- -

Dienstag, 23. April 2024

Gastlosen - Ground Zero (7b+)

Wenn man (wie er) nur sporadisch zum Klettern komme, dann müsse es eine richtig kernige Tour sein, so war die Logik meines Kletterpartners. Meinerseits war ich viel mehr eingelullt im Sportklettern und den dortigen Projekten, so hätte ich mich vermutlich auch mit einem gemütlichen Sonntagsausflug zufrieden gegeben. Umso besser, wenn man Kollegen hat, die einem sagen, was zu tun ist 😁 Denn auf meiner Projektliste figurierte die im 2021 erschlossene Ground Zero natürlich auch: sie ist eine der längsten Routen an der Gastlosenkette und die Namen der Erschliesser bürgen für eine "Top Büez", wie wir zuletzt im Gantrischmassiv in Erfahrung bringen konnten.

Blick auf die Marchzähne an den Gastlosen mit dem Verlauf von Ground Zero.

In höchst freudiger Erwartung fuhren wir der Destination entgegen, endlich wieder einmal auf Felskontakt plangend (Viktor) bzw. "gut aufgewärmt" von den Efforts am Vortag (Marcel). Interessant auch, dass wir quasi gleich nebenan mit der Nikita unsere erste gemeinsame Tour unternommen hatten. Die Anfahrt zum Ausgangspunkt beim Parkplatz Oberberg an der Kantonsgrenze BE/FR (ca. 1490m, Taxe 7 CHF/Tag, bezahlbar mit Münzen oder Twint) war zwar weit, verlief aber smooth. Also eigentlich bis auf die Tatsache, dass unten beim Abzweig (P.1133) ein offenbar ganz neues Schild steht, welches ein Fahrverbot für Motorfahrzeuge im Winterhalbjahr (bis am 15.4.) verheisst. Sollte dies mehr als nur eine Empfehlung sein, so müsste beim nächsten Mal das E-Bike mit - denn die etwa 5km und fast 400hm auf der geteerten Strasse betrachtet wohl niemand als willkommenes Fitnesstraining beim markant verlängerten Zustieg. Dieser beträgt nämlich normal nur 20 Minuten, welche aber zum Schluss über loses Geröll doch noch etwas mühsam werden. Eine weitere Erschwernis besteht potenziell durch einen Felssturz, welcher sich im 2023 an der Glattewandspitze ereignet hat. Wir konnten im Gelände aber weder sehen wo, noch waren bei unseren Zustieg irgendwelche Trümmer sichtbar (die Route Ground Zero ist mit Sicherheit nicht betroffen bzw. gefährdet). Um 9.15 Uhr hatten wir uns dick mit Sonnencrème eingeschmiert und die weiteren Vorbereitungen abgeschlossen, so dass wir bei sehr sommerlichen Temperaturen loslegen konnten.

Unzweifelhaft, hier geht's los!

L1, 20m, 5b: Kurze Zustiegslänge zum wesentlichen Business, welche zur Toto Pépone gehört. Der Fels ist eher unschön-splittrig, so dass sich auch die Absicherung als distanter anfühlt, wie sich beim Anblick von unten präsentiert. Zudem hätte ich eher mit 6a bewertet - aber alledem zum Trotz, dieser Abschnitt wird für ernsthafte Anwärter kein Showstopper sein.

Bisschen ein alpiner Start in die Tour, der Anseilplatz da am Auslauf der Schlucht ist durchaus etwas spooky, um diese Jahreszeit befindet sich ein grosser Schneekegel gleich daneben und die erste Länge (5b) spricht dann auch gleich noch eher die rustikalen Gemüter an.

L2, 40m, 7a+: Was für eine Seillänge! Los geht's gleich mal steil-athletisch, der Fels ist mit oft diagonalen Strukturen garniert, so dass man sich sauber zu positionieren und anzupressen hat. Mittig folgen dann ein Piazriss (welcher mir wie man es schon fast erwartet trotz nicht extremer Schwierigkeiten doch einen Seufzer provoziert hat) und einen Riss an einer Rampe, wo ein paar Jams nicht schaden. Das Schlussbouquet ist dann in jeder Hinsicht die Krönung: es kommt eine Passage an Sinterbobbeln wie in Kalymnos und dann die Crux. Da heisst es erst einmal die richtige Beta zu erkennen und auch noch über die Körner zu verfügen, um sie auszuführen. Wobei dabei zusätzlich noch das Seilgewicht nach unten zieht, gut verlängert zu klippen zahlt sich bestimmt aus. Alles in allem dünkte mich dies für den Vorstieg die anspruchsvollste und zwingendste Seillänge. Aber wer weiss, vielleicht hatte ich mich danach einfach wieder an die Materie gewöhnt.

Steile Wandkletterei höchster Güteklasse mit taffem Finish in L2 (7a+).

L3, 25m, 7b+: In ähnlichem Stil geht's weiter: steile, fordernde Wandkletterei an strukturiertem Fels, wo man stets nach den Griff- und Trittmöglichkeiten zu suchen hat. Einfach vielleicht noch einen Tick schwieriger wie unten, dafür enger abgesichert. Oder war es nur die Bewertung, welche mir dies suggeriert hat?! Die Crux jedenfalls folgt bei der Überwindung des Dachs, wo ich bald einmal klein beigab. Man muss sich da an eher abschüssigen Strukturen auf Gegendruck geschickt positionieren und vor allem den richtigen Plan haben, noch dazu ohne zu wissen, wo und wie oberhalb vom Dach die Griffe kommen. Sprich, sicherlich sackschwer zum Onsighten. Nachher folgen dann noch die "einzigen 5m an klassischer Südwand-Plattenkletterei". Für meinen Teil hat das gut ausgereicht - super schlabbrig an sloprigen Vertikalstrukturen ist da das Motto.

Die super-schlabbrigen 5m an klassischer Südwand-Plattenkletterei am Ende von L2 (7b+).

