Rechtzeitig auf die Sommerferien wurden die Reiserestriktionen in unsere Nachbarländer aufgehoben und auch der topaktuelle Führer für den Klettergenuss im Süden ist da. Vor Kurzem lag das nun aus zwei Bänden bestehende Werk als Geschenk des Autors Sandro von Känel in meinem Briefkasten - vielen herzlichen Dank dafür. Darum folgt an dieser Stelle eine kurze Vorstellung, wie immer natürlich auch ergänzt mit ein paar Verbesserungsvorschlägen.
Der Plaisir SUD 2020 kommt neu in 2 Bänden
Beschrieben sind total 84 Gebiete von der Dauphiné über das Aostatal, die Ossolatäler, das Tessin, die Region Lecco, Chiavenna bis zum Bergell. Natürlich waren in der letzten Ausgabe von 2011 manche Felsen auch schon beschrieben. Aber fast überall wurden neue Touren erschlossen, es wurde saniert, Zugänge und Parkplätze haben sich geändert und eben, manch tolle Neuheit wird im Plaisir SUD nun das erste Mal in gedruckter Form publiziert, wie z.B. die Geisha Walls im Tessin. Wie immer hat Sandro einen enormen Aufwand betrieben, um Recherche zu betreiben und seine Erkenntnisse in hoher grafischer Qualität auf Papier gebracht. Dieser vollständige, klare aber trotzdem sehr übersichtliche Stil ist ganz klar ein grosses Plus und Alleinstellungsmerkmal vom Hause Filidor. Da kann man einfach nur blättern und sich auf die Ferien freuen - für (fast) jeden, vom Anfänger bis zum Crack finden sich lohnende Ziele zuhauf. Wenn ich z.B. das Gebiet Agaro aufschlage, so kann ich es kaum erwarten, in der Ico (11 SL, 6c, 4*) Hand anzulegen!
Das Gebiet Agaro im Ossola - da muss ich mal hin!
Was kann man sich da noch mehr wünschen?!? Zum Beispiel einen möglichst vollständigen Extrem-Führer für die Dauphiné, aber eigentlich hätte ich ja gerne für jedes Klettergebiet der Welt einen Filidor-Führer zur Verfügung :-) Zwei Kritikpunkte sind mir aber aufgefallen: für mich persönlich ist es absolut logisch, Bücher, Gebiete und Routen "von links nach rechts", d.h. von SW nach NE zu ordnen. Dieser Logik wurde im Plaisir SUD nicht Folge geleistet. Band I beschreibt Ossola-Tessin-Lecco-Bergell und Band II Dauphiné-Aosta. Noch dazu sind in Band II die Gebiete von rechts nach links und im Band I von links nach rechts nummeriert. Das erscheint mir unnötig kompliziert. Darüber hinaus wäre es sicher auch nützlich gewesen, die Bände bzw. die SUD-Reihe etwas klarer zu identifzieren, z.B. mit einem Farbstreifen auf dem Cover oder Buchrücken. In meinem Regal stehen nämlich alle Filidor-Führer - auf Sämtlichen prangt ein sehr schönes Titel-Kletterfoto. Jedoch mit dem Nachteil, dass sich diese alle gleichen (farblich, Stil) und es gar nicht mal so einfach ist, auf den ersten Griff das gewünschte Werk zu identifizieren.
Ein paar Filidor-Führer stehen schon im Regal (es haben nicht mehr alle in der Frontreihe Platz...).
Der Plaisir SUD ist ab sofort im Fachhandel zu erwerben oder kann auch direkt (einzeln oder kombiniert) beim Filidor-Verlag bestellt werden. Mit enthalten im Buch ist auch ein Code, mit welchem die laufend aufdatierten Inhalte des Plaisir SUD in der Vertical-Life-App für 3 Jahre freigeschaltet werden können.
