Bei der Grand Arête am Mont Raimeux handelt es sich um einen famosen Jura-Klassiker. Direkt aus der Schlucht von Moutier zieht dieser Rücken empor, nach einem plattigen Auftakt kann man direkt über seine felsige Schneide gehen. Wenn man stets dem leichtest möglichen Weg folgt, so lässt sich dieser aussichtsreiche Weg mit Schwierigkeiten bis maximal T5+, III als verschärfte Alpinwanderung auch seilfrei begehen. Wer mehr klettern möchte, findet ausreichend Gelegenheit. Über die schöne, mit Dinosaurier-Fussabdrücken drapierte Einstiegsplatte führen Wege bis zum fünften Grad. Und an den zahlreichen Aufschwüngen am Grat gibt es immer wieder die Möglichkeit, je nach Lust und Laune lässige Klettersequenzen im fünften und sechsten Schwierigkeitsgrad einzubauen. Nach gut 550hm hat man die Hauptschwierigkeiten überwunden. Ab diesem Punkt lässt sich in einer landschaftlich schönen Wanderung auch noch der Kantonshöchstpunkt des Kantons Jura, eben der Mont Raimeux erreichen.
Erst kompakte Plattenkletterei, dann ein vergnüglicher Grat, zuletzt eine Wanderung: das ist die Grande Arête du Raimeux. |
An einem Tag, wo die Finger vom Sportklettern bereits müde waren, der Geist aber nach einer lässigen Bergtour lechzte, rückte die Grand Arête wieder einmal in unseren Fokus. Es kam noch hinzu, dass in den Alpen mit einer Bisen-Restlage bald wieder Quellwolken entstünden und man vielerorts wohl eher mit bibbernder Kälte und nebliger Aussicht rechnen musste. So brach die ganze Familie um 10.15 Uhr in der Schlucht auf. Von der Strasse bis zum Einstieg ist es kein weiter Weg, wir brauchten ganze zwei Minuten. Ob der zwei vorausstürmenden Kinder gelangten wir jedoch schon kurz einmal in den anaeroben Bereich ;-) Am Fuss der Platte dann liessen sich die Topos aus dem Plaisir Jura und dem SAC-Führer Berner Jura irgendwie nur durchschnittlich mit der Lage vor Ort vereinbaren. Diverse Linien waren mit Farbe markiert, teils vernünftig mit Bohrhaken abgesichert, teil nur spärlich. Nun denn, hier würden wohl alle Wege nach Rom, sprich dem oberen Ende der Platte und damit dem Weiterweg auf den Grat führen. So entschieden wir uns, in zwei Seilschaften parallel zu klettern und die Kinder im Vorstieg zu schicken. Larina entschied sich für die blaue Linie am rechten Rand, einerseits hätte dies gemäss Topo mit 4c+ die schwierigste Möglichkeit sein können, andererseits sah das Gelände schön kompakt aus und es steckten regelmässig (d.h. ca. alle 5m) Bohrhaken. So kam es dann auch und in 4 Seillängen erreichten wir das Ende der Platte. Vorsicht beim Ausstieg, da liegt eine solche Menge an losem (eher kleinem) Geröll herum, dass es absolut nicht ohne Steine auszulösen geht. Jerome folgte einer gelben, zentralen Route. Dieser war vermeintlich einfacher (4a), dafür war die Absicherung mit Abständen bis 10m eher weiträumig. Doch einmal Alpinist heisst immer Alpinist, so vereinten wir uns am Ende der Platte wieder.