L4, 35m, 6c+: Wenn man vom Standplatz aufwärts blickt, so bietet sich rechterhand eine knapp senkrechte Wand mit bestem Plattenkalk an. Links ist das Gelände steiler: ein paar grosse Löcher zieren die dortige Wand, augenscheinlich sind die Schwierigkeiten aber dort höher. Die Realität dürfte aber gerade andersrum sein und so haben die Erschliesser hier wohlweislich den linken Weg gewählt. Erst ein paar Meter einfach hinauf in die Ecke, dann sind die grossen Löcher wirklich so griffig wie erhofft (oder sogar noch besser). Dass der Ausstieg ins flachere Gelände darob aber dann ohne extreme Schwierigkeiten aufgeht, da hat wohl doch ein wenig das Glück mitgespielt. Ein seichter Schlitz an der richtigen Stelle hilft, sonst wäre es wohl gleich eine ganze Ecke schwieriger. Ganz so leicht habe ich mich da nicht getan - lag womöglich daran, dass es sehr warm war und für die sloprigen Strukturen nicht ganz optimal. In anregend-anhaltendem 6b/+ Gelände klettert man dann noch gute 15m zum nächsten Stand.

Sieht gemütlich aus, ist auch nicht so schwierig: das Finish von L4 (6c+).

L5, 35m, 6c: Insgesamt die "klassischste Seillänge". Erst verbleibt die Route in moderner Linienführung für 2 Haken noch in der rechten Wand, bevor man linkerhand den breiten Riss bzw. dessen linke Begrenzungskante gewinnt. Mich dünkte das die Crux, mein Seilpartner meinte danach, mit Offwidth-Technik (Stacked Hands) am Riss sei das "einfach". Nein, Herr Dettling hat das natürlich "ganz normal" gelöst, geht auch. Von einer Terrasse weg folgt dann ein Riss - die Felsqualität da nicht superduper. Aber doch ganz ok, der Riss klettert sich entgegen erster Befürchtungen auch sehr gutmütig, da mit scharfer Kante sehr griffig und wegstehen kann man meist auch optimal. Wenn man L5 auf 6c einstuft, so müssen die deutlich anspruchsvolleren L4 und L6 auf 7a hoch (oder umgekehrt L5 auf 6b/+ runter).

Kante oder Offwidth-Riss - jeder nach seinem Gusto! Im Bild der Start von L5 (6c).

L6, 30m, 6c+: Old-School-Kletterei versprechen die Erschliesser für diesen letzten Abschnitt hinauf zum Mini-Matterhorn. Nun, wenn eine Boulderhalle so etwas verspricht, dann beginnen meine Augen gleich zu leuchten. Hier vor Ort gar nicht mal so sehr: der wesentliche Abschnitt bietet nämlich trittarme Gegendruck-Kletterei auf eher glattem Fels, was bekanntlich eher mein Antistyle ist. Kurzzeitig heisst es auch mal ziemlich entschlossen zu riegeln, allerdings lässt es auch recht schnell wieder nach. Das technische Positionieren ist hingegen schon sehr cool! Der obere Teil ist dann einfacher und leitet hinauf zum Spitz, den bequemeren (und für die Fortsetzung idealeren) Stand findet man hingegen im Sattel gleich rechts (Fixseil und BH).

Die letzten Meter auf den Turm in Wandmitte bieten einfache Kletterei: L6 (6c+).

L7, 30m, 5c+: Die Traverse zum nächsten Stand verläuft südseitig, d.h. links und unterhalb vom Grat. Erst fast noch Gehgelände, braucht es später schon die Hände zum Festhalten und der letzte Move um die Ecke zum Stand verdient die 5c+ dann durchaus. 

Rückblick vom Stand nach L7 (5c+) auf den Turm, mit super Panorama in die Berner Alpen.

L8, 35m, 6c: Eine super schöne, luftige und extrem genussreiche Turnerei an super strukturiertem Fels. Zur Abwechslung taucht mittig noch ein wie gefräst aussehender Fingerriss auf, wo man nicht nur einige Jams platzieren kann, sondern diese wohl tatsächlich auch die kommodeste Lösung darstellen. Nur die letzten 3m hinauf zum Stand auf dem Pfeilerkopf sind dann nicht erste Sahne, da ist bei der Griffwahl etwas Umsicht nicht verkehrt und man klettert wohl besser rechtsrum über die Kante als links in die Verschneidung.

Super genussreiche Kletterei erwartet einen in L8 (6c).

Am Stand läutet das Telefon, am Draht ist die (Ruhetag haltende) Tochter. Wir hätten doch abgemacht, den Final vom Lead-WC in Wujiang zusammen zu schauen. Der sei schon im Gang und jetzt klettere dann gleich Sascha Lehmann. Ich erkläre, mit schauen sei es eher schwierig, aber radiomässiger Livestream per Telefon, das wäre jetzt beim Nachsichern durchaus machbar. So lief das und Athlet um Athlet kam an die Reihe. Ich schreibe hier jetzt aber mit Absicht nicht, wie viele ihren Final während der Zeit absolvierten, während Viktor L7 nachgestiegen ist 😁

L9, 25m, 7b+: Irgendwann ist er aber da, somit ist die Reihe wieder an mir und noch ist die Entscheidung in China nicht gefallen. Aufhängen kommt aber nicht in Frage und somit klettern Toby Roberts und Daddy zeitgleich. Den ersteren verfolgt die Tochter am Video, der zweite kann ja mündlich live berichten, wie es so geht. Bestimmt ist die Weltcup-Route sauschwer, von daher sollte Daddy mit seiner 7b+ eigentlich ein leichtes Spiel haben. Doch der Leser wird es vermuten, meine Begehung kommt deutlich schneller ins Stocken wie jene des jungen Engländers. Aber gut, der hat auch nicht gleich zu Beginn die 3pa-Stelle, welche die Crux markiert. Eine heikle, sehr griffarme, überhängende Kante wo sich bestimmt jeder Anwärter mit Blick nach oben die Strategie "Hooken" vornimmt. Es ist nicht so, dass die falsch wäre... nur ist das mit dem Hooken deutlich leichter gedacht wie getan. Sonst hilft der Griff zum Textil hier bequem zum henkligen Querriss, welcher super luftig links hinaus auf die Nase führt - spektakulär! Einmal um die Ecke rum, legt sich das Gelände stark zurück und es geht hinauf zum Stand auf einem Klemmblock über dem grossen Spalt. Als ich da ankomme, ist der gute Toby schon beim Siegerinterview.

