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Freitag, 23. November 2012

Gonzen - Miss Marple (7b)

Die Absicht war, mit Kathrin nochmals eine lange Route zu klettern diesen Herbst. Doch wenn Mami und Papi an den Fels wollen, so muss auch für die Kinder gesorgt sein. Wir können hierbei zwar auf ein sehr gutes Netz zählen, doch dieses Mal war es schwieriger, und wir hatten die Tour bereits abgeschrieben. Spontan meinte dann mein Vater, es wäre doch Sünd und Schade, wenn wir diesen traumhaften Herbsttag auslassen würden. Er würde die Kinder den ganzen Tag hüten. Für ihn eine Premiere, einen ganzen Tag zu 100% alleine zuständig zu sein. Das ist die Grundlage, warum dieser Bericht überhaupt existiert, darum an dieser Stelle herzlichen Dank.

Herbstliches Nebelmeer über dem Sarganserland, gesehen von der Wang. Es blieb den ganzen Tag über erhalten.
Uns zog es derweil an den Gonzen. Der eignet sich für den Spätherbst bestens, da freistehend und sehr sonnig weit über dem Tal gelegen, mit einer Gipfelhöhe von nur 1829m. Der obere Wandteil hat mit rund 200m Höhe und 6-8 Seillängen auch das richtige Ausmass für eine November-Tour. Während ich vor ziemlich genau einem Jahr mit Dani die erste Rotpunktbegehung von Metronom (8a) machen konnte, sollte dieses Mal einer der Klassiker wiederholt werden. Gonzo, Ablöscher, Aischans Weg oder Miss Marple? Alle wären interessante Herausforderungen, für dieses Mal wählten wir die Miss Marple.

Zustiegsgelände. Wer genau hinschaut, erkennt die beiden Kletterer, die uns folgen.
Von Trübbach gelangt man auf einer guten Bergstrasse bis zu den Rieterhütten P.1576. Von da mit einem horizontalen Marsch bis zur Abbruchkante bei der Wang, wo man die Gemsweid hinuntersteigt, um aufs Band zu gelangen, auf welchem man inmitten der riesigen Gonzenwand den Einstieg erreicht. Im unteren Wandteil gibt es auch einige Routen, über welche man das Band erreichen könnte. Schon rein aufgrund ihrer Länge sind sie für den Herbst weniger tauglich. Und auch wenn sie interessante Kletterei in gutem Fels bieten, vermögen sie dem eher plattigen und von einigen Bändern durchzogenen Gelände wegen nicht gleich viele Begeher anzuziehen wie der obere Wandteil.

Der Zustieg aufs und übers Band ist zwar nirgendwo richtig schwierig und an den schwersten Stellen zumeist mit Fixseilen ausgerüstet, aber doch auf lange Strecke ausgesetzt (T5,I), so dass ein Ausrutscher ein böses Ende nehmen würde. Um ca. 10.45 Uhr waren wir, nach einem freundlichen Rencontre mit Blogleser Toni, am Parkplatz aufgebrochen, um 11.30 Uhr konnte es mit der Kletterei losgehen. Die Sonne bescheint die Wand um diese Jahreszeit bereits ab etwa 8.30 Uhr (Winterzeit), zwei Stunden früher dran zu sein wäre also gut möglich, war aber in unserer Situation, mit den Kindern und der Organisation darum herum, nicht zu realisieren.

Situation am Einstieg, steil geht's los. Rechts der Kletterer zwar nicht das Metronom-Dach, dieses sieht aber ähnlich aus.
SL 1, 20m, 6b+: die ersten Meter geht's noch einfach gerade hinauf bei sehr enger Absicherung, danach wird nach links gequert. Erst eher technisch, wo gutes Hinstehen und sauberes Positionieren gefragt ist. Dann werden aber bald Bizeps und Unterarme gefordert. Die Kletterei an den schräg verlaufenden Querschlitzen mit den Auflegern-Henkeln ist pumpig und erstaunlich knifflig, am Stand ist man um eine erste Ruhepause nicht unfroh.

SL 1 (6b+) ist wohl meist henklig-griffig, aber man sieht's dem Seil an, auch sehr steil und ziemlich pumpig.
SL 2, 20m, 6c+: gleich vom Stand weg kommt die Crux in Form einer zähen Boulderstelle. Von guten Untergriffen muss an Tropfloch-Rauhigkeiten ein Aufrichter an schlechten Tritten eingeleitet werden. Ein Sturz führt erst mal zum Zusammenprall mit Kathrin. Nachdem ich die Moves ausgiebig studiert habe, schaffe ich den Boulder dann knäppstens. Definitiv die Stelle der Route, die mir am meisten Mühe bereitet hat! Ich würde jedenfalls für eine Aufwertung auf 7a plädieren. Auch danach ist es nicht geschenkt, wenn auch nicht mehr ganz so hart. Die richtige Linie muss erkannt werden, zum Stand hin kommt dann an besseren Griffen auch wieder der Pumpfaktor ins Spiel.

Super Leisten-, Loch- und Schlitzparade zum Ende von SL 2 (6c+), bereits mit grandiosem Tiefblick.
SL 3, 40m, 6a+: aufgewärmt sind wir schon lange richtig, ja fast schon froh, dass nun eine gemütliche Seillänge kommt. Mit einem Linksbogen gelangt man auf eine plattige, wieder nach rechts ziehende Rampe und muss zuletzt eine einschüchternd aussehende Verschneidung hoch. Die eng steckenden Haken lassen Böses vermuten, doch einigen komfortablen Tritten sei Dank löst sich das Piazproblem easier und kraftsparender als befürchtet.

Kathrin auf der plattigen Rampe in der Mitte von SL 3 (6a+).
SL 4, 30m, 6b: vom Stand weg über eine nicht schwere Platte unter das Dächlein hoch. Da gilt es kurz mal anzuziehen, die Henkel oberhalb sind aber perfekt. Der Rest ist dann einfacheres Gelände im fünften Grad. Ein bisschen grasig auch, aber ok. Wir finden retrospektiv, dass dies die gängigste Seillänge der ganzen Route ist.

Unterwegs in der bis auf ein kurzes Dächli gutmütigen SL 4 (6b). Oben etwas grasig, stört aber nicht weiter.
SL 5, 25m, 7b: das bisschen Erholung war aber nicht schlecht, da jetzt die Cruxlänge wartet. Nach rechts hoch ist es zuerst einmal noch nicht schwer, dann gilt es einen Doppelwulst zu überwinden. Der erste Teil mit der eigentlichen Crux (?) geht mir erstaunlich problemlos von der Hand, eventuell dank vorteilhafter Reichweite?!? Der zweite Teil dann kniffliger, Seitgriff blockieren, in schlechter Untergriffschuppe etablieren und trittlose Querung danach nach links. Hart an der Sturzgrenze komme ich ganz, ganz knapp durch und habe den Henkel in der Hand. Nun sich nur noch zitternd, gempumpt und pumpend voll Adrenalin, über den einfacheren, athletisch-griffigen Piaz an den Stand retten. Onsight, so cool!

