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Sonntag, 22. Dezember 2019

Zervreilahorn - Nanouk (7a+)

Eigentlich waren wir ja gerade erst aus den langen Sommerferien heimgekehrt. Doch zwischen den Ferien und dem Arbeitsalltag stand noch ein Wochenende mit bestem Bergwetter und die Möglichkeit, mit einem motivierten Partner endlich einmal am Zervreilahorn zu klettern - für mich persönlich das letzte der bedeutenden MSL-Gebiete in der Ostschweiz und Graubünden, welches ich zuvor noch nicht besucht hatte. So ging's mit grossem Tatendrang hinauf Richtung Einstieg. Zurück kehrte ich mit einer Fülle von Erlebnissen, einer grossen Begeisterung für den Valser Gneis und einer Begehung der beiden Toprouten Nanouk und Braveheart. Es sollte nicht mein letzter Besuch am Horn gewesen sein...

Unterwegs ins gelobte Land! Die fantastische SE-Wand des Zervreilahorns lockt zum Klettern. Die Nanouk führt ziemlich direkt hinauf zum aus dieser Perspektive höchsten Punkt des Berges.
Über beinahe unendlich viele Kurven erreichten wir schliesslich den Parkplatz bei der Kapelle (P.1984) oberhalb von Zervreila. In weiser Voraussicht hatten wir die Bikes mitgenommen, der Zustieg ans Horn erleichtert sich so doch erheblich. Auf dem Hinweg lassen sich die knapp 3km über die Schotterstrasse bis zum Beginn des Wanderwegs dank Vernichtung von 130 Höhenmetern nämlich in wenigen Minuten zurücklegen, während man zu Fuss doch eine gute halbe Stunde unterwegs wäre. Nachher geht's zu Fuss auf dem Wanderweg Richtung  Furggelti in die Höhe bis zu dieser Stelle auf ca. 2240m (Steinhaufen, Eisenstange mit weiss-rot-weisser Markierung), wo man diesen nach rechts verlässt. Nun folgt man auf einer Pfadspur dem markanten, diagonal verlaufenden Felsband entlang bis zum flachen Boden (Biwakplatz) auf ca. 2400m unter dem Zervreilahorn. Bis hierher hatten wir mit schwerem Gepäck gerade eine gute Stunde gebraucht. Wir deponierten unser Material, genossen erst einmal einen Zmittag und gingen dann inklusive zuletzt etwas Gekraxel und der Querung auf dem SE-Wandband in ca. 15 Minuten hinauf zum Einstieg der Nanouk. Dieser befindet sich bei einem deutlich ausgetretenen Geröllplatz. Es hat auch einen Stand mit 2 BH, die Aufschrift "Nanouk" war hingegen kaum mehr lesbar. Um 12.30 Uhr kletterten wir schliesslich los.

Der Weg ans Zervreilahorn ist nicht eben kurz, dafür befindet man sich "richtig" in den Bergen, abseits der Zivilisation.
Routenbeschreibung

L1, 6a+: Die Route folgt zuerst der markanten Kante, welche mit den gut sichtbaren BH abgesichert ist. Eignet sich ideal als erster Test und Angewöhnung an den Zervreila-Gneis, ich fand's für den Grad doch eine ziemlich fordernde Kletterei. Schliesslich quert man nach rechts (jedoch nicht bis in die grasige Verschneidung), wo ein kurzer, schöner Riss erklommen werden muss (Cams). Zuletzt dann eine ebenso kurze Querung nach rechts zu Stand.

Blick auf den zwar nur kurzen, aber umso schöneren, selber abzusichernden Splitter Crack am Ende von L1 (6a+).
L2, 7a+: Der Dauerpiaz! Es geht aber noch einigermassen moderat los und bald stellt sich auch die Frage, ob man der unten doch ziemlich grasigen Verschneidung konsequent folgen soll oder auch die linke Kante (hier verläuft die antike Fahnenroute) verwendet. Schliesslich muss man dann unvermeidlich in die Verschneidung und passiert ein kleines Dach. Und dann wird aus dem Riss eine nur noch dünne Kante und über die Strecke von 2 BH muss man diese piazend voll zudübeln und auf sehr glattem Fels anlaufen, puh! Das Finish zum Stand hinauf dann weiter anhaltend im Piaz, aber wieder einen Tick einfacher. Glücklicherweise ist die Absicherung mit BH hier tipptopp ausgefallen.