Ab da geht's jetzt dann gleich zur Sache mit der 7b+ Crux in L9.

L10, 25m, 3a: Einfache, horizontale Traverse: zuerst verläuft dieser Abschnitt "im Berg", dann quert man wieder ausserhalb auf dem Band. Meist Gehgelände, zudem gut mit BH abgesichert.

Durch die dunkle hohle Gasse kam er: Horizontaltraverse in L10 (3a).

L11, 30m, 7a: Nun gilt's aber nochmals ernst: los geht's rechterhand mit einem breiten Riss. Im Angesicht der Tropflöcher rundherum hat (soweit ich weiss) sogar Viktor im Nachstieg auf die Stacked Hands verzichtet. Später ist fertig Riss und die Steilheit legt nochmals eine Schippe zu. Ein Wanderl verlangt ein paar anhaltende Moves an fetzenscharfen Tropflöchern à la Rothorn. Geilo, da wird geprüft, wie viel Energie noch im Tank ist! Schliesslich verlässt man diese Passage zu Gunsten der breiten Rinne rechts - für den Nachsteiger kurz gar nicht mal so optimal gesichert, da bei den schwierigen Moves ein etwas unangenehmer Pendler droht. Einmal drüben dann relativ easy zum Stand, wo noch ein etwas ätzender und zwingender Move wartet.

Die im Text erwähnte Stelle in L11 (7a), welche für den Nachsteiger nicht ganz so angenehm ist. Schon vor der Kante nicht einfach, darum herum erst recht nicht - und wenn's nicht gelingt, so gibt's einen zwar nicht gefährlichen, aber irgendwie doch ungeschmeidigen Pendler.

L12, 35m, 7a: Nochmals steil geht's los, die Unterarme werden aber nicht einer ganz so harten Prüfung unterzogen wie befürchtet. Man befindet sich in einer Art Winkel und kann es gut wegstehen, zudem hat's super griffige Strukturen und ein paar megacoole Löcher. Vermeintlich geht's dann um die Ecke in sich zurücklegendes Gelände. Nicht ganz falsch, aber die Schwierigkeitsreduktion gibt's nicht so wie erhofft. Erst nochmals steil und doch etwas pumpig an Seitgriffen, zuletzt an einem Wulst die Füsse raufbringen und um die Ecke auf die wasserrillige Abdachung kommen, das stellt die Cruxzone dar. Das geneigte, wasserzerfressene Gipfeldach klettert sich dann easy (~5b), erst aufwärts, dann stark nach rechts traversierend (strategisch klippen, sonst starker Seilzug). Der letzte Stand befindet sich an einem Turm rechts von einem Grascouloir, etwas rechts um die Ecke.

Nach L12 (7a) ist der Gipfel erreicht - trotz Schneeresten im Background, es war alles andere als kalt.

Um 17.45 Uhr sind wir nach 8:30h Kletterei am Top. Tönt jetzt nicht gerade nach einer Speedbegehung, aber dass es gleich so lange gedauert hat, hätte ich subjektiv nicht gedacht. Sprich, es lief eigentlich alles ganz flott. Der amerikanisch geprägte Optimist würde von einem 99% Free Ascent sprechen, de fakto waren es nämlich effektiv ca. 4m (auf 400m), welche mir nicht auf Anhieb gelungen sind. Diese beiden 7b+ Stellen sind aber schon harte Knacknüsse, alles andere als onsightfreundlich und zudem noch komplett ohne Kletterspuren. Weil dieser Grad selbst bei optimalen Voraussetzungen im Klettergarten so in etwa First-Go-Limit darstellt, würde es schon eher an ein Wunder grenzen, das im MSL-Setup einfach gleich so rasch mal wegzuspitzen... Somit wartet die Route weiterhin auf die erste komplette RP- oder gar Onsight-Begehung aller Seillängen an einem Tag. Trotzdem trugen wir mit Freude und Stolz die 7. Begehung ins Routenbuch ein, machten noch den kurzen Abstecher zum Gipfel des Grand Grenadier und warfen dann bald einmal die Seile aus, um in die Tiefe zu gleiten. 

Sowieso eine fantastische Gegend und dann haben wir noch einen absoluten Traumtag erwischt!

Im oberen Routenteil vollzieht sich dies über eine routenunabhängige Piste. Deren erste Zwischenstation befand sich nach 45m eher weiter rechts (facing the wall, d.h. Richtung NE) als ich gedacht hätte. Vor dem Seilabziehen beschlich uns dann ein etwas mulmiges Gefühl. Bliebe es irgendwo hängen, so wären wir da, abseits von einer anderen Route und mit der nächsten Station 45m weiter unten, subito in der Patsche und kämen kaum mehr ohne fremde Hilfe vom Berg. Aber es ging alles glatt und ich konnte mich auf die Suche nach der nächsten Station machen. Nun ja, meistens werden Abseilpisten auf diesem Blog nicht so ausführlich mit Absätzen gewürdigt und so mag sich der Leser schon denken, was nun kommt. Jedenfalls bin ich mal 45m abgefahren und es war kein Stand in Sicht. Die Konsultation des Topos hiess mich, weiter nach links (d.h. Richtung SW) zu pendeln. Und tatsächlich, da steckten zwei nackte Dübel. Mein Gedanke: "so ein schräger Abseiler ist ja doch eher ungünstig, also wurde dieser Abseilstand wohl an einen besseren Ort verlegt". Doch alles Suchen half nichts, eine Weile später war ich mir schliesslich sicher, dass es tatsächlich keinen anderen Stand gibt. Das bestätigte mir unmittelbar darauf auch der Erschliesser Adrian mit seinem Rückruf. Die nackten Dübel seien der richtige Ort, da müsse jemand den Stand willentlich demontiert haben 😨

Hm ja, das war jetzt wirklich eine ziemlich suboptimale Situation...