Steile Wandkletterei in SL 5 (7b), die letzten Meter sind aber formidabel griffig!
SL 6, 25m, 6c: Kathrin ist schneller am Stand als mir lieb ist, noch ohne voll bei Kräften zu muss ich weiter. Tatsächlich beginnt mein Bizeps zu krampfen. Die SL ist aber mehr technisch als pumpig-athletisch, daher komme ich dann doch problemlos durch. Schon zum 2. BH ein Bewegungsproblem, danach Reibung/Aufleger, ein kniffliger Move hoch an eine Schuppe, mal etwas kräftiger an Seitgriffen und zuletzt eine einfachere Linksquerung zum Stand. Gefühlt um Welten einfacher als SL 2!

Picobello Stimmung in SL 6 (6c). Die Schrofen rechts am Bildrand übrigens die Gemsweid, über die man zusteigt.
SL 7, 30m, 6a: Nach links hoch geht es, an zumeist sehr griffigen Querschlitzen. Oft fehlen aber die Tritte, d.h. man muss auf glattem Fels auf Reibung antreten, was die Sache etwas mühsam, anstrengend und irgendwie auch gar nicht so einfach macht. Aber ok, 6a kann schon sein. Übrigens gibt es auf dieser SL den einzigen Runout. Man könnte dort gut eine Sanduhr fädeln oder einen Friend/Keil legen. Es ging aber auch gut ohne, die Kletterei an jener Stelle ist nicht schwer.

Der Nebel sieht fast aus wie ein Gletscher, so war es wohl in der Eiszeit! Kathrin in SL 7 (6a).
SL 8, 25m, 6b: Man wähnt sich schon beinahe am Ausstieg und das nunmehr etwas grasig durchsetzte Gelände schaut von unten auch nicht mehr arg schwierig aus. Da der Fels aber zugleich plötzlich strukturarm, abschüssig und etwas glitschig ist, täuscht das sehr. Die Crux erfordert Leistenkrallen und gutes Anlaufen auf Reibung, um einen Untergriff zu gewinnen und dann ein Dächlein an scharfen Leisten zu handeln. Unter Ausnützung meiner Körpergrösse geht's kommod, wie macht man das, wenn man kleiner ist?!? Zuletzt dann die banal aussehende Verschneidung hoch, welche aber durchaus noch knifflig, aber zum Glück sehr gut abgesichert ist.

Die Sonne ist weg, ab nach Hause! Kathrin auf den letzten Meter in SL 8 (6b), die schwerer sind, als man meinen würde.
Um 16.15 Uhr erreichen wir das Top. Wow, das war jetzt eine richtige Superroute. Ich bin sehr zufrieden mit der Tourenwahl und meiner Performance! Wir verweilen aber nicht lange, sondern schlagen uns durch die Büsche und Lawinenverbauungen zum Weg durch, der in nur gut 20 Minuten retour zu den Rieterhütten führt. Sicher war es eine gute Idee, das komplette Gear mitzuführen, denn das Abseilen über die Tour und das Zurücksteigen über die Gemsweid ist schon viel zeitraubender (braucht ca. 1 Stunde mehr). Um nicht mit Rucksack klettern zu müssen entschieden wir uns mit dem Einfachseil zu klettern und an einer 50m-Line einen kleinen Haulbag aufzuziehen, was hervorragend geklappt hat.

So rollen wir um 16.45 Uhr talwärts, schon bald beginnt es einzudunkeln. Ein Anruf aus dem Bockmattli, wo Bekannte in ihrer Tour vermeintlich blockiert sind, schreckt uns auf. Wir stellen uns darauf ein, dort noch in einer Nachtaktion zu Hilfe eilen zu müssen. Schliesslich lässt sich das Problem mit genauen telefonischen Instruktionen aber beheben, meinen guten Kenntnissen des Geländes, dem fotografischem Gedächtnis und einem voll geladenen Handyakku sei Dank. So treffen wir zeitig bei Neni und den Kindern ein, die mit Spielen, Wasserfarbe malen, Keller streichen und Modellautorennen besuchen einen zufriedenen Tag verbracht haben.

Facts:

Gonzen - Miss Marple 7b (6b+ obl.) - Wälti/Götz/Gamper 1997 - ****, xxxx
Material: 11 Express

Tolle, abwechslungsreiche und bestens abgesicherte Route in zumeist rauhem, griffigem und solidem Fels. Nur vereinzelt gibt es wenige Grasbüschel, erst ganz am Schluss ist der Fels ein bisschen abschüssig-glatt. Ein bisschen entgegen dem, was das Topo suggeriert, ist schon solides Kletterkönnen (ca. ein 7a-Klettergartenniveau) nötig, um in der Tour Spass zu haben, 6b reicht da nirgends hin. Die Sache ist recht anhaltend und während die Absicherung, gerade an einfacheren Stellen, üppig ausgefallen ist, warten an den Schlüsselstellen in SL 2/5/6 dennoch zwingende Moves, die m.E. ein 6b+ obl. auf jeden Fall verlangen.

Links:

- Sehr guter und in den meisten Aspekten übereinstimmender Bericht von Chris Moser
- Webcam in Fläsch, die einen sehr guten Blick auf die Gonzenwand bietet
- Das sehr gute Originaltopo von Erstbegeher Thomas Wälti

Samstag, 17. November 2012

Ofen - Planet der Affen (7b+)

Der Martinisommer steht an, d.h. eine Inversionslage mit milden Temperaturen in der Höhe. Der Schnee und die ersten Skitouren von Ende Oktober sind längst wieder Geschichte, es ist nochmals Gelegenheit für eine MSL-Tour. Ein gutes Tourenziel für diese Jahreszeit ist der Ofen im Melchtal. Dank einer Gipfelhöhe von nur 2188m und exakter Südexposition erwehrt sich das Gebiet meist lange vor winterlichen Verhältnissen.

Um 8.50 Uhr starten wir im Melchtal von Turrenbach P.985. In normalen, aber zügigem Marschtempo sind wir nach 38 Minuten am Ende der Fahrstrasse bei Unter Boden P.1455. Weiter geht es über den noch schneefreien Bergweg und zuletzt einige Schrofenhänge an den Einstieg, den wir nach total 1000hm Aufstieg um 10.17 Uhr erreichen. Ging beim Anmarsch noch ein kühler Bergwind, sind die Temperaturen hier höchst angenehm. Wir vespern noch etwas, um 10.40 Uhr kann es dann losgehen.

Die gut 200m hohe Südwand am Ofen. Gut 15 MSL-Touren gibt es hier in diesem Sektor, der Hauptwand.
SL 1, 35m, 6c+: in zwei mir vorliegenden Berichten wird vor der herben Natur der ersten Seillänge gewarnt. Anspruchsvolle Absicherung und anhaltende Schwierigkeiten würden sie zur Crux in Sachen Hochkommen machen. In der Praxis folgt nach ein paar unschönen Startmetern mit Gras und hohlen Blöcken sehr gute Kletterei in bestem Fels. Senkrechtes Gelände, gespickt mit kleinen Grifflein an den richtigen Stellen, geht tiptop auf. Mässig abgesichert (xx), aber im Prinzip eine gängige 6c+.

