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Sonntag, 28. Oktober 2012

Skitouren-Saisoneröffnung 2012

Die letzte alpine Klettertour, notabene im T-Shirt und unter warmer Oktobersonne, liegt erst 3 Tage zurück und der Beitrag dazu ist noch nicht einmal getippt. Zum Glück haben wir diese Gelegenheit noch genutzt, denn wie wohl alle in Mitteleuropa mitbekommen haben, ist inzwischen gehörig der Winter eingefahren. Schnee gab es gleich so viel, dass selbst im voralpinen Gelände von meiner Haustür aus eine erste kleine Skitour möglich war!

Schneemessung auf unserem Briefkasten. Aktueller Wert (7 Stunden später): 32cm
Auf dem mässig steilen Wiesengelände mit glattem Untergrund lässt es sich bereits bei 20cm Schnee genussvoll aufsteigen und abfahren. Im Laufe des heutigen Tages wurde dieser Wert locker erreicht. Da konnte ich natürlich nicht widerstehen, und holte meine Ausrüstung aus dem Keller. Die Felle klebten zwar ganz und gar nicht willig, dennoch gab es schliesslich einige hundert Höhenmeter Aufstieg und die ersten paar Dutzend schönen Pulverschwünge der Wintersaison 2012/2013. 

Zwar heftiges Schneetreiben, dank der Nähe zum Waldrand aber trotzdem guter Kontrast. Und die warme Stube ist ja nicht weit.
Avis aux amateurs: wer sich auf die Socken macht, bevor Sonne, Wärme und möglicherweise Regen dem schönen Schnee den Garaus machen, findet im Züri Oberland aktuell gute Skitouren-Bedingungen vor! Frappant ist übrigens auch, dass ich am 21. April 2001 ebenfalls einmal eine Skitour bei lohnenden Bedingungen im Züri Oberland machen konnte. Das ergibt eine "Saison", bzw. Spanne zwischen frühester und spätester Skitour von 6 Monaten - das würde man wohl kaum für möglich halten!

Dienstag, 23. Oktober 2012

Wendenstöcke - Ben Hur (7c+/8a)

perfer et obdura - sei stark und halte durch

Unter diesem Motto hatte das Duo Andy Maag und Mike Schwitter Mitte der 1990er Jahre eine kühne Tour mit gewagter Linie durch die extrem steile Südwand des Gross Wendenstock gelegt. Des abenteuerlichen Charakters wegen, und wohl auch weil sie kaum bekannt war, fand die Tour bis anno 2009 keinen einzigen bekannten Wiederholer. Seit sie die Erstbegeher dann mit einigen zusätzlichen Bohrhaken aufpeppten, wurde sie das, was sie heute ist: eine der besten und eindrücklichsten alpinen Sportkletterrouten weitherum. Für den Könner definitiv ein Highlight in den Alpen, das man geklettert haben muss!

Perfektes Fototopo mit Routenverlauf von den Erstbegehern. Quelle: annaenrich.ch
Als Dani und ich im Frühling 2012 auf der Galerie an der A50 herumprobierten (der eine von uns mit raschem, der andere mit zögerlichem Erfolg), prasselten die begeisterten Worte von Erstbegeher Mike über die Ben Hur nur so auf Dani ein. Ich kannte die Geschichte und zahlreiche weitere Anekdoten bereits von früherer Gelegenheit, und auch die Kunde von erfolgreichen Rotpunktbegehungen und begeisterten Wiederholern war schon an mein Ohr gedrungen. Nichts als logisch, dass die Ben Hur somit sehr weit oben auf unsere gemeinsame Projektliste für das 2012 aufgenommen wurde.

Während dem Vor- und dem Hochsommer eröffnete sich noch keine Gelegenheit, während einer kurzen guten Phase im September war ich in Kalymnos und dann schien es, als die Wendensaison mit den ersten Schneefällen Mitte Oktober bereits zu Ende sei. Eine intensive Föhnphase mit Sonnenschein und nochmals bis zu 30 Grad in den Tälern putzte die 30cm des weissen Pulvers aber innert wenigen Tagen weg. Somit galt es, die letzte Chance vor einer erneuten Auslands-Abwesenheit zu packen. Um 5.45 trafen wir uns auf dem Weg in Pfäffikon SZ, um etwa 8.00 Uhr starteten wir auf der Wendenalp. Nach 70 Minuten standen wir nach zum Schluss heikler Traverse unter dem Einstieg. In der gemütlichen Nische, wo die Route Aureus startet, machten wir uns bereit. Um 9.30 Uhr konnte es losgehen.

Wandansicht sowie der letzte Teil des extrem steilen, aber recht gut gestuften Schrofenzustiegs.
SL 1, 45m 6a+: Der Einstiegs-Stand mit zwei alten 8er-Petzlbolts lässt eine leicht ungutes Gefühl aufkommen. Doch in Sicht sind auch schöne, neue Inox-BH, welche die schöne Kletterei an Wasserrillen gut absichern. Im Mittelteil wird die Absicherung dann etwas weiter, hier ist es keine schlechte Idee, einen Friend dabei zu haben. Am Ende wartet dann ein erster überhängender Wulst mit einem noch gutmütigen Mantle.

Los geht's! Die erste SL (6a+) noch gemütlich mit Plattenkletterei in sehr schönem Fels.
Am Ende von SL 1 (6a+) wartet aber dann tatsächlich schon ein Überhang mit Abschlussmantle.
SL 2, 30m, 7a: Gleich vom Stand weg wartet eine erste kleingriffige, technische Stelle in perfekten Fels, bevor es vorerst in gemässigten Schwierigkeiten einer Verschneidung entlang nach oben geht. Auch hier ist es gäbig, wenn man einen Cam setzt. Und dann? Tja dann folgt die Route einer wahnwitzigen Linie über einen etwa 4-5m ausladenden Überhang. Der Fels ist versintert und strotzt aber nur so von Schubladengriffen und Löchern, so geht das als nur gerade 7a der pumpigen Sorte durch. Die Crux ist es dann, in die schwach ausgeprägte Standnische zu manteln. Nebst 1000 Auflegern hat es auch einen guten Griff, man muss ihn nur finden...

Eine Stelle mit kleingriffiger Wandkletterei zum Auftakt in SL 2 (7a).

Blick vom Stand auf den wahnwitzigen Überhang am Ende von SL 2 (7a). Am Stand wartet dann ein bequemes Sitzbrett.

So sieht es von oben aus: die athletische Superlänge SL 2 (7a). 
SL 3, 30m, 7c+/8a: Zum Auftakt wartet gleich stark überhängende Wandkletterei an genialen Löchern. Leider fehlt an entscheidender Stelle ein solches, so dass nach ein paar Metern eine erste Crux überwunden werden muss. Danach geht es wieder griffiger weiter und schliesslich hat man die Wahl: entweder die Lazy Man Variante nach links klettern, oder direkt gerade hoch über die Originalroute. Wir wählen letztere, und die hat es in sich. Das Gelände wird zwar stetig weniger steil, dafür gibt es bald auch nur noch winzige Tropflöcher zu krallen, und zum Treten ist auch fast gar nix da. Vom letzten Bolt zum Stand wartet dann noch eine psychisch anspruchsvolle, plattige 7c-Stelle an winzigen Rauhigkeiten, die ziemlich (sehr) obligatorisch ist...