Zum Glück baumelte die Lösung zu diesem Dilemma am Gurt: der Grübler, der mit einer M10-Lochung (behelfsmässiger 17er-Schlüssel) ausgestattet ist. Die Strategie war klar: am oberen, kompletten Stand ein Plättli mit Mutter mitnehmen und unten montieren. Das klappte wie gewünscht, trotz etwas Nervosität und leicht zitternder Hand trat auch weder Mutter noch Lasche den befürchteten Weg in die Tiefe an. Auch das nochmals heikle Seilabziehen verlief eventfrei und so waren wir wenig später "back on track", d.h. zurück am Mini-Matterhorn in Routenmitte und konnten ab da über die Route zurück zum Einstieg seilen, wo wir schliesslich um 19.30 Uhr den Fuss auf den Boden setzten. Nun war es nur noch ein Katzensprung retour zum Parkplatz, bevor noch ein langer Heimweg wartete. Die Kehle musste noch eine Weile durstig bleiben (Tankstellenshops sind im Kt. Fribourg sonntags ab 19.00 Uhr zu 😬), aber bald fuhren wir in Berner Gefilden und konnten wie gewünscht hydrieren. Wow, das war ein echt cooler Auftakt in die seriöse MSL-Saison 2024 gewesen!

Ohne den Grübler mit der M10-Lochung wären das Abseilen an den Prusikschlingen oder der Helikopter wohl so in etwa die gängigsten Optionen gewesen. Oder hätte sich vielleicht doch noch eine andere Möglichkeit ergeben... Gut, dass wir dies nicht ergründen mussten.

Hinweis: die Erschliesser sind über die inkompletten Abseilstände informiert und wollen die Sache so bald wie möglich in Ordnung bringen. Da es sich um Locals handelt, wird das sicher bald der Fall sein. Sprich, bevor die nächste Seilschaft in der Route klettert. Ich werde an dieser Stelle informieren und sowieso: nachdem wir ein Plättli umplatziert haben, ist das Abseilen möglich. 2x halt nur an einem Einzelbolt, aber es handelt sich um moderne, rostfreie BH welche in solidem Fels stecken, ein überschaubares Risiko also. A propos, ein "Notfallkit" (Grüber mit M10-Lochung, Plättli, Mutter, Messer und etwas Reepschnur) wiegt nur wenig und bietet in Fällen wie oben noch Optionen, wo sonst potenziell nur noch die Rettung hilft. Immerhin war bei uns mit dem Grübler der wichtigste Teil dabei... den Rest werde ich zukünftig wieder konsequenter mitnehmen.

Update vom 27.5.2024: Wie schon im Kommentar von Christian vom 10.5.2024 erwähnt, sind die Abseilstände nun wieder komplett ausgerüstet - vielen herzlichen Dank dafür. Beim zweiten Abseiler gibt es einen Zwischenstand, um diese Strecke in zwei Etappen aufzuteilen und so das Risiko eines Seilverhängers beim Abziehen zu minimieren. Entscheide selber, ob du diesen nutzen willst. Hier der Link zum neusten Routentopo, das ich von Erschliesser Adrian zugesandt erhalten habe. Der erwähnte Zwischenstand zum Abseilen ist dort eingezeichnet. Ebenso wurde der Text leicht angepasst, zudem wurden einzelne Bewertungen geändert (L5 von 6c zu 6b+, L6 von 6c+ zu 7a, L12 von 7a zu 6c+). Mein Blog bleibt jedoch in der Originalfassung, da er eine Momentaufnahme unseres Erlebens repräsentiert.

Facts

Gastlosen/Grand Grenadier - Ground Zero 7b+ (6c obl.) - 12 SL, 400m - A.Voegeli & A.Klaus - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 16 Express, evtl. Cams 0.3-1

Super lässige, genussreiche und imposante MSL-Sportkletterroute mit hervorragender Absicherung. Durch die sonnige und relative tiefe Lage ein ideales Ziel für früh oder spät in der Saison. Die Kletterei ist meist steil, griffig und bietet viel Abwechslung: Leisten, Löcher, Aufleger, scharfer Tropflochfels, Tufas, Risse und Verschneidungen trifft man unterwegs an. Die Absicherung mit rostfreien BH ist einwandfrei. Die Abstände sind nie weit, trotzdem muss man auch einmal ein wenig klettern zwischen den Haken. Hier und da könnte man schon etwas legen - wirklich nötig ist es nicht, wir führten keine Cams mit und haben sie nicht vermisst. Das V2-Version vom Fototopo der Erschliesser ist hier unterhalb abgebildet. Inzwischen gibt es eine neuere Version V3, das man hier als PDF beziehen kann.

Das Topo der Erschliesser, vielen herzlichen Dank für eure Arbeit!


