Es war wieder einmal Zeit für einen Tag Abstinenz vom steilen Sportklettern. Unsere Devise war, es den Radfahrern an der Tour de France gleichzutun. Die machen an ihrem Ruhetag auch keine Pause, sondern strampeln eben mal 150km in (relativ) gemütlichem Tempo ab, um im Rhythmus zu bleiben. Des Vertikalathleten Pendant zu dieser Strategie ist das Klettern einer schönen Recovery-MSL mit ein paar genussreichen Seillängen. Das attraktive Gesamtpaket von einfacher Zugänglichkeit per Bike, nachmittäglichem Schatten und spannend-steiler Kletterei sprachen erneut für das Gebiet von Le Ponteil, dieses Mal war Larina mit von der Partie.
Sicht auf die S-Wand vom Gebiet Le Ponteil mit dem Verlauf der Rôle en Dalle (6c) |
Allzu viele Routen kenne ich an dieser Wand noch nicht (Surplomb Jaune, Nid d'Aigle), aber nach einhelliger Meinung sei die von uns anvisierte Rôle en Dalles die beste Route im Gebiet. Was natürlich die Frage aufwirft, ob es denn weise ist, beim ersten (oder einem der ersten) Besuche in einem Gebiet gleich die beste Route zu klettern. Was kommt denn danach?!? Eigentlich gibt's nur zwei Optionen, entweder 1) gibt man sich danach mit weniger (Schönheit) zufrieden, oder 2) man zieht weiter zum nächsten Gebiet, um dort auch wieder (nur) die schönste Route zu klettern. So richtig das Gelbe vom Ei ist weder das eine noch das andere, jedenfalls führt die ausschliessliche Jagd nach dem Perlen vielleicht nicht unbedingt zu nachhaltiger Befriedigung beim Klettern, so scheint es mir die Logik zu diktieren. Nun denn, die snobistische Haltung zuerst bzw. nur die besten Routen zu klettern ist mir generell fremd, an diesem Tag war aber die Rôle en Dalles trotzdem das am besten passende Projekt, für die anderen Linien an der Wand kommt die Gelegenheit hoffentlich auch einmal.
Das Panorama vom Einstieg - es ist wirklich ein sehr schöner Ort zum Klettern! |
Mit dem Bike gondelten wir, so wie ich es kürzlich schon mit Jerome gemacht hatte, die ca. 10km hinauf nach Le Pont (P.1447). Auch für die Rôle en Dalles startet der Zustieg bei der Infotafel, von wo man in 10 Minuten zur Wand gelangt. Eigentlich ist der Start angeschrieben (nicht so gut lesbar), aber die Routendichte ist so hoch, dass es trotzdem nicht ganz trivial ist, die richtige Linie zu verfolgen. Auch die Topos entschlüsseln die Sache nicht einwandfrei, am besten beschreibt die Situation meines Erachtens der Oisans Nouveau, Oisans Sauvage (ONOS). Jedenfalls startet die Rôle en Dalles gemeinsam in der steilen Verschneidung mit der Les Diables und hält sich dann im weiteren Verlauf an die Rampe links der Verschneidung. Um 13.50 Uhr ging es los mit der Kletterei, dies bei angenehmen Bedingungen. Damit man diese im Sommer vorfindet, ist eine gewisse Planung nötig. An diesem Tag im enorm heissen Sommer 2024 waren die Temperaturen für einmal ca. 5 Grad tiefer angekündigt, zusätzlich minderten Schleierwolken die Einstrahlung der Sonne, welche die Wand am Nachmittag sowieso nur noch seitlich bescheint und es ging ein thermischer Wind - so passte es perfekt.
L1, 30m, 6b+: Zuerst gut 10m steil durch die Verschneidung an speckigen Henkeln gemeinsam mit der Les Diables, nachher sehr schöne Tropflochkletterei in der Wand links der Verschneidung. Die Crux an ein paar Tropflochleisten gegen das Ende hin, da muss man sich durchaus mal kurz festhalten! Wer möchte, kann diesen Abschnitt komplett durch die Verschneidung einfacher umgehen, dort führt eine in den meisten Topos nicht verzeichnete, gut mit BH abgesicherte Route/Variante durch, welche offenbar bei 6a+ eincheckt.
