Nachdem sich mein Appointment zum Eisklettern leider in letzter Minute zerschlagen hatte, ergab sich alternativ die Möglichkeit, mit Chris und Bruno eine sportliche Skitour zu unternehmen. Die 2500hm auf Chli und Gross Ruchen, in schnellem Tempo gelaufen, durch steiles Gelände mit vielen Spitzkehren und Spurarbeit waren fordernd für mich. Zum Glück konnte ich trotzdem vernünftig Schritt halten. Aber es ist eine Tatsache, aktuell bin ich aufs Eisklettern eingestellt und dementsprechend, ohne eine längere Skitour von über 1500hm in den Beinen, für Konditionsbolzereien nicht top in Form.
Blick zu unserem Tourenziel Gross Ruchen. Solch breite und leere Skipisten hat man gern! |
Beim Klettern finde ich halt den Mix von Psyche, Kraft, Balance und Technik (wobei keines dieser Elemente ohne die anderen viel Wert ist) einfach einzigartig und es ist toll, diese Herausforderung auch in der kalten Jahreszeit zu haben. Somit waren meine bisherigen Skitouren in diesem Winter mehr auf Genuss denn auf Herausforderung auslegt. Das Ausloten der psychischen Grenze beim Skitouren wäre ja auch eher gefährlich, denn sie tritt (für mich) da zu Tage, wo ein Sturz zum Absturz führen würde, oder die Lawinengefahr droht. Beim Eisklettern hingegen ist meine Psyche hingegen schon gefordert, wenn noch alles perfectly safe ist, d.h. ich im steilen Gelände über die letzte Schraube hinaussteigen muss.
Aufstieg durch die Nordwand des Chli Ruchen. |
Skitour Chli Ruchen und Gross Ruchen
Auf einen ausführlichen Tourenbericht verzichte ich an dieser Stelle, alle Details sind bei Chris nachzulesen. Darum in Kurzfassung: von Unterschächen stiegen wir durchs Brunnital nach Nider Lammerbach, um dann südlich an den Griessstöcken vorbei in die Nordwand des Chli Ruchen einzusteigen. Steil ging es durch diese in rund 40 Spitzkehren hoch, das Gelände ist länger anhaltend rund 40 Grad steil, war aber gut begehbar. Ein bisschen anspruchsvoller wie die Ruch Chälen ist es schon, aber kein Extremgelände. Man erreicht schliesslich den Sattel im Verbindungsgrat zwischen P.2880 und und P.2944. Während wir dem Westgipfel P.2880 einen Besuch abstatteten, liessen wir den Hauptgipfel aus. Sein Westgrat oder die Rinnen unmittelbar nördlich davon sehen zwar abweisend aus, dürften aber eine prima winteralpinistische Herausforderung darstellen. Die wahrscheinlich kaum geeichte Sommerbewertung des SAC-Führers ist WS, im Internet liest man von kaum absicherbaren Stellen im 2.-3. Grad.
Unser Programm. GPS-Track und Bearbeitung von Chris (www.chmoser.ch). |
Während ich noch an einem Versuch am Hauptgipfel herumstudierte, wollten meine Begleiter davon nichts wissen und stattdessen noch den Gross Ruchen angehen. Somit fuhren unter die eindrücklichen Wände des Chalchschijen ab und eilten bald über den Ruchenfirn dem zweiten Gipfel entgegen. Der Aufstieg zum Skidepot hoch fühlte sich dann etwas zäh an. Zum Schluss dann noch die alpinistische Einlage am Gipfel: beim Aufstieg vom Skidepot fiel mir auf, wie viel die Mixed- und Eiskletterei zu meinem Wohlfühlen auf Steigeisen beigetragen hat. 9 Jahre zuvor ging ich diesen Abschnitt das letzte Mal hoch und fand es ziemlich ätzend, nun war es fast ein Spaziergang, obwohl wiederum teilweise im verschneiten Fels agiert werden musste.