Donnerstag, 11. April 2024

Plagne - The Wall (6b+) & Stankill (7a)

Wird Klettern denn eigentlich nie langweilig? Diese Frage wird mir von Aussenstehenden oft gestellt. Die Antwort lautet selbstverständlich "nein" und erschliesst sich mit Blick auf das Programm über die Ostertage 2024 von selbst. Dessen Auftakt bestand aus einer Limit-Onsight-Session mit Larina in der Halle - bis zum letzten Hemd alles geben, bis der Umlenker geklippt ist, immer wieder eine coole Erfahrung. Am nächsten Tag knobelten wir gemeinsam an den Bouldern vom Swiss Cup der U18 und Elite-Kategorien in Sursee - puh, schwere Sache, aber ein paar Strichlein gab's doch auf's (gedachte) Laufblatt. Tag drei bestand dann aus der hier beschriebenen Klettersafari an den Wänden von Plagne, welche schon für sich alleine eine höchst abwechslungsreiches Potpourri definiert. Und zum Dessert gab's dann noch Sportklettersessions in der Gorges du Court, in Le Paradis und im Sektor Vachkiri von Plagne - zwar immer die dieselbe Disziplin, aber ganz andere Locations und Kletterei: da wir es einem nie fad.

Blick auf das Face de Plagne am linken Bildrand, mittig weitere Sektoren. Im Hintergrund die Stadt Biel.

Nun, es war das Osterwetter mit viel Regen im Süden und Föhnsturm in den Alpen, welches uns in diese Ecke der Schweiz verschlagen hatte. Das umfangreiche Gebiet von Plagne hatte ich bisher nämlich nur ein einziges Mal besucht und dieser Besuch liegt auch schon an die 20 Jahre zurück. Mit dieser Unterfrequentierung scheine ich aber nicht alleine zu sein: trotz optimaler Bedingungen zum Sportklettern wie auch für durchaus interessante MSL sichteten wir an 2 Tagen vor Ort gerade mal eine einzige, andere Seilschaft - uns war es natürlich recht so. So starteten wir um 10.45 Uhr beim Sportplatz in Plagne. Für den rund 30-minütigen Marsch zum Top der Leitern ("Les Echelles") wäre das Bike ein Zeitgewinn. Wie viel davon ob dem Overhead übrig bleibt ist ein wenig fraglich, wir hatten darauf verzichtet - und bereuten diesen Entscheid beim gefühlt ewigen Gwaggel über das flache Plateau. Beim Grillplatz am oberen Ende der Echelles schirrten wir uns auf und nahmen dann den Steig mit seinen Versicherungen und den vier Leitern, um zum Einstieg zu gelangen. Dieser befindet sich +/- am tiefsten Punkt der Wand und ist angeschrieben. Um 11.35 Uhr legten wir los.

Abstieg über die Leitern ('Les Echelles'). Alles gut versichert, geht zügig und schnell.
Wenn man einige Abzweigungen richtig wählt, dann steht man schlussendlich an dieser Stelle.

The Wall (6b+) 

4 SL, 120m - Boris Girardin, 1996 - ***; L1/L2 xxxxx, L3/L4 xxxx
Material: 1x35m-Seil, 12 Express

L1, 30m, 6b: Los geht's gutgriffig einfach, gefolgt von einer Traverse in nicht so perfektem Fels zur vom Einstieg sich markant präsentierenden Verschneidung. Diese erfordert etwas Gymnastik, löst sich aber ohne grössere Schwierigkeiten auf. Nachdem man auf ein blumiges Bödeli ausgestiegen ist, fordert die steil-kleingriffige Wand danach mit der Crux - trotz an sich guter Absicherung ist man da nicht vor einem Sturz auf den Absatz darunter gefeit. Zuletzt noch eine Rechtsquerung zum Stand, dann ist die Sache im Kasten.

Los geht's mit L1 (6b) von The Wall, welche in die Rissverschneidung am rechten Bildrand führt.

L2, 30m, 6a+: Steil gleich geht's los, die logisch-einfachste Linie führt an der Kante rechts draussen in die Höhe, wobei einen die Absicherung lockt, die Wand direkt ob dem Stand zu klettern. Das geht - bei höheren Schwierigkeiten allerdings, dafür wird man mit schöneren Moves entschädigt. Sowieso, nach ein paar Metern muss man obligatorisch mal links in die Wand halten, bevor es dann definitiv wieder nach rechts in eine steile Verschneidung geht. Spezieller Fels da, so müeslimässig halb gebacken, aber es ist dann eigentlich doch alles solide. Zuletzt ein etwas einfacherer Ausstieg in etwas botanisch-lottriges Gelände.

Steiler Auftakt in L2 (6a+) von The Wall.

L3, 30m, 6b+: Für mich die schönste Seillänge der Route. Sie spielt sich in der plattig-glatten Wand auf der NW-Seite des Pfeilers ab (bleibt lange im Schatten!). Die Wand ist aber von diversen Rissspuren durchzogen, welche sich gutgriffig präsentieren und so bei der Fortbewegung helfen. Trotzdem, immer wieder muss man sich überlegen, wie man nun die nächste Passage meistert. Das hat auch damit zu tun, dass die Absicherung längst nicht mehr so komfortabel wie auf den ersten beiden Längen ist. Hier muss man doch über die Bolts steigen, die Hauptschwierigkeiten sind nahezu zwingend.

Kräftig-weiter Zug von einer zur nächsten Rissspur in der Cruxlänge L3 (6b+) von The Wall.

L4, 30m, 6b: Auch hier bleibt man auf der NW-Seite der sich nun aufsteilenden Wand. Dafür sind die Strukturen etwas üppiger ausgefallen. Schon bald einmal heisst es entschlossen Guzzi geben mit einem weiten Move von mässigen Tritten - die markante Crux. So erreicht man einen Pfeiler, welcher zwar einfach aussieht, dann aber doch einiges an Links und Rechts verlangt und forderndere Moves verlangt, wie man sich gedacht hätte.

Wer die Kletterei in einem schönen, unberührten Tal wähnt, liegt definitiv falsch!

Um 13.20 Uhr waren wir nach 1:45h der Kletterei am Ausstieg von The Wall. Um zum Depot beim Abstieg von Les Echelles zu kommen, heisst es erst noch etwas durch den steilen Wald aufzusteigen (Achtung, keine Steine runterlassen, da liegen doch etliche Bomben herum!) und am Ende auf einer Pfadspur nach links zu traversieren. Nach einem Riegel und etwas Getränk machten wir uns umgehend wieder an den Abstieg, da wir noch weitere Routen klettern wollten.