Sehr schöne Tropflochkletterei im oberen Teil von L1 (6b+), fast wie im Gufechüssi auf der Galerie. |
L2, 25m, 6a+: Steile Wandkletterei im Tropflochgelände, toll! Die Crux im Wandstück kurz vor dem sehr bequemen Standband, da muss man sich schon wirklich festhalten für eine 6a+. Vielleicht in etwa so wie in der Crux vom Zigerchrapfe (hart 6a+) auf der Galerie, wenn wir schon dabei sind, derartige Vergleiche zu ziehen.
Das Finish von L2 (6a+) hat es in sich! |
L3, 20m, 6c: Fulminanter Auftakt in drückender Wand, athletisch und technisch-knifflig zugleich. Topoguide bewertet hier mit 6c+/7a, in diese Richtung zielen auch die Berichte auf C2C, wobei jene Autoren die Stelle meist nicht klettern konnten. Uns gelang dies und wir fanden die 6c schon taff, im Vergleich zum Rest aber nicht extrem unpassend. Dann ist es noch so, dass eine harte 7a in Céüse definitiv höhere Anforderungen stellt... aber ob dies die Messlatte sein soll, ist dann halt auch wieder fraglich. Jedenfalls, nach der anfänglichen Cruxzone legt sich das Gelände etwas zurück, eine Rissspur will erobert werden. Eine Special-Mention verdient noch das Finale, wo es vor allem die richtige Beta zu erkennen gilt.
"Think lateral" heisst es am Ende von L3 (6c) bei dieser fotogenen Stelle. |
L4, 15m, 5b: Schöne, steile Wandkletterei, welche man vermutlich besser mit einer 5c bewerten würde. Es ist eine eher kurze Seillänge, welche an L3 angehängt werden könnte, wenn man genügend Exen mitführt. Wobei auch die Kombo L4/L5 fast noch besser möglich ist und auch weniger Hardware erfordert.
L5, 25m, 4b: Generell nur eine Übergangslänge durch den Gemüsegarten, die paar Moves vom Stand weg in plattigem Fels haben es allerdings durchaus noch in sich! Ich bin logisch gerade hoch aufs Band zu einem Kettenstand geklettert. Die Fortsetzung im steilen, roten Fels sieht sehr attraktiv aus, hierbei handelt es sich jedoch um die FOMEC. Wer auf der Rôle en Dalles bleiben will, muss...
Ein attraktiveres Foto kriegt man da kaum hin: die letzten Meter der Kombo L4/L5 (5b, 4b). |
L5bis, 25m, 2a: ...auf dem Band ca. 10-15m nach links queren, dann über eine einfache Stufe eine Etage höher steigen und am Fuss einer steilen Verschneidung Stand beziehen (zur Zeit unserer Begehung war da ein Stein mit stark verblasster Aufschrift vorhanden). Ab Stand 3 reicht das Seil sicher nicht bis dahin.
L6, 25m, 6b: Geniale 3d-Turnerei durch die eindrückliche Verschneidung hoch - immer schön fordernd, aber genau dann, wenn's nötig ist, taucht wieder wieder eine Struktur auf, welche die Sache im 6b-Rahmen hält. Toll!
L7, 25m, 6b+: Hier verlässt man die Verschneidung nach links hinauf und klettert in fantastisch schönem und auch 45 Jahre nach der Erschliessung noch beinahe jungfräulich wirkendendem Tropflochfels (schaffen es viele von den Anwärtern etwa nicht bis hier hinauf?). Es gibt nur eine kurze Crux, die für 6b+ gutmütig ist. Man könnte auch mit 6a+ bewerten, wir fanden die Länge einfacher wie L1, L2 oder L6. Der Stand am Ende links und eher unbequem, alternativ gleich gerade hinauf ins Gemüse und Stand am BH vom Drahtseil machen. Tipp: der Link von L6/L7 ist mit 50m-Seilen möglich, allerdings braucht es ca. 17-18 Exen, wenn man alle Bolts klippen will. Ich habe jeweils dort, wo sie eng stecken die untere Exe wieder mitgenommen, so ging es auch gut mit nur 12 Stück.