Stark überhängende Kletterei an genialen Löchern zum Auftakt von SL 3 (7c+/8a)

Die Cruxzone von SL 3 (7c+/8a) dann weniger steil mit Tropflochgekralle und winzigen Rauhigkeiten.
Die 3. SL wurde von den Erstbegehern erst mit 8a bewertet, im neusten Topo ist noch 7c+ eingetragen, und ein Onsight-Wiederholer hat gar nur 7c vorgeschlagen. Für meinen Teil sehe ich es so: den ersten 7b+-Teil bis zum Lazy Man Abzweiger konnte ich recht gut flashen. Für die gemäss Originaltopo eigentliche Crux über die ersten beiden Bolts nach dem Abzweiger konnte ich nach kurzer Suche eine solide Freikletterlösung finden, die kaum zur 8a gereicht. Dafür hatte ich für die Platte vom letzten BH zum Stand keinen Plan. Allerdings habe ich da mit meinem Kletterschuh, der an den scharfen Tropflöchern der Cruxpassage kaputt ging, eine gute Ausrede. Im Ernst: das Teilstück vom letzten BH zum Stand bin ich nicht freigeklettert. Das nächste Mal werde ich die Crux gemütlich via Lazy Man umklettern und dann nochmals genau hinschauen...

Der 5.10 Anasazi Verde, mein treuer Begleiter auf sämtlichen alpinen Sportklettertouren und vielen Klettergartenrouten während der letzten gut 2 Jahre, hat leider das Zeitliche gesegnet. Dass seine Sohle langsam dünn wurde, habe ich wohl bemerkt, dank dem guten Trittgefühl und dem direkten Kontakt zum Fels allerdings auch sehr geschätzt. Nun haben die scharfen Tropflöcher der Ben Hur Cruxlänge leider einen ganzen Flapper rausgerissen. Der Schuh wird zwar eine neue Sohle spendiert erhalten, aber fortan nur noch auf einfacheren MSL-Routen, beim Bohren und beim Bouldern eingesetzt. Ah ja, in weiser Voraussicht waren in den tiefen des Haulbags übrigens auch ein paar Ersatzfinken vorhanden!
SL 4, 15m, 7b+: Rein metermässig gesehen eine sehr kurze Länge, die aber ganz und gar nicht zu unterschätzen ist. Die leicht überhängende Wand sieht schlicht und einfach total blank aus. Bei genauerer Betrachtung finden sich dann noch einige winzig kleine Leisten und ein paar Tropflöcher, die Kletterei verlangt zudem technisch sehr anspruchsvolle Bewegungen und perfekte Fusstechnik.. Die beste Linienführung ist ziemlich komplex, immerhin wird einem in dieser Hinsicht mit dem Topo weitergeholfen. Diese Länge fand ich extrem anspruchsvoll und im Vergleich zum Rest auch hart bewertet.

Wie man anhand des korrekt ausgerichteten Horizonts sieht, steile Kletterei in leicht überhängendem Gelände: SL 4 (7b+).

Komplex, kleingriffig und kräftig: SL 4 (7b+).
SL 5, 20m, 7c/7c+: Eine weitere absolute Knallerlänge, die gleich mehrere Meter überhängt. Wird auch "das Wagenrennen" genannt. Zum Auftakt folgt schon bald eine knifflig-kräftige Gegendruck-Passage, die nach einem schlechten, sloprigen Schüttelpunkt in eine Campusboard-Querung an kleinen Leisten und ohne Tritte überleitet. Danach kommen zwar erst einmal ein paar grosse Griffe, aber bis zum Stand warten noch etliche weite Züge an eigentlich gar nicht so schlechten Tropfloch-Leisten. Aber: brutal pumpige Sache, die einen schon noch abwerfen kann.

Sieht irgendwie unreal aus, aber es ist einfach steiler, wie es den Anschein macht. Dani am Stand nach SL 5 (7c/7c+).

Die Kletterei und der Fels schlicht und einfach spitzenmässig: SL 5 (7c/7c+).

Dieses Bild gibt einen Eindruck der Athletik, die in der Route verlangt wird. Das halbwegs gute Tropfloch für links wird bis auf Bauchnabelhöhe runterblockiert, diffiziles Antreten mit dem rechten Fuss und weit oben ein paar Rauhigkeiten greifen. Alternativen dazu gibt's wie man offensichtlich sieht, keine. Und die Wand ist nicht etwa geneigt, sondern leicht überhängend!

Nochmals ein Schnappschuss aus dieser sehr fotogenen 5. SL (7c/7c+). Kralle, sei stark und halte durch!
SL 6, 35m, 7b: Gleich direkt aus dem Stand raus wartet die schwerste Stelle. Um die angegebene 7b ehrlich zu klettern, muss man korrekterweise mit der zuletzt vor dem Stand eingenommenen Position weitermachen. Denn schon bald kommen links recht gute Seitgriffe und sobald man nach 4m das perfekte Loch an der Säule erreicht hat, wartet bis zum Stand nur noch purer Genuss im 6c-Bereich.

Einwandfreie Kletterei auch hier in SL 6 (7b). 
SL 7, 45m, 7b: Und nochmals eine absolut geniale Knallerlänge! Wiederum wartet unmittelbar nach dem Stand die Crux: steil, kleingriffig und technisch anspruchsvoll. Doch das war es dann noch nicht, es wollen noch 40 sehr überhängende Meter an rauhen, aber meist sloprigen Suppenschüsseln bewältigt werden. Wer auf der Suche nach den inexistenten Töffgriffen einmal in den roten Bereich kommt, hat verloren. Die Absicherung verlangt teilweise auch etwas das Wegsteigen, vor allem in der Mitte, wo 2x nacheinander nur eine dünne Sanduhr vorhanden ist. Am Schluss dieser Seillänge verlangt eine Verschneidung auch ziemlich zwingend einen Camalot 0.75.

Das Pumpmonster schlechthin, 45m überhängende Ausdauerkletterei an abschüssigen Henkeln: SL 7, 7b.
SL 8, 40m, 7a: Ähnlich im Charakter und nahezu gleich gut wie die Länge zuvor, aber nicht mehr ganz so steil und pumpig. Auch hier folgt die Crux erneut nach dem ersten Bolt, und leitet dann in Ausdauerkletterei über. In der Mitte der Seillänge gibt es einen 10m-Runout in 6b-Terrain. Einen wirklich zuverlässigen Cam kann man nicht legen. Man könnte fast sagen, hier fehle ein Bolt. Der Stand zudem die perfekte Basejump-Plattform: ab hier fallen die Steine frei bis zum Einstieg!

