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Dienstag, 30. September 2014

Wendenstöcke - Transocean (7b+)

Der Pfaffenhuet ist mit Sicherheit der beliebteste Sektor an den Wendenstöcken. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Routen an diesem Berg meist nicht ganz so verzweifelt schwer und generell auch einen Tick besser abgesichert sind als an den umliegenden Felsen. Seit dem Jahr 2010 ist dies jedoch auch nur noch die halbe Wahrheit. Dann beendete das bekannte Duo Ruhstaller/Rathmayr die Arbeit an ihrem Pfaffenhuet-Testpiece mit den Namen Transocean. Mit 7b+ liegen die Maximalschwierigkeiten deutlich über jenen der Nebenrouten und an sich vernünftige BH-Absicherung ist oft reichlich sportlich und zwingend ausgefallen. Trotzdem oder gerade deswegen wollten Dani und ich hier einen Versuch starten, die auf dem Papier ähnlich deklarierte Deep Blue Sea von demselben Team hatte uns ja auch restlos überzeugt.

Morgenstund hat Gold im Mund! Der Sektor Pfaffenhuet etwas links der Bildmitte.
Klettern an den Wendenstöcken bedeutet unweigerlich früh aufstehen, um 4.30 Uhr schrillte der Wecker dieses Mal. Der Nachteil an der frühen Anfahrt ist eindeutig, dass man auf der Fahrt leider noch keinen Kaffee auftreiben kann. Nun denn, wir würden schon noch wach werden! An den Wenden war nicht viel los, nur gerade eine weitere Seilschaft folgte uns und wollte in die Patent Ochsner einsteigen. Das lokalisieren des Startpunktes war für mich nicht weiter schwierig, hatte ich doch an diesem Massiv schon die meisten anderen Routen kennengelernt. Mittig am Pfaffenhuet, etwa 20m links des markanten Patent Ochsner Chübeldeckels geht es los. Um 8.45 Uhr war schliesslich alles hergerichtet. Ich überliess Dani gerne den Vortritt, denn Gerüchte über die herbe Natur der ersten Seillänge waren schon bis an mein Ohr gedrungen.

Wendenböckli am Einstieg, gemäss dem Experten ca. 1.5 Jahre alt :-)
L1, 45m, 6c: Der Auftakt über ein löchriges Dächlein ist noch trivial. Danach muss man etwas aufpassen, vor dem zweiten Haken keinen Grounder zu fabrizieren. Die Kletterei ist aber noch nicht allzu schwer, legen hingegen naja, geht nicht so gut. Danach will dann an schönem, etwas abschüssig strukturiertem Fels schon bald plattig fein angetreten werden, sorgfältig Moven hilft. Nach zwei neuerlich weiten Abständen folgt dann die Crux nach dem fünften BH. Richtig schwere Plattenmoves, etwas unangenehm an Untergriffen und zwingend zwischen den Haken, auch wenn die Absicherung hier ok ist. Von der Bewertung her könnte man hier auch gut ein + draufpacken, mindestens sogar, finde ich.

Jetzt geht's loooos! Dani unterwegs in L1 (6c), eben ist der zweite BH erreicht und die Grounder-Gefahr gebannt.
Sehr schöne Kletterei am Ende von L1 (6c), die für den Grad jetzt wirklich alles andere als einfach ist.
L2, 35m, 6a+: Zuerst sehr schöne Plattenkletterei, die gut abgesichert ist, für den angegebenen Grad jedoch auch nicht gerade als einfach zu betiteln ist. Links um die Ecke kommt man dann in einfacheres Gelände, wo man problemlos an Höhe gewinnt. Ungefähr 15-20m über der letzten Sicherung kommt dann nochmals eine etwas schwerere Stelle. Kurz bevor mir die grauen Haare zu wachsen begannen, erblickte ich dann doch noch den BH, der hier ideal steckt. Tipp: nach dem zweiten BH ziemlich deutlich nach links halten und der natürlichen, einfachsten Linie folgen.

Prima Auftakt in L2 (6a+), diese Platten hier sind allerdings auch nicht einfach blosses Gehgelände.
L3, 35m, 6b+: Vom Stand weg nach rechts und in nicht ganz so kompaktem Gelände aufwärts an eine Verschneidung. Dort über einen Wulst hinweg und schliesslich nach rechts raus in die Wand mit schönem, rauhem Fels. An zwei Nischen vorbei geht es bei eher distanter Absicherung, dafür sind die Schwierigkeiten überschaubar. Wenn die erste Länge tatsächlich 6c ist, so würde ich hier im Vergleich dazu nur für 6a oder 6a+ plädieren. Aber wahrscheinlich ist es stimmiger, L1 etwas aufzuwerten ;-) Die im Topo verzeichnete letzte Zwischensicherung (SU-Schlinge) existiert nicht, man wird die Sanduhr etwas links aber schon aufspüren und auch das Fädeln bereitet keine Probleme.

Startsequenz in L3 (6b+), ein solcher Seilverlauf macht doch immer wieder Freude ;-)
Obenraus in L3 (6b+) dann gute Kletterei bei weiten Hakenabständen, aber das Gelände ist leicht verdaulich.
L4, 15m, 7b: Nun gilt es gemäss Topo definitiv ernst. Eine steile, fast dachartige Zone will hier gemeistert sein. Der Beginn fällt dabei noch nicht durch ausserordentliche Felsqualität auf, die grossen Schüsseln und rausstehenden Zacken sind etwas fragil. Geht aber schon, und die BH stecken auch vernünftig. Die Crux dann zwingend vom zweiten zum dritten BH: erst Leisten riegeln, dann dynamisch an ein Loch (ooohhh, welche Enttäuschung, es ist sloprig schlecht). Doch nur dranbleiben, noch zwei drei Züge weiter und man ist gerettet. Der Ausstieg an der fantastisch rauhen Struktur dann genial. Hier gelang mir sogar ein Flash im Nachstieg.

In L4 (7b) geht es über eine dachartige Zone hinweg, zu Beginn nicht gerade das Oberbijou. Der Hexer hat's schon gemeistert!
Das Ende von L4 (7b) dann genial an der ultrarauhen, kleingriffigen Struktur.
L5, 30m, 7b+: Geniale und anhaltende Seillänge! Vom Stand weg in einem Linksbogen los, der Start ist scheint's etwas grossenabhängig - ich tat mich jedenfalls wesentlich leichter wie mein Seilpartner. Danach dann weiter an feinen Querschlitzen, diagonalen Untergriffen für links und kleinen, scharfen Rauhigkeiten, die brutal Haut fressen. Die grösste Herausforderung liegt im Behalten der Übersicht und der Ausdauer. Den Chalkspuren meines Vorsteigers folgend komme ich mit (nur) einem einzigen Bloc durch, daher sicher keine unmögliche 7b+. Das Special Feature dieser Länge kommt aber dann am Ende: über eine mit winzigen Rauhigkeiten gespickte Platte im 7a-Bereich will ein Runout von 6-7m zum Stand gemeistert werden - extreme Kopfsache, ja gar Wahnsinn! Der letzte geklinkte BH ist (günstig oder ungünstig, wie man es nimmt ;-)) links von einer Kante und nicht sichtbar platziert, was die psychischen Anforderungen noch erhöht - die Seile verschwinden nämlich einfach im Leeren.