Endlich wieder einmal reicht es Kathrin und mir für eine gemeinsame MSL-Tour. Unter leicht erschwerten Bedingungen allerdings, weil wir erst noch Arbeiten müssen, können wir erst am späten Vormittag los. Unser Plan A spielt sich am Klausenpass ab, doch der Blick von Altdorf hinauf heisst wie schon vermutet nichts Gutes: alles ist dick in Quellwolken eingehüllt und in der Nebelsuppe zu schlottern macht keinen Spass. Die Alternative ist sofort zur Hand, die Teufelstalwand ist ebenso zügig zu erreichen und ein optimales Ziel für eine Kletterei an einem Juni-Nachmittag mit stabilem Wetter. Nachdem ich schon Laura (7a), Wilde 13 (7b) und das Pissoir du Diable (6b) hatte klettern können, ist dieses Mal der Alpentraum (7a) die logische Wahl. Und die entpuppt sich als absolut genial - super Kletterei von Weltklasse-Zuschnitt, wirklich eine Traumkletterei für den ganzen Alpenbogen, dazu perfekt mit BH gesichert. Definitiv die Route, die mir an der Teufelstalwand bisher am besten gefallen hat.
Die Teufelstalwand rückt ins Blickfeld. Zuerst heisst es aber, ins Inner Teufelstal an den Einstieg zu kommen...
Da wir eher spät unterwegs sind, spielen wir mit dem Gedanken, für dieses Mal eine Bewilligung zu lösen, damit wir die Bergstrasse von Nätschen Richtung Gütsch befahren können. Allerdings hat über Mittag das Tourismusbüro gleich beim Bahnhof in Andermatt geschlossen und bei der Kooperation Urseren ist auch niemand erreichbar. Einmal beim Fahrverbotsschild oberhalb des Bahnhofs angelangt sehen wir dann, dass man auch per Smartphone (mit Twint-App) bezahlen kann. Die Taxe beträgt allerdings satte 30 CHF, was uns für die wenigen eingesparten Höhenmeter dann doch zu viel an Obulus ist. Wir stationieren unser Mobil an dieser Stelle, laufen ein paar Minuten nach 13.00 Uhr los und wählen den Zustieg durch den Kirchbergwald. Folgt man den Pfaden gemäss Karte, so ist ein Höhenverlust von 60hm nicht zu vermeiden. Da im Gelände (vorerst) direkte Pfadspuren locken, versuchen wir eine Abkürzung. Diese gelingt und vermeidet den Höhenverlust, erfordert aber teilweise etwas Bushwhack und ich bin mir nicht sicher, ob ein Zeitgewinn resultierte. Wobei, wenn mehr Leute so gingen und jemand vielleicht einmal noch eine Heckenschere mitnehmen würde, hätten wir den ideal-effizienten Zustieg. Einmal auf dem Tüfelstalboden heisst es dann, weitere 100hm zur Abseilstelle zu vernichten. Für den ersten 45m-Abseiler müssen wir selber das Seil einfädeln, nachher war ein Fixseil vor Ort, so dass wir zügig und ohne Seilverhänger-Sorgen in die Schlucht gelangten. Super wäre es, wenn jemand für den ersten Abseiler auch noch ein Fixseil platzieren könnte (wenn man das jeweils im Voraus wüsste...). Der Bach war problemlos zu überqueren, jenseits querten wir, stellenweise sumpfig und mit Fixseil gesichert, horizontal zum Einstieg. Um 14.00 Uhr konnte der Startschuss fallen.
Auch von näher hat die Wand nicht ganz auf dem Apparat Platz. Man sieht den Verlauf ab L2 bis zum Ausstieg.
L1, 35m, 6a: Schöne Wandkletterei mit ein paar kniffligen Stellen, z.B. fordert ein erster kurzer Piaz, dann eine leistige Rechtsquerung an einem Aufschwung, bevor es einfacher über eine Verschneidung bzw. Rampe zum Stand geht. Gar nicht mal so einfach für eine 6a!
