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Mittwoch, 17. Januar 2024

Salginatobel-Rundtour

Keine Frage, was an diesem Sonntag zu tun war: super Pulverschnee, geringe Lawinengefahr und ideales Bergwetter. Auf zu einer exquisiten Skitour, konnte die Devise da nur lauten. In mir drin verspürte ich dennoch ein leichtes Zögern, denn es gab ja noch unerledigte Sportkletterprojekte. Ob der Kälte ein bisschen gesucht vielleicht, aber möglich wäre es bestimmt gewesen. Tja, das ist das Privileg der Bergsportler, welche sich nur auf eine Disziplin fokussieren. Da muss man dann nicht überlegen, ob Ski, Seil oder Bouldermatte. Jedenfalls, der Wechsel zwischen den Disziplinen fällt nicht immer ganz leicht, die Entscheidungsfindung bereitet durch das Mehr an Optionen manchmal Kopfzerbrechen. Aber dafür sind die diversen Erlebnisse natürlich eine grosse Bereicherung.

Wer Einsamkeit will, muss eine Tour gehen, für die sich sonst niemand interessiert...

Mit dem Sonnenaufgang geht's los (im Januar schafft das selbst Langschläfer Dettling noch 😁)

Auftakt zur Tour war um 8.00 Uhr bei der Seilbahn Fanas. Etwas erstaunlicherweise war ich auf der ersten Fahrt (16 CHF/Person) der einzige Fahrgast. Das lag wohl daran, dass die Südhänge nicht mehr die beste Reputation genossen und mein Ansinnen mit der Rundtour definitiv in die Kategorie Special Interest gehörte. Um 8.20 Uhr machte ich mich bei der Bergstation (1700m) auf den langen Weg. Die Route auf den Sassauna war natürlich gespurt - leider Multi-Use, sprich das Trassee war von Schneeschuh- und Fussgängern zertreten. Trotzdem war es in wunderbarer Morgenstimmung ein sehr schöner Aufstieg. Nach einer knappen Stunde hatte ich den Gipfel (2307m) erreicht.

Blick vom Gipfel auf meinen Weiterweg. Am Horizont links die Schesaplana und rechts der Bildmitte die Rätikon-Felsberge Kirchlispitzen, Drusenfluh und Sulzfluh. Mein nächstes Ziel Pfäwi in der linken Bildhälfte (nicht am Horizont, mit der schattigen Flanke). 

Es folgte ein erster Höhepunkt, die Abfahrt über die Sassauna NW-Flanke. Der einfachste Einstieg befindet sich 100m westlich vom Gipfel, bei Idealbedingungen geht's auch 20m westlich vom höchsten Punkt. Extrem steil fährt man da nicht Ski, die Neigung liegt auf der gutmütigsten Linie bei 30-35 Grad. Aber die ganze Flanke ist schon riesig und hat viele Steilpartien - da darf gar nichts ins Rutschen kommen, absolut sichere Bedingungen sind unabdingbar. Die waren gegeben und da idealer, gesetzter Pulverschnee lag, durfte ich diesen Schwüngen gerne 100 von 100 Punkten geben. Auf 1800m im Gebiet von Ludera kamen die Ski zum Stehen und die Felle wurden wieder montiert. 

In Bildmitte die Sassauna NW-Flanke, ein absolut ideales Skigelände.

Um 9.40 Uhr ging's weiter Richtung Luderer Fürggli. Am besten geht's erst etwas querend über den Graben vom Schwieggatobel hinweg, dann hinauf zum (oberen) Sommerweg und mehr oder weniger diesem entlang zum Sattel. Für Sammler gibt's mit 47hm Zusatzaufwand noch den absolut unbedeutenden, aber irgendwie doch noch neckischen Gipfel vom Picardichopf (2096m) einzusammeln. Zum Pfäwi geht's dem aussichtsreichen NW-Grat entlang. Hier machte ich nun aus der Spur (der Gemsen) auch ein Multi-Use. Sie werden meine Planierarbeit hoffentlich geschätzt haben. Um 10.40 Uhr war die Arbeit getan und der Gipfel vom Pfäwi (2304m) erreicht. Die Felle konnten abgezogen werden und die Vorfreude auf eine nächste geniale Abfahrt paarte sich mit der formidablen Aussicht.

Blick vom Pfäwi (2304m) zum Sassauna (2307m), gut sichtbar die schattige NW-Flanke.

Die nordseitige Abfahrt vom Pfäwi via Hinterberg und Freschidörsch ist dann mit ein paar kurzen Stellen im Bereich von 35 Grad nicht extrem steil - war aber sehr genussreich mit idealem Skigelände und perfektem Powder, besser kann es wirklich nicht sein! Nur zu bald kamen die Skis in der Talsohle beim Vordersäss zum Stehen. Dies ist wirklich ein sehr abgelegener Platz: rundherum nur Berge, kein Blick ins bewohnte Tal und erst recht kein rascher Weg zurück dahin. Weil auch noch der Handyempfang fehlt, fühlt man sich da rasch ziemlich isoliert und schon ein kleines Problem mit nicht (mehr) klebenden Fellen oder einem verlorenen Ski würde einen da durchaus in die Bredouille bringen.

Blick zur Schesaplana aus der Pfäwi-Nordflanke, wo meine zweite Abfahrt durchführte.

Bei mir lief aber alles flott und ich genoss das Gefühl der Abgeschiedenheit extrem. Das Tal war komplett unberührt, keine einzige Spur von Menschen oder Tieren war sichtbar. Da fühlte ich mich gleich wie auf Terra Incognita, während ich ab 11.15 Uhr durch hektarweise besten Pulverschnee Richtung Golrosa spurte. Ein Tipp noch für jene, die es mir dereinst gleichtun wollen: die Rinne vom Valser Bach lässt sich nicht überall einfach queren, insgesamt ist der Aufstieg auf der linken (nördlichen) Seite vom Bach wohl als angenehmer zu werten. Gehen tut's aber definitiv auf beiden Seiten.

Rückblick ins einsame Hochtal des Valser Bachs am Fuss der Schesaplana-Südflanke.

Um 12.40 Uhr hatte ich den Passübergang der Golrosa (2124m) erreicht. Fast 90 Minuten also für die nur 450hm, aber es ist eben auch eine beträchtliche Strecke von nahezu 4km, die man dabei (in nicht immer gerader Linie) zurücklegt. Beim Übergang wird der Blick auf die Rätikon-Felsberge frei. Darauf hatte ich mich natürlich sehr gefreut, denn aus dieser Perspektive hatte ich die Wände bisher nie gesehen. Sowieso bilden die westlichen Kirchlispitzen 1-3 aus der typischen Kletterer-Optik eine vernachlässigte Grösse und es war schön, diese für einmal etwas näher zu Gesicht zu bekommen.

Blick von der Golrosa auf die Rätikon-Kletterberge: Kirchlispitzen, Drusenfluh und Sulzfluh.

Mein Rückweg in die Zivilisation sollte ab der Golrosa via den Höchstelli erfolgen. Bei sicheren Verhältnissen kann man dazu die steilen Nordhänge vom Girenspitz ohne Höhenverlust queren. Andernfalls wäre eine kurze Abfahrt Richtung Vorder Cavell die sicherere Variante. Für mich war das nicht nötig und somit war es prinzipiell nur noch ein Katzensprung zum letzten Kulminationspunkt. Wobei die Beine langsam etwas schwer wurden, mit der Nachmittagstour vom Vortag hatte ich in 24h nun bereits fast 3500hm zurückgelegt, dies bei fast der Hälfte davon inkl. der Spurarbeit. Um 13.10 Uhr schlug ich auf dem Höchstelli (2297m) an. Von da kann es wieder abwärts gehen, wobei der ambitionierte Gipfelsammler sich die Gelegenheit mit dem nahe gelegenen Girenspitz (2393m) nicht entgehen lässt. Skitechnisch lohnt es sich allerdings eher nicht und der Aufstieg entlang dem teils stark verwächteten Grat war auch nicht unbedingt dem Genre Plaisir zuzuordnen. Einfacher wäre es wohl, diesen Gipfel direkt von NW bzw. N anzugehen, man würde sich so auch einiges an Rund-um-den-Berg-herum-Distanz sparen.