Definitiv die markanteste und psychisch anspruchsvollste Stelle, der ca. 7a-Runout über die senkrechte Platte am Ende von L5 (7b+).
Auch im Nachstieg ist eine gewisse Anspannung nicht zu verneinen, Griff- und Trittgrösse sind überdies gut erkennbar.
L6, 25m, 7a+: Gut gesicherte Wandkletterei an feinen Strukturen und ziemlich scharfen Schüppchen, optimaler Fels wartet hier. Fand ich ziemlich biestig, kam mir im Vergleich zu den beiden Längen davor hart für den Grad vor. Die Hauptschwierigkeit besteht in einer mittigen Querung nach links. Doch wo setzt man diese an? Mein Partner querte etwa 2m höher als ich, doch waren wir beide nicht restlos von unserer gewählten Lösung überzeugt. Anyway, wer das gemeistert hat, darf bis zum Stand hin noch ordentlich Dauerpower beweisen.

Steile Wandkletterei in L6 (7a+). Dass es hier keine grossen Griffe und Tritte gibt, wird anhand dem Foto offensichtlich...
...kleine, scharfe und feste Strukturen gibt es aber zuhauf und wenn man entsprechend zukrallt, dann geht es schon.
L7, 45m, 6c: Lange, lässige und athletische Abschlusslänge an meist guten Suppenschüsseln, d.h. rund-sloprigen Löchern, die bisweilen etwas staubig sind. Die Absicherung hier nicht gerade eng, aber insgesamt doch ok. Für den Nachsteiger ist's hier für einmal auch nicht so viel gemütlicher, nach Aushängen des ersten BH will nämlich die Crux geklettert sein und wer das nicht packt, vollführt einen doch ziemlich ordentlichen Pendler nach links. Bezüglich der Schwierigkeiten ist's irgendwie deutlich einfacher wie L1, aber auch schwerer wie L3 - was immer das jetzt auf der Skala genau heisst.

Steiles und athletisches Abschlussbouquet in L7 (6c), kommt auf dem Foto leider nicht so zur Geltung.
Um 13.45 Uhr erreichen wir das Routenende auf dem ersten, schmalen Ringband. In gerader Linie könnte man hier nun noch vier weitere Seillängen im 6a-6b Bereich aufs grosse Querband anhängen. Mir sind diese schon von 3 früheren Begehungen bekannt - durchaus interessant, aber nicht allererste Sahne. Weil für den Nachmittag einige Schauer angesagt sowie Gewitter möglich sind, und wir nicht so genau wissen, wie es sich weiterentwickelt, treten wir den Weg in die Tiefe an. In vier gestreckten Abseilern und der Ausleihe eines Standes aus der Voie de Frère sind wir bald wieder am Einstieg. Da scheint dann doch noch die Sonne und weil noch etwas Zeit bleibt, packen wir noch einen 3-SL-Baseclimb weiter links an. Dieser entpuppt sich als genau die richtige Herausforderung zu diesem Zeitpunkt. Rund zwei Stunden später treten wir dann doch den Abstieg ins Tal an und kurven retour über den Susten nach Hause. Danke vielmal Dani für die kompetente Führung der schweren Längen in dieser sehr interessanten und herausfordernden Route - es war mir ein grosses Vergnügen, mit dabei sein zu können.

Weiter links in der Gory noch ein bisschen vom tollen Fels genossen.
Facts

Pfaffenhuet - Transocean 7b+ (7a+ obl.) - 6 SL, 230m - Ruhstaller/Rathmayr 2010 - ****; xxx
Material: 2x50m-Seile, 10 Express, evtl. Camalots 0.5-1

Schöne, schwere und oft kratzige Kletterei zentral an der Südwand des Pfaffenhuet. Von psychsich herausfordender Plattenkletterei über Crimperei an kleinen, rauhen Strukturen zu athletisch-grossgriffigen Zonen wird ein bisschen alles geboten. Die Felsqualität ist praktisch durchgehend gut, ja teilweise sogar fantastisch. Zwei, drei etwas weniger schöne oder staubige Stellen sollen hier jedoch nicht unerwähnt bleiben, was sich mit weiteren Begehungen sicher noch verbessern wird. Die Absicherung kann man als vernünftig bezeichnen. Wirklich gefährlich ist es nirgendwo und an den schweren Stellen sind die Abstände nie extrem weit. Dennoch sind viele schwere Passagen absolut zwingend zu meistern, was der Sache doch einen reichlich sportlichen Anstrich gibt. Der obligatorische Grad von 7a+ passt und spricht alleine schon Bände. Klemmgeräte und -keile können eigentlich kaum wirkungsvoll eingesetzt werden, meines Erachtens kann man diese auch gleich daheim lassen. Besondere Würdigung verdient der Runout am Ende von L5, die 6-7 zwingenden Meter über die feinstrukturierte Platte im 7a-Bereich wird zumindest der Vorsteiger nicht so rasch vergessen, egal ob der Abflug passiert oder nicht...

Weitere Träume... Excalibur, Dom und Areus in der Spätnachmittagssonne.
Topo

Hier gibt's das hervorragende Topo der Erstbegeher. Besten Dank Reto und Bernd!

Dienstag, 23. September 2014

Chli Glatten - Open Air (7a+) & Halloween (6c+)

Für ein weiteres Mal hatten uns die Wetterfrösche nichts erfreuliches zu berichten. Ja, es blieb sogar unklar, ob, wann und wo die Sonne scheinen oder es regnen würde, ja gar Blitz und Donner wurden als mögliches Szenario genannt. Also wollten wir es wieder einmal am Chli Glatten versuchen. Dank dem kurzen Zustieg und der moderaten Routenlänge ist hier ein Rückzug im schlimmsten Fall rasch bewerkstelligt. Dennoch bieten die steilen Routen richtiges Alpinkletter-Feeling, und dieses wollten wir auf keinen Fall missen. Unsere Wahl fiel schliesslich auf die 5-SL-Route Open Air (7a+). Nachdem wir von rechts her an den Drahtseilen auf den Vorbau gestiegen waren, konnten wir um 8.20 Uhr zeitig loslegen.

Open Air (7a+)

L1, 30m, 5c: Die Einstieglänge ist noch etwas nass, doch in wahrer Alpinistenmanier meint Jonas "kein Problem". Ist es dann auch nicht, dank der guten Absicherung und den moderaten Schwierigkeiten stören auch die noch etwas klammen Hände nicht allzu sehr. Die Kletterei schon steil, der Fels eher von alpiner Durchschnittsqualität, einige lose Steine liegen auch herum.