Dem Teufelstal wieder entronnen - auf der Rampe am Ende von L1 (6a).
L2, 25m, 6c: Sehr schöne Sequenz! Der Blick auf die steile, sehr eng gebohrte Piazverschneidung lässt etwas befürchten, das ist ja bekanntermassen nicht mein favorisierter Kletterstil. Schlussendlich ist es gängiger als gedacht, der Riss ist meist recht tief und scharf geschnitten, zum Treten ist auch nicht alles glatt. So fordert vor allem eine kurze Stelle, wo der Riss etwas mehr geschlossen ist und später dann der Wechsel von Layback zu Stem. Nach diesem strengen Auftakt geht es dann etwas gemütlicher und griffiger, aber nie leicht oder langweilig etwas rechtshaltend voran.
Ausblick auf die geschlossen wirkende Verschneidung mit Voll-Piaz in L2 (6c) - geht aber gut!
L3, 25m, 6c: Hier folgt die Route einem hammermässigen Splitter-Crack, das weckt viel Vorfreude. De visu sieht er weder sehr lang noch sehr schwierig und erst noch komplett eingebohrt aus. Einmal darin engagiert, ändert sich die Wahrnehmung dann durchaus: es ist steil, der Riss hat (für mich) gerade die ungünstige Thin Hands Dimension (d.h. die Finger klemmen nicht richtig und die Hand passt kaum rein, so dass sie ebenfalls nicht klemmt), alles ist etwas flutschig und zum Treten gibt's auch nix, die Füsse im Riss zu verklemmen ist die Devise. So war das für mich definitiv eine der anspruchsvollsten Stellen der Route, in der 7a und der 6c+ weiter oben konnte ich deutlich relaxter passieren. Die Absicherung mit BH ist wie erwähnt prima, dennoch dünkte mich der Klipp des zweiten Bolts aufgrund der labilen Position etwas risky - wenn der in die Hose geht, so hätte es wohl schon Weh getan. Mit einem Cam (wohl 0.75) könnte man das entschärfen. Damit nicht fertig, der Riss entwickelt sich zu einem Flared Slot, wo dann zum Glück auch noch ein paar "normale" Griffe auftauchen und weiterhelfen. Juggy geht's weiter über den Steilaufschwung, bevor man an einer letzten Piazverschneidung anpackt.
Ausblick auf den Splitter Crack in L3 (6c) mit den nachfolgenden Slot - alles länger, steiler und schwieriger, wie es aussieht!
Die Gegenperspektive - auch am Ende von L3 (6c) darf nochmals herzhaft, wenn auch einfacher gepiazt werden.
L4, 40m, 6b: Tolle Turnerei durch die grosse Verschneidung. Unschwierig gelangt man zum Kerzendepot im Biwak, danach geht's anhaltend in die Höhe. Der Riss im Verschneidungsgrund ist sehr breit, knieklemmend könnte man oft No-Hand-Rasten. Obwohl das Gelände aus Distanz sehr gleichbleibend aussieht, so sind die Moves äusserst abwechslungsreich. Einmal bietet die Wand links Leisten, hin und wieder kann man gut spreizen, dann piazt man an der Kante oder benutzt die Henkel, welche gut verkeilte Blöcke im Grund der Verschneidung bieten - super Fun! Erwähnenswert: hier sind die Hakenabstände im Vergleich zu manch anderer Seillänge spürbar weiter ausgefallen. Zum Abschluss gibt's dann ein henkliges Dach und dann - links draussen, ein letzter Piaz-Move.
Falls es nötig wäre... wobei es bei einem der meist bequemen Stände sicher angenehmer wäre als in dieser Nische.