Der Girenspitz (2393m) mit seinem überwächteten SSE-Grat vom Höchstelli.

Der Kulminationspunkt war erreicht, nun war wieder Skifahren angesagt! Wobei über den ersten Teil über die steilen Südhänge hinunter nicht viel Rühmenswertes gesagt werden kann. Teilweise war es schwingbar, je nach Steilheit und Expo aber auch ein unmöglicher Zwieback-Karton. Immerhin war es relativ schnell vorüber, unter 2150m war der nach Schuders verlaufende Rücken genügend flach, dass die Schneeoberfläche noch locker war und beschwingt gekurvt werden konnte. Bis zu dieser Stelle war von Schuders her gespurt, wobei diese Tourengänger über den SE-Rücken von Falvanja abgefahren waren. Das sah echt verlockend aus, hätte mir aber ultimativ die Fluggelegenheit genommen, weshalb ich die Idee dort abzufahren verwarf...

Sicht aus der Kartonzone auf den nach Schuders verlaufenden Rücken (mit wieder gutem Schnee).

Dies war sowieso ein springender Punkt meiner ganzen Planung gewesen: wie sich die Tour gut beenden liesse und man wieder zum Ausgangspunkt zurückkäme. Der logische Endpunkt war nämlich in Schuders, was doch eine ganze Ecke von der Fanaser Talstation entfernt liegt. Man müsste also auf eine Mitfahrgelegenheit von dort nach Schiers hoffen. Einzig bei idealen Verhältnissen mit genügend Schnee bis in tiefe Lagen könnte man durch das Schraubachtobel bis nach Schiers fahren - das war aber an dem Tag nicht möglich. Mein Joker war der Ultraleicht-Gleitschirm, mit welchem ich vom Schuderser Maiensäss starten wollte, um effizient zu Tale zu kommen. 

Ideale Startgelegenheiten in mehr oder weniger alle Richtungen findet man auf dem Rücken.

Im Winter dann aber auch tatsächlich in die Luft zu kommen, ist nicht immer trivial. Der Abwind kann ein hartnäckiger Gegner sein, aber hier auf dem Rücken sollte nichts schiefgehen. Laut Prognose und auch zuvor auf den Gipfel war ein deutlicher Westwind vorhanden, was auch die bevorzugte Startrichtung war. Warum dieser dann an meinem Absprungort doch plötzlich aus NE kam, ist eine gute Frage. Aber einmal um 180 Grad umgedreht, so war das an meinem designierten Startplatz auf einer Kuppe kein Problem. Anderswo könnte es aber auch bedeuten, ohne das Flugtaxi ins Tal gelangen zu müssen. 

Ah natürlich, der Schirm wollte halt auch einfach nochmals die Drusenfluh sehen, das ist der Grund!

Der einzige Schönheitsfehler meiner Rundtour ist der, dass der Flug vom Schuderser Maiensäss zurück zur Talstation der Fanas-Seilbahn sich mit dem Ultralight-Equipment kaum ausgeht. Da müsste man schon auf Thermik treffen oder sehr günstigen Wind haben, das war mir schon im Voraus bewusst. Und tatsächlich war der Touchdown dann im Haupttal bei Schiers Pferpfier. Grundsätzlich wäre es ein Leichtes gewesen, auf der Anreise das Bike dort zu deponieren und die Runde damit als Ski-Fly-Bike-Triathlon zu vollenden. Aber ich dachte mir, dass es entweder mit Autostopp oder dann zu Fuss wohl auch ohne grossen Zeitverlust ginge. Und genau so war es dann. Ich machte mich per Pedes auf die Socken, nach ein paar Minuten wurde ich mitgenommen und punktgenau nach Fanas zur Seilbahnstation chauffiert. So schloss sich diese geniale Runde mit ihrem grossen Exklusivitätsbonus - das war eine Tour ganz nach meinem Gusto gewesen!

Facts

Route: Fanas Bergstation - Saussauna - NW-Abfahrt - Luderer Fürggli - Picardichopf - Pfäwi - N-Abfahrt - Vordersäss - Golrosa - Höchstelli - Girenspitz - Schuderser Maiensäss - Flug nach Schiers Pferpfier - Fanas Talstation (Autostopp, sonst +300hm extra). 

Total ca. 1900hm Aufstieg, 2000hm Abfahrt und 1000hm Gleitschirmflug
Ski-Schwierigkeit ca. ZS, jedoch diverse Steilhänge, die sichere Bedingungen fordern!

Donnerstag, 23. November 2023

Ski & Fly Fanenstock (2236m)

Die Ski-Saison 23/24 ist gestartet! Wobei ich mich im Voraus durchaus gefragt habe, ob es denn der richtige Tag dafür sei. Klar, die Online-Tourenportale und Social Media zeigten genau, wo schon richtig winterliche Bedingungen mit guten Tourenverhältnissen herrschten. Aber leider waren diese Gegenden weiter von daheim entfernt, als es mir lieb war. Somit setzte ich lieber auf innovative Tourengestaltung mit dem Nervenkitzel, ob denn auch alles wie geplant aufginge.

Zur Abwechslung wieder mal ein Bericht hot from the press...

Sonne, Pulverschnee und ein paar gute Skihänge - da schlägt das Herz gleich schneller.

Als Ziel hatte ich den Fanenstock bei Elm erkoren. Natürlich war ich da schon etliche Male zuvor. Aber es lohnt sich eben immer wieder und seit dem letzten Mal war es doch schon eine Weile her. Kommt hinzu, dass man an diesen Hängen viel von der raren Novembersonne erhaschen kann und das einigermassen sanfte Gelände auch bei moderater Schneelage eine Tour zulässt. Wobei es eben derzeit in Elm absolut grün ist und die Hänge bis ziemlich weit hinauf aper sind. Somit machte der Fanenstock nur als Kombi-Tour Sinn: entweder käme das Bike als Schneetaxi zum Einsatz, oder dann würde zu Fuss aufgestiegen und mit dem Gleitschirm ins Tal geflogen. Da die Windprognose günstig war und das Flugzeug schon eine Weile nicht mehr in dieser Art zum Einsatz gekommen war, setzte ich darauf.

'Tief verschneit' wäre dann doch anders. In Elm ist es grün, und das bis weit hinauf.

Tourenstart war um 9.00 Uhr in Elm Wisli P.1025, mit angeschnallten Brettern und den Skischuhen lief ich los. So war es bequemer, der Strasse zu folgen. Ab etwa 1400m war der Boden teils weiss bedeckt, doch erst beim P.1575 nach einer Stunde Bootpack kamen die Bretter an die Füsse. Der Aufstieg über die Schindelegg war gerade so fellend machbar. Während es unten im Schatten kalt, dunkel und eisig gefroren war, konnte ich mich an der Sonne subito allen Kleiderschichten bis auf das T-Shirt entledigen. Ab dem Mittler Stafel von Gamperdun (P.1772) gab es etwas Altschnee-Unterlage - das entsprach genau meinen Vorstellungen, denn so würde es sich zu diesem logischen Gleitschirm-Startplatz abfahren lassen.

Im Aufstieg auf ca. 2000m. Rechts hinten die Hausstock Nordwand, das war auch eine super Tour!

Ich zog gleich weiter und konnte nun durch eine unberührte Winterlandschaft schreiten. Auf der kompakten Unterlage lag feiner Pulver, so war die Spurarbeit ein grosses Vergnügen. Um 11.15 Uhr schlug ich schliesslich am Gipfel-Wegweiser an. Es folgte eine gemütliche Pause - es war windstill, wolkenlos und sehr mild. Eine halbe Stunde Gipfelrast im T-Shirt und das nach dem vielen Regenwetter und Ende November - das war eine richtige Wohltat. Aufs Skifahren freute ich mich aber natürlich auch sehr, zumal erst noch absehbar sehr gute Bedingungen warteten. Tatsächlich, dank der kompakten Unterlage war es genial und man musste absolut keine Sorge vor Bodenkontakt haben. Nach dem Gipfelhang wählte ich die Ostvariante und gelangte zurück nach Mittler Stafel - mit der Einsicht, dass es dies nun noch nicht gewesen sein konnte.