Sicht auf L1, 5c. Die Route führt danach links am steilen Pfeiler hoch, in der grossen Verschneidung ist der historische Klausenweg.
L2, 20m, 6c+: Nun muss das Aufwärmen bereits erledigt sein. Diese an sich recht kurze Länge hängt etwa 4m über und bietet Henkelspass par excellence. Die Absicherung ist vorzüglich, nur das Anklettern des zweiten BH muss man sich etwas verdienen. Erst arbeitet man sich irgendwie mit den Seitgriffen der Kante links und denjenigen im Riss rechts in die Höhe. Kurz vor dem Stand spitzt sich die Sache zu, und an einigen flachen Leisten wird geprüft, ob noch Saft in den Armen ist.

Sehr steile Kletterei, die gleich mehrere Meter überhängt, trifft man in L2, 6c+.
L3, 25m, 6c+: Vom Hängestand aus geht es im selben Stil weiter. Ziemlich überhängende Wandkletterei an flachen Leisten und dem einen oder anderen Seitgriff bei bester Absicherung. Knifflig ist dann der Übergang in die senkrechte Zone danach. Hat man diese griffarme Passage gemeistert, warten zwei längere Runouts zum Stand hin. Es ist einfacher dort, einfach schön cool bleiben und den Pump sauber aus den Armen schütteln.

L4, 45m, 6c: Absolut geniale Seillänge, die nicht mehr ganz so steil ist und nach einem leicht überhängenden Wändchen zu Beginn eher technische Kletterei bietet. Der Fels ist rauh und strukturiert, bis auf die hier viel bessere Absicherung wähnt man sich wie an den Wendenstöcken! Es ist vielleicht nicht die spektakulärste, aber sicher doch die schönste Länge der Tour!

Auf sehr schönen, wasserzerfressenen Fels trifft man in L4 und der ersten Hälfte von L5 (7a+), wo Jonas hier klettert.
L5, 30m, 7a+: Bald nach dem Stand folgt die erste Crux, wo man wiederum die seitgriffige Kante links geschickt einbauen muss und schliesslich komplett aufgespannt einen ziemlich weiten Dyno macht, zack! Danach wird mal links abgebogen und einfacher hochgestiegen, um nach einer bereits kräftigen Traverse nach rechts den Abschlussüberhang anzupacken. Dieser hängt nochmals etwa 3m über und ist sausteil. Der Klötzlifels mit seinen flachen Leisten scheint hier nur mässig solide. Da aber von dern Erstbegehern geputzt wurde, kann man vermutlich an ziemlich allem ziehen, was den Händen und Füssen Widerstand bietet. Irgendwie schlägt dieser Fels aber (mir) doch leicht auf die Psyche, jedenfalls war ich um die hier mehr als gute Absicherung froh.

Der extrem steile Abschlussüberhang in L5 (7a+) hat es echt nochmals in sich!
Um 11.20 Uhr erreichten wir nach 3 Stunden Kletterei das Top. Das war jetzt echt eine coole und wirklich spektakulär athletische Route! Der Weg retour an den Einstieg ist rasch erledigt. Praktisch freihängend geht es die obersten zwei Seillängen nach unten. Von dort gelangt man mit 2x60m-Seilen bereits und wiederum komplett freihängend an den Einstieg. Mit 50er-Seilen muss hingegen noch der Stand nach L2 angependelt werden, um dort das Seil nochmals einzufädeln. 

Halloween (6c+)

Weil das Wetter noch zu halten schien, unsere Kräfte noch nicht komplett erschöpft waren und der Hunger nach Fels noch nicht gestillt, wollten wir in eine weitere Route einsteigen. Um im Stil noch etwas Abwechslung zu haben, fiel unsere Wahl auf die in der Plattenwand etwa 60m weiter rechts gelegene Halloween (6c+). Betrachtet man das Topo im Extrem Ost, so werden Open Air und Halloween in Bezug auf Absicherung und Schönheit gleich bewertet (welch ein Witz!). So gingen wir davon aus, dass wir diese auf dem Papier doch markant leichtere Route zügig würden abspulen können. Wir sollten jedoch eines Besseren belehrt werden.

L1, 40m, 6a+: Ich steige die ersten Meter hinauf, und schon beim Blick nach oben fällt mir auf, dass hier nix mit "Klink & Climb" sein wird. Jonas reicht mir Keile und Friends, die wir in der Open Air nicht mitgeführt hatten. In schöner Wandkletterei, sich an eine Verschneidung haltend, führt diese erste Seillänge nach einem etwas grasig-lottrigen 10m-Vorbau in die Höhe. Es ist schon recht fordernd, mit ein paar gelegten Cams ist die Absicherung aber passabel.

Noch schöne Kletterei in L1 (6c+) von Halloween.
L2, 48m, 6b+: Jonas ist dran mit der zweiten Länge. Schon vom Stand aus sieht die etwas einschüchternd aus. Der Fels ist schwarz, staubig und teils auch etwas splittrig. Schon die Passage über die ersten zwei Bolts gleich ob dem Stand ist nicht trivial und etwas heikel. Danach folgt eine überhängende Zone, wo die ca. 6-7m zum nächsten Bohri geklettert sein wollen. Ich übernehme, und kann den Runout meistern, wer's nicht packt, kann sich auf einen 10-15m-Segler am Stand vorbei einstellen. Auf den nächsten, einfachen Metern stecken die Haken dann wieder in Abständen von 2-3m, welch ein Hohn! Später muss dann hingegen ein Wulst wieder 5m über dem letzten Bolt geklettert werden, bevor noch die Crux an einer abwärtsgeschichteten, staubigen und unangenehm zu kletternden Platte folgt. Sie ist hart für 6b+, voll obligatorisch aber ok gesichert, mit dem BH bei den Füssen.

Das ist noch längst nicht der schlechteste Bolt, der in der Halloween steckt.
L3, 35m, 6c+: Meine psychischen Kräfte sind etwas erschöpft, so lasse ich gerne mal Jonas vor. Der Beginn von L3 ist noch nicht so schwer, und auch vernünftig eingebohrt. Dann wird es steil und saumässig staubig. Nach der Crux um den Bolt herum folgt wiederum ein 6m-Abstand im überhängenden Gelände. Ich gehe ran, ok die Henkel sind da, aber stürzen sollte man trotzdem nicht. Weiter geht es mit technisch anspruchsvoller, senkrechter Kletterei an abschüssigem, staubigem Fels. Zuletzt kommt dann zum Stand hin ein 8m-Runout über eine staubige und teils mit roten Algen bewachsene Platte, anhaltend schwer. Ein weiter Sturz droht und dort wo man hinfällt warten labile Gesteinsmassen auf ihren Absturz - Hilfe und nein danke!