Fast schon El-Cap-like, wie die Linien hier in der Piazverschneidung von L2 (7a+) geschnitten sind. Die Wände links und rechts sind denn tatsächlich auch ähnlich strukturlos wie im Valley - nur bestehen sie nicht aus ganz so glattem Fels wie drüben.
L3, 7a: Ziemlich gutmütig geht's auf den ersten Metern der Kante direkt ob dem Stand entlang (BH). Dann heisst's rechts abbiegen und hinein in die steile, eindrückliche Verschneidung. Kommt noch hinzu, dass diese zuerst selber abgesichert werden muss, was jedoch sehr gut möglich ist. Schliesslich legen Steilheit und Schwierigkeiten noch einen Tick zu, dafür stecken auch wieder BH in angenehmen Abständen. Während der Riss erst noch schön kantig und griffig ist, wird er später unangenehm rund, zudem fühlte sich auch das Gestein etwas glitschig an. Insgesamt nach meinem Empfinden doch ein gutes Stück einfacher wie L2, auch zugänglicher für Anti-Piazisten. Um zum Stand zu kommen, muss man die Verschneidung nicht bis ganz nach oben klettern, sondern vorher rechts abbiegen.

Die dritte Seillänge (7a) ist zwar attraktiv zum Klettern, jedoch nicht zum Fotografieren. Das Kernstück jener Sequenz ist nämlich weder vom unteren noch vom oberen Stand einseh- und fotografierbar. Darum hier nochmals ein Shot aus dem knallharten Piaz in L2 (7a+).
L4, 6a+: Kurze Seillänge, welche die Schwierigkeiten und den schönen Fels etwas sucht. Vom Stand links hinauf über die Stufe und dann weiter links halten, bis man auf dem Grasband den Kettenstand links findet. Hier am besten Stand machen und die nächsten 2 Seillängen verbinden.

L5, 6a: Komische Linienführung, die beiden BH stecken (zu) weit rechts, am besten sehr grosszügig verlängern. Schwierigkeiten von 6a findet man auch nur, wenn man sie wirklich sucht. Auf dem Band vor dem wieder steilen Wandabschnitt befindet sich nach Topo ein Stand, es steckt jedoch nur 1 BH. Wenn man ausreichend verlängert hat, kann man problemlos gleich weiter.

Durchzogenes Gelände in L4 & L5 (6a+). Tut der Route als Ganzes keinen grossen Abbruch, dennoch wird man in diesen beiden Längen keinen allzu grossen Klettergenuss finden. Von unten gesehen ist's allerdings schon noch ein wenig felsiger, wie es auf diesem Bild den Anschein macht.
L6, 6c: Sehr schöne Kletterei dem steilen Riss entlang. Da sich links und rechts zahlreiche Griffe befinden, kann man hier auf beschwerliche Techniken à la Piaz oder Jamming bestens verzichten und beschwingt in die Höhe turnen. Fürs Zervreilahorn definitiv eine leichtverdauliche 6c.

Prima Riss- und Wandkletterei in nun wieder kompaktem und grasfreiem Fels in L6 (6c).
L7, 6c/+: Man befindet sich nun auf der eindrücklichen, grossen Abschlussplatte. Der Auftakt geht aber ganz ordentlich über die Bühne, findet man hier doch griffige Strukturen, wo man auch selber noch Sicherungen legen kann. Die Crux folgt mittig in der Form einer plattigen Linksquerung, nachher geht's mit einer kleinen Überraschung zum Schluss wieder besser voran (fast schade, steckt da nochmals ein Bolt).

L8, 7a+: Knallerplatte hoch siebzehn, doch bei genauerem Hinschauen sind eigentlich immer Strukturen für Hände und Füsse da, es ist kein Schleicher. Schon aus dem Stand raus gleich fordernd, folgt schon bald die Crux, wo man Druck auf die minimalen Tritte bringen muss und dann entlang von einem spannenden Rail nach rechts quert. Diese Stelle fühlt sich im Vorstieg voll zwingend an, da man auch etwas seitlich versetzt vom Bolt moven muss. Möglicherweise kann man sich aber mit Trittschlinge und auf den Bolt stehen doch durchmogeln - wir müssen glücklicherweise nicht auf diese Mittel zurückgreifen :-) Wenn man die Rissspur rechts einmal erreicht hat, ist die Sache gegessen. Während diese Seillänge absolut nicht geschenkt ist und ich den Grad keinesfalls anzweifeln will, so dünkte sie mich doch deutlich einfacher wie z.B. die 7a+ der Braveheart. Zieht man dann noch die läppisch mit 6b+ bewerteten Cruxlängen der Eau Rance oder der Venus in Chamonix in Betracht, so scheint's mir wenig Konsistenz mit den Einstufungen zu geben.