Sehr schöner, rauer Tropflochfels in L7 (6b+). |
Um 16.50 Uhr waren wir nach ziemlich genau 3:00h Kletterei am Top - natürlich mit einer beidseitigen Onsight/Flash-Begehung. Dies war nicht die grosse Challenge gewesen (welche wir ja auch nicht gesucht hatten), doch ein wenig anstrengen mussten wir uns dann doch einige Male. Aber das entsprach genau unserem Gusto. Obwohl im ONOS strikt davon abgeraten wird, wäre das Abseilen über die Route/Wand in 3x oder 4x ziemlich sicher die schnellste und beste Abstiegsvariante (zumindest wenn keine anderen Seilschaften präsent sind, was bei uns der Fall gewesen wäre).
Der Vorteil vom Abstieg zur empfohlenen Abseilvariante: man sieht den oberen Teil der Wand sehr schön im Profil. Und da zeigt sich, dass dass Terrain da schon richtig steil ist! |
Wir hielten uns indessen ohne viel zu überlegen an die empfohlene Option und stiegen zu Fuss zum Top von Nid d'Aigle ab. Der Weg dahin war weiter als gedacht, der Pfad in den Schrofen ob der Wand ist nicht so ausgeprägt und teils recht ausgesetzt (an einigen Stellen sind Drahtseile vorhanden). Die letzten 5m von der Kanzel ob der SE-Wand müssen dann an einem (maroden) Fixseil noch abgestiegen werden, bevor zwei sehr bequeme, steile ja teils freihängende Abseiler (50m, 40m) zurück auf den Boden führen. Von da brachte uns ein kurzer Marsch zu den Velos und wenig später waren wir nach einer Schussfahrt retour bei unserem Camp. Sehr zufrieden, denn das war wirklich eine prima Art gewesen, an unserem Ruhetag noch zu etwas Bewegung zu kommen.
Steile Abseilerei über Nid d'Aigle. |
Facts
Le Ponteil - Rôle en Dalles 6c (6b obl) - 7 SL, 190m - M. & JJ. Rolland 1978 (!!!) - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig
Die Route bietet 4.5 SL mit wirklich superschöner Tropflochkletterei, dazu in Wandmitte zwei einfachere Überführungsabschnitte. Meist handelt es sich um Wandkletterei und doch wird einem Abwechslung geboten mit 3d-Verschneidungskletterei und Risspassagen. Das einzige was fehlt ist das Feeling einer grossen MSL-Tour, dafür ist die Route dann doch eher zu kurz, zu wenig isoliert bzw. zu fest im Gemüse rundherum eingebettet. Auf jeden Fall ist es aber eine prima Möglichkeit, bei überschaubarem Aufwand und Zeitbudget mehrere Seillängen am Stück zu klettern. Bei geschickter Planung ist dies auch im Sommer möglich, die Vorzüge der Wand zeigen sich umso mehr in der kälteren Jahreszeit, wobei man dann tageszeitlich früh genug starten sollte. Die Absicherung der Route mit verzinkten BH ist sehr gut ausgefallen. Nicht ganz so eng wie in den Routen von JMC, aber doch so, dass man eigentlich alle schwierigen Passagen ab ca. 6a+ mit Griff zum Haken entschärfen kann. Um die Route weitgehend frei und zügig absolvieren zu können, sollte man jedoch schon über ein Onsight-Niveau von 6b/6b+ verfügen, die Cruxpassage verlangt dann noch ein wenig mehr (ist aber A0 machbar). Topos von unterschiedlicher Qualität findet man im ONOS, im Briançon Climbs, im Plaisir Sud, im Topoguide Band III und womöglich weiterer Literatur. Sehr nützlich wie immer auch die Beiträge auf C2C.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.