Gamelle Trophy (7a)  

1 SL, 20m - B. Girardin & S. Probst, 1995 - ***; xxxxx
Material: 1x40m-Seil, war mit fixen Exen ausgestattet

An dieser sehr unorthodoxen Route läuft man beim Zustieg zu The Wall (und den anderen Sektoren in diesem Bereich) direkt vorbei. Schon gleich zu Beginn hatte sie uns gereizt, da hatten wir sie in weiser Voraussicht aber noch auf die zweite Runde verschoben. Absolut zurecht, ohne gut aufgewärmt zu sein, würde man sich da bestimmt gleich einen terminalen Pump holen. Sehr ungewöhnlich ist die Route, weil sie wenige Meter über dem Boden für ca. 20m nach rechts traversiert. Die Wand ist mir Ausnahme von zwei im Abstand von ca. 1m verlaufenden, horizontalen Rails ziemlich glatt und strukturlos. Die Kletterei ist an sich schon anstrengend, zusätzlich gibt's noch unzählige Beta-Optionen, so dass grundsätzlich schon viel Kraft und Ausdauer nötig ist. Leider war's oft etwas staubig, was mich kurz vor Schluss schliesslich den Onsight kostete. Im zweiten Go ging's dann bis auf ein kurzes Beta-Gehedder solide.

Cooles Testpiece, die pumpige Traverse der Gamelle Trophy direkt am Zustiegsweg.

Constellation (6b+)

3 SL, 50m - Boris Girardin, 2010 - **;xxxxx
Material: 1x30m-Seil, 10 Express

Nachdem uns die Gamelle Trophy doch einige Körner und für die 2x2 Go's insgesamt fast zwei volle Zeigerumdrehungen genommen hatte, machten wir uns um 15.45 Uhr daran, wieder mehr nach oben und damit zu Ausstieg und Depot zu klettern. Noch blieben uns gute 3 Stunden an Tageslicht übrig, somit entschieden wir uns die Route Stankill am Grand Face via zwei Seillängen am Vorbau im Sektor L'Aiguille zu erreichen. Es bestehen mehrere Optionen, laut Topo und Eindruck vom Wandfuss fiel die Wahl auf die Constellation.

L1, 20m, 6a: Der Einstieg direkt am Pfad kurz vor der Kante ist angeschrieben und problemlos aufzufinden. Die Kletterei in dieser Seillänge ist doch ordentlich steil und für eine 6a gehörig fordernd. Natürlich kein unüberwindbares Hindernis, aber gerade entlang der Kante muss man seine grauen Zellen schon in Betrieb setzen.

Im Jam-Riss (kaum wahrnehmbar) von L2 (6b+) der Constellation an der Aiguille.

L2 & Ausstieg, 30m, 6b+: Nach einem griffigen Wandkletter-Auftakt ist das Main Feature ein wunderbarer Splitter-Handcrack, der mit einigen Jams zu bewältigen ist. Wer diese Technik halbwegs beherrscht, darf sich auf eine relativ gutmütig bewertete Seillänge einstellen. Zudem ist die ganze Route auch eng mit BH abgesichert. Man erreicht schliesslich einen Umlenker, von wo man wieder zurück auf den Boden gelangen könnte und nimmt wahr, dass man tatsächlich an einer relativen fragilen Nadel geklettert ist (was von unten so nicht sichtbar ist). Unser Weg führte aber direkt weiter hinauf zum Band am Fusse vom Grand Face. Dieser erdig-steile und etwas geröllbedeckte Teil ist mit einer fixen Kette ausgerüstet, welche man gerne zu Hilfe nimmt.

Stankill (7a)

6 SL, 150m - Boris Girardin, 2001 - ***;xxxx
Material: 1x35m-Seil, 12 Express

Der nächste Programmpunkt bestand in der Traverse über das Band nach rechts am Fusse der steilen, dolomitisch-brüchigen Grand Face - eindrückliches Gelände. Erst quasi ein Spazierweg, so wird es gegen das Ende eng und man nimmt gerne die Drahtseile zu Hilfe. Der Einstieg zu unserer angepeilten Route Stankill befindet sich (noch schwach lesbar angeschrieben) etwas rechts oben im exponierten Schrofengelände. Um 16.35 Uhr fiel der Startschuss in diese Route - mit dem Bewusstsein, dass nun doch ziemlich auf die Tube gedrückt sein müsste, um den Ausstieg noch bei Tageslicht zu erreichen.

Die Traverse über das Band am Fusse des Grand Face de Plagne.

L1, 20m, 6a+: Zumindest in dieser Seillänge war das mit dem Gas geben allerdings nicht so einfach umzusetzen. Der tiefe Schwierigkeitsgrad täuscht, ist die Kletterei doch gehörig steil-athletisch und auch etwas kompliziert. Der klötzlimässige Fels mutet beinahe wie an den Zinnen an - schlussendlich ist doch fast alles solide, aber mit etwas Umsicht zu klettern schadet hier definitiv nicht.

Stankill L1 - nüme nüüt für eine 6a+!

L2, 20m, 6c: Hier gibt's mehrere BH-Linien auf engem Raum, die Wahl der richtigen Strecke ist nicht trivial. Das zur Stankill gehörige Set verläuft zuerst gesucht-gerade durch eine plattige Zone, welche direkt geklettert sauschwierig wäre. Der Konjunktiv bezieht sich darauf, dass man auch rechts im einfachen Gelände der 5c klettern kann bzw. laut Topo soll, die Bolts kann man trotzdem klippen. Und die 6c kriegt man auch so noch (mehr als) geboten. Oben am Steilwulst heisst es nach links hinaus zu traversieren. Ein heftiger, athletischer Boulder wartet da - mit der 7b-Brechstange konnte ich onsight passieren und den kurzen Rési-Teil zum Stand durchziehen... puh! Vorsicht, kurz vor dem Stand im Ausstieg aus der athletischen Sektion lockt eine gutgriffige 1m2-Schuppe, die schlecht verwachsen ist und sehr dubios tönt. Diese aus der Wand zu reissen wäre wohl das Ende...