Auf der grossen Knallerplatte in L8 (7a+), welche für diese Art der Kletterei relativ gutmütig eingestuft ist.
L9, 6c+: Gleich unterhalb von uns ist inzwischen eine Rettung der Rega im Gang. Das sorgt wie immer für ein etwas beklemmendes Gefühl, stört die Konzentration und der Lärm lenkt ab, vor allem weil wir ja auch nicht wissen, was los ist. Wie wir später vernehmen, kam es offenbar in der 'Lord of Camalot' zu einem grösseren Sturz, weil mehrere mobile Sicherungen versagt hatten. Wir schaffen es dann aber doch, den Fokus wieder auf das Geschehen vor unserer Nase zu richten. Das ist auch zwingend nötig, warten doch gleich aus dem Stand raus knifflige Moves mit Abtropfpotenzial. An einer diagonal verlaufenden Plattenkante muss man sich bouldrig in die Höhe arbeiten, der Fels daneben ist reichlich glatt und schlipfrig. Schliesslich rückt die rechte Kante in Griffnähe und im Cruising-Mode ist bald das Top erreicht.

Klettern während unten der Heli fliegt - immer wieder ein beklemmendes Gefühl (L9, 6c+).
Mit dem Routenende erreicht man einen breiten Grat, auf welchem man sich frei bewegen kann. Die Uhr war auf 17.30 Uhr vorgerückt, d.h. dass uns die Route doch 5:00h beschäftigt hatte. Da wir ja nicht nach Hause mussten, hatten wir noch ausreichend Zeit und für eine Erkundungstour. Erst trugen wir uns ins Wandbuch ein und verfolgten danach den Gratverlauf (gut seilfrei und barfuss möglich), bis der Zervreilahorn Mittelgipfel erreicht war und es definitiv nicht mehr ohne Abseilmanöver weiter gegangen wäre. Wir kehrten schliesslich zurück und fädelten unsere Seile in den Abseilstand der Fahnenroute. Wir lobten noch die steile und strukturlose Platte, welche eine rasche Rückkehr zum Ausgangspunkt und unseren Schuhen versprach. Doch es kam, wie es kommen musste: tatsächlich verhängte sich das freie Seil beim Abziehen an einem zu wenig tief gebohrten Antikbolt der Fahnenroute, Kruzifix! Wir waren die letzten am Berg, somit bleibt nur eine Option, wieder hinaufklettern. Mit einem Pendelquergang lässt sich immerhin der 6a-Abschlussriss der Medea erreichen, was einen Second Go in der 7a+ erspart. Die 6c+ muss dann aber unvermeidlich ein zweites Mal absolviert werden. Nun fädelten wir die Seile lieber in den Schlussstand der 'Nanouk', ab hier ging's nun eventfrei in die Tiefe. Mit etwas Abklettern  zu Stand 4 und zum Einstieg schafft man es mit 2x50m-Seilen gerade mit 4 Manövern (Achtung!!!). Mit 2x60m würde es jeweils komplett reichen, sonst kann man auch kürzere Abseillängen machen (es sind alle ca. 20m Kettenstände vorhanden). Da wir am nächsten Tag ja wiederkommen würden, deponierten wir unsere Ausrüstung und stiegen zu unserem Nachtlager ab.

Gipfelsteinmann auf dem Zervreilahorn Nordrücken. Unten der See, die zum Ausgangspunkt führende Strasse gut sichtbar.
Facts

Zervreilahorn - Nanouk 7a+ (6c obl.) - 9 SL, 250m - Hutzli/Illien 2001 - ****;xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Camalots 0.2-3

Tolle Gneiskletterei mit einigen sehr schönen Seillängen, die mich im Gesamtkonzept jedoch deutlich weniger begeistert hat wie die benachbarte Braveheart. Sicherlich ist auch die Nanouk selbst für von weiter hergereiste ein absolut lohnendes Ziel, für die 5* Höchstbewertung reicht es m.E. jedoch deutlich nicht. Zuerst ist der taffe Piaz in L2 (7a+) etwas gesucht wenige Meter neben einfacherem Gelände, dann warten in Wandmitte zwei Längen mit durchzogenem Terrain und die steilplattigen drei Abschluss-Sequenzen sind dann wirklich lässig, bieten aber auch keine hammermässigen Splitter Cracks, wie man sie sich in Urgesteins-Routen so gerne wünscht. Die Absicherung mit BH ist prima ausgefallen und das mobile Absichern nimmt in dieser Route keinen wesentlichen Platz ein. Sprich, sämtliche schwierigen Kletterstellen >6b sind komplett eingebohrt, nur bei einigen einfacheren Abschnitten müssen Cams platziert werden, was an diesen Stellen dann auch völlig problemlos möglich ist.