Sieht nochmals ähnlich aus. Ist auch so, wenn auch nicht mehr ganz so steil und pumpig. SL 8, 7a.

Hier auch mal noch ein paar easy Meter zum Abschluss von SL 8, 7a. Eigentlich wäre ich ja gerne und durchaus nochmals vorgestiegen am Ende. Doch wenn man aus der 45m-Monster-7b kommt und im Überschlag mit schon gehöriger Vorermüdung gleich wieder in eine solch anspruchsvolle 7a einsteigen sollte, dann kann man schon einmal schwach werden...
SL 9, 20m, 6c/6c+: Wer eine gemütliche Abschlusslänge erwartet hat, der hat sich getäuscht, soviel wird schon vom Stand aus klar. Zuerst mal sorgt eine kurze (aber einfache) brüchig-splittrige Zone für Abwechslung vom sonst perfekten Fels. Dann geht es nochmals steil und athletisch zur Sache. Die Griffe sind zwar schon gut, die 6c (bzw. 6c+ nach dem neueren Topo) ist dennoch von der eher harten Sorte. Erst die allerletzten Meter sind dann einfach.

Nochmals ein poweriger Wulst zum Abschluss: SL 9, 6c/6c+.
Um 15.50 Uhr erreichen wir mit total leeren Armen den Ausstieg. Dieser befindet sich beim Übergang in total nichtssagendes Schrofengelände. Kein Ort, wo man sich lange aufhält, also machten wir uns umgehend ans Abseilen. Dieses gestaltet sich ob der überhängenden Wand und des hin- und herquerenden Routenverlaufs ein bisschen mühsam. Nur mit Pendeln, ohne immer wieder Exen einzuhängen, geht es einfach nicht. Und der Zweite hat dann das Problem, das Material wieder auszuhängen, was in etwa dem Abbauen einer stark überhängenden Sportkletterroute gleicht. Ganz sicher ist es ratsam, genau die Abseilstände auf dem Fototopo zu benützen. Wir unterliessen dies, und zahlten dafür den Preis von erhöhtem Aufwand. Nach einer Stunde hatten wir den Wandfuss wieder erreicht. Nach einer gemütlichen Pause machten wir uns auf den Heimweg - ohne nicht immer wieder Blicke zurück auf die Wand zu werfen. Denn es lockt schon, diesem Gerät eine perfekte Rotpunktbegehung abzutrotzen!

Die Abseilerei ist von der steilsten Sorte, da sollte man schon konzentriert bleiben. Lässt man z.B. 1x das falsche Seil los, so baumelt es 5m weiter draussen im Wind und es bliebe nicht viel anderes übrig, als den Helikopter zu rufen. Wobei, was die Rega in dieser steilen Wand ausrichten könnte, bin ich mir auch nicht sicher.

Die Gegenperspektive zum obigen Bild. Unter mir 250m nichts als Luft. Logischerweise schon extrem eindrücklich, aber die Beklemmung, die ein Nicht-Kletterer in dieser Situation spüren würde, fehlt bei mir nach schon Tausenden von Abseilfahrten völlig. Das ist aber auch richtig so, denn mit Angst und Panik im Nacken könnte man wohl nicht den hier nötigen kühlen Kopf bewahren.
Facts

Ben Hur 7c+/8a (7a obl.) - 9 SL, 280m - Schwitter/Maag 1994-2009 - *****, xxxx
Material: 12 Express, Camalots 0.3-0.75 plus evtl. Grösse 1, 2x50m Seile

Weltklasse-Tour in durchwegs überhängendem, griffigen Kalkgestein von allererster Güteklasse. Auch Linie, Ausgesetztheit und die Kletterei sind perfekt, so dass ich gerne und ohne Zweifel das Maximum von 5 Schönheitssternen vergebe. Die Absicherung ist durchwegs sehr gut, mit perfekt platzierten Inox-BH, optimalen Ständen und wo dienlich sogar einigen fixen Expressschlingen. Insgesamt sicher eines der Highlights was das alpine Sportklettern anbetrifft, sprich eine Route, die man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man es drauf hat.

Das Topo der Erstbegeher. Quelle: annenrich.ch


Ben Hur: perfer et obdura!
Wissenswertes

Weil in der Ben Hur kaum plattig-schwere Passagen warten, sondern die Kletterei meist griffig, überhängend und ausdauernd ist, dürfte sie für starke Sportkletterer auch dank der sehr guten Absicherung ein zugängliches Ziel sein. Auf jeden Fall mehr als eine Route wie z.B. die auf dem Topo einfacher aussehende Batman (7b+), wo vor allem Fusstechnik und Psyche zählen.

Zu unterschätzen ist die Route aber dennoch nicht. Die Angabe von 7a obl. kann ich +/- unterstützen. Dies allerdings nur dann, wenn man die Crux via die Lazy Man Variante umgeht. Auf dem Originalweg ist zwischen den letzten beiden Bolts und zwischen letztem Bolt und Stand sicher minimal 7b obligatorisch, wenn nicht mehr. 

In den letzten 3 SL werden die Hakenabstände etwas grösser. Klar ist es dort nicht mehr ganz so schwer, aber die anhaltende, überhängende Kletterei ohne gute Ruhepunkte kann einem durchaus auf die Pelle rücken, wenn man in den schweren Längen zuvor schon viel Kraft gelassen hat. Hier und da kann man vielleicht noch ein Klemmgerät legen, aber das kostet nur zusätzliche Kraft und die richtig guten Placements fehlen sowieso. Also geht man besser volle Kraft voraus.

In dieser Route lässt es sich hervorragend einen Rucksack aufziehen, weil dieser ausser in der ersten SL ständig frei hängt. Somit bietet es sich an, mit einem (50m-)Einfachseil zu klettern. Obwohl man auf dem Internet lesen kann, dass mit einem 70m-Einfachseil über die Route abgeseilt werden könne, ist dies m.E. nicht zutreffend. Erstens muss man so mehr und suboptimal gelegene Stände benutzen, zudem beträgt die Abseilstrecke über die erste SL fast volle 50m.

Stimmungsbild vom Einstieg, nach dem Abseilen. In der Aureus-Nische lässt es sich noch gemütlich rasten...

...was durchaus nützlich ist, weil der Abstieg sehr steil und etwas heikel ist. Die obersten und steilsten Meter sind mit einem Fixseil entschärft.

Der Kopf ist weit in den Nacken zu legen, wenn man die Route verfolgen will. Ob ich eines Tages zurückkommen werde? Unter Benutzung der Lazy Man Variante scheint es mir nicht undenkbar, einen kompletten Rotpunkt machen zu können. Allerdings muss dafür alles perfekt laufen und in den schweren Längen müssen die Moves exakt sitzen. Weil dafür bestimmt mehrere Besuche fällig sind, weiss ich doch nicht so recht, ob ich diesen Aufwand auf mich nehmen soll... Ich gehe aber davon aus, dass dies noch nicht mein letzter Besuch in der Ben Hur war!