Etwas Rési beim Ausstieg aus der Crux von L2 (6c), im Bild ob der Exe die gut zu erahnen ist die gefährliche, schlecht verwachsene Schuppe, die am besten gar nicht oder wenn dann nur sehr pfleglich angefasst wird.

L3, 25m, 6b+: Die Challenge besteht hier darin, auf der Stankill zu bleiben. Zuerst nach links zu traversieren ist laut Topo und vor Ort klar. Die logische Linie hinauf ist dann allerdings die Pour le Plaisir. Für die Stankill muss man tief bleiben und ca. 15m horizontal queren. Die BH sind nicht gut sichtbar, aber es hat eigentlich ziemlich viele davon. Dass wir uns hier zuerst verkoffert haben, liegt auch daran, dass die Traverse in wenig attraktiv scheinenden, dunkel-splittrigen Fels führt. Kein Gelände, wo es einen magisch hinzieht - wenngleich die Kletterei für solche, die mit 1b- oder 1c-Fels entsprechend umzugehen wissen, schlussendlich doch noch ganz cool ist. Für 6b+ fand ich es bockhart - ist es aber vermutlich auch schnell einmal, wenn man nur die soliden Strukturen nutzt und besseres, aber ausbruchgefährdetes Material ignoriert.

Wildes Gelände und eine lange Linkstraverse in L3 (6b+) der Stankill.

Bis wir an Stand 3 vereint waren, war die Uhr schon auf 18.05 vorgerückt. Mit rund einer Dreiviertelstunde Tageslicht konnten wir noch rechnen. Somit schien es (zu) ambitioniert, die noch verbleibenden drei Seillängen der Stankill (6c, 7a, 6a) in freier Kletterei zu bewältigen. Der vernünftige Alternativplan bestand darin, die beiden Ausstiegslängen von Pour le Plaisir zu klettern, welche auf dem Standband unmittelbar rechts beginnen.

L4, 30m, 6a+ (Pour le Plaisir): Aber holla du, eine 6a+ wie man sie auch an den Wendenstöcken finden könnte! Die Kletterei ist steil, athletisch, pumpig und einfach so richtig fordernd. Wenn auch gut abgesichert, so hilft wiederholt doch nur der mutige Schritt nach vorne. Da musste ich doch ein paar strategische Schüttelpausen einlegen und dann die Backen zusammenkneifen und hopp - nicht unbedingt das, was man in diesem Grad erwarten würde! Der Ausstieg dann mit einem athletischen Boulder nach rechts auf eine glatte Platte, zu speziellem Stand mit Anlehn-Baum. PS: das Hakenmaterial auf dieser Länge kann man nicht mehr als taufrisch bezeichnen.

Eines ist sicher, ein gigantischer Aufwand und Tausende von BH sind in die Erschliessung des Gebiets von Plagne geflossen. Noch ist alles gut machbar, aber wie mir schien, ist der Unterhalt dieses doch aufwändigen Gebiets für die Zukunft (wenn es der Erschliesser nicht mehr tun kann/will) nicht wirklich gesichert. Kommt noch hinzu, dass eigentlich durchgehend verzinktes Material steckt, bisweilen (wie hier) in der ungünstigen Kombi mit einer rostfreien Lasche.

L5, 30m, 6b (Pour le Plaisir): Die Anzeichen von fortschreitender Dämmerung waren inzwischen deutlich wahrnehmbar. Das konnte ja heiter werden, liess die Bewertung ein noch heftigeres Gerät erwarten. Dies trafen wir im Gelände jedoch nicht so an: es wartet nur eine kurze Crux an einem Überhängli mit Piaz-Ausstieg, die ich für 6b und gerade im Vergleich zu den anderen Längen ziemlich billig fand. Bald einmal steht man dann im steilen Schrofengelände, wo es noch ziemlich weit bis aufs Plateau hinauf und Stand an Baum gestiegen werden muss.

Kurz vor Schluss in L5 (6b)

Um 19.05 Uhr hatten wir es schliesslich im letzten Tageslicht geschafft und konnten das Seil aufrollen. Ein Stück weit ging's hinüber zum Depot, wo wir unsere Sachen auflasen und uns an den halbstündigen Rückmarsch über das Plateau machten. Ohne grosses Erstaunen nahmen wir zu Kenntnis, dass unser Automobil als letztes dastand. Die wenigen anderen Kletterer (wir hatten den ganzen Tag über nur 1 andere Seilschaft gesichtet) hatten den Heimweg schon früher angetreten. Wir taten es ihnen gleich und waren uns einig, dass dies ein hervorragender und mit 13 gekletterten Seillängen auch ergiebiger MSL-Tag war. Auch wenn's in Plagne auf dem Topo auf den ersten Blick vielleicht mehr nach einem Klettergarten aussieht, wo man vereinzelt mehrere Seillängen am Stück klettern kann, so entpuppte sich die Sache doch anders: steil, luftig, eindrücklich und fordernd, das sind in etwa die Attribute. Natürlich sind die Wände nicht Hunderte von Metern hoch, aber auf die Kosten kommt der MSL-Fan da durchaus. 