Montag, 16. Dezember 2019

Rheintal Cup 6/2019: Nikoloklettern in Dornbirn

Einen Tag nach Samichlaus ging der Rheintal Cup mit dem Lead-Wettkampf im K1 in seine finale Episode, es sollte auch für uns der letzte Wettkampf im 2019 sein. Team Dettling war (endlich und zum Glück) wieder vollzählig am Start. Da sich Dornbirn zwar gleich ennet der Grenze, aber doch in unserem Nachbarland Österreich befindet, dürfen wir auch die ersten internationalen Starts in unserer Karriere notieren ;-) Geboten wurde uns ein sehr interessanter, perfekt organisierter Wettkampf mit insgesamt >170 Teilnehmern und herausfordernden, aber sehr fair und selektiv geschraubten Routen.

* alle Bilder in diesem Beitrag stammen von Markus Schäpper - herzlichen Dank!!!

Qualifikation

U12: nun ist für Larina bereits das erste Jahr in der Kategorie U12 vorbei, wobei sie doch erst nach dem Wettkampf überhaupt erst 10 Jahre alt wurde. Der Start in der ersten Quali gelang ihr gut, sie scheiterte am Move zum Topgriff. In der zweiten Quali nahm die Athletin die Besichtigung etwas auf die (zu) leichte Schulter. Meistens ist das unerheblich, da Hallenrouten ja in der Regel wenig Geheimnisse bergen und die Sequenz offensichtlich ist. Hier war's für einmal anders, prompt leistete sie sich einen Verhauer und Wettkampfrouten verzeihen solche Shenanigans selten - so auch hier. Für die Final-Qualifikation reichte es trotzdem, somit war es nicht weiter tragisch. Beide Qualirouten waren übrigens im Bereich von 7a/7b einzuordnen.

Ziemlich fiese, technische Moves an Slopern schon früh in der Route (Q1 U12 bzw. Q3 U10).
Damen & Herren: beide Geschlechter hatten dieselben Routen anzupacken, dies übrigens auch gemeinsam mit der Kategorie U16. Da sich auch Teilnehmer aus den nationalen Auswahlteams eingeschrieben hatten, wurde mit dem Schwierigkeitsgrad nicht gespart. Im Bereich von 8a+ bis 8b war ein Durchstieg der beiden Qualirouten zu veranschlagen, das zeigt schon mal sehr gut die Challenge, der wir uns stellen mussten. Aber wie bereits geschrieben, waren die Routen sehr fair. Zwar vom ersten Meter an pumpig und tough, aber immerhin ohne unmögliche Bouldermoves. So konnte man auch ohne über Durchstiegsniveau zu verfügen richtig gut fighten und eine persönlich befriedigende Performance abliefern. Jedenfalls stand Kathrin nach der Quali auf Rang 1 und der Schreibende auf Rang 3, womit die Finalqualifikation gesichert war.

Q2 Damen (& Herren). Pumpige Moves an eher kleinen Griffen von Beginn weg.
Die Dachkanten, immer wieder eine Herausforderung für Grossgewachsene...
U10: der Wettkampf für die jüngeren Kinder startete trotz der sehr grossen Teilnehmerfelder erst am Nachmittag. So kam es, dass wir Jerome nur in einer einzigen seiner drei Routen beobachten und anfeuern konnten, da wir nachher bereits in die Isolation mussten. Die erste Route konnte er souverän toppen. In der zweiten erzählte er uns, dass er unglücklich vom Topgriff schlipfte und so nur mit 37+ in die Wertung kam. In der dritten Route gelangen ihm zur eigenen Überraschung noch viele Moves über den Punkt hinaus "wo ich schon tot war" - das Anfeuerungskommando von Larina (die zu diesem Zeitpunkt ihre Finalroute schon geklettert hatte und mit dieser verantwortungsvollen Aufgabe betraut wurde) und dem zusammengetrommelten Fanclub ihrer U12-Freundinnen soll den Unterschied ausgemacht haben :-) Am Schluss stand so "nur" Rang 9, wäre die Hand in der Quali 2 auf dem Schlussgriff geklebt, hätte es für Rang 4 gereicht. Davon kann man sich wenig kaufen, für die persönliche Perspektive ist es aber doch wichtig. Eine minimale Verbesserung (wir reden hier von Topgriff halten statt nur betatschen, aber selbst wenn es 1-2 Moves mehr pro Route wären) scheint doch absolut machbar - denkt mal daran, mit welchem Mindset man da das nächste Mal angreift, egal ob am Wettkampf oder im Training.

Das war eben dieser verflixte letzte Move in der Quali 2...