Montag, 15. Oktober 2012

Kalymnos 2012 - Teil 1

* Pictures by Manu, Basti, Kathrin, Marcel

Es gibt kaum eine bessere Destination in Europa für kombinierte Kletter- und Familienferien als die griechische Insel Kalymnos: die Anfahrt und der Zustieg zu den wesentlichen Klettersektoren sind kurz, d.h. bewegen sich jeweils im tiefen zweistelligen Minutenbereich. Wenn man früh aufsteht, was mit Kindern unvermeidbar ist, so kommt man zeitig los und klettert an den meist nach Westen orientierten Felsen angenehm im Schatten. Kriecht dann grob so gegen 14-15 Uhr die Sonne um die Ecke, so verzieht man sich an den Beach, wo man bis zum Sonnenuntergang den Sand und das warme Meer geniessen kann. Danach beschliesst man den Tag in einer der zahlreichen Tavernen mit einem köstlichen Znacht - welch ein Programm :-)

Links: Teil 1 / Teil 2 / Teil 3

Vorgeschichte

Somit war unser dritter Besuch auf Kalymnos bald eine beschlossene Sache. Der Reisezeitpunkt in der ersten Septemberhälfte war durch berufliche Verpflichtungen unverrückbar, aber es ist eine gute Zeit: die Sommertouristen haben bereits das Weite gesucht, die Kletterer sind noch nicht so zahlreich vorhanden. Überfüllte Klettergärten, Anstehen für beliebte Routen und Wartezeiten in den Restaurants sind, im Gegensatz zum Oktober, noch nicht zu erwarten. Auch die Flüge auf die Nachbarinsel Kos sind um diese Zeit günstig, wir reisten dieses Mal von Dienstag bis Dienstag und sparten so für die Reise gleich nochmals die Hälfte, im Vergleich zur Abreise am Weekend.

Einfach immer wieder schön, das Ambiente auf Kalymnos!
Während ich letztes Jahr im Vorfeld des Kalymnos-Trips etwas unschlau wenig haushälterisch mit Kraft und Haut umging, wollte ich es dieses Jahr besser machen. Vorbereitung und Form passten tiptop, bis es mich 5 Tage vor der Abreise, beim einem letzten Alpinklettertrip vor den Sportkletterferien, auf dumme Art und Weise 15m runterpanierte. Mein erster und einziger derartiger Sturz in 24 Jahren Alpinklettern. Doch ich hatte Glück im Unglück, ausser ein paar schmerzhaften Prellungen an Hüfte, Beinen und Rücken und ein paar Schürfungen da und dort blieb ich unverletzt. Die Blessuren heilten auch rasch ab, so dass ich vom ersten Klettertag an voll einsatzbereit war.

Die ersten 2 Klettertage: Summertime, Spartan Wall & Spartacus

Am Anreisetag reicht es noch für einen kurzen Besuch im nachmittags schattigen Sektor Summertime. Ich kletterte rasch die Ammohostos Vasilevousa (6a, os) und die daneben gelegene Macabi (6b+, os). Ein netter Auftakt in prima strukturiertem Fels. Am nächsten Tag ging es dann richtig los, in den Sektoren Spartan Wall und Spartacus sollte es ans Werk gehen. Angewöhnt wurde im sehr schönen Problème Mineur (6b, os), dann zogen wir weiter zu Luzifers Hammer (6c, os), eine Tour, die der legendäre Wendenmeister Chäppi Ochsner eingerichtet hat. Schaut von unten viel schwerer aus als sie ist, meist hat es gute Henkel, bis auf die Crux an etwas abschüssigen Leisten und einem rutschigen Tritt.

Aussicht vom Sektor Summertime. Im Bild die Bucht von Arginonta und der Berg Galatiani mit zahlreichen Klettersektoren.
Der Hauptgrund, warum ich aber diesen Sektor besuchen wollte, ist die Path to Deliverance (8a). Sie gilt als technische 8a und ich vermutete, sie könnte für mich machbar sein, auch weil zum Teil lächerlich tiefe Bewertungsvorschläge herumgeboten werden. Die erste Hälfte der eigentlichen Route schaffte ich sogar Onsight, aber dann ging es los: man muss sehr präzise stehen und für die Finger gibt es nur kleine, glatte und abschüssige Leisten. Bei diesen warmen Bedingungen, es war ja doch etwa 26 Grad im Schatten, natürlich nicht ideal, auch die Füsse taten mir weh in den engen Finken. Bis auf eine kurze Sequenz, die ich zwar auch gerade so knapp zustande brachte, gingen eigentlich alle Moves. Trotzdem baute ich die Tour danach gleich wieder als nicht projektwürdig ab. In ein paar wenigen Go's wäre sie für mich kaum zu haben gewesen, und  hier 2 Wochen rumüben wollte ich auch nicht - da klettere ich lieber fünf 7b Onsight statt eine einzige 8a Rotpunkt.

Der Autor, Aufbruch in die geniale Spartacus (7b+) im ebenso benannten Sektor.
Weil irgendwann die Sonne kam, machten wir uns auf in den Sektor Spartacus. Ein kanadisches Paar übte gerade an der Route Spartacus (7b+, rp). Für mich gab es dann einen Flashversuch mit bereits hängenden Exen. Aber denkste, ich kriegte nicht einmal die Crux gebacken! Ich ging mal kurz um die Ecke um Basti in einer anderen Tour zu sichern, da bauten die anderen beiden die Tour ab, so dass ich im Second Go auch noch die Exen einhängen musste. Aber was soll's, das gehört ja eigentlich dazu! In der kräftigen Linksquerung an der Crux hatte ich keine Reserven, die soll aber mit einem Knieklemmer (den ich nicht fand) prima zu überlisten sein. Danach geht es an wohl griffigen, aber seifigen und weit auseinander liegenden Löchern weiter. Hier hatte ich die beste Lösung nicht gut ausgecheckt und kam prompt in Bedrängnis. Mit reichlich Schütteln und trotzdem ausgehendem Saft konnte ich mich gerade noch Rotpunkt zum Stand retten.

Athletische Kletterei in Spartacus (7b+)

Dealing with the Crux of Spartacus (7b+). Das Schwerste eben überwunden, die folgenden Löcher sind aber meist nur soso und das Gelände ist einfach richtig steil.

Ganztags schattig: Secret Garden

Am nächsten Tag gingen wir in den relativ neuen Sektor Secret Garden, ganz im Norden der Insel. Hier haben wir ein Jahr zuvor schon 2 tolle Klettertage verbracht. Ich wärmte mit der tollen Melodrama (7a+, os) auf - super Sinterkletterei mit einer Gegendruck-Crux vor dem Stand. Weiter im Takt ging es mit Pomponidoux (7c, rp). Diese wollte ich gerne Onsight klettern, was auch recht lange gut klappte. Nach der Hälfte kam die Crux an einer kleinen Verschneidung. Sie wartet mit unangenehmen und unsicheren Zügen auf, die sich auch noch deutlich über dem Haken abspielen. Beinahe hätte ich es gehabt, mit etwas mehr Kühnheit wäre ich vielleicht sogar erfolgreich gewesen. Der Second Go ging dann im Cruising Mode. Danach entschloss ich mich noch zu einer Syrtaki Lesson (8a). Nach einem steilen, athletischen Beginn folgt eine Gegendruck-Crux an einem unangenehm glatten Sinter mit abschliessendem Mantle. Der schwer aussehende Schluss entpuppte sich hingegen als gängig. Auch hier gingen die einzelnen Moves zwar, der Mantle zum Abschluss der Crux aber so knapp, dass mir ein schneller Erfolg auch hier unsicher erschien und ich das Projekt verwarf.

