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Mittwoch, 1. November 2023

Ticino Bouldering Herbst 2023

In meinem Beitrag zur Tis-sa-ack im Val Calnègia hatte ich ja schon angetönt, dass für Larina und mich in den Herbstferien "nur" ein Trip ins Tessin drin lag. Das "nur" ist wirklich sehr despektierlich im Angesicht der unzähligen Klettermöglichkeiten und erst recht der Bouldergebiete, für welche die Leute aus der ganzen Welt anreisen. Da können wir uns wirklich glücklich schätzen, diese Möglichkeit in Kurztrip-Distanz zu haben. Nun wollten wir dies wieder einmal so richtig ausnutzen und ehrlich gesagt, was kann man mehr wollen wie einen solchen Ausflug?!? Vor allem für meine eigene Erinnerung hier ein kurzer Abriss über das Geschehen. Der Informationsgehalt vielleicht für einmal nicht extrem gross, hoffentlich besteht wenigstens ein gewisser Inspirationsgehalt. Wobei, wenn hier vor allem Mehrseillängen-Fans lesen, bin ich da auch nicht zu 100% sicher...

Session 1 - Chironico Boggalagga

Nach Arbeit und Anreise blieb uns bis zum Einbruch der Dunkelheit nur noch ein kurzes Zeitfenster für eine Session. Was ja aber zum Glück beim Bouldern gut ausreicht, um auf die Kosten zu kommen. Aber Parkplatznähe sowie einige interessante Probleme nahe beieinander waren dann doch gewünschte Attribute. Da wir ja irgendwie doch eher ausdauernde Kletterer als schnellkräftige Boulderer sind, nehmen mir auch immer gerne Traversen in Angriff. Hier zuerst mit der Blue Trav's (6C+). Die gelang uns ziemlich schnell, somit zogen wir weiter an den Block mit der Royal Traverse (7A/+). Nachdem wir die einfacheren Möglichkeiten an diesem Block erledigt hatten, widmeten wir uns dieser Herausforderung. Das war aber eine zähe Sache, massiv härter wie die Blue Trav's und wir konnten leider keinen Durchstieg verbuchen.

Geklettert: 🔴Blue Trav's (6C+), ⚡Masso 4.1 (6A+), ⚡Masso 4.2 (6B), ⚡Masso 4.3 (6A+), 🔴Golden Goal (6B), ⚡Malus (6B)

Probiert: ❌Giandollaro (6C+, Marcel), ❌Royal (7A), ❌Pirus (6C+)

Kurzer Augenschein in Giandollaro (6C+): cool aber hoch und scary, braucht mehr Matten und einen Erwachsenen als Spotter.

Session 2 - Chironico Rah Plats Plats

Nach einer Nacht im Hotel Octavia waren wir früh vor Ort und wollten von Grumo aus eines der etwas mehr Aufwand erfordernden Gebiete besuchen. Wobei man zum Sektor Rah Plats Plats auch nicht mehr wie 15-20 Minuten zu laufen hat. Wir klapperten erst einmal alle Boulder im Sektor ab, um uns die Projekte für den Tag zu definieren. So war es dann nach dem Aufwärmen der Block mit dem bekannten Number One aka Sloper Attack (7A), wo wir uns niederliessen. Erst einmal widmeten wir uns jedoch der athletisch-dachartigen Traverse Professor Bambèla (7A) mit ihrem kniffligen um-die-Ecke-Mantle ganz am Ende, um am linken Rand auf die Platte auszusteigen. Die gelang uns beide mehr oder weniger rasch. Larina war dann auch im genialen Number One recht zügig erfolgreich. Ich tüftelte da viel länger, schaffte es von 'two moves in', aber der Gesamtdurchstieg blieb schliesslich verwehrt - für diese Sloper müssen kühlere Temperaturen her, war das Fazit. Schon etwas angezählt kletterten wir noch diverse einfachere Boulder und beschlossen dann reichlich platt am Ende des Tages, am Folgetag mit einer MSL wieder etwas zu Kräften kommen zu wollen.

Geklettert: ⚡Durabase (6A), 🔴Eyorjoi (6B), ⚡Ölwechsel (6A), ⚡Fast Food (6A), 🔴Professor Bambèla (7A), 🔴Number One (7A, Larina), 🔴Petit Beurre (6C, Marcel), ⚡Cordon Rouge (6A+), ⚡Dinastia Minch (6A+), 🔴Grande Minch (6C)

Probiert: ❌Number One (7A, Marcel), ❌Petit Beurre (6C, Larina)

Das ist nur das Warm-Up: Eyorjoi (6B)
Hotel Octavia (mit integrierter Frühstücksbar)

