Planung gewesen: wie sich die Tour gut beenden liesse und man wieder zum Ausgangspunkt zurückkäme. Der logische Endpunkt war nämlich in Schuders, was doch eine ganze Ecke von der Fanaser Talstation entfernt liegt. Man müsste also auf eine Mitfahrgelegenheit von dort nach Schiers hoffen. Einzig bei idealen Verhältnissen mit genügend Schnee bis in tiefe Lagen könnte man durch das Schraubachtobel bis nach Schiers fahren - das war aber an dem Tag nicht möglich. Mein Joker war der Ultraleicht-Gleitschirm, mit welchem ich vom Schuderser Maiensäss starten wollte, um effizient zu Tale zu kommen. 

Ideale Startgelegenheiten in mehr oder weniger alle Richtungen findet man auf dem Rücken.

Im Winter dann aber auch tatsächlich in die Luft zu kommen, ist nicht immer trivial. Der Abwind kann ein hartnäckiger Gegner sein, aber hier auf dem Rücken sollte nichts schiefgehen. Laut Prognose und auch zuvor auf den Gipfel war ein deutlicher Westwind vorhanden, was auch die bevorzugte Startrichtung war. Warum dieser dann an meinem Absprungort doch plötzlich aus NE kam, ist eine gute Frage. Aber einmal um 180 Grad umgedreht, so war das an meinem designierten Startplatz auf einer Kuppe kein Problem. Anderswo könnte es aber auch bedeuten, ohne das Flugtaxi ins Tal gelangen zu müssen. 

Ah natürlich, der Schirm wollte halt auch einfach nochmals die Drusenfluh sehen, das ist der Grund!

Der einzige Schönheitsfehler meiner Rundtour ist der, dass der Flug vom Schuderser Maiensäss zurück zur Talstation der Fanas-Seilbahn sich mit dem Ultralight-Equipment kaum ausgeht. Da müsste man schon auf Thermik treffen oder sehr günstigen Wind haben, das war mir schon im Voraus bewusst. Und tatsächlich war der Touchdown dann im Haupttal bei Schiers Pferpfier. Grundsätzlich wäre es ein Leichtes gewesen, auf der Anreise das Bike dort zu deponieren und die Runde damit als Ski-Fly-Bike-Triathlon zu vollenden. Aber ich dachte mir, dass es entweder mit Autostopp oder dann zu Fuss wohl auch ohne grossen Zeitverlust ginge. Und genau so war es dann. Ich machte mich per Pedes auf die Socken, nach ein paar Minuten wurde ich mitgenommen und punktgenau nach Fanas zur Seilbahnstation chauffiert. So schloss sich diese geniale Runde mit ihrem grossen Exklusivitätsbonus - das war eine Tour ganz nach meinem Gusto gewesen!

Facts

Route: Fanas Bergstation - Saussauna - NW-Abfahrt - Luderer Fürggli - Picardichopf - Pfäwi - N-Abfahrt - Vordersäss - Golrosa - Höchstelli - Girenspitz - Schuderser Maiensäss - Flug nach Schiers Pferpfier - Fanas Talstation (Autostopp, sonst +300hm extra). 

Total ca. 1900hm Aufstieg, 2000hm Abfahrt und 1000hm Gleitschirmflug
Ski-Schwierigkeit ca. ZS, jedoch diverse Steilhänge, die sichere Bedingungen fordern!

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