SL 1 (6c+). Es hat schon regelmässig Bohrhaken, aber die Sache ist ernster, wie man auf den ersten Blick vermutet.
SL 2, 40m, 6b: zum Auftakt die Crux mit griffiger, leicht überhängender Kletterei an Querleisten. Weil der erste BH hoch steckt, droht ein unangenehmer Sturz in den Stand. Danach wird die Kletterei einfacher, dafür steckt nicht mehr viel, die Felsqualität lässt auch etwas nach. Ein 12m-Runout kann nicht entschärft werden, der Bolt kommt erst bei einer guten Friendstelle!?! Insgesamt: halt relativ easy, aber expo (xx).

Na ja, von SL 2 (6b) sieht man auf diesem Bild nur die letzten Meter. Dafür den imposanten Weiterweg sehr gut.
SL 3, 15m, 7b: hier wartet der erste überhängende Wulst. In leicht brüchigem Fels kommt man bei guter Absicherung (xxxx) athletisch aber problemlos unter die Dachlippe. Darüber hinweg wartet ein heftiger Boulder mit ganz und gar nicht einfach zu lesender Sequenz, bzw. einer eher unterwarteten Lösung. Dann einfach hoch aufs Querband und einige Meter nach rechts.

In der Crux von SL 3 (7b). Echt zäher Boulder an dieser Stelle, oberhalb vom Dach hat es nur noch schlechte Aufleger.
SL 4, 35m, 7b+: zum Start wieder eine stark überhängende Stelle: die ersten Meter noch nicht so schwer, griffig und leicht brüchig. Bald aber perfekter Fels und die Crux, wo man sich an einer Schuppe etablieren muss und mit einigen Vollgas-Gegendruckzügen zu den Henkeln oberhalb retten muss. Danach bleibt die Länge anhaltend, technische Kletterei an Querrillen und Tropflöchern wartet. Am Ende dann einfacher einer Verschneidung/Schuppe entlang, wo es dienlich ist, zwei Friends oder Keile dabeizuhaben.

Blick auf SL 4 (7b+). Die Crux bereits passiert, nun geht's im weniger steilen, aber anhaltend technischen Gelände zur Sache.
SL 5, 20m, 7a: technische Kletterei an perfektem Fels mit kleinen Schüpplein und Tropflöchern. Der Start ist gut gesichert. Nach dem dritten BH wartet die rund 3m lange Cruxsequenz, welche etwa 1m über dem Haken beginnt und daher (bei gutem Sturzgelände) zwingend in einem Runout gemeistert werden muss. Bretthart für 7a, sehr gute Fusstechnik ist obligatorisch. Falls nötig, könnte man hier über die unmittelbar daneben verlaufende Kreml auskneifen.

Der Fels wie Spritzbeton: SL 5 (7a). Der Hexer hat gut lachen, zwar kurz in Bedrängnis gekommen, aber souverän drübergeklettert!
SL 6, 35m, 7b: zuerst wartet eine ausladende Dachzone, wo wie überall in diesem Gelände, der Fels zwar griffig-leistig, aber nicht von allerbester Qualität, d.h. teils ein wenig brüchig ist. Dafür ist die Absicherung perfekt (xxxxx). Mit viel Kraft und Ausdauer geht es bis zur Dachlippe, wo wir die Crux erwarten. Von einem Griffausbruch und dem Vorschlag 8a haben wir gelesen. Mit einem Untergriffzug kann die Stelle aber gut überwunden werden. Bis zum Stand hoch folgt dann noch sehr schöne Tropflochkletterei im 7a-Bereich. Weite Züge und etwas raumgreifendere Absicherung erfordern dort gewisse Reserven.

Eine weitere steile Dachzone wird in SL 6 (7b) überwunden.
SL 7, 40m, 7b: zum Abschluss wartet nochmals eine Power-Seillänge. Über ein erstes, noch griffiges Dach hinweg geht es zur Steilzone, wo an kleinen Leisten der letzte Strom aus den Armen gesogen wird. Der Fels auch da nur 1b, nicht 1a, die Absicherung (xxxx). Ein Riss führt einen dann endlich in weniger steiles Gelände, wo man über einen letzten Überhang auf der Route Kreml das Top erreicht.

Die letzte SL (7b) ist nochmals brutal athletisch. Wer den Schalter für den Notstrom nicht findet, packt das nicht mehr.
Um 16.10 Uhr sind wir nach 5.5 Stunden Kletterei oben. Das war jetzt keine Speedbegehung, aber die anhaltende und sehr kräfteraubende Kletterei braucht einfach seine Zeit, vor allem wenn man man alles freiklettern will oder gar auf einen Onsight zielt. Mein Seilpartner war bis zur Crux der letzten SL in einem perfekten Onsight unterwegs, bis auf der Zielgerade doch noch der Saft ausging, schade. Dennoch eine herausragende Performance, herzliche Gratulation!

Auf der Nordseite liegt bereits Schnee, zwecks eines bequemeren Abseilens wechseln wir aber trotzdem rüber zur zentralen Abseilpiste. Weil ich mal kurz etwas penne, finden wir uns dann zwar auf der Route Lügispiel wieder, wo wir aber ebenfalls problemlos an den Einstieg gelangen. Um 16.50 Uhr machen wir uns raschen Schrittes auf den Weg ins Tal. Um 17.45 sind wir retour beim Auto, es hat gerade noch vor der Dunkelheit gereicht, ohne dass wir die Stirnlampe hätten einschalten müssen.

Facts:

Ofen - Planet der Affen 7b+ (7a obl.) - 7 SL, 210m - Kübler/Nuber 2002 - ****, xxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-0.75 dienlich, 2x50m-Seil

Mit Sicherheit eine der zwei, drei anspruchsvollsten Routen am Ofen mit anhaltend schwerer, oft athletischer Dach- und Überhangkletterei an Leisten, aber auch einigen fordernden, technischen Passagen an Tropflöchern, Querrillen und Schüpplein. Der Fels ist in den weniger steilen Zonen meist perfekt und rauh, insbesondere in den bzw. zu Beginn der grossen Dachzonen manchmal auch leicht brüchig, dennoch aber gut kletterbar. Die Absicherung fällt gerade im einfacheren und technischen Gelände manchmal fordernd aus (xx-xxx), während die steilen Dächer mit den Schlüsselstellen durchwegs gut gesichert (xxxx-xxxxx) sind.

Wissenswertes:

Der Ofen liegt im Jagdbanngebiet Huetstock. In verschiedenen Tourenberichten (1,2) liest man, dass vom 15.11. bis 15.5. nicht geklettert werden darf. Vor Ort finden sich aber keine solchen Hinweise, auch im Internet konnte ich die Regelung nirgendwo verifizieren. Ich bin daher der Überzeugung, dass diese Regelung aktuell nicht mehr gültig ist. Im Jagdbanngebiet ist es hingegen ganzjährig verboten "Wintersportarten verboten ausserhalb markierter Pisten, Routen und Loipen" zu betreiben, so steht es in der Verordnung über die eidgenössischen Jagdbanngebiete (PDF).