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Die letzte Länge bleibt uns verwehrt, das Wetter hat zugezogen und Regen liegt in der Luft. Leider steckt an den Halloween-Ständen kein Material, so dass wir auf die Direkte Plattenwand links daneben wechseln müssen. Bald hat uns Terra Firma wieder und läck, da wurden unsere Erwartungen wirklich total enttäuscht. Zudem ist auch die Absicherung teils fragwürdig, mit heiklen Runouts in schwerem Gelände, und dann wieder zahlreicheren Bolts wo man durchmarschiert. Item, ab ins Tal. Während wir es erst noch gemütlich nehmen, treiben uns erste Regentropfen schliesslich doch zur Eile an. Der Schauer gewinnt an Intensität, doch bald darauf sind wir am Auto, und können dem Treiben den Scheibenwischer betätigend locker entgegensehen.

Facts

Chli Glatten - Open Air 7a+ (6b obl.) - 5 SL, 150m - Gisler/Müller 2004 - ***; xxxx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, Keile/Friends nicht nötig und einsetzbar

Interessante und schöne Route rechts am Flachen Pfeiler, die für bei relativ moderaten Schwierigkeiten sehr steile und athletische Kletterei bietet. Dass man in diesem Grad auf gleich mehrere Meter überhängende Seillängen trifft, ist ja doch eher selten. Die Felsqualität in diesen Steilzonen ist ok, jedoch nicht überragend. Die Erstbegeher haben jedoch loses Material gut ausgeräumt und einige hervorstehende Zacken anzementiert, daher kann man hier dennoch sorgenlos moven. Die Absicherung mit vielen BH ist über weite Strecken hervorragend ausgefallen und bewegt sich meist auf Niveau xxxxx. Nur an wenigen Stellen (Anfang L2, Ende L3, Mitte L5) sind die Abstände dann auch einmal etwas weiter, und die Haken müssen teils deutlich überstiegen werden.

Chli Glatten - Halloween 6c+ (6b+ obl.) - 4 SL, 160m - Raillard et al. 1995, Gisler/Müller 2005 - **; xx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, Camalots 0.3-2

Für mich eine total enttäuschende Kletterei, unter den mir ca. 15 bekannten Routen am Chli Glatten die schlechteste und kein empfehlenswertes Ziel am Klausenpass. Klar, stellenweise ist auch hier die Kletterei recht schön, öfters ist der Fels aber sehr staubig und manchmal auch etwas brüchig. Die Absicherung ist eher schlecht. Es stecken zwar regelmässig Bohrhaken, doch gerade an den schweren Stellen sind die Abstände manchmal weit (teils xx), während an einfacheren Stellen dann wieder mehr steckt (bis zu xxxx). Insgesamt einfach unlogisch, und stellenweise auch mit Potential für nicht ungefährliche Stürze. Hinzu kommt, dass die Bohris teils schon arg verrostet sind. Das verzinkte Material ist für diese häufig mit aus einer Vegetationszone kommendem Wasser überronnene Wand einfach nicht geeignet. Ich denke, diese Route wird in den nächsten Jahren weiter vergammeln und vermutlich vergessen gehen.

Ein sehr gutes Topo mit den beiden Routen und weiteren in diesem Sektor gibt es als PDF.

Montag, 15. September 2014

Ofen - Einarmiger Bandit (7b)

Gleich zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen sollte es zu dritt auf Tour gehen. Der Ofen war zum Ziel auserkoren worden, und da meine Partner etwas die weite Anreise und den weiten Zustieg monierten, musste ihnen etwas Ansprechendes geboten werden. Der Einarmige Bandit wird im Extrem Ost neben dem Planet der Affen als einzige Route mit fünf Sternen bewertet, er befand sich schon länger auf meiner Wunschliste und war mit diesem Team ein herausforderndes, aber realistisches Ziel.

Die pralle Südwand am Ofen bietet viele schöne Klettereien - der hier präsentierte Einarmige Bandit eine der besten davon!
Weil für den späteren Nachmittag einige Schauer vorhergesagt waren und andere Verpflichtungen riefen, trafen wir uns für eine solche Tour unüblich früh bereits um 5.30 Uhr, so dass wir um rund 7.00 Uhr in Turrenbach bei P.1006 losliefen. Da es bereits meine neunte Tour am Ofen war, wusste ich natürlich bereits bestens um die in der Literatur völlig übertriebenen Zeitangaben von 2:30h für den Zustieg. Der Wandfuss befindet sich auf rund 1960m, es sind also 950hm zu bewältigen. Da man am Ofen mit einem minimalen Rack anrücken kann und zudem auf Strasse und Pfad schnell an Höhe gewinnt, legten wir die Strecke wie bisher immer in 1:30h zurück. Ein Übertreten des Fahrverbots nach Unter Boden lohnt sich also zeitlich kaum, zudem wird es oft mit einer hohen Busse geahndet und es gefährdet den Erhalt des Klettergebiets! Um 9.00 Uhr waren wir schliesslich eingebunden. Der Plan war, dass ich die gesamte Route vorsteigen würde, und so konnte es losgehen.

L1, 30m, 6c: Die ersten Meter sind noch nicht wirklich schwierig, allerdings steckt erst auf der Höhe von 10m ein BH. Davor kann man auf ca. 6m über Grund noch einen guten Friend setzen, wenn man ihn dabei hätte (ca. Camalot 0.75, nicht unbedingt nötig). In sehr schöner Wandkletterei gewinnt man dann an Höhe, bis die zähe Crux auf einen wartet. Mit kniffligen, steilen Moves will diese kleingriffig und auflegerig gemeistert sein. So unaufgewärmt kann einen das ganz schön pumpen, und man könnte hier wohl auch eine 6c+ vergeben. Die Stelle ist zwar gut gesichert, aber trotzdem zwingend. Bei der Sanierung wurde der BH davor etwas nach unten versetzt. Derjenige danach ist dafür 30-40cm höher oben wie der alte, man muss ihn überklettern, um vernünftig klinken zu können. Das ist irgendwie leicht fies, weil das alte Dübelloch schon deutlich vorher in Reichweite ist...

Super Wandkletterei in L1, 6c. Hier folgt nun gleich die Crux, welche die Arme schon mal ganz schön aufblähen kann.
L2, 45m, 6a+: Hier bekommt man die für den Ofen und diese Wandzone typische Henkelkletterei an horizontal gebändertem Kalk ab. Und das echt eine ganz Seillänge lang steil und ohne Unterbruch, was in diesem (tiefen) Grad doch sehr aussergewöhnlich ist. Unten gut gesichert, oben dann etwas luftiger - ein Aspirant, welcher den Hauptschwierigkeiten gewachsen ist, wird dies jedoch kaum bemerken.

L3, 15m, 5b: Unwesentliches und eher unschönes Verbindungsstück aufs nächste Band hoch, der Stand ist links vom Baum zu suchen. Wäre es mit 50m-Seilen nicht zu knapp und würde Seilzug drohen, würde man es wohl gleich an L2 anhängen.