Session 3 - Val Bavona Picaduro

Auch an diesem Tag ging es an die Blöcke. Doch in diesem Fall sind diese so hoch, dass eine Matte nicht ausreicht und man zwingend ans Seil muss - wobei es auch coole, jedoch noch weitgehend unerschlossene Bouldermöglichkeiten gäbe. Bei unserer Fahrt ins Val Bavona waren wir uns noch nicht sicher, welchem der vielen kürzlich erschlossenen Sektoren wir an diesem Tag den Vorzug geben würden. Die hausgrossen Picaduro-Blöcke liegen jedoch direkt an der Strasse, so dass ein Augenschein ohne Zusatzaufwand möglich war. Der herausfordernden Linien warten da noch viele und so blieben wir dann auch gleich vor Ort. Einmal aufgewärmt, probierten wir es mit der Route mit dem vielversprechenden Namen La legge del dolore. Im Topo steht noch NL (=non liberata, d.h. nicht freigeklettert), wir schafften jedoch beide den Durchstieg und schlagen mal den Grad 7b+ vor. Nach einem einfacheren Auftakt wird es am Ende wirklich sehr, sehr kleingriffig, bevor man sich dynamisch an eine Henkelschuppe rettet. Als nächste Linie nahmen wir die Nouvelle vague (8a) vor. Da war der spannende Fakt vor allem, dass die Moves in der Crux verblüffend ähnlich zum Pièce de Résistance in Larinas Finalroute an der kürzlichen Lead-SM waren. Der Schrauber musste wohl zuvor genau hier geklettert sein, war unser Fazit. Nach einigem Austüfteln hatten wir zwar eine funktionierende Sequenz beisammen, die langsam einsetzende Dunkelheit trieb uns aber zur Eile an und es blieb uns nur je ein einziger Durchstiegs-Shot. Dieser liess sich zwar gut an, doch fehlte uns beiden ein Mü, um uns über die knifflige Traverse nach links hinüber an besseres Griffmaterial zu retten - Grund genug, um bald wieder dahin zurückzukommen.

Geklettert: 🔴La legge del dolore (7b+)

Probiert: ❌Nouvelle vague (8a)

Spielerei beim Ausbouldern: auch in einer 8a können rustikale Techniken zum Einsatz gebracht werden... im Durchstieg wurde dieser Rastpunkt jedoch nicht umgesetzt. Er ist nicht wirklich nötig bzw. vorteilhaft, da es bis dahin nicht allzu schwierig ist und der Aufwand sich in der Ecke zu platzieren eher grösser wie der Nutzen daraus.

Session 4 - Brione Brionesque/Amber

Aus einer Sichtweise hätte es durchaus seine Logik gehabt, das offene Projekt im Val Bavona gleich noch zu bereinigen, da wir ja schon (bzw. noch) in der Nähe waren. Aber einerseits hatten wir uns schon lange geeinigt, am Ende noch 2 Tage in Brione zu bouldern. Vor allem aber obsiegte die jugendliche Logik von "irgendwann komme ich schon dahin zurück" und "dann bin ich eh noch stärker als heute und kann einfacher senden" - da waren des Vaters Torschlusspanik-Gedanken ob er es nochmals dahin schaffte während er noch stark genug sei kein Argument dagegen. Nun denn, wir kurvten ins Verzascatal und machten uns auf in Richtung Molonk, wobei uns dann die ersten Blöcke an welchen wir vorbeiliefen schon so überzeugten, dass wir die Matten erst mal abwarfen und mit dem Bouldern begannen. Vertieft ins Tun kamen wir dann auch nicht mehr weiter, es war schlicht und einfach nicht nötig. Nachdem uns mit dem Fragola matta (6C+) schon beim verschärften Aufwärmen ein ziemlich hoch bewerteter Boulder gelungen war, versuchten wir uns beim extrem tüfteligen Australian Open (7B+). Der ist sehr kurz und übersichtlich, dennoch sind unzählige Detaillösungen denkbar. Wir puzzelten und puzzelten, für Larina passten die Teile dann schliesslich und der Durchstieg sah bemerkenswert einfach aus (siehe Video). Mir blieb dieser jedoch verwehrt. Nahezu jede erdenkliche Lösung ging beinahe, aber eben nur beinahe. So fehlte es ein wenig an Beweglichkeit, anders gerade an der entscheidenden Reichweite und bei der x-ten Lösung war es ein Jota zu wenig an Stützkraft, et cetera. Doch irgendwo musste sich der entscheidende Kniff verstecken, der es möglich machte... Klein beigegeben habe ich schliesslich, als meine Handflächen vom vielen Stützen einfach zu schmerzhaft waren. So verschoben wir uns an den steil-athletischen Oblivion-Block. In seinem zentralen Teil bietet der 2 verschiedene Starts mit je 3 möglichen Exits, was alles in allem 6 verschiedene Boulder ergibt. Mir lag der eine, schwierige Sitzstart sehr gut, so konnte ich tatsächlich noch am selben Tag wie Larina auch erstmals eine 7B+ ziehen. Mit dem Fazit, dass wir langsam ans Buchen des Ticket fürs Yosemite Valley denken können (denn wenn wir da sind, so gehört neben dem Send von Freerider (~30 SL, 7c+) am El Cap ein Durchstieg von Midnight Lightning (V8 / 7B+) am Columbia Boulder im Camp IV zum Pflichtprogramm) machten wir uns im letzten Licht zurück zum Basecamp.