Das Klettern wird in dieser Verordnung nicht erwähnt. Da es ganz eindeutig keine Wintersportart ist, interpretiere ich den Gesetzestext so, als dass man am Ofen klettern darf, so lange kein Schnee liegt und man zu Fuss zur Wand aufsteigen kann. Oft ist das bis in den Dezember hinein der Fall, und auch im April geht die Saison nach einem trockenen und warmen Frühling bereits wieder los. Für die Tiere, um deren Schutz es ja letztlich gilt, dürfte vorwinterliches Klettern bei schneefreien Verhältnissen unproblematisch sein. Achtung, diese Angaben sind erstens ohne Gewähr und können zweitens auch wieder ändern. Man informiere sich also über die aktuell geltenden Vorschriften (z.B. hier)! Update vom 7.10.2013: die neuste Vereinbarung verbietet das Klettern vom 15.11.-15.5. jeder Saison, mit zusätzlichem, freiwilligem Kletterverzicht (was immer das heissen mag...) bis jeweils am 15.6.. Nachzulesen ist dies alles in der Luzerner Zeitung

Die Nordhänge sind bereits ein bisschen angezuckert, auf dem Weg zum Einstieg, bzw. an den Südhängen generell ist es noch aper.
Eine weitere Besonderheit am Ofen ist die Tatsache, dass in der Literatur eine Marschzeit von 2:45 Stunden angegeben wird. Zusammen mit der Tatsache, dass +/- die Hälfte des Zustieg über eine mit Fahrverbot belegte Strasse verläuft, wird dieses häufig missachtet. Dies sorgt vor Ort für viel böses Blut, und Bussen im Ausmass von 250 bis 400 CHF werden oft verteilt. Man solle also Strasse zum Unter Boden keinesfalls mit dem Auto befahren. Zu Fuss braucht man bis dahin aber lediglich 40 Minuten, und auch den Wandfuss hat man aus dem Tal schon nach 1.5 und nicht erst nach fast 3 Stunden erreicht! Die Sonne bescheint die Einstiege im Herbst übrigens ab etwa 10.00 Uhr (Winterzeit), allzu früh muss man also nicht aufbrechen.

Die Route wurde von den Erstbegehern mit UIAA-Graden bewertet. Die 9- der Cruxlänge habe ich zu 7b+ übersetzt, die drei SL die 8+ waren, zu 7b. Keine davon ist geschenkt und wesentlich einfacher als die schwerste Länge, somit erscheint mir dies gerechtfertigt. Für die 6. SL hat ein namhafter Alpinkletterer im Wandbuch gar den Grad 8a vorgeschlagen - was wir beide jetzt nicht unterstützen können. Aber es zeigt doch einmal, dass es sich nicht um einen vertikalen Spaziergang handelt, der mal gehörig abgewertet gehört.

Das Leuchten der Schneeberge: have a good night, and a good winter, Ofen!
Gemäss Wandbuch hat die Route bisher 20 Begehungen erhalten. Nach Selbstdeklaration haben die Erstbegeher keinen Rotpunkt realisieren können. Im Wandbuch gibt es auch keinen Hinweis, dass ein Wiederholerteam dies geschafft hätte. Vielleicht könnte man also noch eine Trophäe abholen! Aber maybe war der Rotpunkt-Gorilla ja still und heimlich erfolgreich: z.B. jener Ofen-Aficionado, der die Tour schon 3x oder 4x geklettert hat ;-) ?!?

Anzumerken ist auch noch, dass in der Tour verzinktes Hakenmaterial eingesetzt wurde. Einige Dübel sehen doch schon arg verrostet aus. Sollte ein Haken an einer neuralgischen Stelle bei einem Sturz versagen, so kann es dann definitiv echt gefährlich werden.

Das Topo zur Route kann man hier herunterladen.

Das Topo zur Route Planet der Affen (7b+)

Montag, 12. November 2012

Warum sind Kletterhallen so teuer?

Der Aufschrei der Entrüstung war gross, als das Kletterzentrum Gaswerk im Jahr 2011 seine Preise erhöhte und den Einzeleintritt auf stolze 36 CHF festlegte. Für viele aus der Szene war das Mass des Zumutbaren damals definitiv überschritten, die Suche nach Alternativen begann und wohl manch einer träumte von einer modernen, grossen und günstigen Kletterhalle in seiner nächsten Umgebung. Mittlerweile kocht die Diskussion nicht mehr auf ganz so heisser Flamme. Dennoch züngelt da und dort wieder die Idee hervor, es doch mit einem eigenen Projekt versuchen zu wollen.

Immer wieder hörte man im Zuge der heiss geführten Diskussion den Vorwurf, dass sich hier jemand auf dem Buckel der Kletternden eine goldene Nase verdienen würde. Doch stimmt das wirklich? Für mich selbst machte ich eine überschlagsmässige Erfolgsrechnung, die mich gleich von allen Illusionen beraubt hat: Kletterhallen sind keine Goldgruben. Und das selbst jetzt nicht, wo der Klettersport unzweifelhaft am boomen ist. Was die Zukunft bringt, ist erst recht unsicher. Jetzt mische man noch das Fakt dazu, dass für den Bau einer Kletterhalle erst Millionen investiert werden müssen. Und fertig ist der Mix, welcher viele Projekte schon in der frühesten Projektphase killt. Machen wir also einmal eine Aufstellung von im Laufe des Jahres anfallenden Kosten und Erträgen:

An einem regnerischen Novembersonntag, 17 Uhr, subjektiv stark frequentiert: wie viele Leute sind wirklich da?
Kapitalkosten und Abschreibung: 350'000 CHF

Der Bau einer Kletterhalle ist teuer, ja sehr teuer. Dem Projekt Wallhouse in Uster ist zu entnehmen, dass für den Neubau einer mittelgrossen Halle mit 2'000m2 Kletterfläche (zum Vergleich: Milandia hat 2'500m2, Gaswerk über 4'000m2) inklusive Infrastruktur (Parkplätze, Garderoben, Bistro, ...) ein Betrag von 5 Millionen CHF nötig ist. Die Investition in eine Kletterhalle ist keine sichere Anlage, sondern ist als Risikokapital zu bewerten. Kapitalgeber werden also einen anständigen Zins wollen. Rechnen wir einmal mit 5%. Somit betragen alleine die Kapitalkosten rund 250'000 CHF pro Jahr. Zudem sollte man die Halle wohl über die nächsten 50 Jahre auf null abschreiben. Somit kommen nochmals rund 100'000 CHF dazu.

Gut, jetzt kann man argumentieren, ein Neubau sei nicht nötig. Ich denke, die Suche nach einem für eine Kletterhalle geeigneten Gebäude an zentraler Lage in den Ballungszentren des Schweizer Mittellandes ist sehr schwierig. Mit Miete, Kapitalkosten für die nötigen Umbauten und der Abschreibung kommt man wahrscheinlich auch nicht wesentlich billiger weg wie die oben erwähnten 350'000 CHF pro Jahr. Und sollte einmal der Mietvertrag nicht erneuert werden, steht man erst Recht vor einem Scherbenhaufen.

