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Mittwoch, 4. September 2024

Tête de Gaulent - Les promesses de l'aube (6c+ oder 6a+ A0)

Restday - das war das Motto für diesen Sonntag. Auch mir war ein gemütlicher Vormittag nach viel strenger Sportkletterei nur recht. Faulenzen wird aber doch bald einmal weniger spannend wie auf Entdeckungsreise gehen und so lockte mich das tolle Wetter doch noch für einen Ausflug in die Berge. An die Tête de Gaulent sollte es gehen, wo ich im 2018 mit Larina die Top-Plaisirtour Gaulent Tement geklettert hatte. Das war ein mit dem Bike erreichbares Gebiet, es gab mit der Promesses de l'Aube ein in Sachen Schwierigkeit, Absicherung und Länge ideales Ziel für ein Rope Solo und dank der SE-Exposition mit Einstieg auf 2600m würde man spätnachmittags auch an einem der wärmsten Tage im 2024 angenehm klettern können. Also packte ich meine Ware und los ging's!

Sicht auf das Massiv der Tête de Gaulent. Alle anderen modernen und gut abgesicherten Routen befinden sich am linken (Vor)gipfel, in der Wand rechts gibt's nur die hier eingezeichnete und von mir gekletterte Promesses de l'aube. Der eigentliche Gipfel der Tête bietet keine Kletterrouten und ist noch weiter zurückversetzt.

In meinem Fall mit einer längeren Bikestrecke, aber auch mit dem Auto ist für die Fahrt zum Ausgangspunkt viel Sitzleder nötig! Die Schotterpiste hinauf nach Tramouillon (1950m) ist lang und ruppig - Rätikonstyle. So wie ich mich von meinem letzten Besuch erinnerte, rechnete ich mir gute Chancen aus, mit dem Bike noch ein Stück weiter fahren zu können. Das materialisierte sich, auf 2250m war schliesslich Bikedepot und Zeit für eine Pause. Puh, das hatte doch schon einige Körner gekostet: mit dem Auto nach Tramouillon zu düsen und dann zu Fuss zu gehen ist sicher die weniger anstrengende Lösung. Aber auf die war ich natürlich nicht ausgerichtet, der autofreie Triathlon Bike, Hike & Climb war genau meine Absicht.

Bikedepot... aus dem Talboden sind es 1300hm bis dahin.

Weiter ging's zu Fuss, bald kreuzte ich eine Seilschaft, die mich wie einen Ausserirdischen musterten. Sie hätten nach der Gaulent Tement noch eine zweite Route (die hier von mir beschriebene) klettern wollen, aber es sei viel zu heiss gewesen. Meine Antwort: "ça va bientôt passer à l'ombre" - bald kommt der Schatten 😎 Das willst du zu dem Zeitpunkt vermutlich nicht hören, erst recht nicht von einem Schweizer Mr. Schlaukopf 🤓 Jedenfalls, das letzte Stück zur Wand hoch zog sich. Unten hat's noch eine dünne Wegspur, oben dann eher nur noch vermeintliche. Ich meine, am besten steigt man nach links ausholend, dann im Bereich links der Geröllreisse, welche von der Wand runterzieht. Oben muss man dann ca. 40hm unterhalb vom Einstieg nach rechts wechseln und umgeht zuletzt einen Vorbau rechtsrum. Der Start der Route selbst bei 2 BH mit Schlinge ist offensichtlich, es ist die einzige Linie in diesem Wandteil. Ein paar Minuten vor 16.00 Uhr startete ich in die Route.

Am Einstieg angekommen. Wie erwünscht verabschiedet sich die Sonne gleich aus der Wand.

L1, 35m, 6a: Am Anfang über einen Aufschwung, dann in grasigem Gelände zur nächsten Wand. Die bietet dann tolle Kletterei in fantastischen Fels - bis auf die eher braun-graue Färbung rätikonlike mit Rauigkeit, Tropflöchern, Dellen, Wasserrillen - das ganze Programm. Der Nachteil: es wirkt ein wenig so, wie wenn man nebenan von einem T6-Hikr überholt werden könnte. Die Crux bei der Querung nach links auf die Kante.

L2, 40m, T5: Wie bereits im Text zu L1 angetönt: gerade im unteren Teil haben wir es hier nicht mit einer kompakten Wand zu tun. So wartet hier ein Schrofenintermezzo mit mehr oder weniger horizontaler Querung einem Fixseil entlang in eine Geröllrinne, am Ende geht's dann noch kurz und leicht mühsam hinauf zum nächsten Stand. Der vorhandene Strick hat definitiv schon bessere Zeiten gesehen, teilweise hängt er nur noch in den Fäden, es ist ihm nicht zu vertrauen.

