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Sonntag, 4. September 2022

Ailefroide/ Paroi de la Draye - Ne tirez pas sur l'ouvreur (6c)

Neben einer Tour am Galibier hatten wir für diese Ferien wieder eine anspruchsvolle Route in Ailefroide auf dem Programm. Larina war sogar schon fleissig gewesen und hatte sich die interessanten Projekte mit viel anspruchsvoller Reibungskletterei herausgesucht. Doch leider kooperierte das Wetter nicht so wirklich mit diesen Absichten. Während es vormittags sehr sonnig und damit in den entsprechenden Routen auf unserer Projektliste auch gleich extrem heiss war, verhinderte der Tagesgang mit abendlichen Platzregen einen späteren Einstieg, um die Routen am Schatten zu klettern. Im Lauf der Ferien drohten uns die Felle davon zu schwimmen und so entschieden wir uns, lieber erst einmal eine etwas kürzere Tour auf der (Vormittags-)Schattenseite zu klettern. 

Sicht auf die Wand der Paroi de la Draye mit dem Verlauf von 'Ne tirez pas sur l'ouvreur'.

Wir parkierten auf dem grossen Wiesen-Parkplatz nach der Brücke, ausgangs Ailefroide. Der Zustieg beginnt noch gute 100hm weiter taleinwärts beim Ortsschild von Ailefroide, wo es an der Strasse auch noch 3-4 Abstellmöglichkeiten gibt. Weit zu laufen gilt es ganz und gar nicht, in maximal 5 Minuten hat man die 40hm zum Einstieg schon bewältigt. Nicht so einfach ist es hingegen, innert nützlicher Frist einsteigen zu können. Solche MSL-Routen mit extrakurzem Zustieg und erstklassiger Absicherung sind natürlich super populär - wobei es bei der hier vorgestellten Route dank etwas höheren Schwierigkeiten und einer auf dem Topo nach arg viel Quergang aussehenden Linie vermutlich etwas weniger gravierend wie in einigen der benachbarten Touren ist. Wir hatten insofern Glück und trafen auf komplett freie Bahn - erst später, als wir schon fast wieder zurück am Einstieg waren, stiegen noch 2 Seilschaften ein um sich an der Sonne rösten zu lassen?!? Um 9.30 Uhr hatten wir alles bereit und legten los.

Ein Ausblick mit Rückblick auf die erste Hälfte von L4 (6b+), genussreiche Kletterei an Rissspuren.

L1, 30m, 6a: Gar nicht mal so einfach geht's gleich recht steil hinauf und schliesslich unter einer Art überdachten Verschneidung nach links um die Ecke. Henklig führt die Linie von dort aber gleich wieder rechts raus auf den Pfeiler und zuletzt einfacher/plattig zu bequemem Stand. Die rechte 6c-Variante habe ich erst von oben gesehen, da müsste man wohl das Dach über der Verschneidung irgendwo erklimmen, was doch ziemlich unlogisch erscheint.

Hier hinauf zur überdachten Verschneidung geht's los in L1 (6a).

L2, 20m, 6a: Erst kurz rechts hinaus aus dem Stand und an Rissspuren linkshaltend aufwärts. Richtig coole Hangelei, ohne besondere Schwierigkeiten. Bald schon kommt ein fakultativer Stand, der etwas oberhalb des Routenverlaufs liegt und eigentlich zur La Cocinelle gehört. Wer 2,3 Exen strategisch lang einhängt, kann auch gleich weiter.

L3, 25m, 6c: Eigentlich eine grosse Querung nach links hinaus, der Routenverlauf ist aber absolut logisch. Dank der guten Absicherung ist dieser Abschnitt auch für schwächere Nachsteiger unbedenklich, die schwierigsten Stelle führen eher aufwärts und die Sache fühlt sich nicht so sehr nach einem Quergang an, wie man aufgrund vom Topo vermuten könnte. Zwei kompakte Abschnitte markieren die Cruxen, dank einigen Leisten, guten Trittmulden und der phänomenalen Reibung des Ailefroide-Granits ist das gut zu machen - Schwierigkeit geschätzt 1-2 Grade tiefer wie z.B. in der "6a" vom Early Morning Walk an der Handegg und im Vergleich zu den "6c" in L3/L4 der As de Coeur an den Wendenstöcken ist es auch nicht im Ansatz vergleichbar fordernd. Schwierigkeitsgrade beim Klettern, das ist wie Schall und Rauch... einen etablierten Standard gibt es nicht, die Einstufungen variieren extremst, da scheint jeder Versuch einer korrekten Bewertung total sinnlos. Aber eben, wie der Routenname schon sagt... man beklage sich nicht über die Erschliesser und (deren) Bewertungen. Der Stand super bequem bei einem Baum.