Personalkosten: 450'000 CHF

In einer mittelgrossen Kletterhalle kommt man wohl nicht darum herum, ein Zweierteam für Kasse, Empfang und Aufsicht zu beschäftigen. Eine Kletterhalle ist 12 Stunden pro Tag geöffnet, an 7 Tagen pro Woche und in der Regel (fast) 365 Tage pro Jahr. Das ergibt bei 2000 Jahresarbeitsstunden pro Beschäftigten (2*12*365/2000=) rund 4.38 Vollzeitstellen alleine für Empfang, Kasse und Aufsicht. Auch wenn diese Jobs üblicherweise nicht allzu gut bezahlt sind, inklusive Sozialleistungen, etc. sind dafür auch rasch weitere 350'000 CHF pro Jahr notwendig. Darin sind noch keine Personalkosten enthalten für Reinigungspersonal, Routenbau, Administration undsoweiter. Da kann man wohl nochmals gut und gerne 100'000 CHF pro Jahr mit einrechnen.

Diverses: 200'000 CHF

Was fehlt noch, damit die Kletterhalle betrieben werden kann? Strom, Heizung und weitere Gebühren. Neue Griffe wollen ja auch hin und wieder angeschafft werden, Reparaturen sind nötig. Eine Haftpflicht-Versicherung ist ebenfalls fällig. Etwas für Werbung und das Weihnachtsessen für die Belegschaft wollen wir auch nicht vergessen. Wie viel das genau ausmacht, ist für mich nicht ganz einfach abzuschätzen. Sicher sind es nochmals einige Zehntausend CHF pro Jahr, vielleicht sogar noch mehr. Um schön runde Zahlen zu erhalten, rechnen wir pessimistisch mal mit 200'000 CHF pro Jahr.

Insgesamt fallen in einer mittelgrossen, professionell geführten Kletterhalle im Laufe eines Jahres also Kosten von gegen 1 Mio CHF an. Damit die Geschichte nicht defizitär ist, muss dieses Geld mit den Besuchern wieder erwirtschaftet werden. Welche Möglichkeiten bestehen da?

Auch das ist Realität: Nicht immer sind viele Kunden da, die Geld bringen.
Jahresabos: 600'000 CHF

Die Million ergäbe sich z.B. aus 1'000 Jahresabos à 1'000 CHF. Die muss man allerdings erst einmal verkaufen. Schafft man dies, so ist die Halle bereits ziemlich voll. Gehen wir mal davon aus, dass jeder Abobesitzer im Schnitt 2x pro Woche vorbeischaut. Also 2000 Eintritte pro Woche durch Abobesitzer, macht rund 285 pro Tag. Sagen wir mal 200 davon am Abend. Eine mittelgrosse Kletterhalle fühlt sich dann bereits an wie ein Bienenhaus, ist sicher im Vollbetrieb, wenn nicht sogar schon überfüllt!

Jetzt bedenke man, dass also trotz (zu den neuralgischen Zeiten) voll ausgelasteter Kletterhalle und einem teuren Abo von 1000 CHF noch kein einziger Franken verdient wurde, der zu den Reserven gelegt werden kann. Oder dem man dem Geschäftsführer auszahlen könnte, der gemütlich in seiner Villa Däumchen dreht, wenn er nicht gerade seinen Porsche Cayenne ausfährt. Realistischerweise muss man wohl eher von nur 700-800 verkauften Jahresabos und nur 800 CHF Jahregebühr ausgehen. Das macht dann 600'000 CHF.

Einzeleintritte: 365'000 CHF

Der Löwenanteil der restlichen Erträge muss aus Einzeleintritten akquiriert werden. Gehen wir mal von im Schnitt 40 Vollzahlern pro Tag aus. Klar, an einem regnerischen Novembersonntag sind es wohl mehr, aber was ist am sonnigen Samstag in den Schulsommerferien? Von den Vollzahlern nehmen wir 25 CHF, das gibt pro Tag einen Tausender und übers Jahr gesehen 365'000 CHF.

Bistro: 100'000 CHF

Weitere Einnahmen können aus dem Bistrobetrieb und aus allfälligem Sportartikelverkauf generiert werden. Ich wage jetzt mal zu behaupten, dass die Umsätze in diesem Geschäft eher bescheiden ausfallen und daher netto auch nicht allzu viel in der Kasse bleiben wird. Weitere 100'000 CHF pro Jahr liegen aber vielleicht drin?!? 

Den Ausgaben von 1 Mio CHF stehen also Einnahmen von gerade einmal 1.065 Mio CHF gegenüber. So kommt man auf einen bescheidenen Betrag von gerade mal 65'000 CHF, den man zu den Reserven legen kann. Für jene Zeiten, wo sich die Jahresabos mal nicht mehr wie frische Weggli verkaufen, oder wo beständig schönes Wetter die Frequenzen der Einzeleintritte kompromittiert, grössere Reparaturen fällig werden oder gesetzliche Auflagen Umbauten verlangen (Quelle), etc..

Bistro: ausgiebiger Getränkekonsum dürfte vom Betreiber höchst erwünscht sein!
Was tun?

Die Rechnung geht nur knapp auf. Wir brauchen also ein Massnahmenpaket, mit welchem die Kosten gesenkt und die Einnahmen erhöht werden können. Die meisten Kletterhallen wenden wohl einen Mix der folgenden Aktionen an.

  • Kapitalkosten senken: durch Zuwendungen von Gönnern (Alpenvereine, Sportförderung) und zinslose Darlehen versucht man die Kapitalkosten so tief wie nur möglich zu halten. Das klappt vermutlich meistens zu einem gewissen Teil, aber nie vollständig.
  • Personalkosten sparen: die Ausgaben können tief gehalten werden, indem man Kasse, Administration, Routenbau, Reinigung etc. in Personalunion macht. D.h. in schwach frequentierten Zeiten schiebt das Personal keine ruhige Kugel, sondern erledigt die sonst anfallenden Arbeiten. Dies erfordert Idealismus und Einsatzbereitschaft, wahrscheinlich sind bei der Qualität einige Abstriche zu machen. Klappen tut das wohl nur in Kleinbetrieben richtig gut.
  • Jahresabos verkaufen: ideal ist es natürlich, eine grosse Anzahl an Jahresabos zu verkaufen. Die sichere Einnahme ist schon da, ob der Kletterer dann kommt, ist ja egal. Man könnte z.B. auf die Idee kommen, durch geschickte Preispolitik auch Gelegenheitsbesucher in ein solches Abonnement zu drängen. Vielbesucher sind hingegen weniger attraktiv, die (über)füllen bloss die Halle...
  • Kursbetrieb: was oben auf der Einnahmenseite noch nicht erwähnt ist, sind Kurse. Hier kann man, zumindest in Zeiten des Kletterbooms, nochmals einen schönen Obulus einfahren.