L5, 30m, 6a: Vorerst gemütlich klettert man genussreich und spektakulär an Rissen und später spreizend mit der Wand des markanten Turms, welchen man fast, aber dann doch nicht ganz ersteigt. Die Crux folgt mit dem Wechsel vom Turm an die Wand. Die Absicherung ist auch hier gut, aber trotzdem sollte der Vorsteiger es im Griff haben, das Sturzgelände wäre da ungut. Rechtshaltend geht's dann gutgriffig durch die Wand, resp. an kleinen Verschneidungen zum Stand. Insgesamt wieder einmal eine 6a, die gar nicht mal so einfach ist.
Der Turm in L5 (6a), sicher nicht für die geologische Ewigkeit gemacht...
L6, 40m, 7a: Die Cruxlänge, was für ein Gerät, megagenial! Gleich etwas knifflig geht's aus dem Stand raus, wobei der Abstand zum zweiten BH leicht allegro ist. Dort kann man wieder etwas durchschnaufen und nun in der seichten Verschneidung meist auf Gegendruck vorwärtsmoven, wobei dank ein paar besseren Griffen oder Tritten immer wieder einmal geschüttelt werden kann. Als nächstes auf dem Programm steht eine kräftige Untergriffquerung, zu deren Abschluss man sich knifflig nach rechts auf eine geneigte Rampe (Rastpunkt) drücken muss. Mit einem Spannweitenzug gelangt man wieder nach links ins das Riss-/Schuppensystem, das man schon zuvor benutzt hat. Dieses wird steiler, die Griffe/Kante werden tendenziell nicht besser/runder, die Kletterei ist anhaltend. Doch an der entscheidenden Stelle bietet dann wie von Zauberhand die Wand plötzlich etwas Struktur, so kann gecrimpt und schlau angetreten werden und die Thank-God-Jug rückt hoffentlich in Reichweite, bevor dem Kletterer der Saft ausgegangen ist - supercool! Ganz final wartet dann noch eine feine Rechtsquerung, dem Bolt sei Dank macht der Vorsteiger diese im Toprope und profitiert vom Gewicht des Seils, was die Sache fast banal macht - würde man hier 3m über der letzten Sicherung klettern, so hätte der Balancy-Move bestimmt eine andere Dimension.
Auch wenn es in der Cruxlänge (L6, 7a) weiterhin Risse, Schuppen und Verschneidungen hat, so herrscht insgesamt doch mehr Wandklettercharakter vor. Wie man sieht, ist die Felsqualität hier super - der Granit orange beinahe wie in Chamonix und doch auch ordentlich strukturiert. Sonst ist das Gestein an der Teufelstalwand doch vielerorts eher grau-grün-schwarz, mit weniger Reibung und Struktur.
L7, 20m, 6c+: Von unten sieht diese Länge ein wenig nach dem Teflon Corner der Teufelstalwand aus, viele andere Berichte schreiben von technischer Kletterei. Aber schlussendlich ist die Sache für mich doch ganz anders wie erwartet. Es hat viel mehr Griffe wie gedacht, gestemmt wird nur wenig, man movt viel mehr athletisch im Piaz oder an Leisten, wobei ich mich bei einer ganz entscheidenden gefragt habe, wie diese genau an der richtigen Stelle in die Wand gezaubert wurde... Nach etwas Antreten im Verschneidungsgrund steht man schliesslich unter der finalen Untergriffschuppe, wo mit den Füssen auf Gegendruck nach links in die steile Wand gequert wird: tricky Auftaktmove, dann kurz dranbleiben, mal kurz den Bizeps spannen oder mit Dynamo auf den Sloper patschen und ein Mantle - das ging viel müheloser wie erst gedacht. Eine total geniale Sequenz, zudem sehr eng mit Bolts ausgestattet.
An Untergriffen Druck auf die Reibungstritte bringen und einen weiten Move patschen heisst es am Ende von L7 (6c+)
L8, 20m, 5c: Kurzes Überführungsstück, immer griffig und tendenziell auch etwas piazig der Verschneidung entlang - für einmal wirklich eine gemütliche Sache. Zum Schluss in speziellem, schiefrigem Fels nach rechts raus. Wer mag und genügend Exen mitführt, kann diese Sequenz problemlos an L7 anhängen.