First Line am Gipfelhang vom Fanenstock - oh yeah!

So klebte ich erneut die Felle auf meine Bretter und nahm die zweite Runde in Angriff. Das hätte ja auf meiner nun schon bestehenden Spur noch zügiger gehen können. Doch die Bedingungen fühlten sich inzwischen richtig frühlingshaft an. Um diesem Gefühl noch etwas Vorschub zu leisten, hefteten sich auch bald einige fette Stollen an die Felle. Aber was soll's, kein Grund sich die Laune zu vergällen. So wurde die Kadenz halt etwas zurückgenommen, auch so erreichte ich bald wieder den Gipfel. Eine weitere Halbstunde an Sonnenbad lag drin, bevor das zweite Mal grandioser Fahrspass folgte. Nun wählte ich nach dem Gipfelhang den kurzen Wiederaufstieg zum P.2168, um in seinen so anzüglichen, unberührten Südhang auch noch eine perfekte Spur zu legen.

Blick zum Sardonamassiv, prominent der sonnige Geissegg-Rücken - auch eine geniale Tour!

Das gelang, und so galt es dann noch, ohne Materialschaden retour nach Mittler Stafel zu kommen. Der wenige Schnee hatte sich ob den hitzigen Temperaturen nämlich durchaus schon sichtbar gemindert. Aber mit der geschickten Wahl einiger Mulden und Hangpartien in abscheiniger Exposition war es gut zu machen. So hiess es nun nur noch, das Tuch zu drapieren, sich an die Schnüre zu schnallen und bequem ins Tal zu gleiten. Das war kein Ding, gab es doch am Starplatz sogar ein bisschen Aufwind. Auch in der Luft traf ich hier und da auf aufsteigende Warmluftpakete, welche zur Verlängerung des genussvollen Abgleiters genutzt werden konnten. Mehr lag aber nicht drin, schliesslich haben wir ja doch Ende November und das Gerät war nur ein kleiner Singleskin-Leichtschirm. Tja, hätte sich der Wunschtraum einer Toplandung am Gipfel und einer 'Gratisfahrt' erfüllt, so hätte der Tag ganz sicher 1000 von 100 möglichen Punkten erhalten. Aber 100 von 100 gab es auch so, und das ist ja doch auch schon eine ganze Menge.

Facts

Fanenstock ab Elm Wisli, 1200hm Aufstieg (+500hm für die zweite Runde), Ski-Schwierigkeit WS

Donnerstag, 3. November 2022

Wändlispitz-Traverse

Wer auf der Suche nach gehobener Kletterkost ist, mag ob diesem Beitrag vielleicht die Nase rümpfen. Kann man machen, muss man aber nicht: es kommt bestimmt der Tag, wo die Griffel schon müde sind oder für eine bevorstehende Session geschont werden müssen. Und dann lässt sich am Wändlispitz im Fluebrig-Massiv mit der Überschreitung von Schäferweg im Aufstieg und dem SE-Grat im Abstieg eine interessante und landschaftlich absolut lohnende Tour erleben. Für mich persönlich wurde der Ausflug von einem sehr schönen Gleitschirmflug gekrönt. Im perfekt anstehenden SW-Wind liess es sich in der Gipfelregion nach Belieben soaren und das Top überhöhen.

Wändlispitz vom P.1972, aus dieser Perspektive kaum zu glauben, dass man den vom Gipfel sich nach rechts herunterziehenden SE-Grat problemlos seilfrei begehen kann. Die Schwierigkeiten liegen bei ca. T5, II.

Meine Hauptmotivation für die Tour war der Fact, dass wir uns zum ab 16 Uhr stattfindenden Team-Boulder-Event im Quergang eingeschrieben hatten. Draussen herrschte tolles und rekordwarmes Herbstwetter. Irgendwie zu schade, um bis 16 Uhr einfach zu "warten", aber Klettern und die Kräfte schon verpulvern schien auch nicht das Richtige. Um 9.00 Uhr lief ich beim Klubhaus der Golfanlage im Ochsenboden P.933 los, der Strasse entlang gibt's Berggänger-Parkplätze. Schon über 26 Jahre ist es her, seit ich dem Weg nach Unterwand das letzte Mal begangen hatte. Für die Erstbegehung des Direkten S-Pfeilers (5 SL, 6a+) waren wir damals unterwegs, seither kam ich nie mehr vorbei.

Bei den Hütten von Unterwand (ca. 1430m) mit Blick auf die Wändliflue.

Die Abzweigung von der Waldstrasse bei P.1161 hin zum wenig markanten Pfad, welcher zu den Hütten auf ~1430m führt, ist leicht zu verpassen. Zwei markante Blechrohre talseitig der Strasse sind ein Indikator, sonst hilft die Kartennavigation. Bei den Hütten eröffnet sich der Blick auf die langgezogene Wändliflue, ebenso ist auch die Rampe des Schäferwegs schon prominent sichtbar. Von den Hütten führt eine klar erkennbare, teils markierte Wegspur dahin. Um sie aufzugreifen, quert man von der oberen Hütte horizontal nach links ca. 50m zu einigen Steinen, an welchen sich die erste Markierung befindet. Ab da gelangt man ohne Orientierungs- und Geländeschwierigkeiten zur Leiter am Einstieg des Schäferwegs (1515m).

Blick auf die hier stark verkürzt erscheinende Rampe vom Schäferweg. Der Einstieg befindet sich in der Grotte mittig am rechten Bildrand.

Diese hinauf (die 2.5m hohe, überhängende Stufe gäbe einen nichttrivialen Boulder her), dann ~10m weiter über plattigen Fels (Fixseil, Eisen als Tritte, bei trockenen Verhältnissen sind die Hilfsmittel nicht nötig). Bald einmal steht man wieder im Grasgelände. Es ist gut gestuft und hat ordentliche Trittspuren. Auch wenn sich die Passage vor allem zu Beginn eindrücklich luftig über einem Felsabbruch befindet, so war es doch viel einfacher, wie die kolportierte T6-Bewertung es mich im Voraus vermuten liess. Für diejenigen, die es brauchen hat es in dieser Passage auch 3 gebohrte Standplätze und einige Zwischensicherungen. Bald einmal legt sich das Gelände zurück, auf Wegspuren geht's die Rampe hinauf zu deren Ausstieg auf 1615m.

Leiter beim Einstieg, die Stufe geht frei, aber nicht trivial (ca. 6b/6c-Kletterstelle).

Nun wandert man über die nach WNW ausgerichtete Gipfelabdachung, eigentlich immer direkt an der Abbruchkante der Wändliflue. Es hat Wegspuren und ist unschwierig, offeriert aber immer wieder tolle Tiefblicke in die Flue, ebenso wie Weitblicke in die Gegend vom Sihlsee. Bald einmal kommt das Gipfelkreuz (1971m) in Sicht, einige Minuten nach 11.00 Uhr hatte ich dieses erreicht, wobei ich den Puls beim Wandern im Schonmodus bewusst nie in die Höhe getrieben hatte. Bei der Rast am Top klingelte das Handy. Ein telefonischer Beratungstermin für meine Tochter war gefragt, welche sich beim Kleidereinkauf befand. Wir Männer wissen ja, dass sich solche Dinge immer in die Länge ziehen und so war es auch hier.

Panorama auf dem Wändlispitz-Rücken, links der Sihlsee, rechts die Gipfel von Diethelm und Wändlispitz.

