Am regnerischen Vortag hatten wir von Nissedal und seiner fantastischen Kletterei zwei Täler weiter nach Westen ins Setesdal gewechselt (siehe vorheriger Beitrag). Im Fyresdal dazwischen könnte man zwar auch klettern, dieses liessen wir jedoch aus. Nachdem wir uns auf dem am Fluss auf dem Zeltplatz Flateland installiert hatten, konnten wir wieder am Fels angreifen. Als erste Setesdal-Route stand imperativ die Oh Happy Day auf dem Programm, die im Vorjahr 2014 von meinem Schweizer Freund Dani mit seiner Frau Anika eingerichtet wurde. Ob sie schon eine Wiederholung erfahren hat ist ungewiss, nachdem die Saison aber kurz ist und wir selbst mitten drin bei idealen Bedingungen weit und breit keine anderen Kletterer sichten konnten, könnte es sich durchaus um die erste Wiederholung handeln.
Der 984m hohe Loefjell mit seiner 350m hohen Plattenwand und dem Verlauf von Oh Happy Day. |
Von Flateland sind es gut 20km Anfahrt zum Loefjell, der sich auch nicht mehr direkt im Setesdal befindet, sondern an der Route 45 nach Sirdal, bei der unschönen Hüttensiedlung Brokke. Diese ist im Sommer so gut wie verwaist, sie wird wohl nur im Winter im Zusammenhang mit dem Skibetrieb am gegenüberliegenden Hügel benutzt. Dafür kann man bei den Hütten ideal parkieren, so dass sich der Anmarsch zur 350m hohen Wand auf wenige Minuten beschränkt – nicht schlecht hier, das Verhältnis zwischen Wandhöhe und Zustieg. Dass hier nur wenig Betrieb herrscht zeigt sich auch daran, dass im Zustieg wiederum kaum Wegspuren vorhanden sind, teilweise mussten wir uns durch mannshohen Farn kämpfen. Danach bleibt noch die Herausforderung, den Start der Route zu lokalisieren. Mit dem sehr guten Topo ist’s zwar eigentlich klar, doch will erst in mühsam moosig-feuchtem Fels ein 10m hoher Vorbau erklettert und dann der erste BH in 20m Höhe erspäht sein. Die beiden Nachbartouren weisen auf ihren ersten 3er-Plattenlängen sogar gar keine Zwischensicherungen auf, was es auch nicht einfacher macht. Um 11.30 Uhr waren jedoch die Express montiert (das Trad Gear konnte für einmal im Auto zurückbleiben), das erste Irniger-Plättli war nämlich identifiziert worden und es konnte losgehen.
L1, 60m, 5a: Die Platte sieht arg flach aus und man meint erst, dies könne noch als zweiter Teil des Zustiegs verbucht werden. Irgendwie ist’s dann aber doch nicht so einfach, die Platte hat wenig Struktur und auch nicht so viel Reibung, so dass es mit den 3 BH auf 60m keinesfalls überbohrt ist. Die Nachbarrouten ganz ohne Sicherungen sind bestimmt unangenehm.
60m glattes Parkett in L1 mit 3 Zwischensicherungen, die hier eher nur der Begrenzung vom Totalschaden dienen. |
L2, 60m, 5c+: Der grösste Teil der Seillänge ist nochmals von ähnlichem Charakter wie die erste, wobei es hier sogar ein wenig einfacher ist. Die Crux dann am Schluss beim Aufschwung, hier peilt man den rechten der zwei BH der Quergangs-Route Walk the Line an, um dann eine (je nach Reichweite) durchaus nichttriviale Reibungsstelle zu meistern.
L3, 60m, 6a+: Nochmals derselbe, plattige Charakter im ersten Teil. Nun aber bereits etwas steiler, und im weiten Runout zum zweiten BH auch etwas unangenehm. Im zweiten Teil müssen dann ein paar Steilaufschwünge geklettert werden, mit etwas hin und her geht das aber erstaunlich problemlos – fand ich eher einfacher wie 6a+.