Finals

Ich persönlich war einer der allerletzten Starter in den Finaldurchgängen, so dass ich schliesslich gut 2h in der Isolation verbringen musste, für Kathrin war es nur unwesentlich weniger. Schade ist das vor allem, weil wir so den eigenen Kindern nicht zusehen konnten und auch sonst eine Menge an tollem Klettersport verpassten. Aus dieser Hinsicht plädiere ich eigentlich dafür, auf Stufe Regio-Cup die Finals auch im Flash-Modus zu klettern. Da in umgekehrter Reihenfolge der Quali gestartet wird, hätten sich die später startenden den Vorteil vom Zusehen ja auch redlich verdient. Es würde die ganz Sache auch organisatorisch vereinfachen. Andererseits tönt 2h in der Iso zwar hart - ist aber nicht so. Wir befanden uns im Boulderraum, d.h. man kann etwas aufwärmen / klettern / trainieren, vor allem aber kann man mit den anderen plauschen. Irgendwie sitzen in der Iso alle im selben Boot, d.h. man lernt sich besser kennen und es macht die Wettkämpfe auch wirklich zu einem sozialen Event. Das ist also die positive Seite.

Sogar den Nikolo hat sie abgezockt - bravo!
Larina glückte im Final nach ihren Erzählungen keine besonders gute Begehung und sie war im Seil, bevor "es schwierig wurde und ich müde war". Nun ja, das ist meistens keine besonders gute Kombination an einem Wettkampf, Rang 9 war das Ergebnis. Kathrin machte das besser, stieg in ihrem Teilnehmerfeld am höchsten und holte sich den Sieg. Das ist umso bemerkenswerter, da sie ja am Rheintal Cup in Küblis Ende März eine schwere Knieverletzung erlitten hatte. Nun, 8.5 Monate und eine OP später war dies das Wettkampf-Comeback, bravo! Für mich persönlich resultierte in der ultrapumpigen Route Rang 3, der Kontrahent vor mir war zwar gleich weit gekommen, aber in der Qualifikation höher geklettert. Mehr als das schien von vornherein wenig realistisch, weil das Team Graubünden einen Akteur aus der Nationalmannschaft mitgebracht hatte. Und dieser operiert definitiv in einer anderen Liga - da hätte man sich schon nur an den vorgezeigten Stunts in der Iso beim "aufwärmen" entmutigen lassen können. Mich hat's natürlich nicht im Geringsten gestört, sondern es ist im Gegenteil sehr interessant und inspirierend, so hautnah miterleben zu können, mit welcher Leichtigkeit man diese für mich knüppelharten Moves auch ziehen kann. Bravo Dario, herzliche Gratulation!

Jung, jung, alter und älter!

Gesamtwertung

Im Rheintal Cup gibt's auch eine Gesamtwertung über alle 6 Events. Vor dem Nikoloklettern war ich auf Rang 2 platziert, ein Sieg am letzten Wettkampf oder ein zweiter Rang vor meinem Konkurrenten hätte den Titel bedeutet. Der Showdown war dann auch echt spannend. Mein Konkurrent hatte in der Finalroute schon früh arg zu kämpfen, rettete sich mit ein paar gewagten Moves am Limit aber tatsächlich noch bis zu der von mir erreichten Marke. Hätte ich es geschafft, von dort nur noch einen Zappler Richtung nächstem Griff machen zu können, so hätte es gereicht... manchmal sind es also wirklich nur Kleinigkeiten, die am Ende den Unterschied ausmachen. Und für mich war es einfach unmöglich, in der Finalroute das entscheidende "+" noch zu buchen. Auf jeden Fall: Gratulation Nico, du hast es verdient! Bei den Damen reichten Kathrin die Siege am ersten und am letzten Wettkampf der Serie zur Rheintal-Championne :-) Bei den Kindern gab's in der Gesamtwertung Rang 4 für Jerome und Rang 6 für Larina. Meinen herzlichen Dank an Pit und sein Team vom RZGR für die Organisation dieser Wettkampfreihe, natürlich auch den lokalen Organisatoren für die tollen Wettkämpfe sowie allen weiteren, hier nicht explizit erwähnten Beteiligten für ihren Einsatz. Wir sind nächstes Jahr sicher wieder mit dabei und freuen uns schon jetzt darauf!!!

Donnerstag, 12. Dezember 2019

Perfect Timing am Stockberg (1781m)

Früher habe ich die erste Skitour des Winters jeweils mit grosser Ungeduld erwartet. Mit dem Alter hat sich dieses Syndrom ein wenig abgemildert. Trotzdem ist's jedes Jahr schön, wenn man dann endlich im Schnee unterwegs sein kann. An einem Arbeitstag mit leerer Afternoon-Agenda zeigten die Webcam mit reichlich frischem Pulver drapierte Wiesen und blauen Himmel - nix wie los! Das (noch) zur Verfügung stehende Zeitbudget war limitiert, daher sollte es zum Stockberg im Toggenburg gehen, die dortigen 950hm Aufstieg schienen mir im verbleibenden Tageslicht machbar.