Meine Geduld für derlei Dinge war am Ende. So legte ich zwar nicht auf, sondern beschloss schon einmal mit dem Abstieg über den SE-Grat (T6,II) zu beginnen. Mit solcherlei Unterhaltung fallen Diskussionen mit Teenies um Klamotten deutlich leichter, ich kann es also nur empfehlen. Man kann nun unken, dass man auf einer T6-Route erstens die Hände frei haben und zweitens die Konzentration aufrecht erhalten sollte. Ersteres war dank Lautsprecherfunktion kein Thema, zweiteres auch nicht so gravierend, da auch hier die Schwierigkeiten doch merklich tiefer lagen wie erwartet. Vielerorts braucht es kaum die Hände, und höchst selten bzw. nur für ganz wenige Stellen heisst es mit beiden Pfoten zuzupacken.

Das eine der beiden Felsenfenster am Fuss des Wändlispitz SE-Grat.

Bald einmal war ich schon am Fuss des Grates bei den eindrücklichen Felsenfenstern (die Kleider waren inzwischen gekauft und mein Konto damit belastet ;-)). Da ich gut in der Zeit lag, wollte ich noch einen Erkundungsgang Richtung Südpfeiler unternehmen. Ob man nämlich vom Fuss des SE-Grats der Wand entlang querend zum Einstieg gelangen könnte, liess sich mit Luftbildern und den mir zur Verfügung stehenden Fotos nicht zweifelsfrei klären. Doch es geht, absolut problemlos sogar, und so stand ich wenig später am Punkt, wo wir damals den Bohrer angesetzt hatten. Hey, nur zu gerne wäre ich jetzt gleich stantepede in die Route eingestiegen, um meine verblassten Erinnerungen wieder aufzufrischen.

Kurz vor dem Gump, idealer, südausgerichteter Startplatz bei P.1949

Das war weder vernünftig noch möglich. Also lief ich zurück zu den Felsenfenstern, stieg zum namenlosen Gipfel P.1972 auf. Dessen Südseite ist unangenehm steil für einen Gleitschirmstart, doch etwas unterhalb dem Übergang von P.1949 sichtete ich eine prima Möglichkeit. Kurzum war ich da, breitete das Tuch aus und schwang mich in die Lüfte. Wie erwartet ging's aufwärts, an der Südflanke soarend liess sich auch mit dem kleinen Ultraleichtschirm erst der Startplatz, später sogar der von zahlreichen Wanderern besuchte Fluebrig-Gipfel überhöhen. Welch ein Genuss und schöner Tourenabschluss! Zeitig war ich nach einer Stunde Flug zurück im Tal, das ermöglichte mir vor dem anstehenden Wettkampf noch ausreichend Zeit für Verpflegung und Relaxing - perfekt war diese Tour aufgegangen! Über den Team-Boulder-Event berichte ich dann in einem Folgepost...

Freitag, 28. Januar 2022

Small, but beautiful!

An einem Tag, wo der Körper müde von den vorangegangenen Efforts war und nur ein beschränktes Zeitfenster zur Verfügung stand, schien trotzdem die Sonne. Was wäre da nicht schöner, als sich etwas an der frischen Luft zu bewegen und so die dringend benötigte Energie zu tanken?!? Nur war guter Rat teuer, im Züri Oberland und insbesondere an den Sonnehängen war der Schnee inzwischen zu knapp. Und die beliebten Voralpentouren waren an einem Sonntag bestimmt alle komplett überlaufen. Ein Blick aus der Ferne zeigte, dass die Nordflanken am Züri Obersee alle noch bis fast ganz unten weiss waren. Also flugs den Ultraleicht-Gleitschirm als Plan B in den Rucksack gestopft und los ging's.

Start fast direkt am Zürich Obersee, der weisse Streifen führt in schattiger Exposition wirklich noch bis ganz in die Ebene runter!

Unweit vom Alpamare, genauer im Mülibach-Quartier von Altendorf ging's los. Nach minimaler Portage durch die letzten Häuser fand ich auf den glatten Wiesen tatsächlich eine dünne, gefrorene Schneedecke vor. Sogar eine Aufstiegsspur aus vergangenen Tagen sollte meine Wege leiten. Via Fliegenberg führte diese nach Bilsten und ab dort der Skiroute entlang weiter. Man erreicht den - Nomen ist Omen - Schönboden und wandert weiter über den offenen, aussichtsreichen Rücken von Stofel zum P.1202 der Müligassegg - landschaftlich wirklich wunderschön! Der "Gipfel", d.h. die bewaldete Hochfläche trägt auf der Landeskarte nicht einmal einen Namen. Es ist aber der logische Endpunkt der Tour und wenn auch keine zugespitzte Erhebung, mit einer Schartenhöhe von 48m und einer Dominanz von rund 700m ein echter Kulminationspunkt.

Ein Prachtstag!

Natürlich hatte die Dicke der Schneedecke mit der Höhe zugenommen und in der oberen Hälfte lag tatsächlich kompakter, schön zu fahrender Pulver. So wollte ich nicht gleich vom Top in die Schneise der Schilligsrüti wechseln und von dort starten. Sondern ich zeichnete entlang von meinem Aufstiegsweg superschöne Linien in den führigen Schnee, bis es mit der Herrlichkeit vorbei war. Ob dem weissen Rausch war ich nun etwas gar tief für einen Start mit dem Schirm. Also fellte ich nochmals herauf zum Schönboden, drapierte mein Tuch und glitt ruhig über die nur knapp beschneiten Wiesen zurück zum Ausgangspunkt. Das war nun wirklich ein sehr genussreiches Recovery-Tüürli gewesen, mit vielen tollen Landschaftseindrücken, keinem anderen Skitourengänger weit und breit. 1000hm, zwei-, dreihundert schöne Schwünge und ein Flug mit dem Gleitschirm, "small but beautiful", was will man mehr?!?

Am Startplatz ging ein wenig die Bise, ich musste aufpassen, dass mein Tuch nicht verweht wurde, daher keine Fotos mehr gemacht. Das hier soll als Ersatz dienen. "Nomen est Omen" kann man auch hier sagen :-)

Dienstag, 9. November 2021

Ski & Fly Vilan (2376m)

Die Geschichte von dieser Tour beginnt eigentlich schon am Vorabend, mit dem Boulder-Contest zum 10-jährigen Jubiläum vom Grindelboulder. Es ist ja bekannt, wie sehr ich diese Events liebe, wegen Corona gab's zuletzt nicht mehr oft die Möglichkeit sowas zu machen und wieder einmal bei Flow vorbeizugehen um zu gratulieren war sowieso angezeigt. So war ich dann am Folgetag, nach dem Versuchen von 36 Bouldern, dem erfolgreichen bewältigen von deren 29 und einem 3. Platz unter ~60 Teilnehmenden (zu) gut bedient, um nochmals klettern zu gehen. Die alten Knochen brauchen schliesslich die nötige Erholungszeit, nachdem frischer Schnee gefallen war und ein exzellenter Bergtag prognostiziert wurde, sollte es auf eine eher läuferisch orientierte Tour gehen.

Sommer meets Winter, das war definitiv das Motto dieser Tour!

Während wir uns bewusst waren, dass man tiefer in den Alpen womöglich eine üppigere Schneedecke angetroffen hätte, so entschieden wir uns schliesslich doch für die Tour an der Eintrittspforte zum Bündnerland. Denn sowieso führten wir den Gleitschirm als Joker mit und würden uns in die Luft schwingen, sofern die Verhältnisse kein genussvolles Skifahren zuliessen. Als wir um 9.20 Uhr bei der Kirche in Seewis (ca. 940m) losliefen, hatte es vorerst einmal gar keinen Schnee, also kamen die Bretter an den Rucksack. Webcams sei dank war es aber glasklar, dass sich dies bald einmal ändern wurde. Tatsächlich waren die Wiesen bei P.1116 weiss überzuckert, so dass wir mit den Fellen über die glatten Wiesen aufsteigen konnten.

Wunderbar, das Ambiente im frisch verschneiten Prättigau - und wir ganz alleine unterwegs!