Disclaimer

Zum Schluss möchte ich deklarieren, dass die Mathematik und damit die Zahlen zwar meine Welt sind, ich aber in Sachen Betriebswirtschaft kein Spezialist bin. Ebenso wenig habe ich je Einblick in die tatsächliche Buchhaltung einer Kletterhalle gehabt. Sämtliche Zahlen in diesem Artikel beruhen auf im Web gefundenen Informationen (z.B. hier und da) und Schätzungen aufgrund eigener Beobachtungen. Der Artikel ist somit Zahlenspielerei, bildet aber die Realität hoffentlich doch vernünftig ab. Ein Nachtrag: mittlerweile wurde ich bereits von 2 Kletterhallenbetreibern persönlich lobend auf meinen Artikel angesprochen. Beide haben sich für den Beitrag bedankt und dabei bestätigt, dass meine Angaben absolut stimmig seien.

Mein Fazit zum finanziell erfolgreichen Betreiben einer Kletterhalle fällt relativ pessimistisch aus. Ich hoffe, ich halte damit niemand vom Bau einer Kletterhalle ab. Mutige Macher braucht das Land. Wer es schafft, eine grosse, gut funktionierende Kletterhalle aufzubauen, administrativ gut zu führen und die Sache für die Zukunft auf finanziell sichere Beine zu stellen, der hat sicher unser Lob und einen anständigen Zahltag verdient - wohl mehr, als viele andere. 

Falls ich irgendwo einen Fehler gemacht haben sollte, so bin ich dankbar für Korrekturen. Genauere Infos und Kommentare zu diesem Blog sind natürlich ebenso erwünscht: bitte benütze das Kommentarfeld unten!

Mittwoch, 7. November 2012

Yellow Submarine (7c) - Condition Dependent...

Liest man von Top-End-Rotpunktbegehungen, so wird das Thema Bedingungen immer und immer wieder angesprochen. Gut, man weiss ja, dass es nicht immer gleich gut geht. Bisher war ich aber immer der Meinung, dass die persönlichen Formschwankungen so gross sind, dass sie die Unterschiede bzgl. der Bedingungen - so lange diese einigermassen geeignet sind - bei weitem übertreffen würden. Nach der Beobachtung vom letzten Wochenende bin ich da aber auf einmal doch nicht mehr so sicher...

Auf der Galerie waren wir am Klettern. Ein wunderbarer Herbst-Samstag mit sehr angenehmen Temperaturen. Nicht heiss, sondern einfach richtig angenehm warm. Gerade so, wie man es sich nach dem Schneegestöber nur ein paar Tage zuvor wünscht, und vermeintlich auch perfekt zum Klettern. Als Projekt auserkoren hatte ich mir die Route Yellow Submarine (7c), mittlerweile eine der wenige Touren auf der Hauptgalerie, welche in meinem Rotpunkt-Palmares noch fehlt(e). Richtig gut ging es allerdings nicht. Ich machte 2 intensive Versuche zum Ausbouldern der Route. Die Schlüsselpassage besteht aus 12 anhaltenden Zügen an meist abschüssigen Leisten in etwas glattem Fels. So fest ich mich auch bemühte, mehr als 3 der wirklich schweren Züge kriegte ich am Stück einfach nicht auf die Reihe. Somit war das Fazit klar: "it is not going to happen today", d.h. ich räumte mein Material aus der Tour, und kletterte stattdessen zwei Genusstouren in den Graden 6c+ und 7a.

Nicht die im Text erwähnte Yellow Submarine. Auch wenn der Name passend wäre, und die Route sehr condition dependent ist!
Der Abend kam näher, und als die Sonne bereits untergegangen war, stand mir noch eine letzte Route zum Ausklettern zu. Weil alle Routen besetzt waren, die mich interessiert hätten, entschied ich mich gezwungenermassen nochmals für einen Versuch in der Yellow Submarine. Meine Fingerspitzen waren in der Zwischenzeit bereits etwas kühl geworden und die Haut dementsprechend nicht mehr weich und schwitzig, sondern so ledrig und trocken wie sie sein muss. So könnte es ja vielleicht etwas besser gehen. Und unglaublich, aber wahr: an den abschüssigen Griffen, die ich am frühen Nachmittag mit aller Kraft zudrückte und doch kaum zu halten vermochte, klebten meine Finger auf einmal förmlich. Wie wenn sie doppelt so gross oder viel positiver geworden wären! So blieb mir alle Zeit, mich perfekt zu positionieren und die Züge sicher durchzuführen. Und selbst die Expressschlingen konnte ich mit einer gewissen Gelassenheit einhängen und das Seil darin einklinken.

Dies alles an einem Tag, wo ich zuvor mit mehr Strom in den Armen, schon hängendem Material, und nur ein wenig höheren Temperaturen einfach chancenlos war. So krass habe ich die Abhängigkeit von den Bedingungen echt noch nie erlebt! Scheint also, dass wenn es nicht geht, es nicht zwingend an Schlappheit,  fehlender Form, Psyche, dem Willen oder sonstigen persönlichen Gegebenheiten scheitert, sondern dass die Bedingungen eine ganze Menge mehr ausmachen, als ich mir bisher gedacht habe.

Freitag, 2. November 2012

Engelhörner - Kadenz (7a) & Zaubernadel (6c+)

Angesagt war ein sehr sonniger und warmer Donnerstag. Auch der Wetterwechsel war bereits angekündigt, und damit das Ende der goldenen Oktobertage absehbar. Jonas und ich hatten die Möglichkeit für einen freien Tag, und diese Chance wollten wir gebührend nutzen. Nach Abwägen und Diskussion von vielen Vorschlägen entschieden wir uns, den Engelhörnern wieder einmal einen Besuch abzustatten und den Klassiker Kadenz (7a) zu versuchen. Falls danach Zeit, Kraft und Motivation noch ausreichten, stünden vor Ort auch einige sehr lohnende Kurzrouten als Ergänzung bereit.

Um 7.10 Uhr (Sommerzeit) trafen wir uns in Rotkreuz. Das war für die zweite Oktoberhälfte eher zu früh, denn wie sich später zeigte, erreicht die Sonne den Einstieg der Kadenz nicht vor 11.45 Uhr. Ich hatte mir eine frühere Zeit notiert, die gilt aber nur für den Sommer. Das Problem liegt nämlich nicht am Winkel, d.h. daran dass die Sonne erst um die Ecke kommen muss, sondern am Grat, welchen sie erst übersteigen muss. Und dies dauert im Herbst, mit dem tiefen Einfallswinkel, halt einfach länger. Anyway, wir nahmen es gemütlich, und so brachten wir die 4 Stunden zwischen Treffpunkt und Einstieg in die Route durchaus über die Runden.