Geklettert: ⚡Masso 01b.4 (4+), ⚡Masso 01b.5 (5), 🔴Arpia (6B), 🔴Fragola matta (6C+), 🔴Australian Open (7B+, Larina), ⚡Learn to park (6B+), 🔴Winter Classic Stand (6C), 🔴Winter Classic (7B, Marcel), 🔴Brahama (7B+, Marcel)

Probiert: ❌Oblivion (7A), ❌Australian Open (7B+, Marcel), ❌Winter Classic (7B, Larina)

In Arpia (6B) muss man sich schon recht gut festhalten.
Unser Power Crag Food: Apfel-Cookie-Mandel-Joghurt-Müesli

Session 5 - Brione Brionesque/Amber

Wenig innovativ zogen wir nochmals in denselben Sektor wie am Vortag. Woran das liegt, mag der Leser schon ahnen. Einerseits waren gewisse Pendenzen ja unerledigt geblieben, andererseits hatten wir noch weitere, interessante Linien in diesem Sektor erblickt. Aufgewärmt wurde an den Massi 06 und 07, wobei wir am ersteren Block die für uns logische Gesamttraverse kletterten, d.h. den bestehenden Boulder Bocca Rosa (6A) zur Bocca Totale (6A+) erweiterten. In unserem Rücken gelang dann mit El Lasagna (6C+) schon ein schöner Erfolg, worauf wir uns (nach einem meinerseits kurzen jedoch erfolglosen Abstecher zum Australian Open (7B+)) den unerledigten Kombis am Oblivion-Block widmeten. Als die roten Punkte eingetütet waren, zogen wir weiter zum Masso 12, wo die restliche Zeit, Haut und Kraft verpulvert wurde. Während uns Crimpbergen (6B) eher schwer fiel, so konnten wir dafür beide Polenta e Merluzz (7A+) flashen und die persönliche Bestleistung in diesem Stil anheben. Doch der Block bot noch mehr als uns das Topo versprach. Die Sloper-Traverse von links her in den Ausstieg von Crimpbergen bot eine fantastische, ausdauernde Challenge ganz nach unserem Gusto! Wir mussten doch einige Zeit herumpröbeln und dann einige Durchstiegsversuche geben, bis die Sequenz optimiert war und der Strom dann auch für die kniffligen Moves um die letzte Ecke reichte. Da diese Linie im Topo nicht gelistet ist und es auch überhaupt keine Kletterspuren gab, war das vermutlich ein First Ascent. Wir würden ihn Südkurve nennen, er checkt wohl irgendwo im Bereich 6C-7A ein, bzw. wenn wir uns konkret festlegen müssen, dann bei 6C+. Das war es dann, einerseits wurden wir daheim zu fixer Zeit erwartet, andererseits war die Tankanzeige bei Haut und Kraft auf dem Stand von null angelangt, so dass wir die Segel strichen und uns mit wohliger Müdigkeit und grosser Zufriedenheit auf den Heimweg machten.

Geklettert: ⚡Gost shot (4+), ⚡Hhey fill (6A), 🔴Bocca totale (6A+), ⚡Moogie (6A+), ⚡La trav (5+), ⚡Uela lì (6A+), 🔴El Lasagna (6C+, Marcel), 🔴Oblivion (7A), 🔴Light Blue (7A+, Marcel), ⚡Polenta e Merluzz (7A+), 🔴Crimpbergen (6B), ⚡Stuzzichino (6A), 🔴Südkurve (6C+)

Probiert: ❌Australian Open (7B+, Marcel), ❌El Lasagna (6C+, Larina)

Larina beim Flash von Polenta e Merluzz (7A+)
Larina kurz nach dem Sitzstart in die Südkurve (6C+), der sich sehr logisch links aussen vollzieht. Man quert dann ausdauernd der sloprigen Kante entlang nach rechts, wobei sich die Durchstiegscrux an der Ecke des Boulders in Bildmitte befindet, wo man sich in die Crux des schon existierenden Boulders Crimpbergen (6B,  Sitzstart von der roten Matte) etablieren muss. Über diesen steigt man dann auf den Block aus.
Nochmals Larina in der Slopertraverse der Südkurve (6C+).
Time to go home...

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