Seitenblick zu unseren Nachbarn in der Laura (7a). Da geht's nicht ganz so schnell vorwärts...
L9, 25m, 6c: Erst links an der griffigen Schuppe, dann eine Hangelquerung entlang der Ameisenstrasse, bevor ein Mantle auf's Band vor der entscheidenden Verschneidung führt. Gemütlich lässt diese einen an sich ran - Griffe und Tritte, alles da. Doch zu früh gefreut, plötzlich wird es doch noch herb! Der Riss verengt sich, die Tritte schwinden. Schon powerig erreiche ich ziemlich ausgestreckt einen Untergriff. Nun heisst's aber noch, mit den Füssen einen verwirrenden Tanz auf dem glatten Parkett hinzulegen, bevor Finger und Arme ihren Dienst quittieren. Da war ich doch plötzlich und etwas unverhofft am Limit, dank einem kreativen Dropknee an der Verschneidung und dem Risiko-Flucht-nach-vorne-Schalter, der sich betätigen liess, ging es auf. Geil-o-mat - wäre auch schade gewesen, hier noch den Komplett-Onsight zu vergeigen! Zuletzt dann deutlich nach rechts und easy in einer gestuften Verschneidung zum Stand.
Sieht gutmütig aus, aber ab dieser Position gilt es nochmals ernst - der Onsight-Spoiler wartet in L9 (6c).
L10, 45m, 5a: Gemässigte, plattige Kletterei über teils etwas flechtige Platten und bucklige Aufschwünge, wobei immer mal wieder ein Henkel oder ein abgesägter Baumstumpf einen guten Griff hergibt. Am schwierigsten sind die letzten Moves zum Stand hinauf - gut verlängern hilft hier sicher, um potenziellen Seilzug einzudämmen.
Die letzte Länge (L10, 5a) hat plattigen Charakter und ist zwar lang, aber zügig erledigt. Passt dann zu diesem Zeitpunkt!
Um 18.45 Uhr und somit nach 3:45h begeisternder Kletterei sind wir am Ausstieg. An sich wäre der Platz superbequem um sich der Lektüre des Routenbuchs zu widmen, wo sich schon viele zufriedene Begeher eingetragen haben. Allerdings hat es viele Ameisen, welche ganz gierig darauf sind, endlich wieder einmal einen Menschen besteigen zu können. So gibt's nur kurz ein Guetsli für uns, sowieso sollten wir langsam abdampfen, damit wir daheim sind wenn die Kinder von ihren Trainings zurück kommen und um sie ins Bett zu stecken. So hampeln wir wie üblich die Fixseile hinauf, wie jedes Mal bisher fahren diese 'unnötigen' 150hm Aufstieg wenn man doch eigentlich heim und hinunter wollte nochmals in die Beine. Später dann querend, durchs Couloir absteigend und nochmals querend gelangen wir zur Strasse und über diese zurück zum Nätschen (Zeitbedarf ca. 45 Minuten). Höchst zufrieden über diese absolut geniale Tour zuckeln wir über die angenehm leeren Strassen heim.