Rosenlauistock Südwand mit der Route Kadenz. Die oberen SL sind perspektivisch etwas verzerrt.
Der Zustieg beginnt beim um diese Jahreszeit verlassenen Parkplatz der Gletscherschlucht (P.1360) oberhalb von Rosenlaui. Man folgt dem Weg zur Engelhornhütte, von welchem unmittelbar nach P.1731, nach Überqueren der grossen Platte und zwei rechts-links-Kehren, vor einer Geröllrinne ein direkter Pfad zum Wandfuss abzweigt. Diese Abzweigung verschliefen wir, gingen weiter bis kurz vor die Hütte und wählten dann dort den gut ausgetretenen und in der LK verzeichneten Pfad, der unter der Rosenlauistock NNW-Wand durchführt. Um 10.30 Uhr erreichten wir nach rund 700hm Aufstieg den Wandfuss auf rund 2040m Höhe. Eine Seilschaft war bereits am Werk in der noch schattigen Wand, was ganz offensichtlich zu kalten Fingern führte. Auch ein weiteres Team von 2 Lokalmatadoren war bereits im Anmarsch. So machten wir uns bereit, um etwa 11.15 Uhr ging es los, noch immer ohne wärmende Sonnenstrahlen.

Bereits vom Einstieg aus überzeugt das Panorama: Dossen (3138m), Rosenhorn (3689m) und Wellhorn (3191m).
SL 1, 6c, 30m: die ersten 15m präsentieren sich noch eher einfach und vom Fels her noch nicht restlos überzeugend. Danach bietet die Route zwei Optionen: links die originale Linie (7a, nicht saniert), rechts der nachträglich gefundene, einfachere und heutige übliche Weg. Ich wählte letzteren, er bietet spannende Kletterei an guten Tropflochleisten. Es hat nicht allzu viele Griffe, sie liegen etwas weit auseinander, die Sache geht aber perfekt auf. Die Absicherung ist gut, aber nicht allzu üppig (ca. xxx/xxxx), dafür ist die Bewertung im Vergleich zum Rest auf der gutmütigen Seite, so ging das für mich problemlos. Am Stand treffen mich die ersten Sonnenstrahlen, da sind auch die etwas kühl gewordenen Fingerspitzen rasch wieder warm und bis aufs T-Shirt kann ich mich sogleich allen Kleidern entledigen.

Dem Schatten entronnen: Jonas folgt in SL 1 (6c), welche in der oberen Hälfte schon perfekten Fels aufweist. 
SL 2, 6b, 30m: auch in dieser SL wurde nachträglich ein neuer Weg gefunden, an guten Griffen geht es in einer Rechts-Links-Schleife nach oben. Die Crux ziemlich athletisch zum Schluss an einem kleinen Wulst, der zwei originelle Löcher bietet.

Griffiger Auftakt in SL 2 (6b).
SL 3, 6a+, 20m: kurze Seillänge, für die im Lauf der Zeit ebenfalls ein neuer Weg gefunden wurde. Sie startet mit einer sehr gut abgesicherten, etwas gesuchten Rechtsquerung auf einer Tropflochplatte. Danach trifft die Route mit der benachbarten Skalpell zusammen, schliesslich geht es nach links hinaus zum Stand auf einer Art Rampe.

Super Tropflöcher in SL 3 (6a+).
SL 4, 6a+, 35m: anhaltende und steile Tropflochkletterei, irgendwie streng, gar nicht einfach oder etwa geschenkt. Sicher eine 6a+ der alten Schule, die erste SL fand ich jetzt auch nicht unbedingt schwerer. Vielleicht liegt es daran, dass die Crux gerade bei einem erneuten Zusammentreffen mit der Skalpell ist, und man nicht so recht weiss, wo man langklettern soll...

SL 5, 6c, 15m: zwar kurze, aber nicht zu unterschätzende 2-Bolt-SL (nicht saniert, aber gut gesichert, xxxx) mit sehr technischer Kletterei an Auflegern und kleinen Tropflochgriffen. In einem schwach ausgeprägten Winkel muss man sich nach oben spreizen, schieben und pressen, der Ausstieg dann noch eine kurze athletische Sequenz an etwas rutschigen Auflegern.

Kurz, aber gar nicht schnurz: SL 5 (6c)
SL 6, 7a, 30m: original ging es hier in 6b-Kletterei links ums Eck, im Laufe der Zeit wurde die Route aber dann entlang dem überhängenden, gutgriffigen und athletischen Riss gelegt. Nach rund 10m läuft dieser langsam aus, die Crux besteht darin, sich nach Rissende im gepumpten Zustand an mässigen Leisten, Auflegern und Seitgriffen im nicht mehr ganz so steilen Gelände oberhalb zu etablieren. Die Absicherung hier formidabel, wie im Klettergarten (xxxxx).

SL 7, 6a+, 25m: sehr schöne, fotogene und gut abgesicherte Seillänge in allerbestem, grau-rauem und griffigem Fels. Zwar auch kein Geschenk, aber von den Schwierigkeiten her jetzt doch eher etwas gutmütiger als die SL 2-4, fand ich.

Jonas kurz vor dem Top in der sehr fotogenen SL 7 (6a+).
Um 14.15 Uhr erreichen wir den Ausstieg an der Kante. Das fiel mir irgendwie schwieriger als erwartet, von der erhofften Onsight-Begehung war ich in der Cruxlänge echt meilenweit weg. Warum? am Vortag hatte ich das schöne Herbstwetter noch genutzt, um eines meiner MSL-Projekte voranzutreiben, und dabei wie immer beim Bohren vor lauter Arbeit und Enthusiasmus weder ans Essen noch ans Trinken gedacht. Aus Zeitgründen fiel das Znacht schmal aus, das Zmorge ganz ins Wasser, und aus Vergesslichkeit blieb dann auch noch mein Lunch auf dem Rücksitz im Auto liegen.

Eigentlich esse ich beim Klettern selten viel, normalerweise stecke ich das auch gut weg. Es war auch nicht so, dass ich in diesem Fall extremen Hunger gelitten hätte. Doch dermassen unterzuckert sind die Arme irgendwann einfach kraftlos und die Finger gummig, und dann geht halt auch "nur" 7a nicht, da wird man durchaus auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Das soll übrigens keine Ausrede sein, wer weiss, ob ich es mit vollem Tank denn geschafft hätte, denn die Cruxlänge fühlte sich echt nicht einfach an. Es ist aber einen Mahnung am mich selbst, mir die Zeit für einen seriöse Vorbereitung zu nehmen, da sich mangelnde Kalorienaufnahme einfach negativ auf die Leistung auswirkt. Und ein bisschen mehr zu essen um die Performance zu steigern ist ja jetzt nicht der Riesenaufwand...

Entlang der auffälligen Kante führt die Route Schiffsbug (6b) am Breitenbodenturm. Sicher auch ein attraktives Ziel!
Nun stellte sich die Frage, wie es weitergehen sollte. Für das im Vornhinein anvisierte Ziel, die Zaubernadel (6c+) an der Tannenspitze war ich in diesem Zustand plötzlich gar nicht mehr so motiviert. So wurde das Seil schon in die Abseilverankerung geknüpft, mit der Absicht stattdessen die 4-SL-Tour Schiffsbug (6b) am Breitenbodenturm in Angriff zu nehmen. Bevor es abwärts ging, überlegte ich es mir aber nochmals anders. Das Seil wurde aufgeschossen, nach kurzer Gratkraxelei erreichten wir den Gipfel des Rosenlauistock, und nach einer Traverse waren wir auch schon bald am Einstieg der Zaubernadel. Um etwa 14.45 Uhr ging es los:

SL 1, 6a, 15m: Kurze Traverse nach links hinaus, zu Beginn eher dolomitisch anmutender Klötzlifels, der nach ein paar Metern in scharfen Nadelfels übergeht. Dort wartet dann auch die Crux, welche für den Grad auf der eher harten Seite angesiedelt ist. Die Absicherung mit vielen Bolts tadellos.