Auf der Normalroute ging's hinauf, schon bald einmal hatten wir mit Stollenbildung zu kämpfen. Naja, damit war zu rechnen, denn der Wechsel von angefeuchtetem Schnee auf knapp bedecktem Untergrund auf eiskalten Pulver in schattigeren Abschnitten ist einfach ungünstig. Mit ein paar Abkratz-Aktionen ging's aber schon. Bei den Hütten der Sadreinaegg legten wir eine gütliche Verpflegungspause ein und genossen die sonnige Wärme, bevor es über den Ostgrat dem Gipfel entgegen ging. Wie bekannt ist dieser zum Abfahren wenig geeignet, der Aufstieg ist aber sehr aussichtsreich und genussvoll - wie erwartet waren wir auch ganz alleine unterwegs am Berg. Nach nochmals strenger Spurarbeit wegen klebrigem Schnee erreichten wir schliesslich ein paar Minuten vor 13.00 Uhr und damit nach doch erst rund 3:30 Stunden Aufstieg das Top.

Parat zum Abflug, direkt vom Gipfel.

Das Ambiente war fantastisch, Aussicht auf alle Seiten, wohlige Wärme und so gut wie kein Wind. Solche Gipfelaufenthalte nähmen wir in der kommenden Saison gerne öfter! Zwar hätte man sich wenn nötig wohl schon irgendwie skifahrend zurück ins Tal würgen können. Es war aber offensichtlich, dass es noch zu wenig Schnee für genussvolles, spassiges Skifahren hatte. Weil auch die Situation am Gipfel perfekt für einen Start passte, mussten wir nicht lange werweissen, wie vorzugehen wäre. Das Tuch wurde daselbst drapiert, die Bretter angeschnallt und aussichtsreich zu Tale nach Grüsch geflogen. Ein Genussflug par excellence! Und dank dem herzlich verdankenswerten Einsatz von meinen Tourenpartner Urs und seinem Video (YouTube-Link) lässt sich nun auch die Frage beantworten, wie man mit den Ski auf den grünen Wiesen im Tal landet... wer einen Kuhfladen trifft, beim dem gleitet es noch ein wenig besser, aber es geht auch sonst ohne Köpfler :-)



Samstag, 10. Juli 2021

Hike & Fly Gnipen (1567m)

Nachdem mich Arbeitsverpflichtungen in diese Gegend geführt hatten, blieb noch etwas Zeit, um mir die Beine zu vertreten. Wieder einmal sollte es auf ein Hike & Fly gehen. Schliesslich fand ja erst gerade wieder das Xalps statt - ein Event, bei welchem es mir alle 2 Jahre zumindest am Bildschirm wieder den Ärmel in die Fliegerei (und Latscherei) hineinnimmt. So wollte dieser Spirit nun auch noch etwas realer gelebt werden. Unter diversen Tourenoptionen wählte ich schliesslich den Aufstieg von Goldau auf den Gnipen, den westlichen Nebengipfel vom Wildspitz. Dieser ist vor allem bekannt, weil man hier ohne Firlefanz und in direktem Aufstieg einen vertikalen Kilometer absolvieren kann (total 1050hm Aufstieg).

Blick vom Startplatz auf den Zugersee.

Die Tour startet bei den kostenpflichtigen Parkplätzen vom Tierpark (514m). Sofort geht's in den Wald hinein und aufwärts. So richtig zu begeistern vermochte mich dieser Aufstieg nicht. Über weite Strecken bewegt man sich im Verlauf von einem schlammigen Rinnsal im Unterholz, es hat viele Wurzeln und Geröll. Sprich, man kann hier das Auge nicht schweifen lassen, sondern muss stets auf seinen Tritt achten - "gring ache u secklä", eine andere Option gibt es nicht. Also kein Genussaufstieg, sondern einer zum Höhenmeter bolzen. Nur im oberen Teil kriegt man etwas mehr Ausblicke auf das Gebiet des Bergsturzes von 1806.

Dieses doch ziemlich spektakuläre Bild vom Aufstieg sieht der Leser vielleicht nicht zum ersten Mal. Es ist aber so ziemlich die einzige aussergewöhnliche Passage, welcher dieser Aufstieg bietet. Sonst geht's gleichförmig durchs Unterholz.

Ich lief zügig aber ohne zu hetzen, nach den intensiven Niederschlägen und mit der dicken und tüppigen Juliluft waren die Bedingungen nicht ideal für eine Bestzeit, welche aber sowieso nicht meine Absicht war. Nach 1:15h war ich beim Gipfelkreuz und machte noch den Abstecher zum höchsten Punkt. Was dem Aufstieg an Aussicht fehlt, holt dafür das Gipfelplateau nach. Spektakulär blickt man auf die Zentralschweizer Seen und ins Mittelland hinaus, dies erst noch von einer prächtigen Blumenwiese - wirklich paradiesisch!

Sicht zum Lauerzersee, die tiefbasige Quellbewölkung hatte Alternativziele vereitelt.

Auch zum Starten in Richtung NW eignet sich diese Hochfläche perfekt. Aus dieser Richtung kam wie gewünscht auch der Wind - das war absehbar, einerseits kam der Meteowind von da her, andererseits unterstützt der Talwind zusätzlich. So war ich bald in der Luft und glitt im Luv um die Abbruchkante herum zurück Richtung Goldau. Über dem Dorf konnte man wieder aufdrehen, wenn man es darauf angelegt hätte, so wäre sicherlich auch noch viel Strecke drin gelegen. Mein Zeitbudget war aber beschränkt, so landete ich nach einer guten halben Stunde in der Luft auf dem offiziellen Landeplatz - was heisst, die Tour noch mit einem Marsch durchs Dorf zu beschliessen. Doch das müssen die Xalpler ja jeweils auch... 

Das Gipfelkreuz steht am aussichtsreichsten, aber nicht am höchsten Punkt.

Dienstag, 23. Februar 2021

Ski & Fly: Wannengrat (1881m) & Brüschbüchel (1817m)

Eigentlich müsste man in dieser Wärmeperiode früh auf und hoch hinaus, wenn man auf Skitour wollte. Doch was, wenn aufgrund von vielen Verpflichtungen nur gerade ein Nachmittag zur Verfügung steht?!? Ja, ohne mein Flug-Zeug im Gepäck wäre ich wohl nicht auf die Idee gekommen, es entgegen aller Vernunft doch mit einer Tour im Klöntal zu probieren, zum "Lumpensammeln" an bisher verschmähten, kleinen Gipfelchen. Naja, das tönt jetzt fast nach einer Verzweiflungstat, herausgekommen ist aber ein tolles Erlebnis mit vielem, was einen schöne Bergtour ausmacht.

Welche eine fantastische Stimmung über dem Schwialppass!

Ein paar Minuten nach 15 Uhr startete ich in Hinter Richisau (1135m). Es liegen dort noch ca. 60cm Schnee, dem es aber bei diesen warmen Temperaturen zügig an den Kragen geht. Über die Gampeleggen lief ich auf kompaktem Schnee zur Unter Schwialp, einzig der folgende, steilere Hang war im Aufstieg aufgrund von faulem Schnee kurz etwas mühsam zu begehen. Auf der Mittler Schwialp öffnet sich das Gelände, die Spuren leiteten alle direkt zum Brüschbüchel. So zog ich meine eigene Linie über die flachen Böden der Brüschalp in wunderschöner Stimmung durch monochromes Licht der von Saharastaub getrübten Nachmittagssonne. Noch vor dem Schwialppass zweigt man rechts ab und steigt über attraktive Rücken hinauf zum Wannengrat, ich kam in einen richtigen Flow! Nach gut 90 Minuten war ich am Gipfel, den ich auf meiner Wägital-Rundtour untenrum umgangen hatte. Eine Pendenz erledigt, könnte man sagen. Allerdings lohnt sich dieses zentral gelegene Gipfelchen dank seiner Rundumsicht ins Wägital, das Pragelgebiet und den Glärnisch durchaus. 

Quel touriste! Aber der Portrait-Modus bei meinem neuen Smartphone wollte einmal getestet sein.