Weltklasse, da gibt es keine Zweifel! Fels und Kletterei im Alpentraum überzeugen auf der ganzen Linie, die Schwierigkeiten sind anhaltend, homogen und die Moves abwechslungsreich, das Ganze auf einer logischen Linie, die geradlinig gen Himmel zieht. Hingehen und Klettern, kann man da nur sagen. Mitnehmen muss man nur 14 Exen, da die ganze Route mit zahlreichen Inoxbolts ausgestattet ist. In gewissen Passagen stecken diese sehr eng (xxxxx), bei anderen (auch schwierigen Stellen) ist der Anspruch dann aber doch wieder etwas höher und man muss auch zwischen den Haken etwas bieten (xxxx). Alles in allem aber eine richtige Clip & Go Kletterei, einfach zum Geniessen. Und ich muss sagen, mir hat das enorm Spass gemacht - viel mehr als in den cleanen Trad-Routen nebenan, wo man sich erst mordsschwer mit Gear behängt, nachher mehr am Rumfummeln als am Klettern ist und sich beständig die besten Griffmöglichkeiten mit Cams blockiert. So erstaunt es natürlich auch wenig, dass ich den Alpentraum trotz auf dem Topo ähnlichen Schwierigkeiten als viel einfacher wahrgenommen habe als die Trad-Routen links - man kann viel schneller und offensiver klettern, die mentale Komponente spielt möglicherweise zusätzlich eine Rolle. Insgesamt dünkte es mich, dass der Alpentraum mehr ein Fall von 6b anstatt 6c obligatorisch ist - trotzdem soll man die Route nicht unterschätzen, insbesondere da ein Rückzug in die Schlucht zwar problemlos wäre, der Ausweg aus dieser aber schwierig zu finden, mühsam und nicht ungefährlich ist.
Der Indianerpfeiler markiert eine der ersten, modern geprägten Routen durch die Hauptwand am Ofen. Auch wenn keine extremen Schwierigkeiten warten, so wurde hier 1983 doch mutig in die kompakten Wandzonen hinein geklettert. Im Laufe der Jahre wurde die Tour dann durch das Hinzufügen von Sicherungspunkten in eine Plaisirroute umgestaltet. Nachdem ich schon viele der (zum Teil deutlich schwierigeren) Routen an der Ofenwand hatte klettern können, schien eine Begehung von diesem Klassiker gar nicht mehr allzu wahrscheinlich. Doch dann, an einem Tag wo mit löchrigen Fingern und müden Muskeln sportklettermässig nichts mehr gegangen wäre und auch das Wetter keine Ausflüge höher hinauf zuliess, trat mein Kletterpartner mit diesem Vorschlag an mich heran. Das war die ideale Gelegenheit, um sich einen weiteren Punkt im 'Moderne Zeiten'-Sammelkonto gutschreiben zu lassen.
That's why... Klettern nur mit dick getaptem Finger möglich - für einfachere MSL ok, Sportklettern am Limit unmöglich.
Die Webcam am Bonistock zeigte frühmorgens nichts Erbauliches, selbst die überhaupt nicht anfällige Ofenwand war aufgrund vom mauen Wetter der vergangenen Zeit und nächtlicher Niederschläge schwarz. Zeit für einen zweiten Kaffee und etwas Kontemplation. Schliesslich obsiegte die Überzeugung, dass es später am Tag dann schon gehen würde, was sich schliesslich absolut bewahrheitete. So starteten wir um 11.20 Uhr am üblichen Ausgangspunkt in Turrenbach (P.985). Wie immer zuletzt hatte ich das Bike mitgebracht, so hiess es vorerst tüchtig in die Pedalen zu treten. Jedes Mal vergesse ich von neuem, wie steil und anstregend diese Strasse doch zu befahren ist. Vielleicht besitze ich bis zum nächsten Mal dann das E-Bike, welches diesen Abschnitt so viel bequemer machen würde. Ein Blick auf die Uhr zeigte, dass ich auch dieses Mal wieder meine Standard-Zeit von 35 Minuten bis zum Unter Boden (P. 1455) benötigte. Wobei man ehrlich gesagt auch nicht viel langsamer fahren könnte, da man dann schlicht und einfach mangels Tempo umfallen würde.
Die rabenschwarz nasse Ofenwand genau im Zentrum des Bildes, am Huetstock liegt sogar etwas Neuschnee!