Die Sicht vom Stand beim Baum bereits auf die nächste Länge L4, 7a+. Über die Dächer hinweg ist's athletisch, aber griffig.
L4, 35m, 7a+: Gleich zu Beginn der Länge will eine dachartige Zone in sehr athletischer Kletterei überwunden werden. Diese weist ziemlich erstaunlicherweise einige sehr gute und griffige Löcher auf. Diese liegen aber weit bis sehr weit auseinander, so dass man ordentlich dynamisch ziehen muss. Im Onsight ziemlich schwierig, wenn man mal weiss wie, dann geht's schon. Komischerweise ist diese deutlich schwerere Länge im Extrem Ost mit 7a bewertet, die einfachere L5 danach mit 7a+. Im Originaltopo passt's dann hingegen. Nach dem Auftaktüberhang folgt erst sehr schöne, gemütlichere Kletterei in Premium-Fels, bevor zum Abschluss nochmals ein kniffliges, überhängendes Wändchen folgt. Dort wartet erst ein schwieriger Aufrichter, dann athletisch an Untergriffen dem Dach entlang und darüber hinauf manteln.

Die überhängende Abschlusswand in L4, 7a+ ist echt nochmals fordernd, insbesondere der hier gleich folgende Mantle.
L5, 30m, 7a: Sehr schöne, leicht überhängende Wandkletterei. Zu Beginn hat es noch recht gute Tropflöcher und Leisten, danach will eine längere Zone sehr anstregend fast ausschliesslich an recht weit auseinander liegenden Untergriffen und mit mässigen Tritten gemeistert sein. Grrr, schon beinahe war ich durch, bis mir für den letzten weiten Zug dann doch noch der Saft fehlte und der Abgang ins Seil folgte (siehe Foto...). Zum Abschluss folgt dann noch eine feine 6c-Plattenstelle, zwar gut gesichert aber trotzdem über dem Haken. Am eigentlichen Stand beim Bäumchen klettert man besser vorbei, 3m weiter oben auf dem Band ist der Stand der Abseilpiste viel bequemer.

Powerige Wandkletterei in L5, 7a. Erst geht's noch gut, doch dann...
...putzt es mich noch runter, kurz bevor ich wieder in einfacheres Gelände gekommen wäre. Notstrom hat nicht funktioniert.
L6, 45m, 7b: Schon vom Stand weg erkennt man, welche Musik hier spielt: es geht sehr athletisch über eine Dachzone hinweg! Der Fels ist dort vor allem zu Beginn nicht von erster Güteklasse, es geht aber trotzdem gut. Dank einiger guter Leisten kommt man recht gut über die Aufschwünge hinweg und in einen Untergriff hinein. Das schwierigste, vor allem mit langen Beinen, ist der Übergang in die senkrechte Verschneidung danach! Dort kann man dann aber ausspreizen, und es folgt eine längere, nicht schwierige Traverse nach rechts. Man vermutet die Aufgabe schon beinahe als erledigt, bevor sich einem doch nochmals eine schwere, knifflige Wandstelle im Bereich 7a in den Weg stellt. Eigentlich prima gesichert, doch 6c ist auch hier nochmals obligatorisch und wenn man sich auf die falsche Fährte locken lässt, werden die Schwierigkeiten sicher noch höher empfunden!

Mit full gaz übers Dach in L6, 7b. Die Stelle ist deutlich steiler und schwerer wie man auf diesem Foto meinen könnte!
Wer hier im Nachstieg stürzt, hat nur eine Option: Prusik oder Steigklemmen auspacken.
L7, 30m, 7a: Super schönes Abschlussbouquet! Erst ein noch nicht schwieriges Mäuerchen mit ideal scharfen Tropflöchern bis auf die Rampe, wo man die Wolfsfeder kreuzt. Wir müssen aber in gerader Linie weiter, d.h. über den Wulst hinweg. Richtig geklettert geht die Stelle gut, und man etabliert sich in der Wand darob, welche mit super-scharfen Tropflochleisten garniert ist. Je nach Geschmack und Können eine total coole Sequenz oder einfach nur Aua, mir hat es bestens gefallen :-) Zuletzt wurde dann noch eine kleine Extra-Aufgabe rechtsrum eingebaut, wo erst in steiler Tropflochwand gekrallt werden muss, bevor man plötzlich auf plattig antreten und feine Moves umschalten muss. Zuallerletzt dann noch 2x am Grasbüschel und ziehen, und man steht bei der Kette, wo die Route 1m unterhalb der Kante endet.

Yours truly gerade in der Cruxsequenz von L7, 7a. Gewusst wie geht's gut, nur wissen wie muss man... ich sage aber nix!
Zum Abschluss dann extrascharfe Tropflochcrimperei par excellence. Etwas Haut- und Kraftreserven schaden sicher nicht.
Knapp vor 15.00 Uhr hatten wir das Top erreicht. Somit waren doch beinahe 6 Stunden draufgegangen, am Tällistock hatten wir in weniger Zeit mehr als doppelt so viele Längen geklettert. Aber logo, bei diesen Schwierigkeiten marschiere ich auch nicht mehr einfach durch, und meine Nachsteiger hatte auch ziemlich zu kämpfen. Für Nachahmer ist vielleicht noch wissenswert, dass hier auch an den Nachsteiger einige Anforderungen gestellt werden. Die athletischen Crux-Dächer in L4 und L6 befinden sich gleich zu Beginn der Längen und müssen vom Nachsteiger mehr oder weniger am Stück geklettert werden, und es ist kaum möglich den Zweiten mit Seilzug zu unterstützen. Sitzt dieser ins Seil, so hängt man wegen der Dehnung rasch ein paar Meter weiter unten, was dann rasch einmal die Verwendung von Prusikschlingen oder Steigklemmen erfordert.

Anyway, wir hatten es alle geschafft! Rasch wurden die Seile in den Abseilring gefädelt. Reizt man beim ersten Abseiler ein 50-Seil bis zum letzten Zentimeter aus, so reicht es auch in 4 Manövern retour zum Einstieg. Nach einem kurzen Vesper dann der Geröllsurf und retour zum Unterboden, wo uns bald danach auf der Strasse ein Schafhirte in seinen Toyota auflädt, so dass wir rasch und knieschonend retour in Turrenbach sind. So können wir den schönen Tag zeitlich mehr als plangemäss abschliessen. Für mich war der Einarmige Bandit eine sehr schöne und befriedigende Begehung, als schwere Sportkletterei irgendwie ein idealer Kontrast zur Inwyler/Bielmeier ein paar Tage zuvor. Klar hätte ich mir gerne die komplette Onsight-Begehung geholt - dies entpuppte sich aber dann doch als zu ambitiöses Ziel. Ich werde aber sicher wieder einmal zu dieser sehr schönen Route zurückkehren, um mit etwas Vorwissen vielleicht den Roten Punkt abzuholen.