Im Aufstieg wurde mir Gewahr, dass der Schnee wohl feucht, aber eben auch kompakt und ohne Deckel war. Mein initialer (Sumpfschnee-)Plan bestand darin, vom Wannengrat gleich mit den Fellen hinüber zum Brüschbüchel zu wechseln, um dort dann einen Abflug zu machen. Aber die Gelegenheit, auf einem dieser Rücken noch eine schöne Spur mit Kurzschwüngen zu ziehen, konnte ich dann doch nicht auslassen. Klar, fluffiger Pulver war das nicht, aber doch echt lässiges, genussvolles Skifahren - hätte ich aus der Ferne nie so erwartet. Bei der Brüschalp kamen meine Bretter erst einmal zum Stehen. Klar, von hier hätte man nun auch ins Tal abfahren können, das wäre wohl nicht mehr ganz so genussvoll, aber  sicher nicht die grosse Qual gewesen. Aber ich "musste" ja noch auf den Brüschbüchel und mit dem Gleitschirm ins Tal fliegen, also montierte ich wieder die Felle.

Idealer Startplatz (alle Richtungen möglich) am Brüschbüchel.

Über weitere 250hm stieg ich diesem aufs Haupt und war gerade noch rechtzeitig da, bevor sich die Sonne hinter den Sihltaler Gräten verstecken wollte. Der Vorteil vom Brüschbüchel als Gleitschirmberg ist definitiv, dass man in quasi alle Richtungen starten kann. Von Starkwind und sonstigen Unbillen einmal abgesehen, sollte da also nichts anbrennen. Wobei kein einziger Luftzug ging und ich somit die Qual der Wahl in Sachen Absprungrichtung hatte. Bald war ich in der Luft und konnte gemütlich zurück zum Ausgangspunkt gondeln, ein paar Minuten vor 18 Uhr landete ich unmittelbar neben dem Auto. Ja, mit minimalen Erwartungen war ich heute gestartet, doch mit einem schönen Aufstieg mit selbst angelegter Spur in interessantem Gelände, Bergeinsamkeit abseits der Zivilisation am Schwialppass, wunderschönen Monochrom-Stimmungen in der Saharastaub-Luft, einer wirklich lohnenden Skiabfahrt, zwei erstmals besuchten Gipfeln und einem gelungenen Gleitschirmflug wurde ich sehr üppig entschädigt.

Ha, bei mir ist langsam auch Ende 40 ;-) Der Windsack aus alten Tagen leistet bei solchen Gelegenheiten immer noch und immer wieder gute Dienste. 

Facts

Hinter Richisau - Brüschalp - Wannengrat - Brüschalp - Brüschbüchel
Ca. 1000hm Aufstieg, Ski-Schwierigkeit WS, 2 kurze Passagen 30 Grad auf 20-40hm

Sonntag, 5. Januar 2020

Skin & Fly: Leistchamm (2100m)

Nach der Rückkehr aus den Kletterferien im Süden war die Gelegenheit da, zur Abwechslung wieder einmal die Schweizer Winterlandschaft zu geniessen. Auf eine lange Anfahrt wollte ich verzichten, ebenso auf ein überranntes Tourenziel. Noch dazu sollte es im Aufstieg etwas Sonne geben und ein bisschen Nervenkitzel sollte trotzdem mit von der Partie sein. Als der Weisheit letzter Schluss präsentierte sich schliesslich eine Tour auf den Amdener Leistchamm mit dem Flug-Zeug im Gepäck nach dem Motto...

if (snow == "good") ski else fly

Startplatz auf dem Leistchamm...
Mein Aufstieg startete im Arvenbüel. Auf der markierten Route ging's zusammen mit zahlreichen Schneeschuhwanderern zur Alp Looch. Fleissige Gipfelsammler könnten ab da noch den Flügenspitz mit einbeziehen, aber da war ich früher schon einmal. Wenig später steht man unter der doch einigermassen imposanten Nordflanke des Leistchamm, die bei (allerdings selten anzutreffenden) guten Bedingungen ein paar interessante Abfahrtslinien bieten würde. Über den steilen Nordrücken ging's im Bereich des Sommerwegs dem Gipfel entgegen. Während für den Aufstieg gute Conditions herrschten, schien die Abfahrt wie erwartet eher wenig zu versprechen. Nach rund 90 Minuten Aufstieg hatte ich das Top erreicht. Ein super Panorama und fabelhafte Tiefblicke auf den Walensee warteten - einfach genial!

...und Landeplatz beim Bahnhof Weesen. Der Leistchamm in Bildmitte in weiter Distanz (gut 10km entfernt).
Nachdem auch der Wind passte, legte ich meinen Gleitschirm direkt am Gipfelkreuz aus. Die Kalotte lässt sich gerade schön auf die ebene Gipfelfläche platzieren. Der Pilot oder eben zuerst noch Skifahrer steht allerdings schon am Rand des steileren Abhangs und dann geht's los, den Nordrücken hinunter. Ein wenig Entschlossenheit ist schon nötig, aber dank den guten Bedingungen war's ein Kinderspiel. Dem Westgrat entlang flog ich Richtung Weesen, thermischer Aufwind erleichterte mir die Sache und unter mir zogen gleich 4 Adler gleichzeitig ihre majestätischen Kreise. Doch weiter ging's, wenig später gab's eine für einmal ganz ungewohnte Perspektive auf die Galerie. Diese spendierte mir nochmals Thermik und damit die Möglichkeit, noch ein wenig länger in der Luft zu bleiben. Doch jedes Vergnügen endet einmal, in diesem Fall mit einer Ski-Landung auf der grünen Wiese unmittelbar beim Bahnhof Weesen - ja, das geht im Fall problemlos! 

Freitag, 9. August 2019

Salbit - Jimmy (6b+)

Die Jimmy (11 SL, 430m, 6b+) ist eine Kreation der Remy Brothers in der Zwillingsturm SE-Wand am Südgrat des Salbit. Sie verläuft in unmittelbarer Nachbarschaft des ungleich bekannteren Villigerpfeilers. Im Topo 'Salbit Erleben' wurde sie zwar schon immer mit der Höchstnote von 5 Sternen ausgezeichnet. Trotzdem geriet sie in Vergessenheit: die Ausrüstung war eher spartanisch, die Uraltbolts korrodiert und die Risse, nachdem nie geputzt wurde, teilweise zugewachsen. Das änderte sich im Herbst 2018 mit dem grandiosen Einsatz von Bunschi und Gefährten: die Risse wurden gereinigt, alle Haken mit neuem Inoxmaterial ersetzt und wo sinnvoll, auch die Linie korrigiert. Dies alles wollten wir mit unseren eigenen Sinnen erfahren und soviel vorweg, es war der Hammer!

Sicht auf den Zwillingsturm und die Route Jimmy. Der Einstieg und die ersten 2 Seillängen sind hier gut nachvollziehbar, der obere Teil ist zwar korrekt eingezeichnet, aber perspektivisch stark verzerrt. Rechts eingekreist ist die markante Aufschrift 'Clog'. In Originalauflösung sind rechts auch noch 2 Kletterer im Villiger-Pfeiler zu erkennen.
Nun, der Zustieg zum Salbit ist nicht eben kurz, insbesondere wenn man die Routen als Tagestour angehen möchte. Damals zur Ruska hatte ich mit Chris gerade gute 2 Stunden gebraucht. Zur Jimmy nahmen wir es ob der Hitze und der zusätzlich mitgeführten Flugausrüstung ein wenig gemütlicher. Reine Gehzeit brauchten wir etwas weniger als 2.5h, wobei hier eine halbstündige Pause auf der Terrasse der Salbithütte nicht mit eingerechnet ist. Diese machte aber durchaus Sinn, nicht nur für den Flüssigkeitsnachschub. Sondern auch, um vom Hüttenwart Richi die neusten Infos über die Jimmy einzuholen, sowie auch über die sonstigen Aktualitäten im Salbitgebiet informiert zu werden. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank dafür!