Epilog

Während es für Viktor nach Hause ging, waren die Ostertage für mich klettermässig noch nicht abgeschlossen und die Entdeckungsreise im Bieler Jura fand ihre Fortsetzung. Am Folgetag in der Gorges du Court: wir widmeten uns der Sportkletterei in den ostseitig ausgerichteten Wänden. Die höchste davon ist die Paroi des Romains, wo man ebenfalls einige kurze MSL findet, die wir als Alternativziel zu Plagne diskutiert hatten. "For the fun of it" und für einen Einblick gönnte ich mir mit Jerome den freihängenden 70m-Abseiler über dieses steile Gemäuer. Und ja, auch da findet man ganz bestimmt den Nervenkitzel und die Luft unter den Sohlen, die man sich auf einer MSL wünscht... 

Freihängender Mega-Abseiler über die Paroi des Romains.

Mittwoch, 3. April 2024

Skitour Firzstock (1923m): die Gunst der Stunde genutzt!

Am Sonntagmorgen gab es ein überraschendes Erwachen. Nach einem erneut sehr milden Winter war es Ende März tatsächlich nochmals weiss vor der Haustür. Tagsüber blieb es kalt, trüb und es folgten weitere Schneeschauer – naja, für einmal verschmerzbar, die Efforts vom Zigerschwitz forderten sowieso ihren Tribut. Zeit also, um Arbeit zu erledigen und sich so Zeitfenster für zukünftige Ausflüge bei besseren Bedingungen zu erschaffen. Denn die standen schon vor der Tür, war doch der Montag sehr sonnig angesagt.

Der Gipfelhang am Firzstock vorne, hinten das Massiv vom Mürtschenstock.

Mir war es vergönnt, über die Mittagszeit ein freies Zeitfenster organisieren zu können. Allzu weit würde ich damit nicht kommen, aber für den Firzstock sollte es gerade reichen. Dass der untere Teil der Tour vor den neusten Schneefällen bereits aper war, hatte ich bei meinen Sessions auf der Galerie mit eigenen Augen gesehen. Aber der famose Gipfelhang war noch eingeschneit, zusammen mit dem Neuschnee hoffte ich auf einen lohnenden Mix. Die (Neu)schneekarten nährten meine Zuversicht, aber nichtsdestotrotz, es war ein Experiment mit ungewissem Ausgang. 

Unten ist schon Frühling, in der Mitte kehrt er rasch zurück, aber oben hat's noch Schnee!

Schon bevor ich den üblichen Ausgangspunkt zur Tour in den Hüttenbergen erreicht hatte, waren die Wiesen weiss – zum Skifahren (noch zu) knapp, allerdings. Die Option Schneetaxi machte sich wieder einmal bezahlt: mit E-Unterstützung (und entsprechendem Fahrkönnen) ging’s bis nach Altstafel (1223m) – aufsteigend mit den Fellen loslegen hätte man wohl bereits bei der Brücke P.1060 können, eine Abfahrt dahin auf dem Rückweg wäre jedoch nicht drin gewesen. Ab Altstafel war es in dieser Hinsicht besser, nur waren die ersten 200hm in Sachen Stollenbildung zum Verzweifeln: an sonniger Exposition unter den Bäumen war es schon pflotschig-feucht, während im Schatten noch eiskalter Powder lag. Dementsprechend anhänglich war der Schnee, durchbeissen bis zum P.1433 war aber die beste Option. Ab da ging es vom Alpweg ins freie Gelände, Zeit für einen Fellwechsel, damit war die Mühsal vorbei.

Wechselzone Bike/Ski, bei Altstafel (1223m), mit einer coolen Anfahrt bis dahin.

Der Rest vom Aufstieg war dann trotz der Spurarbeit purer Genuss: angenehme Bedingungen, super Ambiente und die Aussicht auf eine geniale Abfahrt. Einzig auf dem windexponierten Gipfeldach lag in Gratnähe teils nur eine ganz dünne Pulverauflage auf einer blankgefegten, pickelharten Regenkruste, was mich zu etwas flacherem Gehen und einigen Extra-Spitzkehren zwang. Aber schliesslich war das Top erreicht. Der Blick auf die Uhr verriet, dass zwar noch eine Pause drin lag, die Zeit für Extravaganzen (d.h. einer angedachten Doppelbefahrung der Gipfelpartie) aber nicht mehr vorhanden war – da hatten Stollen, Fellwechsel, Spuren und die Extra-Spitzkehren zu viel Aufstiegszeit gefordert.

Blick zu Walensee, Churfirsten und Alvierkette.

Aber anyway, die Nicht-Wiederholbarkeit einer Tourenabfahrt gibt dem Ganzen ja auch etwas einzigartig-einmaliges, das einen die Sache umso mehr geniessen lässt. Schon im Aufstieg hatte ich die Ideallinie mit einer soliden Pulverauflage identifiziert und die wurde dann zu 100% wie geplant in die Tat umgesetzt – einfach absolut geniales März-Skiing, das Privileg diesen Megahang als Erster befahren zu können, ist ja eh unschlagbar. Bis auf etwa 1350m hinunter gab es Unterlage und damit Top-Conditions. Aber dann war schlagartig fertig, die letzten 50hm zur Alpstrasse erforderten dann sehr defensive Herangehensweise. Aber es ging mit den Ski, ebenso wie die Alpstrasse zurück zum Altstafel, wo sich schon die ersten aperen Lücken aufgetan hatten. 

Fantastische Verhältnisse am Gipfelhang, und das Ende März auf nur 1900m!

Absolut richtig war der Entscheid gewesen, mit dem Bike dahin zu fahren, runter zur Brücke P.1060 wäre es inzwischen ein ständiger Wechsel zwischen Fahren und Gehen gewesen. Mit dem Bike runterzufetzen war ein grosser Spass und erlaubte eine zügige Rückkehr zum Ausgangspunkt – wo flugs die Ware eingepackt wurde, denn mein Freizeitfenster näherte sich schon dem Ende zu. Daheim blieb gerade noch Zeit, um mich frisch zu machen sowie ein kühles Getränk und ein Zmittagplättli bereitzumachen, bevor das erste Meeting bestritten werden wollte.