Facts

Ofen - Einarmiger Bandit 7b (6c obl.) - 7 SL, 215m - Schoch/Winkler 1989-2005 - ****;xxxx
Material: 12 Express, 2x50m-Seile, evtl. Camalot 0.75

Geniale, steile, athletische und anstrengende Kletterei, welche in gerader und direkter Linie durch die Ofen-Südwand führt. Es handelt sich mit Sicherheit um eine der besten Routen an diesem Berg, dennoch fehlen mir hier etwas Ambiance und alpines Feeling, um die vollen fünf Sterne zu vergeben. Knapp daran vorbei heisst jedoch immer noch, dass ein Besuch höchst empfohlen ist! Die Absicherung mit (vorwiegend) Inox-BH ist bestens ausgefallen, man kann hier voll angreifen und das persönliche Limit ausloten. Während man über die Dächer nötigenfalls auch im A0 oder A1-Style drüberkommt, so gibt es auch einige eher plattig-feine Passagen, wo die 6c-Moves bei guter Absicherung schlicht und einfach zwingend zu klettern sind. Mit meinem Foto oben oder dem Topo unten ist man bestens ausgerüstet, weitere Informationen findet man ansonsten im Extrem Ost oder dem SAC-Kletterführer Zentralschweiz Südwest.



Dienstag, 9. September 2014

Tällistock - Inwyler/Bielmeier (6a+)

Achtung, im Sommer/Herbst 2023 wurden in der Route durch einen Fundamentalist viele BH entfernt oder unbrauchbar gemacht. Zur Zeit ist sie nur bei Anwendung von Peckern, Schlaghaken und viel mobilem Sicherungsmaterial begehbar. Die lokalen Bergführer wollen die Route im 2024 wieder in den vorherigen Absicherungszustand mit den BH zurückversetzen. Bis dahin wird empfohlen, die Route zu meiden (siehe Kommentar unten)!

Laut dem Kommentar von Niklaus (siehe unten) wurde die Route saniert und ist wieder begehbar!

Für die heutige Tour waren wir ein ziemlich heterogenes Trio: mit Rise war ein alpiner Geniesser mit von der Partie, Tobias kann man als Jäger und Sammler der Kletterklassiker bezeichnen und meinereiner bin ich eher der Sportkletterfuzzi. Dass die Tourenwahl unter diesen Voraussetzungen nicht ganz einfach sein könnte, liegt auf der Hand, zumal noch verbliebener Neuschnee nach dem Kaltfrontdurchgang zwei Tage zuvor den Träumen oberhalb von 2500m ein dickes Njet entgegen setzte. Mit der Inwyler/Bielmeier, einem der absoluten Klassiker im Berner Oberland und Pausetour obendrein, hatten wir aber ein sehr gutes Händchen. Einwandfreie Bedingungen trafen wir an, die Route entpuppte sich als absolute Perle und vermochte unsere drei verschiedenen Geschmäcker denn auch bestens zu befriedigen. Die logische Linie durch die steile, dolomitisch anmutende SE-Wand wurde 1960 unter der Führung von Sepp Inwyler eröffnet. In Bollerschuhen und von unten zeigte der damals Zwanzigjährige ein wahres Meisterstück, denn die Route ist praktisch durchgehend sehr steil und weist neben Riss-, Verschneidungs- und Kaminkletterei auch etliche Passagen über wasserzerfressene Wendenplatten und Tropflochwände auf, welche mit den damaligen Mitteln kaum abzusichern waren und viel Kühnheit erforderten. Klar, für die heutigen Massstäbe sind die Schwierigkeiten relativ moderat, die Ständplätze wurden mit Klebehaken saniert und auch zwischendurch steckt der eine oder andere Bolt. Gerade zusammen mit dem langen und durchaus alpinen Abstieg ist es immer noch eine grosse Tour!

Wir stossen auf rund 2000m durch die Nebeldecke...

...und sind unterwegs am Tällistock. Die Inwyler/Bielmeier verläuft in Falllinie des markanten Zackens rechts der Bildmitte.
Beginnen tut die Sache jedoch bequem mit einer Seilbahnfahrt. Die Tällibahn kann vorbildlich in Selbstbedienung betrieben werden, und so sind denn auch deren Betriebszeiten von 7.00-19.30 Uhr sehr klettererfreundlich. So ist denn auch die heimelige Tällihütte (1726m), welche sich gerade bei der Bergstation befindet, nicht zwingend als Quartier zu nutzen. Für den Zustieg verlässt man den blau-weiss-blau markierten Weg, der zum Klettersteig führt, schon nach 2-3 Kehren und ca. 30 zurückgelegten Höhenmetern. Für uns wurde die Aufgabe durch dichten Nebel erschwert, zum Glück hatten wir nach unserer Anfahrt über den Sustenpass da schon die Gewissheit, dass wir bald wieder durch die auf rund 2000m liegende Decke stossen würden. Ab dem Abzweig geht man steil und weglos rechts neben einer plattig-gneisigen Felsbastion hinauf, und zwar bis man auf ca. 1840m auf ein Querband aus Kalk trifft. Man steigt am Fuss des Querbands nach links, bis es einfach überwunden werden kann (Fixseil). Oberhalb hält man sich wieder nach rechts und steigt zum zweiten Band empor, welches an offensichtlicher Stelle recht einfach überwunden wird (Fixseil). Nach einer weiteren Grasquerung nach rechts hinauf, wartet schliesslich das dritte Band. Wenn man sich da nicht am Fixseil hochziehen könnte, so müsste man hier einen steilen Dreier über etwa 30m klettern, und würde nicht auf eine Seilsicherung verzichten wollen. Danach geht's nochmals etwas im Gras hoch bis zum Einstieg (ca. 2170m), der nur gerade durch eine Sanduhrschlinge gekennzeichnet ist. Um 9.15 Uhr waren wir nach 45 Minuten Zustieg bereit zum Loslegen. Die Abmachung war, dass Tobias den Teil bis zum Quergang führt, und ich die zweite Hälfte übernehme.

Die Schlüsselstelle im Zustieg, ein etwa 25m hohes Felsband im dritten Grad. Jedoch optimal mit Fixseil eingerichtet.
Ambiente und Panorama am Einstieg mit Blick auf die Berner Hochalpen sind einfach perfekt.
L1, 40m, 4c: Der Auftakt noch recht grasig und einfach, der Vorteil des Nachsteigers liegt hier darin, die schöne aber ungesicherte Platte links daneben klettern zu können. Weiter oben dann noch zwei Aufschwünge, so dass diese Länge ihren Grad durchaus verdient.

L2, 50m, 5c: Einfacher Auftakt, vorbei an altem NH-Stand, und dann einem Muniring. Nach diesem geht es in die Crux, eine Steilzone will durch eine kaminähnliche Verschneidung oder an den Henkeln links daneben gemeistert werden.

Kurz vor der Crux in L2 (5c), sie befindet sich im Kamin gleich oberhalb von Tobias' Kopf.
L3, 20m, 6a: Vor allem für die Zeit der Erstbegehung ein sehr kühner Quergang in steiler Wand nach links hinaus. Man klettert hier in prima Tropflochfels, eine der besten Längen der ganzen Tour!