Die Kinder unterwegs auf der Einstiegsplatte mit den Dinosaurierspuren. |
Es folgen nun noch 3 Seillängen bis zu einem ersten Gratabsatz. Die erste davon eher kraxlig im dritten Grad durch ein paar Bäume hindurch. Die zweite in kompakterem Gelände, wo eine mittige BH-Linie mit dem Grad 5b bewertet und gar nicht mal so banal ist. Das letzte Teilstück war dann nicht mehr ausgerüstet, auf unserer Linie ca. 4a und konnte perfekt mit Cams abgesichert werden. Jerome und ich stiegen parallel voraus. Ich wies da und dort auf ein gutes Placement hin und jedes Mal kam die Frage zurück, welche Grösse passt denn? Ohne Ausnahme konnte ich die richtige Grösse ansagen, was zu grossem Erstaunen seinerseits führte. Irgendwie schon witzig, wie man über 3 Jahrzehnte eine Spürnase dafür entwickelt, wo es Placements haben könnte, wie man sie effektiv nutzt, den Seilverlauf effizient hält undsoweiter. Aber das war echtes Learning by Doing und hat ihm sicherlich einen wesentlichen Fortschritt gebracht - zumal er selber absichern echt cool findet, während ich ja bekannterweise mindestens genau so gerne Bolts klippe wie ewig mit Gerätschaften herumfummle (wobei ich ebenso bekannterweise natürlich strikte dagegen bin, gut natürlich abzusichernde Routen einzubohren, mir bedeutet Clean Climbing einfach nicht sehr viel). Um ca. 12.15 Uhr und damit nach 1:45h Kletterzeit hatten wir die ersten 7 Seillängen auf den Gratabsatz bewältigt und gönnten und bei sehr angenehmen Bedingungen an der Sonne eine Mittagspause.
Ab hier hat die Kletterei nun nicht mehr Wandcharakter, sondern man folgt wirklich dem Grat. Zunächst ist dieser einfach und bietet höchstens ein paar Zweierstellen, so dass man am kurzen Seil (oder natürlich ganz ohne) gehen kann. Der nächste markante Punkt ist die auffällige Dièdre Gallet (5b), eine kurze, doch ziemlich speckige Verschneidung. Wer sie wirklich auslassen möchte, kann auch rechtsherum im dritten Grad auf den Aufschwung kraxeln, während man links (von abschüssigem Gelände startend) in der Nordwand auch schwierigere Möglichkeiten fände. Nach einer Gehpassage folgt die Wandstufe der Bastion (5a), die anschliessend noch eine kurze 3er-Verschneidung bietet, während man rechtsherum im Gehgelände fortschreiten kann. Nach weiterem Gehgelände und einem fakultativen, kurzen 5m-Abseiler (problemlos rechtsherum umgehbar) erreicht man mit dem Donjon (5a) eine der schönsten Seillängen - prima Lochkletterei in einer fast senkrechten Wand. Auch etwas speckig, geht aber schon. Kraxlig geht's über den nächsten Grataufschwung und mit einem 5m-Abseiler (Fixseil vorhanden, wenn man rechts hält auch gut im zweiten Grad abzuklettern) zum geräumigen Platz bei der Noisette, wo man den Grat gut nach Norden verlassen und zum Ausgangspunkt zurückkehren könnte. Um ca. 14.00 Uhr hatten wir diese Stelle erreicht.
Die coole Seillänge am Donjon (5a) bietet schöne Lochkletterei, kann bei Bedarf aber rechts umgangen werden. |
Wir aber wollten weiter und kraxlig über ein kurzes Gratstück erreicht man die Paroi des Pitons. Dieser steile Absatz ist (vermutlich!?!) nicht umgehbar, wohl deshalb hat man hier eine Art Klettersteig mit Eisenstiften kreiert, im Führer wird diese Stelle mit 3a bewertet. Die Stelle lässt sich ohne grössere Probleme freiklettern. Ich hätte jetzt gesagt, es sei nur unwesentlich schwieriger wie das, was wir sonst teilweise geklettert hätten und damit etwa 5c. Larina konnte diesen Abschnitt zwar auch problemlos klettern, meinte aber für sie sei das eine 6a+. Irgendwo dazwischen könnte es also sein, denke ich. Anschliessend folgt mit der Via Mala (5a+) nochmals eine richtige Kletterstelle (rechts umgehbar). Den folgenden Gratabschnitt kann man direkt einfach im Zweiergelände überkraxeln, alternativ findet man in der Südwand ein paar Seillängen zwischen 5a-6a+. In einem folgenden Sattel führt nun ein Pfad nordseitig in den Wald. Diesem folgten wir, bis uns ein paar Steinmänner in eine Scharte am Grat führten. Hier könnte man wohl südseitig noch die Länge am Petit Cervin (4c+) erreichen. Da wir aber bereits in den Turnschuhen waren, umgingen wir die Stelle nordseitig. Wahlweise kraxelnd über den Grat oder nordseitig im Gehgelände durch den Wald erreicht man schliesslich das Ende der Felsen, wo wir um ca. 15.00 Uhr und nach 4:30h vom Einstieg ankamen.