Der erste Blick auf's Salbitmassiv von wenig oberhalb des Reglibergs.
Auf den letzten Metern zum Einstieg lag noch Schnee, das wussten wir schon von der Konsultation der Webcam-Bilder. Bei ungünstigen Bedingungen (Hartschnee, Randkluft) kann das zur Herausforderung werden, das Gelände ist doch 35-40 Grad steil. Im Falle des Falles findet man unter einem grösseren Block mit roter Markierung noch einen alten, deponierten Pickel. Zur Zeit unserer Begehung stellte das alles kein Problem dar, der Schnee war weich und die Randkluft inexistent, d.h. man konnte einfach zum Fels marschieren. Entgegen den Skizzen in den alten Topos befindet sich der Einstieg weiter rechts als angegeben, nur 3-4m links von Clock & Stock, welche gross in weisser Farbe mit "CLOG" angeschrieben ist. Mit einer ersten Solo-Risskletterei über 5-6m gelangten wir vom Schnee zu 2 Stand-BH, bei vollständiger Ausaperung ist da womöglich bereits eine (kurze?) Seillänge fällig. Bis wir alles parat hatten und nochmals ausgiebig mit Sonnencrème eingeschmiert waren, wurde es ca. 11.45 Uhr.

Die grandiose Arena unter den Südgrattürmen. Nur noch das Schneefeld hinauf, dann geht's los!

L1, 55m, 6b+:
Entlang der Rissverschneidung geht es geradeaus aufwärts. Es dauert nicht allzu lange, bis man das erste Mal zu den Cams greift, weil die Kletterei ziemlich knifflig ist. Während es im Mittelteil dann vorerst einmal etwas gemässigter vorwärts geht, wird es zum Schluss nochmals richtig schwierig. In der V-Verschneidung müssen alle Register und Techniken eingesetzt werden (Spreizen, Jammen, Piazen, ...). In den alten Topos steht zwar nur eine Bewertung von 6a+, aber meinem Empfinden ist hier sicher eine 6b+ zu veranschlagen. Zum Stand hin war mir dann sowohl das Material wie auch das Seil ausgegangen, unsere 50m-Stricke reichten deutlich nicht und der Nachsteiger musste ein paar Meter nachfolgen.

Die V-Verschneidung im oberen Teil von L1 (6b+) ist ziemlich anspruchsvoll zu klettern!
L2, 50m, 6a: Um die Ecke (der Start ist echt cool) geht's in die nächste Verschneidung. Vom Stand her sieht's echt steil aus und wir stellen uns auch wieder auf fordernde Kletterei (original 5c+) ein. Nachdem die Seitenwände hier mehr strukturiert sind und alles ein wenig griffiger daherkommt, fallen die Schwierigkeiten dann aber doch spürbar geringer aus als in L1. Der Stand nach dem Ausstieg auf die grasigen Terrassen eher etwas links zu finden.

Die zweite Seillänge (6a+) sieht nicht minder eindrucksvoll aus, entpuppt sich dann aber als etwas gängiger.
L3, 50m, 5a: Über grasige Bänder und einige felsige Aufschwünge geht's in diesem, am wenigsten attraktiven Abschnitt der Route wieder volle 50m vorwärts. Es stecken 3 neue BH, welche von weither sichtbar sind und den Weg weisen, kurz vor dem Stand dann auch noch ein alter Ring-BH.

L4, 60m, 6a: Hinein in den oberen Wandteil, der mit der markanten Verschneidung leicht rechts startet. Der Splitter Crack vom Villigerpfeiler befindet sich nur wenige Meter noch weiter rechts. Am Beginn der Verschneidung (d.h. nach 10-15m über einfaches Gelände) befinden sich nochmals 2 BH. Wer mit 50m-Seilen den nächsten Stand erreichen will, muss hier nochmals Halt machen. Ist jedoch nicht unbedingt nötig, das der Zweite bei "Seil aus" die einfachen ersten Meter gut folgen kann. Die Kletterei in der Verschneidung ist echt cool, gegen oben hin wird es immer schwieriger. Zuletzt dann links raus um die Kante zu Stand.

Der obere Wandteil mit seinen klar geschnittenen Linien, gesehen vom Stand nach L3.
L5, 25m, 6a: Wie in der Dawn Wall gibt's auch hier eine Loop Pitch! Die direkte Querung nach links ist sicher möglich, sieht und fühlt sich bei einer Anprobe aber ziemlich schwierig an (>6a?). Der logischere Weg führt vom Stand der Schuppe entlang 5m nach unten, dann 3m nach links und den Rissen entlang wieder hinauf. Dann weiter den Rissen entlang zu Kettenstand und Muniring, der für einmal schon ziemlich bald folgt.

Hand Jam in L5 (6a). Risshandschuhe (=Hand Jammies) zu tragen ist übrigens auf der ganzen Routen sinnvoll.
L6, 30m, 6a: Erneut geht's mit einer schwierigen Linksquerung los, diesmal ist der Move aber auch ohne Loop gut machbar. Danach weiter schön und anhaltend der Verschneidung entlang.

Fantastische Kletterei, immer der Sonne entgegen, auch in L6 (6a).
L7, 25m, 6b: Während man zuerst der Verschneidung folgt, erklettert sich das Dach mit dem Rechtsknick nicht dem Risssystem entlang, sondern rechts in der Wand. Dabei gibt es tatsächlich einen etwas kniffligeren Move (der zudem auch obligatorisch ist). Die Bewertung von 6b global gesehen vielleicht schon ok, im Vergleich zu vielen anderen Seillängen der Route fand ich diesen Abschnitt aber einfach.

Eine kurze Passage in Wandkletterei, das Rissdach wäre hier mühsamer zu klettern in L7 (6b).
L8, 25m, 6b+: Vom Stand im Niemandsland der feinen Rissspur entlang unters Dach und mit einem weiten Move nach links an die griffige Schuppe. Piazend aufwärts, die Griffe bleiben nicht ganz so gut und man tritt auf etwas brösmeligem Fels an. Die Crux kommt dann aber erst ganz am Schluss, wo man knifflig nach links um die Ecke muss - man finde die seichten Klemmer und sehe zu, dass die Pfoten nicht rausflutschen!

Feine Rissspur zu griffiger Schuppe, an welcher dann kräftig gepiazt werden will in L8 (6b+).
L9, 45m, 6b: Zuerst geht's noch gemässigt daher, es kommt wieder einmal die Double-Gaston-Technik zum Einsatz. Sowas braucht man ja eher selten, in der Jimmy aber längst nicht das einzige Mal. Ganz generell ist so, dass das Gelände zwar gar nicht allzu steil ist. Um rein auf Reibung anzutreten reicht es dann aber doch nicht, so dass man sich stets irgendwie hinpressen muss. Anyway, diese Seillänge geht dann in einen Riss über, wo schliesslich 3m rechts aussen in der Wand ein Standplatz ist. Dieser scheint mir schwierig zu erreichen und ich bin mangels aktuellem Topo verwirrt, da es gemäss den älteren Skizzen an dieser Stelle auch zum Kontakt bzw. Kreuzung mit dem Villigerpfeiler kommt. Daher also weiter dem Riss entlang. Mittels Jamming und Verklemmen der Füsse geht's, die Cams kommen zum Einsatz, gar nicht mal so einfach! Schliesslich gehen mir Seil und Material aus, doch ein Stand kommt keiner (derjenige rechts aussen wäre es eben doch!). Gerade beim Kreuzungspunkt mit dem Villigerpfeiler lässt sich aber mit BH und einer soliden Schlinge an einem Felskopf auf bequemer Trittleiste einer improvisieren. Vermutlich fast die bessere Lösung so!

Mal ein bisschen Schatten war gar nicht schlecht, Sonne hatten wir an diesem Tag schon viel abbekommen. Allerdings für die Fotoqualität ist's nicht unbedingt förderlich ;-) Trotzdem kommt hier der anspruchsvolle Jam-Riss in L9 (6b) noch einigermassen zur Geltung. Es sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich erwähnt. Ich sichere hier nicht von einem offiziellen oder eingerichteten Standplatz, der improvisierte ist jedoch sehr gut.
L10, 25m, 6a+: Über den Aufschwung und weiter dem Riss entlang. Es wartet eine feine Stelle, der Rest entpuppt sich dann als deutlich gutmütiger. Man trifft schliesslich auf einen gemeinsamen Stand mit dem Villigerpfeiler.