Der geniale Tropflochquergang in L3 (6a).

Quel Plaisir!
L4, 45m, 6a+: Steile Seillänge, die Crux bildet die Dachzone etwa 10m oberhalb vom Stand. Sie klettert sich einfacher wie es den Anschein macht, bis auf einen etwas schlechteren Seitgriff sind es "alles Henkel". Der Rest dann einfacher dem Riss entlang, selbst der moosig-feuchte, düstere Kamin zum Schluss löst sich prima auf.

Kurz vor der Dachzone und Crux von L4 (6a+).
L5, 20m, 5c+: Steile Kletterei dem Hauptriss entlang. Von unten gesehen könnte man hier den Bammel bekommen, doch die Sache ist irre griffig und die Wand daneben tiptop strukturiert, so dass man hier erstaunlich einfach vorwärts marschieren kann. Wer möchte, kann die nächste Länge gleich anhängen.

Sälber legge isch Trumpf! Ideal-Placement zum Schluss von L5 (5c+)
L6, 30m, 6a: Erneut eine total geniale Länge in steiler Wand, die aber mit Henkeln nur so gespickt ist, so dass die Schwierigkeiten überschaubar bleiben. Nach den ersten 10m verlässt man den Hauptriss und zieht nach links hinaus auf den deutlichen Pfeilerkopf, wo ein sehr bequemer Standplatz wartet.

Rise setzt Fuss in L6 (6a), yours truly spielt den Besenwagen.
L7, 25m, 5c+: Zuerst schöne und steile Wandkletterei, immer noch gut, jedoch qualitativ nicht mehr ganz so perfekt wie die vier Längen davor. Zum Schluss dann noch einige einfachere Meter ins Amphitheater unter den grossen Überhängen.

Arbeitsteilung am bequemen Standplatz nach L7 (5c+)

Der K2 (8611m), im Berner Oberland auch als Finsteraarhorn bekannt.
L8, 25m, 6a: Wir wechseln die Führung, und der Ausgang aus dem überdachten Amphitheater bildet der berühmte Quergang nach rechts. Von diesem war ich dann fast ein bisschen enttäuscht. Soo luftig ist die Sache nun denn auch wieder nicht, das Band auf welchem man quert ist meist 30-40cm breit, so dass man fast rüberspazieren kann. Erst am Ende der Querung, wo es dann wieder raufgeht, warten 2-3 etwas schwierigere Züge in Wandkletterei. Klar, zu Zeiten der Erstbegehung war das sicher eine sehr kühne Sache und eine prima Leistung, insbesondere da man mit den damaligen Mitteln kaum sichern konnte! Heute steckt aber fast alle 2m ein BH, so dass hier auch schwache Nachsteiger kein Nervenflattern bekommen werden.

Im berühmten, fast etwas banalen Quergang von L8 (6a).
Look mummy, I can do it without hands!
Rise in der Crux von L8 (6a), ein bisschen in die Tiefe pfeift's hier schon!
L9, 30m, 6a+: Die ersten 10m vom Stand weg bieten wendenmässige Wandkletterei an super Tropflochfels, erneut für die damalige Zeit eine sehr kühne Leistung! Danach kurz etwas einfacher zur abschliessenden, etwas plattigen Wandzone. Entgegen der Angabe im Filidor-Topo kommt die Crux meines Erachtens erst hier. Ich bin die einfachere, rechte Variante geklettert, sie verlangt technisches Geschiebe an Seitgriffen und sauberes Antreten, der Fels ist etwas staubig.

In bester Wendenmanier startet die Schlüssellänge Nr. 9 (6a+).
Um es nochmals zu verdeutlichen: Top-Fels haben wir hier!
Das letzte Stück mit den schwersten Moves ist ziemlich abschüssig und etwas glatt.
L10, 25m, 5c+: Hammer-Seillänge, die bis auf eine SU-Schlinge und einen NH clean ist. Hier muss man ziemlich zwingend 2-3 Cams/Keile legen, wohingegen dies im Rest der Route eigentlich nur punktuell zur Ergänzung nötig ist. Der kühne, gelbe, einschüchternd steile Riss klettert sich aber echt super, der Fels ist einfach total strukturiert und die Griffe und Tritte zahlreich.

Die selbst abzusichernde, steile Verschneidung von L10 (5c+), eine total geniale Länge!
Die zaubert dem alpinen Geniesser ein Lächeln auf die Lippen!
L11, 35m, 5c+: Das Filidor-Topo ist hier unpräzise, vom Stand weg quert man zuerst 10-15m horizontal auf einem Band nach links. Dann an einer Rippe (NH) aufwärts, bevor man schliesslich supertolle, griffige Wasserrillen in Vollendung in die Hand kriegt. Für den angegebenen Grad eine sehr gutmütige Seillänge (eher 5ab).

Bequeme Terrasse zum Sichern des Vorsteigers in L11 (5c+).
Am Ende von L11 (5c+) warten dann traumhafte, griffige Wasserrillen.
L12, 20m, 6a: Nun wird es doch noch alpin! Ob dem Stand etwas "gschüderigs" Gelände, d.h. unsicherer Fels und schlechte Absicherung. Man klettert bis unter das markante Dach hoch, wo man endlich einen Verhau aus zwei schlechten NH und einer Knotenschlinge einhängen kann. Danach kühn und recht schwierig für den Grad links ums überhängende Eck rum und in den glatten Kamin (dort dann NH) hinein. Dies ist eindeutig die Vorstiegscrux der Route! Hier muss man eine 6a schon sauber draufhaben, die Stelle befindet sich 1-2m über der letzten, schlechten und einzigen Sicherung. Für mich etwas unverständlich, warum man hier nicht auch einen BH gesetzt hat, denn praktisch in der ganzen Route hat es pro Länge jeweils ein paar Exemplare und an wenigen Stellen waren sie so nötig wie hier.

Um diese Ecke herum und ins Chämi rein musst du geh'n! Die Vorstiegscrux der Route, mässig gesichert, in L12 (6a).
So sieht's aus, wenn man einmal im Kamin drin ist. Wobei, dann ist das Problem eigentlich gelöst.
Und so sieht es von oben aus.
L13, 40m, 2a: Einfaches Verbindungsstück hinauf zum Abschlusskamin. Erst ziemlich schuttig, wenn sich andere Seilschaften in der Wand befinden ist hier grösste Vorsicht angezeigt! Danach noch etwas leichtes Klettergelände, ein Dreier wie im Topo angegeben ist das jedoch bei Weitem nicht.