Kraxlig und genussreich, aber nie schwierig geht's weiter über den Grat. |
Während Kathrin und Jerome von hier absteigen und zurück zum Ausgangspunkt gehen wollten, zog es Larina und mich noch weiter Richtung Mont Raimeux Sommet. So liesse sich noch mit wenig Zusatzaufwand ein weiterer Kantonshöchstpunkt erreichen, für mich Nr. 19 von 26. Eigentlich ist mir dieses Sammelprojekt ja nicht sonderlich wichtig, aber was gerade so am Weg liegt, nehme ich natürlich gerne mit und so wird die Sammlung eines Tages dann möglicherweise auch vollständig sein. Durch schöne Waldlichtungen geht's ab P.1172 zur SAC-Hütte (Cabane du Raimeux), wo man trotz 'Fermeture' wohl ein kühles Getränk hätte erhalten können. Wir zogen aber gleich weiter auf's sehenswerte Plateau zum Raimeux de Grandval, dann in Richtung einiger Gleitschirmflieger mit Startschwierigkeiten und schliesslich über die letzten paar Höhenmeter zum Gipfel mit seinem kleinen Turm. Um Schlag 16.00 Uhr waren wir dort, etwa 40-45 Minuten hatten wir vom Ende der Felsen an Gehzeit gebraucht. Für den Abstieg wählten wir schliesslich die Route nach Grandval. Das ist in Bezug auf Distanz und Höhenmeter etwas kürzer und vor allem schon beinahe historisches Gelände. Am Pic de Grandval und in der Combe du Geais hatten Kathrin und ich dereinst unsere erste gemeinsame Klettertour unternommen :-)
Auf dem Plateau des Mont Raimeux, eine sehr schöne Gegend von einmaliger Weite |
Am Gipfel gibt's einen kleinen Turm, so dass das Panorama noch ein wenig besser ist. |
Facts
Mont Raimeux - Grande Arête 3a-5b - ca. 10 SL & viel Kraxelgelände
Material: 1x30m oder 1x40m Seil, 10 Express, Camalots 0.3-2, evtl. Keile
Wer möchte, kann die Grand Arête als Alpinwandertour ganz ohne oder mit sporadischer Seilsicherung begehen. Wenn man die Kletterabschnitte vermeidet, so überschreiten die Schwierigkeiten nirgends den dritten Schwierigkeitsgrad. Wählt man den Weg direkt über die schöne, kompakte Einstiegsplatte, folgt nachher dem kompakten Fels und übersteigt einige Gratabschnitte in logischer Linienführung direkt, so ergibt sich eine genussreiche Kletterei von ca. 10 SL in Schwierigkeiten bis 5b. Wer möchte, findet unterwegs auch noch ein paar schwierigere SL bis 6a+, allerdings ist das dann eher etwas gesucht. Die Absicherung ist knapp bis genügend (Plaisir soso). Manchmal gibt's im kompakten Gelände Abstände, die man nicht entschärfen kann. Anderswo stecken dann aber wieder Bolts, wo man prima mobil an Bäumen oder mit sicheren Cam- und Keil-Placements sichern könnte. Es ist durchaus empfehlenswert, ein Set Cams und allenfalls Keile mitzunehmen, es handelt sich auch um prima Übungsgelände dafür. Auf der Platte zu Beginn kommt man mit 30-40m Seil unter Nutzung vieler Zwischenstände gerade durch. Am Grat selber hatten wir das Seil ständig verkürzt und nie mehr mehr als 20m in Gebrauch. Ein zu langes Seil ist also eher ein Hindernis denn ein Vorteil.