Hinweis: inzwischen wurde der Sektor auf climbkalymnos.com beschrieben und eine Routenliste publiziert. Dabei wurden auch die meisten Schwierigkeitsgrade (teilweise sicher berechtigt) nach unten angepasst. Wir waren noch mit den alten Graden unterwegs, welche von den Erschliessern nach dem Einrichten notiert wurden.

Der Sektor Secret Garden, an der Nordküste der Insel gelegen, mit schöner Aussicht auf Leros und die Türkei.
Basti am Rasten in Frapogalo (6c+)

Kathrin zieht die Melodrama (7a+), und zwar in meinen, 2 Nummern zu grossen Schuhen. Ihre eigenen wurden am ersten Klettertag gestohlen, unglaublich!

Yours truly in Pomponidoux (7c). Bis zum Rest ist es easy, danach geht's dann gehörig los.

Odyssey: bis die Arme leer sind...

An Tag 4 gingen wir in den Odyssey, einen der ersten, bekanntesten und auch besten Sektoren der Insel. Weil ich dort noch "etwas nachschauen wollte", gingen wir ganz nach links und klettern mit Mythos (6b+, os) ein. Super Kletterei an stark zerfressenem Fels, hat mir sehr gefallen! Danach ging es weiter mit Island in the Sun (7a+, mit Extension 7b, os): Kletterei an grossen Sintern zu einem Rest, dann kräftig über den Wulst hinweg. Hier konnte ich sauber durchsteigen, in der Crux zwar nicht mit den grossen Reserven, aber bevor ich auf den Notstrom zugreifen musste, wurden die Griffe schon wieder besser. Die Verlängerung lohnt sich hingegen nicht. Danach versuchte ich mich an Sirene (7c): von den 35 Klettermetern konnte ich die ersten 30 im Onsight klettern. Aber die sind halt auch nur etwa eine 7a. Am Schluss geht dann dafür die Post ab, es warten athletische Züge mit erstaunlich komplizierter Sequenz. Ich fand eine Lösung, aber ziemlich  aufwendig, mit einigem hin und her. Also liess ich mal meine Exen hängen...

Basti klettert Island in the Sun (7b) - geniale Route!
Wir gingen wieder hoch zur Kulturistika (7b, fl). Diese ist eine sehr schöne Sinterkletterei mit kräftiger Crux am dritten BH und war Bastis Projekt. Er scheiterte, und da nicht mehr viel Zeit blieb, bis die Sonne kam, beschloss ich, auch die Kulturistika zu klettern, damit für ihn ein weiterer Versuch drinliegt. Durch das Sichern hatte ich zwar eine gewisse Vorstellung davon wie es gehen könnte - doch Basti ist 8cm grösser als ich und hat >10cm mehr vertikale Reichweite, so dass ich schon zu Beginn der Crux mit Improvisieren anfangen musste. Das gelang aber gut, nach der Schlüsselstelle wird das Terrain gegen die Kette hin kontinuierlich etwas einfacher. Das war aber auch nötig, mit schwindenden Kräften konnte ich mich gerade so nach oben durchmogeln! Von den bisher gekletterten Routen ziemlich auf den Felgen wartete dann am Schluss noch die Pflicht, das Ausräumen der Sirene - nochmals 30m 7a-Zustieg zur Crux, wo ich wegen Vorplättung gerade mal 2 Moves weiter kam als im Onsight... maybe next time!

Basti krallt sich die Begehung, auch wenn schon unter sengender Sonne geklettert wurde!

Arhi: ein halber Ruhetag, oder am Ende doch nicht?

Inzwischen hatten wir 3 Tage am Stück Vollgas gegeben. So beschlossen wir, dem Sektor Arhi einen Besuch abzustatten. Imposant steht der neben der Strasse, einer der ersten Felsen, die auf der Insel beklettert wurden. Doch weil die Sonne früh erscheint, war er für mich bisher nie ein Thema. An diesem Tag hingegen schon, easy ein paar Routen klettern und danach an den Strand, war die Devise. Wir legten im linken Sektor los, das Gelände ist unten ziemlich plattig, erst weit oben dann sintrig. Auf der Topo-Ergänzung erkannte ich, dass dort neue Extensions eingerichtet wurden. Und da ich gerne Neuland erkunde, ging es mit Deimos (6a+) los, um dann die Deimos Extension (7a, os) gleich anzuhängen. Der erste Teil bietet formidable Tropflochkletterei, danach geht es athletisch weiter. Oben war noch alles fast jungfräulich, für einmal ohne Chalkspuren und Gummiabrieb. Ich konnte mich bis zum Umlenker durchkämpfen, aber das kostete schon fast alles von meiner Kraft.

Rest Day und Après Climb Activity Nr. 1
Als wir beide diese gut 40m lange Tour geklettert hatten, war schon Sonnenschein und Hitze im Anzug und wir zogen uns in die Grotte zurück. Mit etwas Glück konnten wir uns ein Ticket für den Klassiker Kastor (7a, os) ergattern - eine 15m kurze, kräftige Kletterei an Löchern und Sinterbobbeln. Zwar mit kiloweise Magnesia zugeschmiert, aber trotzdem gut. Für mein Dafürhalten irgendwie richtig schwer, sicher keine geschenkte 7a, sondern eine der härteren, die ich bisher auf der Insel machte. Weil sich danach etliche Kletterer um die letzten paar Quadratmeter Schatten, bzw. leichten Fels im Schatten stritten, versuchte ich noch den verwaisten Klassiker Eros (7b+).

Rest Day und Apres Climb Activity Nr. 2
Schon bald nach dem Einstieg kommt dort eine Crux, die als grössenabhängig beschrieben wird. Na ja, wenn man etwa 3.50m gross wäre, so könnte man vielleicht vom letzten Henkel vor der Crux zum ersten Henkel nach der Crux langen. Aber nicht hormonkurierte Menschen werden alle dieselben Griffe bedienen müssen. Es handelt sich um seichte und abschüssige Löcher. Zugegeben sind es auch noch weite Moves, aber was da jetzt Grösse viel bringen soll? Wieder mal ein typischer Kletterführer-Spruch, wenn die Griffe etwas weit auseinander liegen, so muss es für Grossgewachsene einfacher sein - kompletter Unsinn. Auf jeden Fall, ich konnte nur so eine halbbatzige Lösung finden, die dann im nächsten Go auch prompt zu einem Sturz ins Seil führte. Das war es dann für mich mit der Eros - in meinen Augen eine nicht besonders lohnenswerte Route, und auch völlig zu Unrecht von 7c auf 7b+ abgewertet, nicht nur nach Kalymnos-Massstäben.