Das wäre der Chli Ruchen Hauptgipfel P.2944, mit seinem nicht einfachen Westgrat. Rechts der Chalchschijen. |
Die Abfahrt vom Gross Ruchen war dann wirklich genussvoll. Der obere Teil des Ruchenfirns bis P.2837 zwar noch vom Wind geprägt, dann bis zum Ruchchälenpass schöner, gesetzter Pulver. Die obersten 200hm in der Ruch Chälen dann nochmals zum Vergessen mit zwischen tragend und nicht tragend wechselhaftem Winddeckel. Ab 2400m retour bis ins Brunni dann aber prima Pulver. Zuletzt ging's auf der Strasse hinaus retour nach Unterschächen, wobei ich selbstverständlich noch einige ausführliche Blicke auf die Eisfälle warf. Hier ein kleines Bulletin.
Verhältnisse Eisfälle Brunnital
Die Bedingungen sind sicher nicht als absolut top zu werten, dennoch war deutlich mehr Eis vorhanden, als ich dies vermutet hätte. Die meisten der bekannten, langen Linien wären am Dienstag 26.2.13 machbar gewesen, wenn auch ohne vorherige Begehungen und mit mehr Anspruch als gewöhnlich. Zu beachten ist, dass die Sonne am Nachmittag schon 3-4 Stunden voll reinknallt. Mit den in den kommenden Tagen stark steigenden Temperaturen und der intensiven Besonnung dürfte die Saison zu Ende sein, bevor sie richtig begonnen hat. Einige Kommentare zu den einzelnen Fällen.
Flohzirkus (WI6): welche eine Traumlinie! Stand morgens gut, die obere Kerze sah dann aber am Nachmittag schon von weitem gefährlich aus. Der filigrane Zapfen erhält viel zu viel Sonne, deshalb kaum mehr machbar.
Hydrophobia (WI6-): recht gut gewachsen, Einstieg vermutlich am besten über die mittlere Säule, die linke ist dünn, aber evtl. auch machbar. Die steile zweite SL sieht nicht trivial aus, geht aber bestimmt. Der flachere obere Teil sieht dann recht gut aus. Erhält auch schon einiges an Sonne, in den nächsten Tagen aber evtl. noch kletterbar. Jedoch: keine Spuren am Einstieg sichtbar.
Hydrophobia (WI6-), links der untere, rechts der obere Teil. |
Verschneidung (WI4-): unten nicht üppig gewachsen, aber genügend Eis zum Klettern ist sicher vorhanden. Erhält durch die Lage im Couloir weniger Sonne wie die anderen Fälle. Die Ausstiegslängen sind von unten schlecht einsehbar, haben aber Eis. Zudem der einzige Fall mit einer (frischen) Spur an den Einstieg.
Cold Carpet (WI4+): viel weniger Eis als in anderen Jahren. Vermutlich nicht unmöglich, aber sicherlich deutlich anspruchsvoller wie sonst und somit aktuell kaum ein lohnendes Ziel. Keine Zustiegsspur sichtbar. Erhält auch schon einiges an Sonne.
Cold Carpet (WI4+): Eher dünn und darum auch ohne Spur zum Einstieg. |
Bluebalu (WI6-): steht, wenn auch nicht mit üppig Eis, das zudem ziemlich röhrig und anspruchsvoll aussieht. Wegen der eher geringen Eismenge in der sonnenexponierten Felswand ist ganz sicher davon abzuraten, hier noch eine Begehung zu versuchen.
Linker Lisslerenfall (WI5): derzeit der klar der am fettesten gewachsene Fall im Brunnital. Ich vermag nicht recht zu sagen, ob er gut wäre. Auf jeden Fall ist er auch schon früh und sehr stark der Sonne ausgesetzt, mir wäre das klar zu heikel.
Verschneidung (WI4-), inklusive frischer Spur zum Einstieg. |
Rechter Lisslerenfall (WI5): steht ebenfalls. Sieht machbar aus und Begehungsspuren waren sichtbar. Erhält weniger Sonne als sein Nachbar, nur der Ausstieg ist ebenfalls ziemlich dem wärmenden Gestirn exponiert.
Die nach Norden ausgerichteten Linien rechts des Eingangs ins Brunnital weisen Eis auf. Allerdings liegt auch einiges an Schnee. Fazit: vielleicht machbar. Die Routen links des Eingangs sehen von weitem her beurteilt recht gut aus und wären womöglich eine Alternative. Am Gross Ruchen stehen die beiden beschriebenen Eisfälle, die Route "Der Dunkle Turm" sieht sehr trocken aus und weist kaum Eis auf.