Die letzten 80hm zum Gipfel - es wird noch reichen, bevor die Sonne untergeht :-)
Kurzfristig ergab es sich, dass mich sogar Kathrin begleiten konnte. Allerdings nur mit den Schneeschuhen, denn Skifahren liegt nach der Knieoperation noch nicht wieder drin. Ein wenig erstaunt war ich, als wir um 14.50 Uhr vor Ort noch keine Spur antrafen, ist doch bei guten Bedingungen am Stockberg sehr viel los. Am Ausgangspunkt auf 850m lagen zwar nur gut 10cm Schnee auf den glatten Wiesenhängen, gegen oben nahm dieser aber rasch zu, im Gipfelbereich waren es rund 40-50cm. Das ergab doch teilweise ziemlich anstrengende Spurarbeit und verlangsamte das Tempo erheblich.

Moonrise über dem Säntis, was für eine tolle Stimmung hier oben!
So war ich mir unterwegs dann gar nicht sicher, ob ich tatsächlich noch bis zum Gipfel würde aufsteigen können, hatte ich mir als Zeitlimite fürs Umdrehen den Sonnenuntergang gesetzt. Um 16.20 Uhr erreichte ich den Gipfel, wenige Minuten später ging der Vollmond über dem Säntis auf und in der entgegengesetzten Richtung die Sonne hinter dem Mattstock unter. Was für eine geniale Stimmung, unbeschreiblich! Nachdem ich diesen Moment aufgesogen hatte, machte ich mich wieder auf den Weg, um bei noch ausreichend Tageslicht Skifahren zu können.

Das war definitiv der richtige Tag, um wieder einmal auf den Stockberg zu gehen!
A priori hatte ich nicht allzu hohe Erwartungen an den Skigenuss, doch auch in dieser Hinsicht wurde ich absolut positiv überrascht! Am Gipfelhang gab es prima Powder und Bodenkontakt war keiner zu befürchten. Unterhalb der Stockneregg konnte man den eingeblasenen Rinnen folgen, wo die Schneelage ebenfalls sehr gut war. Tipptopp also, nur an den steilsten Stellen war der Schnee durch die Sonnenstrahlung bereits etwas zäh geworden. Auf den untersten Hängen gegen das Dorf hin war er dann aber wieder perfekt locker und über die glatten Wiesen konnte beschwingt gecruist werden. Was für ein Auftakt in die Skisaison, so darf es gerne weitergehen!

Dienstag, 3. Dezember 2019

Kingspitz - Trumpfkönig (7a+)

Die Engelhörner sind eines der ersten alpinen Klettergebiete, die ich in meiner Karriere besuchen durfte. Auf engem Raum gibt's hier allerlei an Herausforderungen und die Lage der steilen Zacken um das kleine, isolierte Kar des Ochsentals ist äusserst speziell. Die eindrücklichste Wandflucht in diesem Kessel, die Kingspitz NE-Wand, hatte ich auf der klassischen Führe von Steuri und Gefährten bereits anno 2003 durchklettern können. Schon damals existierte mit dem Trumpfkönig (Anker/Piola 1988, ~16 SL, 7a+) eine direkte Linie durch diese grosse Wand. Sie weist bei etwas kleinerem Format durchaus Ähnlichkeit zur Wellhorn SE-Wand auf, mit der typischen, diagonalen Felsschichtung von rechts unten nach links oben. Nun, vor dem Trumpfkönig schreckte ich lange zurück: alpin, fordernd, spärlich gesichert meinten die wenigen Stimmen, die sich dazu äussern konnten. Aus dem Dornröschenschlaf geweckt wurde die Route durch die Sanierung im Sommer 2016, mein herzlicher Dank dafür an Daniel Anker und Moni Romang! Gelohnt hat sich das auf jeden Fall: wir erlebten im Vorsommer 2019 einen grandiosen Klettertag mit alpinem Abenteuerfaktor.