Erstbegehung von Early Bird (7b) im Sektor Odyssey

Heute war nun definitiv ein "Ruhetag" fällig. Während dies für die anderen bedeutete, dass gar nicht geklettert wird, machte ich mich auf in den Odyssey, um das entdeckte Stück jungfräulichen Fels genauer zu inspizieren. Bereits zuhause war mir im Topo die leere Wand zwischen Mythos und Hyma Sto Kyma aufgefallen. Vor Ort sah dieses wohl sehr attraktiv aus, gleichzeitig aber auch richtig schwer. Die beiden vom Boden aus einfacher aussehenden Touren rechts davon sind 7c+, somit vermuteten wir gar einen potentiellen französischen Achter - aber was kann man schon sagen, bevor man die Sache genauer inspiziert.

Der Einrichter-Vorteil im Odyssey ist der einfache Zugang von oben. Ich erwartete eigentlich bereits eingerichtete Fixpunkte, doch so lange ich auch suchte, eine Sanduhr (ohne Schlinge) war das beste, was ich auftreiben konnte. Irgendwann beschloss ich, dass Zeit auch Geld ist, opferte die 5 CHF und bohrte einen Haken ein, der mir ein Abseilen ermöglichte. Das Abseilen war irgendwie auch nur mässig nützlich um die Machbarkeit zu beurteilen. Insgesamt hängt die Linie gegen 10m über, so dass ich die Griffe trotz Pendeln bald nur noch aus der Distanz erkennen konnte. Sie sahen aber genügend gross und auch zahlreich aus, dass ich die Sache als machbar einstufte und beschloss, beim zweiten Abseilen mal 2 Haken zu bohren, so dass ein noch genaueres Auschecken überhaupt möglich ist.

Der linke Teil vom Sektor Odyssey. Toller Fels! Ziemlich genau in Bildmitte verläuft Early Bird (7b)
Auf diese Weise gelang es dann, Kletterzüge überhaupt auszuprobieren. Schritt für Schritt löste sich das Puzzle auf, und mir wurde bald klar, dass diese Linie Extraklasse aufweist. Bis alle Hakenpositionen bestimmt , die Griffe schön geputzt und schliesslich alle Bolts gesetzt waren nochmals 5 Runden (Abseilen - rundherum Aufsteigen - Abseilen - ...) notwendig. Und die Sache kostete wegen der oft notwendigen Körperspannung viel Kraft, und wegen dem jungfräulichen Fels auch Haut. Alles andere als ein Ruhetag, also. Als dann um etwa 14 Uhr die Sonne kam, hatte ich mein Tagwerk beendet und legte mich auch an den Strand - bzw. baute mit den Kindern Sandburgen und rannte ihnen hinterher, wenn sie wieder mal einen Unsinn im Kopf hatten.

Odyssey: Rotpunktbegehung von Early Bird (7b)

Beim Einbohren war mir (so gut das halb im Seil hängend möglich ist) klar geworden, dass ich für alle Stellen meines Projekts eine Lösung parat haben sollte. Bezüglich dem Durchstieg war ich aber gespannt wie ein Flitzebogen und so ist es wenig erstaunlich, dass wir uns schon am nächsten Tag wieder in den Odyssey aufmachten. Ich wärmte in der sehr schönen, aber gar nicht so einfachen Feta (6c, os) auf, um dann einen ersten Versuch im Projekt zu starten.

Blick auf die Route Early Bird (7b) von unten. Klar sichtbar die athletische Tufa Snake.
Die ersten paar eher plattigen Einstiegsmeter sind keine Crux, aber auch nicht ganz so einfach wie man denken könnte. Das gilt auch für das Erreichen der Tufa Snake. Die athletischen Züge an dieser brauchen dann etwas Power, gingen aber für mich prima, und auch die vermutete Schlüsselstelle beim Verlassen des Sinters nach rechts entpuppte sich als gut machbar. Das danach folgende Henkelgelände bietet zwar tatsächlich gute Griffe, es ist aber steil und langsam beginnt man die Efforts zu spüren. Vor dem nächsten Wulst folgt genau dort wo man ihn am meisten braucht, ein Rastpunkt. Die zweite oder vermutlich die eigentliche Crux ist dann das Überwinden des Wulstes. Hier muss man einige Sloper bedienen und braucht etwas Vorstellungskraft für die richtige Sequenz, weil man die Griffe nicht in jede Richtung halten und grenzenlos daran rupfen kann. Steht man oberhalb vom Wulst, so warten noch ein paar tricky Moves, bevor etwas einfachere Tropflochkletterei an den Stand führt.

Alle Exen montiert, aber vor dem Klettern wird erst noch was gefuttert...
Im ersten Vorstiegsversuch ging ich taktisch vorsichtig nicht aufs Ganze und setzte mich bald ins Seil, um die Sequenzen einmal richtig einzuüben. Im zweiten Go gelang der Rotpunkt-Durchstieg dann im Cruising Mode. Dennoch bin ich im Zweifel, ob ich im ersten Versuch schon hätte erfolgreich sein können - und selbst das war ja nicht einmal ein richtiger Onsight. Mein "best guess" für den Grad der Route ist 7b. Verglichen mit Bubù Pensaci Tu (7b+) und Inti Raymi (7b+) im Odyssey, die ich im weiteren Verlauf der Ferien beide Onsight klettern konnte, wäre vielleicht auch 7b+ passend. Das Feedback von Wiederholern wird hoffentlich bald zeigen, was Sache ist. Auf jeden Fall, diese Infos übermittelte ich an Aris, den Kletterführer-Autor:

Early Bird - 7b - 3* - 28m - 12 bolts from stainless A4 steel plus lower off with 2 bolts
A pitch on perfect rock that packs it all in: athletic tufas, juggy overhangs, tricky slopers and pleasant gouttes d'eau.

Topo-Update mit der Linie von Early Bird (7b).
Den Klettertag liess ich danach geruhsam ausgehen. Einerseits stand ich noch etwas zum Coaching in meiner Route zur Verfügung, andererseits begleitete uns an diesem Tag unsere Tochter zum Fels, die auch allerhand interessante Dinge im Kopf hatte. Bevor Sonne und Hitze kamen, reichte es aber noch für einen Onsight in Meltemi (7b, direkte Variante, os) und in der für den Grad gar nicht einfachen, aber interessanten Odisseo (6a+, os). Dieser Post endet hier, über meine Klettertage in der zweiten Woche, zwei weitere Erstbegehungen und das grandiose Schlussbouquet an den letzten beiden Tagen wird dann später in einem separaten Beitrag berichtet.