L3, 30m, 5c: Auch hier wieder die tolle Kletterei in einer kompakten Wand mit rätikonlikem Fels. Zu einem grossen Teil geht das wirklich gut, nur in einer kurzen Querung in der Mitte heisst es, seine Moves sorgfältig zu planen. Ich fand das gar nicht mal so einfach. Wenn bei den Franzosen der Grad 5c+ nicht so stiefmütterlich behandelt würde, wäre es vielleicht zum Einsatz gekommen.

L4, 40m, 5c: Diese Länge folgt zuerst einem kurzen Grat und macht dann eine grosse Rechtsschleife. In Seilschaft ist da der Seilzug programmiert. Als Rope Soloist ist der kein Thema, trotzdem hatte ich den Stand nach L3 erst an der hinteren Wand improvisiert (die nahe steckenden BH erlauben dies), was sicher auch zu zweit eine prüfenswerte Option ist. Die Querung klettert sich dann easy, um die Verschneidung zu gewinnen holt man dann noch weiter nach rechts aus wie die seilzugoptimierten BH suggerieren, so ist auch dieser Teil und das Finish recht gängig.

L5, 25m, 5c+: Auch hier kurz nach rechts und gleich steil mit ein paar Zügen am verblockten Riss hoch. Auch wenn's etwas spooky ist, man kann m.E. bedenkenlos an den eingeklemmten Steinen ziehen, die sitzen solide. Der obere Teil führt dann der Kante entlang, die Haken locken einen zu Gunsten von höheren Schwierigkeiten eher auf die rechte Seite, leichter geht's links. Nach einem prüfenden Blick zur Anzahl noch an meinen Gurt baumelnden Expressen entschliesse ich mich, den etwas unbequemen und (v.a.) für's Rope Solo ungünstig platzierten Stand auszulassen und gleich weiterzugehen (in Seilschaft keine gute Option!)

Beim Rope Sole natürlich wieder einmal keine Kletterfotos gemacht. Hier der Blick vom Stand nach L5 auf die freiklettertechnische Crux der Route an diesem splittrigen Wulst zu Beginn von L5. Man geht in links der Bildmitte an und klettert in etwa dort, wo die Gesteinsfarbe von gelbbraun zu weissgrau wechselt (in voller Auflösung sieht man die BH). Dann in die Verschneidung hinein und henklig übers Dach raus - kurze Stelle 6c/6c+.

L6, 25m, 6c/+ oder 6a 2pa: Von der Flachzone weg gleich die Crux mit der als A0 propagierten Passage. Ich hatte mich im vornhinein nicht im Netz schlau gemacht, ob das auch frei geht, wollte es aber auf jeden Fall probieren. Jedenfalls, es stand schon zuvor im Netz und nun ist's auch hier festgehalten: es geht und es ist noch nicht einmal extrem viel schwieriger wie der Rest der Route. Jedenfalls: die Wand hat hier kurz einen splittrigen Gürtel. Ich habe in diesem Bereich eigentlich keinen Griff genutzt. Oberhalb findet man zum Greifen kleine Tropflochcrimps - dann heisst's 1x im splittrigen Fels antreten (da gibt es schon zuverlässig-solide Tritte, nur halt keine guten). So sind es quasi 2 Moves, dann hat man einen Henkel in der Hand und muss schauen, wie man athletisch aus der Verschneidung entkommt - dieser Teil gehört auch der der A0-Variante dazu. Der Rest der Länge ist dann leichter verdaulich und folgt einer Art Rampe in Tropflochgelände zum Stand.

L7, 35m, 6b+: Super Abschlussbouquet zur Route - steil, eindrücklich und luftig! Los geht's griffig und entlang von Rissen, wo ich sogar ein paar Jams gesetzt habe. Schon diesen Teil empfand ich als recht zupfig und als Crux der 6a+ Bewertung entsprechend, welche JMC propagiert. Aber damit ist noch längst nicht fertig, aus einer steilen Verschneidung klettert man rechts um die Kante. Da muss man sich kurz mal echt gescheit festhalten, das sprengt den Rahmen von 6a+ definitiv. Nach ein paar Zügen in flacheres Gelände wartet dann noch eine feine Linksquerung und das einfachere Finish, welche im Vergleich zum Rest der Route eher luftig gesichert sind.

Schon beim Ausräumen der steilen und luftigen L7 (6b+). Die Crux besteht bei der Querung nach rechts aus der Verschneidung raus (da wo das Seil sichtbar ist). 