Der Wandfuss ist schon irre weit weg, aber ich bin erst am Stand von L3 (6a+). 180m Kletterstrecke sind aber bereits hinter uns. |
L4, 35m, 6c+: Jetzt gilt’s ernst, aber es wartet auch eine geniale Seillänge! Erst einfach den Quarzadern entlang, die Herausforderung beginnt beim zweiten Haken. Mit an (für mich) Zauberei grenzenden Reibungsmoves an der äussersten Haftgrenze schaffe ich es irgendwie, mich höher zu schieben, bis ich mich nach links an ein Griffchen kippen lassen kann und (vorerst) gerettet bin. Nach etwas höhersteigen folgt dann eine horizontale 15m-Querung auf einer Quarzader. Das ist aber kein Spaziergang! Knifflige Moves auf Reibung, die Hände bedienen kleinste Fingernagelkratzer in Millimetergrösse. Vor allem in der Mitte, wo die Ader kurz unterbrochen ist, wird nochmals alles gefordert. Ich habe das Gefühl, dass ich gleich wegrutsche, aber es passiert doch nicht – dieser Onsight gelang nun wirklich nur um Haaresbreite und auch dank der guten Absicherung, die volles Attackieren erlaubt! Nach meinem Geschmack könnte man hier auch 7a geben, aber wer weiss…
Schwer und reibungslastig zur (abschüssigen!!!) Quarzader hinauf, danach Quergang horizontal rüber. Geniale Sache in L4 (6c+). |
L5, 45m, 6b+: Nun folgt die anspruchsvolle Jojo-Seillänge. Schon der Weg zum ersten Bolt ist weit, doch da die vom gleichen Stand aus beginnende, kreuzende Route keine Haken hat, gilt das für Oh Happy Day auch. Nachdem der erste Bolt geklippt ist, steigt man nochmals ab und quert weitere 10m nach rechts. Dann von einem Band weg eine schwere, unangenehme Wandstufe. Wer die nicht gebacken kriegt, pendelt sehr, sehr unangenehm zurück. Die Crux dann später über dem dritten Bolt an sloprigen Quarzadern, eine obligatorische Geschichte, zudem ist die beste Lösung schwer zu lesen. Die restlichen Meter zum Stand sind dann keine grosse Sache mehr. Trotzdem hätte ich hier eher 6c gegeben.
Crossover-Move in der Jojo-Pitch Nr. 5 (6b+), die auch mal ein paar Meter über dem Haken schwer ist. |
L6, 45m, 6b+: Bis unters Dach hinauf ist die Kletterei nicht so schwierig, am Schluss der Querung darunter aber dann schon ein supercooler Pressmove auf Reibung, sowas habe ich bisher fast nur in der Boulderhalle gemacht. Die Crux dann übers Dacherl hinweg. Oben hat es nur ein paar sloprig-miserable, kleine Leisten, unten raufsteigen und die Füsse hochbringen ist das Problem. An der Grenze zum Rauskippen geht’s, dank dem ideal steckenden Bolt kann man auch voll riskieren.
Hinauf zum Dach und am linken Ende darüber hinweg. Das ist das Programm in L6 (6b+). |
L7, 55m, 6c+: Der Anfang ist noch relativ leicht und auch prima gesichert, das mittlere Drittel dann aber schwerer wie ich hoffte/dachte. Man muss oft einiges über die Haken steigen und unangenehme, wacklige Moves machen. Kommt dann mal einer, nimmt die Schwierigkeit sicher markant zu. An einer Stelle ist ein Sprung an einen offensichtlich guten Griff gar unumgänglich. Zum Schluss der Länge folgt dann stellt dann ein Mantle auf ein steiles Wändchen rauf die Crux dar. Ich wusste nicht wie anpacken, mindestens 4 Lösungen konnte ich mir vorstellen und es würde wohl nur die einfachste davon 6c+ sein. Und den Onsight-Gesamtdurchstieg wollte ich natürlich hier nicht mehr herschenken. Etwas links vom Haken wurde ich dann glücklich und kämpfte mich mit starkem Seilzug den letzten Platten-Runout zum Stand hoch. Für den Nachsteiger ist der Mantle am Schluss zum Freiklettern psychisch ziemlich anspruchsvoll, da bei Nichtgelingen ein ziemlicher Pendler droht.