L11, 30m, 6b+: Die glatte, fordernde Piazverschneidung geradeaus habe ich vom Villigerpfeiler her noch gut in Erinnerung. Unsere Route verlässt sie aber in ein paar Metern überhängend-griffiger Kletterei nach links (Crux). Ist man einmal um die Ecke, wartet nur noch (vermeintliches) Cruising-Gelände, das sich dann doch ein bisscshen schwieriger als gedacht entpuppt. Dennoch zügig geht's zum Stand am Top des Zwillingsturms.

Top of Zwillingsturm erreicht nach gut 5:00h anspruchsvoller, aber genialer Granitkletterei.
Wenige Minuten vor 17.00 Uhr und damit nach gut 5:00h Kletterei tragen wir uns im Wandbuch ein. Ich kann es nicht unterlassen, das Buch durchzublättern. Und siehe da, es ist fast exakt 10 Jahre her, seit ich mit Kathrin diesen Punkt via den Villigerpfeiler erreicht hatte. Das war nur wenige Wochen nach unserer Hochzeit und ein paar Monate vor der Geburt unserer Tochter gewesen. Tolle Erinnerungen, aber heia wie die Zeit vergeht - mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen! An der Gipfelwand sind noch einige Seilschaften unterwegs. Wir aber begnügen uns mit einem Rundblick und denken dann bald ans Abseilen, es wartet ja doch noch ein zünftiges Restprogramm auf uns. Für den ersten Abseiler ist es definitiv geeigneter, nicht den Stand am Gipfel/Buch zu nutzen, sondern jenen wenige Meter tiefer in der Scharte. Nach knapp 50m befindet sich ein weiterer Abseilstand. Man könnte von dort nun über die Abseilpiste "Bärner Blitz" weiter, optimaler ist es jedoch, zum Stand nach L8 abzuseilen und dann in 5 weiteren Manövern über die Route zurück zum Einstieg, zuletzt reichten die Seile gerade knapp bis auf den Schnee, Dauer total ca. 1:00h.

Panorama vom Zwillingsturm, was für eine tolle Bergwelt!

Tiefblick auf den Salbit Westgrat. Bald erscheint ein neuer Artikel aus meiner Feder dazu!
Zurück am Einstieg bleibt uns dann keine Zeit zum Trödeln. Wir wollen ja noch in die Luft und die SE-Mulde unterhalb kriegt immer mehr Schatten, irgendwann wird der katabatische Abwind einsetzen. Wenige Meter unterhalb, beim Einstieg von Licht + Schatten ist es etwas flacher, hier wäre ein Start denkbar. Es hat aber nur 1 Schirm auf's Mal Platz und es ist trotzdem steil. So scheint es uns einfacher und zeitsparender, rasch 100hm durch den weichen Schnee abfahrend zu vernichten und dort auszulegen. Ein leichter Zug von hinten ist schon spürbar und wir müssen die Schirme entsprechend befestigen. Die Handgriffe sitzen aber routiniert und um 18.20 Uhr wird entschlossen abgehoben. Dank dem ideal geneigten Gelände geht's perfekt. Wir müssen nur ein wenig Vorfliegen an die Kante zum Voralptal, dort steht wie vermutet schon die erste Bombenthermik. Im Nu geht's aufwärts, es ist ein Kinderspiel, den Gipfel nochmals zu erreichen, ja sogar zu überhöhen. Die Fliegerei in solch starker Thermik mit dem Minimal-Equipment (Typ 1-Lagen-Plastikfolie mit ein paar Zahnseidefäden) ist durchaus speziell und sehr, sehr eindrücklich. Es geht aber gut und sowieso ist es mehr Kopfsache - mit dem Streckenschirm und dem Beinsack-Gurtzeug hat man zwar schon mehr Material um sich, aber eine geschützte Druckkabine ist das ja dann doch auch wieder nicht.

Hey ho, let's go! 2 Minuten Surf in schön weichem Schnee zum Startplatz.
Auf jeden Fall ist es genial, auf diese Art und Weise das Salbit-Massiv aus einer neuen Perspektive zu sehen. Irgendwann ist dann doch Zeit, um sich auf den Heimweg zu machen. Das dauert, sind doch noch über 2000hm zu vernichten und es trägt selbst über dem Tal draussen sehr gut. Auch die Landung ist dann eher auf der sportlichen Seite. Der Talwind ist zwar nicht überaus stark, aber jojomässig geht's mal runter und dann doch wieder rauf. Gut jedenfalls, wenn man bereits bei früherer Gelegenheit und anderem Material Erfahrung in solchen Conditions gesammelt hat. Der Schlüssel liegt ganz einfach darin, Geduld zu haben und sich auf das Pilotieren zu konzentrieren. Auch wenn der Boden schon nahe scheint, die Sache ist erst gegessen, wenn beide Füsse auf der Erde sind. Etwas nach 19 Uhr nach einer knappen Flugstunde setzen wir schliesslich auf. Alles perfekt gelaufen, bis auf eine am Schirm versteckte Biene, die mich beim Zusammenlegen noch sticht - wow, war das ein Tag!

Hier habe ich mich dann einmal getraut, die Pfoten von den Bremsen zu nehmen und ein Foto zu machen. Mitten über dem Tal, und immer noch fast höher als der Salbit. Das war schon ein  unglaublicher Thermik-Hammertag, schliesslich ist es zum Zeitpunkt des Fotos schon nach 18.30 Uhr abends!

Facts

Salbit Zwillingsturm - Jimmy 6b+ (6b obl.) - 11 SL, 430m - C. & Y. Remy 1988, saniert R. Bunschi et al. 2018 - *****;xxx(x)
Material: 2x50m-Seile, 14 Express (min. 6 verlängerbare), Cams 0.3-3, evtl. 0.3-1 doppelt, evtl. Keile

Grandiose Granitkletterei entlang von vielen, dank der Sanierung im 2018 nun sauberen Rissen und Verschneidungen. Die Route kann meiner Meinung nach mit den besten Granit-Gustostücklein der Welt mithalten, so dass ich gerne die Höchstnote von 5 Sternen vergebe. Einzig die so richtig ausgesetzte Linie in einer steilen Wand bleibt der Jimmy vorenthalten - die Kletterei ist oft etwas "liegend", bei dafür nicht so stark strukturiertem Fels. Mit einer Bewertung von 6b+ und vielen Seillängen im Bereich 6a mag die Route als "an easy day" erscheinen. Dies täuscht jedoch, es warten viele fordernde Klettermeter und die Bewertungen sind granittypisch hart. Im Vergleich zu manch anderer, moderner Kalktour kann man gerne überall einen Buchstabengrad hinzuzählen und z.B. die mit 7a bewertete Sacremotion am Chli Bielenhorn würde ich aus Gesamtsicht als einfacher betiteln. Die Absicherung mit besten Inoxmaterial ist seit der Sanierung sehr gut, muss jedoch vielerorts mit Cams noch vervollständigt werden, was sehr gut möglich ist und sich bei den vielen Rissen auch anbietet. Wer die Schwierigkeiten im Griff hat, kommt mit 1 Set Cams 0.3-3 durch. Wer üppiger und weniger taktisch legen will, ist möglicherweise um ein zweites Set vom 0.3-1 froh. Ein präzises Topo in gedruckter Form gibt es derzeit nicht. Die beste Literatur ist der Führer "Salbit Erleben", welcher jedoch den Stand vor der Sanierung zeigt und bzgl. aktuellem Routenverlauf und Absicherung nicht mehr wirklich stimmig ist. Unten findet ihr meine Skizze. Ich habe unterwegs keine Notizen gemacht, die Angaben zur Anzahl Bolts und den gelegten Cams sind daher ohne ganze exakte Gewähr, geben aber hoffentlich doch einen guten Anhaltspunkt.

Topo der Jimmy am Salbit Zwillingsturm