L8, 20m, 4c: Hm, das sieht schon a priori eher bof bof aus und für ein einfaches Abseilen ist der Weiterweg auch nicht so günstig. Aber meine Meinung zum verfrühten Abbrechen von MSL ist ja bestens bekannt und hier gibt's sogar noch einen Gipfel zu besuchen. Ich spekuliere, dass ich mit meinem 70m-Seil nach L7 gleich weiter und dann auch ausräumen kann, ohne nochmals runter zu müssen - das ging grad auf (mit Abziehen und nochmals fädeln an Stand 7). Sonst gibt's zu dieser Länge wirklich nicht viel zu sagen, die Kletterei an einer Art Grat und zuletzt über einen Aufschwung ist nicht schön und der letzte Stand ist unbequem platziert. Allerdings ist's auch schnell erledigt.

Vom Gipfel bietet sich ein super Panorama über unsere geliebte Feriengegend 😀

Natürlich machte ich den kurzen Abstecher zum Gipfel. Eigentlich ist's nur ein Turm vor der eigentlichen Tête de Gaulent, aber doch eigenständig und vor allem mit 360 Grad Rundumsicht - genial schön da oben! Die Uhr zeigte 17.50 Uhr, somit hatte ich etwas weniger als 2:00h gebraucht - super zügig also. Wie gewünscht hatte ich alles schön am Schatten bei angenehmen Bedingungen klettern können, da war die Planung perfekt aufgegangen. Das Abseilen führte ich dann genau so aus wie im ONOS und im Plaisir beschrieben. Die Abseilstellen messen wirklich nicht mehr wie die dort angegebenen 35m. Allerdings muss man im Bereich von L2 zuerst etwas mühsam im Geröll absteigen und dann dem Fixseil entlang zurück zu Stand 1 gehen (wobei längere Seile da nur beschränkt helfen, man wird sowieso ein Stück zu Fuss absteigen müssen, was für meinen Geschmack problemlos ist).

Zurück am Einstieg - faut pas trainer...

Einmal zurück am Einstieg (18.20 Uhr) sah es so aus, als ob der Giftpilz auf der gegenüberliegenden Talseite mich tatsächlich noch behelligen könnte. Also rasch die Ware gepackt und zügig zum Bikedepot (18.40 Uhr), dann erst in holpriger, später in rauschender Fahrt die 18km zu Tale mit Basecamp an um 19.10 Uhr. Warum ich die Zeiten hier so genau nenne? Weil ich diese erst jetzt anhand der Fotos rekonstruiert habe und es selbst kaum glauben kann, dass Gipfel-Camp in 80 Minuten möglich ist, so weit wie dies optisch aussieht! Jedenfalls, das war eine super Tour und trocken bin ich übrigens auch geblieben 😁

Facts

Tête de Gaulent - Les Promesses de l'Aube 6c/+ (6a+ obl.) - 8 SL, 250m - Cambon/Bidault 2010 - ***;xxxxx
Material: mind. 1x70m-Seil, 14 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine wirklich lässige Plaisirroute in meist sehr gutem, rauem und strukturiertem Fels, die jedoch durch eine ziemlich gegliederte Wand führt und so das Feeling einer grossen Unternehmung etwas vermissen lässt. Ich habe hier auch Plaisir geschrieben, meine damit aber etwas anderes als im Plaisir Sud und im OSON (wo JMC zusätzlich schreibt, die Route sei weniger anforderungsreich wie die Gaulent Tement, was m.E. nicht richtig ist). Also, die Beschreibungen suggerieren 6a+ mit 3pa und 5c obl. Das dünkt mich klar zu tief, man sollte sich auch mit Hakenhilfe auf 6a+ obligat einstellen, sonst hat man in L7 mehr Stress als Spass. Wenn man die Route freiklettert, so destillieren die Berichte auf C2C zu einer 6c/6c+ in L6 und 6b+/6c in L7. Damit bin ich einverstanden, was nun der genaue Grad ist, muss ich ja nicht zwingend entscheiden. In L6 ging ich mangels Vorrecherche mit der Einstellung rein, dass das möglicherweise noch gar nie freigeklettert wurde und fand es dann überraschend einfach. In L7 war ich in der Vorstellung, dass es auch ohne Hakenhilfe 6a+ oder maximal 6b sein sollte und so empfand ich es als deutlich schwieriger wie erwartet. Abgesichert ist die Route mit verzinktem Material und Fixé-Laschen auf Stufe super. Am meisten engagieren muss man sich in der zweiten Hälfte von L7. Topos findet man wie schon erwähnt das Original des Erschliessers im Oisans Nouveau Oisans Sauvage, dann im Plaisir Sud und auch im Topoguide Band III.

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