Grandioses Ambiente im Ochsental in den Engelhörnern. Kingspitz, Kastor und Pollux leuchten bereits in der Sonne.
Zustieg

Unsere Tour startete um 7.20 Uhr von der Alp Rychenbach. Um die Schotterstrasse dort hinauf befahren zu dürfen und das Automobil stehen lassen zu können, ist eine Taxe von 15 CHF zu berappen. Dies ist entweder im Rest. Zwirgi (sofern bereits geöffnet) zu erledigen, man kann direkt bei den Älplern bezahlen (falls sie vor Ort sind und Zeit haben) oder man kann seinen Obulus in Self-Service auch in einen auf der Alp aufliegenden Umschlag stecken. Um unabhängig zu sein, sorgt man am besten vor und ist nicht auf Wechselgeld angewiesen. Zuletzt noch ein Hinweis: die übliche Parkgebühr für das Rosenlaui-Gebiet von 8 CHF/Tag ist nicht fällig, wenn man auf der Alp Rychenbach stationiert. Dass diese einen rascheren Zugang zur Engelhornhütte erlaubt, ist nichts neues, das hatte ich bereits in meinem Bericht zur Queen of Desert so beschrieben. Zügigen Schrittes erreichten wir die Hütte nach genau 30 Minuten. Wir hielten nicht inne und liefen gleich weiter hinauf ins Ochsental, wo wir um 8.10 Uhr und somit 50 Minuten nach Aufbruch in genialem Ambiente unter der Wand standen.

Joggli im Ochsental am Spazieren. Dieser Kessel mit seinem gigantischen Widerhall, einfach grandios!
Wir nahmen einen Schluck aus der Flasche, schossen ein paar Fotos und ein paar Gedanken in froher Erinnerung an frühere Erlebnisse an diesem Platz durften auch nicht fehlen (ja, ich werde das wohl jedes Mal wieder schreiben, wenn ich hier vorbeikomme ;-)). Na ja, gewisse Dinge vergisst man nie, bei anderen verändert sich die Wahrnehmung im Lauf der Zeit. So wie ich es noch präsent hatte, war letzte Teil des Zustiegs über den Vorbau der King-NE-Wand keine grosse Sache - halt à la verschärftes Spaziergelände, das für einen Alpinisten kaum der Rede wert ist. Nun aber dünkte mich die Sache doch nicht ganz so harmlos, man klettert doch ein paar Zweier- oder Dreierstellen in ziemlich exponiertem, abschüssigen Gelände - selbst wenn man den Vorbau auf dem korrekten Weg von links her angeht (wer direkt hinauf klettert oder sich sonstwie verkoffert, muss sich auf noch schwierigeres Gelände einstellen). Sicherungsmöglichkeiten gibt's keine nennenswerten, so muss man hier einfach souverän sein. Um 8.25 Uhr und damit gerade eine gute Stunde nach Aufbruch vom Auto waren wir am Einstieg. Dieser ist durch einen BH markiert. Ein Bohrmaschinengraffitti "KING" mit Pfeil deutet auf den markanten Kamin rechts oben, welcher für den Zugang zur klassischen NE-Wand-Route noch erstiegen werden muss. Da ein langer Tag wartete und auch die Schuhe mit mussten, hatten wir uns für das Klettern mit Haulbag entschieden (mässig empfehlenswert, das geneigte Gelände ist nicht ideal und es besteht die Gefahr, Steine zu lösen). Bis dieser gepackt war und auch sonst alles parat, war es 8.45 Uhr.

Hier beim Graffitti und BH geht's los für den Trumpfkönig!
Routenbeschreibung

L1, 6a+, 45m: Damit sich keine Kletterer verirren, welche in die klassische NE-Wand wollen, wurden die ersten BH mit Absicht versteckt platziert. Somit heisst es nach Gutdünken diagonal nach links hinauf zu steigen. Das Gelände ist jedoch moderat schwierig und Bolts kommen dann schon, dort wo sie nötig werden. Hinweis: passt auf beim dritten Haken, der steckt in schlechtem Gestein, das rundherum gerissen ist. Ob der hält? Ich hätte es nicht ausprobieren wollen! Es ist aber kein Vorwurf an die Sanierer: kann passieren, leider ist an jener Stelle alles ziemlich spröde und splittrig und das beste Placement war bereits durch den originalen, korrodierten Haken besetzt. In diesem Abschnitt warten einige technischere Moves, zuletzt geht's in wieder einfacherer Linksquerung zum Stand.

Unterwegs in L1 (6a+), ziemlich spezielles Gestein hier!
L2, 6b, 35m: Es geht links aus dem Stand hinaus und dann hinauf, der auf dem Topo verzeichnete gelbe Streifen ist durchaus vorhanden, war aber (zumindest bei den vorherrschenden Lichtverhältnissen) wenig deutlich. Die Hauptschwierigkeit besteht aus einer kurzen Einzelstelle an steilerer Partie.