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Sonntag, 7. Oktober 2012

Hinter Glatten - Einbahnstrasse (7a)

Ein schöner Herbsttag war angesagt, möglicherweise bald eine der letzten Gelegenheiten für eine längere MSL-Tour in dieser Saison. Diese Gelegenheit wollten Kathrin und ich nicht ungenutzt verstreichen lassen. Die Laune war uns nach einer nicht zu kurzen, nicht zu langen Tour, tollem Fels, guter Absicherung und fordernden Schwierigkeiten, die wir aber dennoch vernünftig beherrschen würden. Am Schluss hatten wir die Qual der Wahl zwischen dem Ofen im Melchtal und dem Hinter Glatten am Klausenpass, wegen dem beständigen Verkehrschaos um Luzern (abends bis 8km Stau) fiel die Wahl zu Recht auf das letztere Gebiet.

Wandansicht und Topo
Bis die Kinder aufgestanden, angezogen, gefüttert und den Grosseltern übergeben waren (vielen Dank an dieser Stelle fürs Hüten!), war 9.00 Uhr schon vorbei. Richtig früh loszukommen ist unter diesen Voraussetzungen einfach unmöglich, was im Herbst durchaus ein gewissen Handicap darstellt. Für die geplante Tour am Hinter Glatten waren wir aber noch ausreichend im Zeitplan. Nach 10.35 Uhr gingen wir in der letzten Kehre (P.1888), knapp 1km ostseitig der Passhöhe, los. Der weglose Aufstieg erfolgt am einfachsten durch das trockene Bachbett, wir brauchten knapp 35 Minuten für die rund 330 Höhenmeter. Der Einstieg am markanten Vorbau war einfach zu lokalisieren, er ist mit einem Ringhaken markiert. Allerdings starten von diesem Punkt aus zwei Touren, nachdem wir uns vergewissert hatten, dass wir für die Einbahnstrasse die rechte Linie mit den alten Haken zu wählen hatten, konnte es um 11.25 Uhr losgehen.

Die Schlüsselstelle im Bachbett-Zustieg, kurze Stelle I, Schwierigkeit insgesamt wohl T5.
SL1, 40m, 6a+: Der Vorbau schaut aus der Distanz nicht so solide und attraktiv aus, die Kletterei ist aber wirklich gut, sprich viel besser, als man meinen könnte. Und auch steiler, als man denkt: an den typischen, grossgriffigen Auflegern gewinnt man an Höhe. Die Hakenabstände sind wohl im grünen Bereich, das Material ist aber stark veraltet und vor allem sind die verrosteten Kronenbohrhaken hier sogar nur von 8mm Durchmesser. Stand kann man dann gut an den zuverlässigen Bolts der neueren Tour links einrichten.

Der Schluss von SL 1 nicht so attraktiv, der erste Teil ist deutlich besser.
SL 2, 40m, 6b: Eine sehr gute Seillänge, die nach einigen zugänglichen Startmetern bald steile und gar nicht so einfache Wandkletterei an Leisten und Seitgriffen bietet. Noch bevor man ganz unter den Dächern angelangt ist, quert man nach rechts hinaus. Der Zwischenstand an dessen Ende wäre zwar zwecks Vermeidung von Seilzug praktisch, weil aber nur 1 uralter BH mit Schlinge um einen mässigen soliden Block in unbequemer Position vorhanden ist, klettert man lieber gleich weiter. Über 3 weitere BH geht es in sehr schöner, steiler Wandkletterei an Schuppen und Schlitzen nochmals 15m weiter bis zu einem guten Stand. Achtung, den ersten BH nach dem Zwischenstand in der Wand rechts massiv (mind. eine 120er-Schlinge) verlängern, ansonsten massiver Seilzug.

Griffig-rauer Superfels am Ende von SL 2, 6b. Im Bild die einzige Stelle, wo ich einen Cam (Grösse 0.5) gelegt habe.
SL 3, 30m, 6b+: Sehr schöne Kletterei, die beständig etwas nach rechts quert. Dieses Teilstück ist weniger steil, dafür sind oft Aufleger und hier und da eine kleine Leiste zu halten, mit den Füssen tritt man auf Reibung an. Der Fels ist super, ähnlich wie im unteren Teil der Millenium am Reissend Nollen. Die Schwierigkeiten sind wohl recht anhaltend, aber harte Stellen warten keine. Ich fand diese SL klar einfacher wie SL 2 und würde hier 6b, in SL 2 aber 6b+ geben.

Bezüglich Farbe und Struktur ähnlich wie der untere Teil der Millenium am Reissend Nollen: SL 3, 6b+
SL 4, 25m, 7a: Vom unbequemen Stand folgt wie so oft in dieser Tour wieder mal ein recht weiter Abstand zur ersten Zwischensicherung, danach ist es hier klettergartenmässig abgesichert. So ist auch die Kletterei durch die überhängende Wand: steil, mit kleinen Leisten und Seitgriffen, fantastisch! Die schwerste Stelle braucht Power und Entschlossenheit, doch bald danach kriegt man gute Schlitze und Löcher zu fassen, wo dann aber etwas Ausdauer gefordert ist. Zuletzt dann etwas einfacher an Slopern zum bequemen Stand auf dem Querband. Nachdem ich diese SL zwar Onsight aber mit einem ziemlich Pump bewältigt hatte, war ich froh um eine gemütliche Pause.

Sloper-Ausstieg aus SL 4, 7a. Dieser ist nicht mehr das Hauptproblem, sondern das Leistenkrallen davor.
SL 5, 30m, 6b: Steile, sprich betont senkrechte bis leicht überhängende Kletterei an grossen, beständig etwas abschüssigen Griffen. Auch wenn man immer wieder darauf hofft, richtige Henkel gibt es hier keine, so dass durchaus etwas Ausdauer gefordert ist. Eine unangenehme Stelle wartet gleich zu Beginn, wo der hoch steckende erste BH angeklettert werden will, und auch zum Schluss ist es etwas trickreicher als sonst.

Griffig, wenn auch etwas abschüssig und leicht überhängend: SL 5, 6b.
SL 6, 20m, 5c+: Erst gemütliche Wandkletterei an Leisten, dann zwischen zwei Rippen hindurch, die etwas brüchig aussehen, aber gut solide sind. Zum Stand hin dann wieder der typische Klausen-Superfels, grau, griffig und mit hervorragender Reibung. Insgesamt ein gemütliches Intermezzo, deutlich die einfachste SL der Tour.

Auch diese SL ist gut und lohnend: SL 6, 5c+.
SL 7, 40m, 6b+: Querschlitz-Parade im Wenden-Style, eine geniale Seillänge, sicher die schönste der ganzen Tour. Am kniffligsten ist der erste Teil, wo die Absicherung wiederum klettergartenmässig ist. Gegen den Stand (mit Wandbuch) hin wird es dann bei weiteren Abständen etwas einfacher, die Kletterei am Schluss eher wieder auflegerig und auf Reibung.