Als sie dieses tolle Schrofengelände erblickt haben, waren sie nicht mehr zu halten! Doppel-Vorstieg in L13 (2a).
L14, 40m, 5b: Wieder mal eine Seillänge, vor der man leicht den Bammel kriegen könnte! Der tief eingeschnittene Kamin lässt Böses schwanen. Dank irre strukturiertem Fels an den Seitenwänden geht es dann aber doch super, genussvoll und absolut ohne Gerampfe. Auch wenn einige NH und 4 BH stecken, ist die Sache doch etwas kühn - und ein Sturz liegt definitiv nicht drin, das Pingpong an den Seitenwänden würde bestimmt übel enden! Aber tja, ist ja nur 5b - was wahrscheinlich sogar stimmt, aber die Seillänge ist so ungewöhnlich, dass sie auf der Schwierigkeitsskala schwer einzuordnen ist. Auf jeden Fall: aussen bleiben, cool bleiben!

Das Abschlusschämi (L14, 5b) ist dann wieder Chefsache ;-)
Wirklich eine geniale Sache, die Folgen eines Sturzes in den Schlitz hinunter lassen sich vielleicht erahnen...
Um 14.45 Uhr sind wie schliesslich alle am Top angelangt. Das waren jetzt echt tolle 5.5 Stunden an bester Kletterei! Weil das Wetter nach wie vor einwandfrei aussieht, wollen wir noch den äusserst selten besuchten Gipfel des Tällistock versuchen. Vom Ausstieg auf rund 2500m sind es zwar nur etwa 80 Höhenmeter und 130m Horizontaldistanz. Trotzdem ist die Sache nicht zu unterschätzen, denn es sind doch noch einige Aufschwünge zu erklettern, die Schwierigkeiten entpuppen sich gemäss unserem Experten als T6, III. Einige der Kletterstellen sind ziemlich luftig, anregend und exponiert über der Südwand. Das Seil haben wir sowieso gleich unten gelassen, hier für zuverlässige Sicherungen zu sorgen wäre aber oft auch nicht einfach und zeitraubend. Gesagt sei auch noch, dass das Gelände ziemlich unübersichtlich ist, und der beste Weg alles andere als offensichtlich ist. Trotzdem, wir schaffen es hinauf zum zerfallenen Steinmann beim Kulminationspunkt, und machen uns nach ein paar Fotos und einem Handshake wieder an den Abstieg. Der ist nun natürlich noch schwieriger, weil die Dreierstellen auch wieder seilfrei abgeklettert sein wollen. Eine Stunde nach Aufbruch sind wir retour beim Ausstieg der Inwyler, laden unser Material auf und gehen Richtung Tal.

Unterwegs am Gipfelgrat zum Tällistock.
Fantastische Impressionen am Gipfel.
Dazu folgt man dem ENE-Grat, meist etwas unterhalb der Abbruchkante auf der Nordseite. Schwache Wegspuren und ein paar Steinmänner erleichtern die Orientierung. Das Ziel ist die Einsattelung bei P.2415, welche gemäss Topo 450m vom Ausstieg weg sein soll. Diese Angabe ist jedoch falsch, es sind auf der Karte schon 600m Horizontaldistanz, mit den paar Schleifen die man läuft und etwas auf und ab muss man mit gut 20 Minuten Gehzeit rechnen - es ist weiter als man denkt. Bei P.2415 hat man sich schliesslich zu entscheiden, wie man weiter absteigt. In Literatur und Web wird eigentlich ausschliesslich der Weg durch die Naht beschrieben. Dieser führt über eine Art Rampe mit exponiertem Kraxelgelände und ein paar Abseilern durch die SE-Wand hinunter. Der stetige Wechsel zwischen gehen, kraxeln und abseilen ist ja durchaus etwas mühsam, und soll gemäss den von mir konsultierten Quellen zwischen 2.5-3.0h (vom Ausstieg zur Tällihütte) dauern. Alternativ gibt es jedoch auch einen Abstieg nach Westen durchs Tälli. Weder Web noch Literatur geben dazu viel her, nach meiner Recherche und Kalkulation sollte dieser Weg aber möglich und schneller sein. Also wollen wir es versuchen!

Der Gipfelaufbau am Tällistock, hier ist klar ersichtlich, dass der nicht so trivial zu haben ist!
Eine der schwereren und heiklen Stellen auf dem Band beim Abstieg durchs Tälli.
Geröllholpernd und weglos, aber vorerst einfach geht es das Kar des Tälli hinunter. Auf 2200m beginnt das Gelände steiler abzufallen, und auf 2100m stellt sich endgültig die Frage, wo man hier den Durchschlupf findet. Das Terrain bricht nämlich ab, sieht wild aus und ist von oben auch kaum vernünftig einzusehen. Nach Karte ist der beste Weg eine ca. 400m lange Traverse nach links (SSW), welche auf ca. 2080m beginnt und leicht abfällt. Das entpuppt sich als der richtige Move, das Gelände ist zwar exponiert und als T6 einzustufen, aber trotzdem vernünftig gangbar. Plötzlich treffen wir auch auf einen Wildwechsel, der uns die Begehung erleichtert. Ansonsten gibt es auf diesem Abstieg jedoch keine Spuren und Markierungen, man muss den Weg wirklich selber finden und sich orientieren können. Gute Sicht zu haben ist absolute Pflicht, sonst wählt man besser die Naht! Ungefähr bei P.1997 treffen wir auf den bequemen Wanderweg, welcher zum Sätteli hochführt. Mit leicht schweren Beinen meistern wir diese 120hm Aufstieg, danach geht's dann nur noch runter zur Tällihütte und Bergstation der Seilbahn. Ohne zu eilen treffen wir nach 1:40 Stunden (ab Ausstieg Inwyler) dort ein, der Nord- bzw. Westabstieg hat sich zeitlich ganz bestimmt ausbezahlt. Ohne Wartezeit bringt uns die Seilbahn ins Tal, wir tuckern retour über den Sustenpass und verabschieden uns nach diesem tollen Klettertag schon bald darauf bei mir daheim.

Ein Blick auf die Wendenstöcke darf natürlich nicht fehlen. Heute wäre da aber nix zu holen gewesen, alles nass!

Facts

Tällistock - Inwyler/Bielmeier 6a+ (6a obl.) - 14 SL, 450m - Inwyler/Bielmeier 1960 - ****;xxx
Material: 2x (evtl. 1x bei Nordabstieg) 50m-Seil, 12 Express, Camalots 0.3-2, evtl. Keile

Toller Alpinkletterklassiker durch die steile, dolomitisch anmutende SE-Wand am Tällistock. Die wirklich kühne Leistung der Erstbegeher soll hier gewürdigt sein! Auch nach heutigen Massstäben ist die Kletterei durch Risse und Verschneidungen, über Tropflochplatten, Wasserrillen und henklige Dächer wirklich sehr lohnend. Der Fels ist meist vorzüglich und bestens strukturiert. Die Absicherung liegt für meinen Geschmack im grünen Bereich. Die Stände sind mit Muniringen saniert, meist steckt auch unterwegs der eine oder andere BH an strategisch günstiger Stelle, und etliche NH sind auch noch vorhanden. Punktuell will noch die eine oder andere mobile Sicherung gelegt sein, allzu viel Eigeninitiative ist jedoch nicht gefragt, insbesondere nicht an den Schlüsselstellen.