Zu Fuss ging es weiter, schliesslich trafen wir nach total 85 Minuten reichlich verschwitzt am Wandfuss ein. Dort ergab sich eine spezielle Begegnung mit einem Solo-Aspiranten, der uns den Vortritt gewähren wollte, was wir als für alle sinnvoll erachteten und dankend annahmen. Doch obwohl er keine 10 Minuten auf das Freiwerden der ersten Länge hätte warten müssen, zog er schliesslich doch frustriert und grummelnd davon. Ein paar Minuten nach 13.00 Uhr hatten wir losgelegt.
Bis wir da waren, hatte die Situation massiv gebessert. Ein- und Ausstieg vom Indianerpfeiler sind auf dem Foto markiert.
L1, 30m, 4b: Eine grauenhafte Seillänge, die einem Graskanal entlang in die Höhe führt. Der Fels ist lottrig hoch 7, auch liegt lose Ware herum. Hier ist echt Erfahrung in solchem Gelände gefragt, sonst wird das sogar gefährlich. Es ist mit Abstand die schlechteste Seillänge, die ich am Ofen je geklettert bin.
Man sieht's, wenig erbauliches Gelände in L1 (4b).
L2, 30m, 5b: Die ersten Meter sind auch noch nicht restlos überzeugend, d.h. der Fels nach wie vor nicht besonders solide. Nachher bessert es aber zum Glück gewaltig und es wartet die auf dieser Höhe typische, so richtig coole Ofen-Backstein und Querschlitz-Kletterei mit einem steilplattigen Finish. Für den angegebenen Grad ist das erstaunlich athletisch bzw. fein, eine Bewertung von 5c+ erscheint wesentlich realistischer.
Kompaktes Gelände und schöne Kletterei am Ende von L2 (5b).
L3, 30m, 5c: Zuerst geht's weiter im Stil von L2, d.h. Backsteine und Querschlitze. Über eine geneigte Zone kommt man dann zu einer Verschneidung, welche es emporzusteigen gilt. Während die Wand sonst gut abgetrocknet hatte, war diese noch komplett nass, aber dennoch problemlos zu bewältigen. Insgesamt dünkte mich dieser Abschnitt spürbar einfacher wie L2.
L4, 35m, 6a: Eine sehr schöne Seillänge mit etwas verzwickter Linienführung, lange Exen helfen potenziellen Seilzug einzudämmen. Erst rechts, dann links geht's über Steilplatten, Querschlitze und Tropflöcher in die Höhe. Am Ende gilt es dann, nochmals nach rechts zu queren zum Hängestand. Es zahlt sich jedoch aus, noch weitere 5m zum deutlich bequemeren Stand der Chrüzspinne zu traversieren. Der Schwierigkeitsgrad passt etwa, die 6a+ von C2C könnte auch hinkommen.
Sehr schöne und grosszügige Kletterei wartet in L4 (6a).
L5, 25m, 6b: Sofern man diese nicht schon zuvor geklettert hat, folgt nun die Querung nach rechts zum Chrüzspinne-Stand. Nun gilt es, die rechte Hakenlinie zu wählen (links wäre die Chrüzspinne). Ziemlich knifflig führt ein Riss durch die steile Wand. Ein paar Klemmer, ein schöner Untergriffzug und ein ominöser Absatz am Riss helfen weiter. Geschenkt ist diese Passage nicht, 6b mag schon sein, die 6b+ von C2C könnte noch besser stimmen.
Zauberei? Nein, Kneebar! Nachher geht's in L5 (6b) dann entlang von einem Riss zur Sache.
L6, 40m, 6b+: Hier könnte man nochmals fälschlicherweise gerade hinauf in die Chrüzspinne abdriften, aber der Indianerpfeiler führt über die etwas splittrig-geneigte Zone deutlich nach rechts. Einige Topos zeigen einen Stand am Fuss des Dachriegels, vor Ort habe ich diesen jedoch nicht wahrgenommen. Grundsätzlich wäre es aber schon sinnvoll, am Fuss des Riegels Stand zu machen, denn sonst könnte ein Sturz trotz der engen Absicherung noch bald einmal auf dem flachen Gelände darunter enden. Der Überhang ist dann richtig athletisch und ohne sich kurz mal gescheit festzuhalten und einen weiten Move durchzuriegeln geht das nicht, was den Rahmen der Plaisir-Bewertung von 6b m.E. sprengt - alle anderen Topos bewerten mit 6b+, aber sogar die 6c von C2C könnte realistisch sein. Danach führt immer noch steile, sehr schöne Tropflochkletterei, zum Stand mit Wandbuch hinauf.