Die letzten Meter zum bequemen Stand in L3 (6c), die Schwierigkeiten hier vorbei.

L4, 40m, 6b+: Startet mit echt lässiger Kletterei an rissigen Features, was noch keine ganz grossen Schwierigkeiten bietet. In der zweiten Hälfte zieht es dann unverhofft an. An der markanten, grossen, weissen und schon von der Strasse erkennbaren Schuppe kann man nicht etwa chillig piazen, sondern man klettert auf der Schuppe anspruchsvoll plattig - nach meinem Gusto nicht einfacher wie L3!

Die Kletterei auf der hellen Schuppe in L4 (6b+) spielt sich am Ende in der Nähe deren linker Kante ab, die jedoch nicht allzu viel für die Fortbewegung hilft. Da heisst es plattig Moven - es dürfte auch der Abschnitt mit den zwingendsten Hakenabständen bei gleichzeitig nichttrivialer Kletterei sein.

L5, 30m, 6a+: Startet rechts erneut mit ein paar schönen Rissspuren, bevor das Gelände plattiger, sich etwas zurücklegt und ohne die grossen Schwierigkeiten zum Stand leitet. Das ist die Seillänge der Route, die mir schlussendlich am wenigsten in Erinnerung geblieben ist.

Schöne Plattenkletterei im typischen Ailefroide-Stil in L5 (6a+).

L6, 35m, 6a+: Ein richtig tolles Schlussbouquet, zieht doch die Route tatsächlich durch die imposante Steilwand rechts oberhalb vom Stand. Diese ist aber gespickt mit vielen guten Henkeln, so geht's zügig voran. Das Finish dann nochmals plattiger mit einer kleinen Abschlusscrux.

Auf den letzten Metern zum Top (L6, 6a+) ist der Fels nicht mehr so üppig strukturiert, da heisst es nochmals gut auf die Füsse zu stehen.

Um 11.45 Uhr und somit nach 2:15h der Kletterei waren wir am Top angekommen. Natürlich war uns diese Route einwandfrei onsight/flash gelungen, im Vergleich zu unserem Unternehmen im Gebiet vom Vorjahr war die Tour einerseits viel kürzer und wegen der soften Bewertung auch sonst relativ easy. Da die Tour aber auch mehr als ein Aufwärmen für die nachmittägliche Sportklettersession gedacht war, mussten wir uns diesbezüglich auch nicht grämen. So machten wir uns auch gleich auf den Rückweg. Während bei vielen Routen an der Paroi de la Draye zu Fuss abgestiegen werden kann, so ist bei dieser hier ein Abseilen quasi zwingend. Das geht (hoffentlich) zügig, denn es sind nur 3 Strecken, in welchen die 2x50m-Seile jeweils gut ausgemessen werden. Das "hoffentlich" bezieht sich auf eine durchaus vorhandene Verhängergefahr auf dieser Piste. In der ersten Strecke ist ein dürrer Baum wenige Meter ob dem Stand das Hindernis (da hatten wir Glück gehabt), auf der letzten Strecke sind die letzten 30m mit blockigem Schrofengelände dafür prädestiniert, das Seil beim Abziehen zu fressen. So auch bei uns, zum Glück war es ohne grossen Aufwand seilfrei zu bereinigen. Um 12.30 Uhr setzten wir uns auf das Polster, um wie erwähnt für eine zweite Session mit dem Rest der Familie an den steilen Fels zu ziehen.

Tagesabschluss am See, mit ein paar Jumps vom Baum wird noch "etwas Hirnwasser getankt".

Facts

Ailefroide / Paroi de la Draye - Ne tirez pas sur l'ouvreur 6c (6a+ obl.) - 6 SL, 180m - J.M. & C. Cambon 1993 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 14 Express

Schöne Plaisirroute mit vielen interessanten Kletterstellen auf Steilplatten und an Rissspuren, mit gutmütiger Bewertung und prima Absicherung. Die weiteren Vorteile sind der kurze Zustieg und die Tatsache, dass man selbst an den heissesten und sonnigsten Sommertagen bis um 12.30 Uhr komplett im Schatten klettern kann. An den schwierigen Stellen sind die Hakenabstände kurz und lassen eigentlich immer A0 zu, die einzige Ausnahme sind womöglich ein paar Moves an der weissen Schuppe (L4, 6b+), die halbwegs ehrlich geklettert sein wollen. Topos findet man im Oisans Nouveau, Oisans Sauvage und im Briançon Climbs. Wie immer sehr nützlich auch die Infos auf C2C.

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