Halloween war zwar erst eine Woche später. Der Fels ist in Kadenz und (vor allem) Zaubernadel aber teilweise dermassen scharf, dass einige Kratzer an den Fingern fast nicht zu vermeiden sind. Bis zum Ende des Tages floss sogar noch mehr Blut, obwohl ich ansonsten sehr präzise greife und derartige Wunden nur sehr selten habe.
SL 2, 6c+, 25m: Die ersten Meter vom Stand weg gehen noch recht gut an prima Leisten, bevor die harte, aber eng gesicherte und nicht obligatorische Crux mit einer kräftigen Rechtsquerung an extrem scharfen Tropflöchern (autsch!) und schlechten Tritten wartet. Danach zweimal etwas Runout bei aber einfacherer 6b-Kletterei, zum Schluss dann noch eine wieder bestens abgesicherte, reibungslastige, Feng-Shui-like 6c-Traverse an den Stand.

Praktisch grifflose Reibungstraverse zum Schluss der Cruxlänge im Zaubernadel - SL 2 (6c+)
SL 3, 6b+, 20m: Plattiges Gelände in bestem, silbergrauem Fels. Vom Stand aus sieht es echt schwer aus, es entpuppt sich dann aber als gängiger wie befürchtet. Man muss zwar schon mal kurz gut hinstehen, aber alles löst sich prima auf. Insgesamt eine (im Vergleich zum Rest) eher einfache und bestens abgesicherte 6b+. Dafür ist sie sehr fotogen!

SL 3 (6b+): Erst queren...

...dann steigen - trust it, and it will hold you!
SL 4, 6b, 30m: Phänomenal sieht sie aus, diese SL, und sie hält was sie verspricht. Achtung, das Anklettern des ersten BH ist echt heikel, er steckt (zu) hoch und ist auch noch mühsam zu klinken. Und wenn es nicht klappt, so stürzt man aus 5-6m Höhe auf das darunter liegende Band. War mir wirklich sehr unangenehm, aber ich habe es geschafft :-) Danach wartet aber hervorragender Henkelgenuss in leicht überhängendem Gelände. Die Abstände hier so, dass man durchaus etwas von der letzten Sicherung wegklettern muss.

Jonas auf den letzten Metern zum Gipfel der Tannenspitze: SL 4 (6b)
Ich war zu diesem Zeitpunkt so platt, dass mir in der letzten Seillänge selbst an den positivsten 6b-Henkeln mehrmals beinahe die Finger aufgingen, doch auf dem letzten Blatt erreiche ich den Gipfel sturz- und pausenfrei. Jonas steigt nach, um 16.30 Uhr sind wir oben und alsbald machen wir uns ans Abseilen. Unter Ausnützung des ganzen 50m-Seils reicht es, wenn man sich etwas nach Süden Richtung Graspass hält, gerade in 1x runter auf festen Boden.

Über die eben per Abseilen bewältige Wand gäbe es noch eine tiptop aussehende, bestens abgesicherte 2-SL-Tour (6a+, 6c+) die im Sommer 2012 von Sepp von Rotz und Lorenz Wenger aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde. Da aber in 2 Stunden bereits die Dunkelheit hereinbricht, verschieben wir diese auf ein nächstes Mal. Mit der üppig sanierten Route Skalpell (7b) sowie zwei weiteren, vielversprechend aussehenden Neutouren im 7a-Bereich an der Südwand des Rosenlauistock war das bestimmt nicht der letzte Besuch in der Gegend - zumal ich in der Kadenz auch noch eine verbesserte Stilnote erzielen kann.

Abseilen von der Tannenspitze. Die Zaubernadel verläuft +/- links im Profil, ist aber viel steiler, als dass es auf diesem Foto den Anschein macht.
Nach kurzem Fussabstieg (gut in Kletterfinken machbar) und einem kurzen 22m-Abseiler über den Liftwing (besser und bequemer den Kettenstand im Abstiegssinn rechts benützen!) sind wir bald retour bei unserem Depot am Einstieg der Kadenz. Für den Abstieg nach Rosenlaui wählen wir dieses Mal den direkten Weg, welcher uns mit einigen Kraxelpassagen (ca. T5, I) durch die einsame herbstliche Gegend in ungefähr einer Stunde retour nach Rosenlaui führt. Zufrieden mit dem Tag setzen wir uns ins Auto - war es das wohl mit dem alpinen Sportklettern im 2012, oder gibt es im November noch Nachschlag?

Facts

Rosenlauistock - Kadenz 7a (6b/6b+ obl.) - 7 SL, 185m - Ochsner/Abegglen/Lechner 1984 - ****, xxxx
Material: 12 Express, Keile und Friends nicht nötig

Zu recht ein Engelhorn-Klassiker mit steiler Kletterei in meist bestem Tropfloch-Fels. Die Schlüsselstellen fordern Athletik, aber auch die Technik. Die Absicherung ist im Zuge der Sanierung, bzw. in den neu gelegten Passagen durchwegs sehr gut ausgefallen, ja in den Cruxlängen gar klettergartenmässig. Dort sind die Schwierigkeiten nicht obligatorisch zu meistern. Die Vorstiegscrux befindet sich also wohl in der ersten Länge. Die Crux mag einigermassen zwingend sein, ist aber ein "petit 6c", so dass ich mir erlaube, die obligatorische Schwierigkeit entgegen den Angaben in der Literatur auf 6b/6b+ zu korrigieren.

Tannenspitze - Zaubernadel 6c+ (6b obl.) - 4 SL, 90m - K. & R. Ochsner-Baldinger 1988 - ****, xxxx
Material: 10 Express, Keile und Friends kaum nötig und einsetzbar

Sehr lohnende Kurzroute in bestem Fels, die vom Gipfel des Rosenlauistock rasch erreichbar ist und damit eine gute Ergänzung zu den Routen an jenem Berg bietet. Es wartet ein abwechslungsreicher Mix von Tropfloch-Crimperei, plattigen Passagen und steiler Ausdauerkletterei. Seit der Sanierung durch Ruth Ochsner und Beat Eggler im 2011, mit (gegenüber dem Originalzustand) vier zusätzlichen BH, kann die Absicherung als sehr gut bezeichnet werden, und der obligatorische Schwierigkeitsgrad dürfte sich auf rund 6b verringert haben. Einzig der "stürzen verboten"-Start der letzten SL wegen eines zu hoch steckenden Bolts fällt da leicht aus dem Rahmen.

Ein gutes, frei verfügbares Topo der beiden Routen findet man auf der Toposeite von verticalsport.ch.