Diese wackligen Plattenmoves muss man nach der Mantle-Crux in L7 (6c+) mit viel Seilzug noch machen. |
L8, 50m, 6a: Nochmals eine super Seillänge wurde mir versprochen, der Grad 6a versprach Genusskletterei. Schon nach dem ersten Haken entpuppt sich die Sache jedoch als sehr knifflig und mit 5 BH auf 50m kann man hier auch zwischen den Sicherungen ziemlich viele Moves tun. Die Kletterei ist schon wirklich lässig, der schwarz-flechtige Fels speziell, aber einfach oder gar banal ist es wirklich erst auf den allerletzten Metern. Ich war nochmals voll gefordert und würde hier eher mit 6a+ oder sogar 6b bewerten.
Juhuu, geschafft, und erst noch die ganze Route onsight. Kathrin auf den letzten Metern in L8 (6a). |
Um 16.45 Uhr nach 5:15 Stunden Kletterzeit war es vollbracht. Ich hatte den Onsight bis zum letzten Meter halten können, dieses Spiel war aber auf des Messers Schneide gestanden. Entsprechend happy war ich mit dieser Begehung, auch die Route war sehr lohnend und vor allem auch anhaltend schwierig und herausfordernd gewesen. In einem kurzen Sprint erreichte ich noch in 2 Minuten den Gipfel des Loefjell und hielt kurz Ausschau. Danach ging es sofort wieder retour zum Ausstiegsstand, wo wir in zügiger und sehr bequemer Abseilfahrt von 6 gestreckten 60m-Manövern wieder den Boden erreichten. Rasch waren die Seile aufgeschossen und der Rückmarsch erledigt, die frohe Kunde von der erfolgreichen Wiederholung konnte per SMS in die Schweiz an meine Freunde gesendet werden.
Die erste Verankerung der Abseilpiste über die Nachbarroute Set me Free. Man sei sich bewusst, dass in den vielen älteren Setesdal-Routen an den Ständen jeweils nur 1 BH steckt und dieser meist mit verzinktem, inzwischen verrostetem Material ausgerüstet ist. Bei diesem Beispiel kommt noch die Baumarkt-Ringmutter dazu, welche im Klettersport nichts verloren hat. Festigkeit gemäss Datenblatt: 2.25kN bei axialer Belastung, bei radialer noch weniger, siehe auch hier. Die von uns gekletterte Oh Happy Day ist jedoch perfekt und professionell mit solidem Inoxmaterial erschlossen. |
Loefjell - Oh Happy Day 6c+ (6b+ obl.) - 8 SL, 400m - D. & A. Benz 2014 - ****; xx-xxxx
Material: 2x60m-Seile, 12 Express, Keile/Friends nicht einsetzbar
Material: 2x60m-Seile, 12 Express, Keile/Friends nicht einsetzbar
Sehr schöne, abwechslungsreiche Kletterei in bestem Setesdal-Granit. Reibungsplatten, eine Fülle von Quarzadern und durchgehend fordernde Kletterei machen diese Route ausserordentlich lohnend. Erwähnt sei, dass sich der Fels (aufgrund von wenigen Wiederholungen) manchmal noch etwas brösmelig anfühlt und mich auch das Ambiente am Loefjell mit Hüttensiedlung und Skilift im Vergleich zum Haegefjell weniger beeindruckt hat, darum reicht's nicht ganz für die Höchstnote. Die Absicherung mit Inox-Bohrhaken würde ich insgesamt als gut bezeichnen. Auf den Platten im unteren Teil entsprechen die Abstände eher einem xx, allerdings ist die Kletterei dort relativ einfach. Die Schlüsselstellen in L4, L6 und L7 sind sehr gut abgesichert (xxxx), der Rest ist als xxx zu werten, hier findet sich auch einmal eine anspruchsvollere Stelle, bei der nicht gerade ein Haken in Griffnähe ist. Das Topo zur Route kann man hier downloaden.
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