Das Foto wird dieser Länge nicht ganz gerecht, aber die Querschlitze sind nicht einfach zu fotografieren: SL 7, 6b+
SL 8, 30m, 7a (?): Ein etwas unschöner Abschluss: die ersten Meter gehen noch gut, danach folgt steile Wandkletterei an unsicheren kleinen Schüpplein und Seitgriffen. Die Absicherung zwar eng was die Abstände betrifft, doch sehr schlechtes Material. Die Kronenbohrhaken sind hier sehr rostig und sie sind nicht genügend tief gebohrt, sprich stehen 10-15mm vor. Was die wohl halten? Weil ich wegen dem mässigen Fels und den Schwierigkeiten nicht den Eindruck habe, kontrolliert sturzfrei klettern zu können, beschliesse ich, die schlechten Haken nicht zu fest zu belasten und bewältige die schwerste Zone mit zweimaligem Griff zum BH. Es ist frei sicher möglich, aber nicht attraktiv. Ob es aber tatsächlich nur 7a wäre? Die Partie der ersten im Wandbuch als frei deklarierten Begehung schlug auf jeden Fall den Grad 7b+ vor. Nach der Crux geht es einfacher weiter, der Fels hält mehr, als es danach aussieht. Zuletzt dann, wie als Kompensation für die vielen Bolts davor, ein nicht zu entschärfender 10m-Runout an den Stand kurz vor der Kante.

Die letzten 10 Meter zum Top ziemlich alpin und ohne Sicherungsmöglichkeit. Ausstieg aus SL 8, 7a (?).
Um 16.40 Uhr sind wir beide am Top. Voll zufrieden, verlief doch die Begehung zügig, glatt und, bis auf den Wermutstropfen in der letzten SL, in einem sauberen Onsight. Wir steigen gar nicht mehr über die Kante hinaus, sondern queren direkt unterhalb die 10m zum Beginn der Abseilpiste. Diese ist einfach famos, steil, direkt und rassig. In 5 Manövern (25m, 40m, 40m, 50m!!!, 50m) erreicht man in nur gerade 20 Minuten wieder den Einstieg. Während die letzten beiden Abseiler vor 2.5 Jahren nach dem Tüfelswerch mit den neuen Doppelseilen noch problemlos zu machen waren, müssen wir dieses Mal zechälä - die Seile sind noch exakt dieselben, nur sind sie im Laufe der Zeit anscheinend um 3-4m geschrumpft!

Am Einstieg machen wir noch eine gemütliche Pause und essen unsere Sandwiches. Der Himmel hat sich in der letzten Stunde rasch mit dichtem hohen Gewölk überzogen und ein kühler Wind ist aufgekommen. Es herbstelet richtig, wir machen uns an den Abstieg. Dieser geht bequemer im Gras neben der Bachrinne, 25 Minuten brauchen wir dafür, so dass wir um 18.00 Uhr der Familie und dem Zuhause entgegen fahren.



Facts

Hinter Glatten - Einbahnstrasse 7a (6b obl.) - 8 SL, 255m - Jörg Zemp 1986 - ***, (xxxx)
Material: 14 Express, evtl. Camalots 0.3-0.5, 2x50m-Seile

Sehr schöne, steile und abwechslungsreiche Wandkletterei im typischen, meist sehr guten, griffigen Fels mit hervorragender Reibung. Für alle Felswände um den Klausenpass charakteristisch sind aber auch einige kurze, etwas brüchige/splittrige Stellen. Diese sind in der Einbahnstrasse beinahe vernachlässigbar und stören nicht, ausser in der letzten SL, wo sich die klettertechnische Crux leider gerade in einer solchen Zone abspielt und der Route den vierten Schönheitsstern kostet. Die Absicherung ist von den Abständen her an den schweren Stellen klettergartenmässig und auch an den einfacheren vernünftig, d.h. auf Niveau xxxx. Weil das Hakenmaterial aber definitiv in der Alteisensammlung oder im Museum passender versorgt wäre, steht das ganze in Klammern. Zu erwähnen ist auch, dass der weiteste Abstand gleich mehrmals zwischen Stand und erstem BH zu finden ist.


Wissenswertes

Wie dem Wandbuch zu entnehmen ist, wurde die Route am 14./20./22./27./30.9. von Jörg Zemp aus Zürich eingerichtet. Die Frage nach dem wie wird dort nicht beantwortet. Alles von unten oder zumindest teilweise von oben? Ich weiss es nicht, auf jeden Fall wäre es eine super Leistung, die annähernd 100 handgebohrten Haken in 5 Tagen solo von unten kommend anzubringen.


Information aus dem Wandbuch. Von meiner Seite herzlichen Dank den Erschliessern!
Ebenfalls im Wandbuch steht, dass der Routenname entstanden sei, weil ein Abseilen über die Tour nicht möglich sei. Dies ist aber zu relativieren, vom zweiten und dritten Stand ist ein Rückzug sicher mühsam, aber kaum unmöglich. Weiter oben ist es dann sowieso problemlos, ab Höhe des dritten Standes kommt man dann auch bequem über die benachbarte Nirvana runter.

Wir haben uns 26 Jahre nach der Erstbegehung auf der Seite eingetragen, die mit 95. Begehung angeschrieben ist. Weil aber meist nur jede zweite Seite beschrieben wurde, dürfte die Route bis dato rund 60 Begehungen erfahren haben. Während die Frequenz in den 90er-Jahren noch recht hoch war, machten wir im 2012 den ersten Eintrag. Zu erwähnen ist auch, dass das Wandbuch beinahe voll und nicht mehr in sehr gutem Zustand ist.

Die erste im Wandbuch als Rotpunkt deklarierte Begehung ist im Jahr 2005 durch Mike & Anna erfolgt. Ob die Route schon früher freigeklettert wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Die beiden beschreiben die 4. SL als 7b und die 8. SL als 7b+. Woher die teilweise komplett falschen Angaben im Führer GLclimbs stammen, weiss ich auch nicht. Ich denke, dass SL 4 näher bei 7a als bei 7b ist. Die letzte SL ist meines Erachtens eher schwerer als die vierte, eine kompetente Einschätzung kann ich aber nicht machen.

Die gemäss Wandbuch erste Rotpunktbegehung.
Die Wand ist nach SSE ausgerichtet und steht schon bald nach Sonnenaufgang im wärmenden Licht. Im Oktober ist dies um ca. 8.00 Uhr der Fall. Unabhängig von der Jahreszeit verschwindet die Sonne um ca. 16.00 Uhr um die Ecke. Im Frühjahr, so lange auf dem Karrenfeld oberhalb der Wand noch Schnee liegt, bleibt die Wand länger nass.

Einen sehr guten Bericht zur Tour findet man bei Chris Moser. Auch Wolfi's Seite enthält einige Zeilen darüber, und stellt auch andere Touren in der Wand vor. Ein frei verfügbares Topo gibt's bei Paolo und Sonja aus Lecco. Käuflich zu erwerbende Topos finden sich im GLclimbs (bis auf die falschen Schwierigkeitsangaben passt dieses recht gut) und im vergriffenen Schweiz Extrem von 1994.