Nach dem anstrengenden Überhang folgt in L6 (6b+) sehr schöne Tropflochkletterei.
L7, 30m, 6a+: Hier klettert man nun der Kaminverschneidung entlang, steil und athletisch! Die linke Seitenwand ist bisweilen etwas brüchig, passt aber schon! Als Zeitvertrieb (und klettern ist ja nichts anderes) lässt es sich auch sehr schön in der rechten Wand alleine moven, teils gemeinsam mit dem Verlauf vom Game Girl. Zuletzt dann geht das nicht mehr, über die Schuppen steigt man athletisch zum Routenende aus.
In der teils kaminartigen Verschneidung oder rechts davon in der Wand klettert sich L7 (6a+).
Ein paar Minuten vor 16.00 Uhr hatten wir dieses erreicht, die Kletterei hatte uns also rund 2:40h in Anspruch genommen. Durch ein grasiges Couloir könnte man noch 15m zum Grat aufsteigen, müsste dann allerdings auf die zentrale Abseilpiste wechseln. Ich stand ja schon etliche Male auf dem Ofen-"Gipfel" und mein Kletterpartner verspürte das Reissen auch nicht, so fädelten wir gleich die Seile und glitten in die Tiefe. Das gelang super-effizient, mit 3x50m unter Benutzung der Stände von Schwarz Peter standen wir bereits wieder am Wandfuss. Das erfordert aber die Bereitschaft, das Seil wirklich bis zur letzten Faser auszunutzen und etwas Zutrauen, dass dann zum Seilende schon wieder ein Stand auftaucht. Am Wandfuss gab es auch nicht mehr viel zu tun, wir packten zusammen und gingen nach Osten, um über das Geröll zu surfen. Zügigen Schrittes marschierten wir retour zum Unter Boden und mit dem Bike in wenigen Minuten an rasanter Fahrt zum Parkplatz, wo sich der Kreis um 17.30 Uhr schloss. Schlussendlich war die ganze Tour doch prima aufgegangen, die Nässe war kein Faktor gewesen, das Wetter hatte gehalten und der Indianerpfeiler bot sehr schöne Kletterei mit einigen "nicht ganz ohne"-Stellen, das war doch wirklich ein perfektes Programm als Ruhetag für einen geschundenen Sportkletterer.
Ursprünglich eine kühne Freikletterroute, heute zu einer schönen Plaisirtour umfunktioniert. Nach einem einfachen, aber brüchig-herben Auftakt folgt tatsächlich prima Kletterei mit ein paar sehr lässigen Passagen und einem zähen Überhang als Schlüsselstelle. Die Route ist nach mehrmaligem Hinzufügen von Sicherungspunkten nun prima auf Stufe "Plaisir gut+" bzw. xxxx gesichert. Hier und da könnte man in den Querschlitzen schon einen Cam versorgen, wenn man denn wollte. Als nötig empfunden haben wir dies jedoch nirgends. Der Ofen ist in diversen Topos enthalten (Plaisir Ost, Extrem Ost, SAC-Kletterführer Zentralschweizer Voralpen). Eine vollständige Übersicht erhält man gratis und franko auch hier. Zuletzt noch der übliche Hinweis: die Strasse zum Unter Boden darf (und soll!) mit dem Auto nicht befahren werden. Das Klettern am Ofen ist vom 15.11.-15.5. nicht erlaubt und bis am 15.6. besteht zusätzlich ein empfohlener Kletterverzicht.