Zweite Seillänge (6b), nun unterwegs auf dem "gelben Streifen".
Am Stand nach L2 (6b) begrüsst uns auch die Sonne. Vorher war's im noch eisgekühlten Ochsental doch einigermassen frisch, was sich aber logischerweise schlagartig geändert hat. Auf diese Weise konnten wir total doch etwa 4 Stunden und damit die 6 schwierigsten Seillängen an der Sonne klettern. Das gilt jedoch sicher nur für die Zeit um den Sonnenhöchststand, gerade gegen den Herbst zu gibt's in der King NE-Wand bestimmt nur noch wenig Sonne.
L3, 6c, 35m: So, nun geht's zur Sache! Erneut linksrum ausholen, dann nach rechts zurück. Die erst einschüchternd aussehende Rampe löst sich besser auf als befürchtet, die Hauptschwierigkeit liegt in der Querung der glatten Platte danach. Man plane die Moves sorgfältig... weil aber die Griffe ein bisschen listig versteckt liegen und die Moves kaum rückgängig zu machen sind, geht's hier nicht ohne ein wenig zu pokern. Da war ich froh, dass die von mir gewählte Sequenz schlussendlich aufging!

Rückblick auf die erste so richtig anspruchsvolle Stelle der Route, die plattig-glatte Crux von L3 (6c). Das Foto ist ein wenig ein Onsight-Spoiler, unterwegs abrufen gilt dann also nicht mehr als lupenreine Begehung ;-)
L4, 6b, 30m: Nochmals etwas zum Relaxen, auch wenn es der Boulder aus dem Stand raus durchaus in sich hat! Über das folgende, griffige Dächli geht's dann schon besser. Es folgt schliesslich einfacheres Gelände, über welches man in einem Runout zum Stand gelangt!

Engelhorn vibez!
L5, 7a, 35m: What a pitch! Der abwärtsgeschichtet-plattige Auftakt sieht schon sehr herausfordernd aus, dank ein paar tauglichen Leisten an der richtigen Stelle kommt man aber noch erstaunlich gut durch. Dann dem markanten, diagonal nach links oben ziehenden Riss entlang. Zu Beginn klettert man oft auf Gegendruck und es ist noch moderat schwierig. Gegen Ende hin muss man dann aber gehörig in die Trickkiste greifen, um die wenigen Strukturen in eine kletterbare Sequenz einzureihen - fordernd, zwingend, genial! Der fällige Powerscream widerhallt im ganzen Ochsental, das macht's gleich noch eindrücklicher (da sonst niemand zugegen war, darf man sich ja sowas mal erlauben - für die allenfalls erschreckten Bergdohlen und Heugümper tut's mir leid).

Erst plattig, dann rissig - aber einfach genial: L5 (7a)
L6, 7a+, 30m: In einer gängigen, horizontalen Rechtsquerung erreicht man eine weitere, steile Wand. Der nochmals höher angegebene Schwierigkeitsgrad ruft eine gewisse Ehrfurcht hervor. Doch auch nach der Querung geht's im Piaz erst noch ganz kommod in die Höhe. Zur Sache geht's dann nur über eine relativ kurze Strecke an einem Top-Boulderproblem an kleiner Zange - total genial, fast ein bisschen wie ein modernes Comp-Problem! Mir ging's gerade auf, danach heisst's in anhaltendem Gelände entschlossen und mutig vorwärts steigen - mit einem mega Stoke erreichte ich den Stand (12.20 Uhr), wo mein Teil der Vorstiegsarbeit vorerst abgeschlossen war.

Sieht ähnlich aus wie die Länge zuvor, ist aber L6 (7a+).
Fantastische, grosszügige Wandkletterei bereits weit über dem Einstieg im oberen Teil von L6 (7a+). That's why...!!!
L7, 6b+, 40m: Wie geplant nahmen wir hier einen Führungswechsel vor. Vik musste sich gleich auf einen schöne, aber doch ziemlich anspruchsvolle Wandkletterei mit ein paar zwingenden Abschnitten gefasst machen. Hier konnte ich die Hakenplatzierung (im Gegensatz zu allen anderen Seillängen!) nicht in jedem Fall perfekt nachvollziehen. Ebenso lässt die Behakung noch einiges an Interpretationsspielraum über die tatsächlich zu wählende Linie.

Der Sonne entgegen (welche sich schon bald verabschieden wird) nach dem Führungswechsel in L7 (6b+).
L8, 6b, 45m: Dieser Abschnitt dünkte mich markant einfacher wie die Seillänge davor, auch lässt die Felsqualität bereits etwas nach, insbesondere im letzten Abschnitt, der zur Kreuzung mit der klassischen NE-Wand-Route von Steuri führt. Hier verabschiedete sich um ca. 13.30 Uhr auch die Sonne aus der Wand - kein Problem für uns, es war auch im Schatten angenehm warm.

L9, 6b, 45m: Entlang von einer Art Rampe geht's bei nicht allzu schwieriger Kletterei aufwärts. An deren Ende wartet direkt geklettert eine kurze 6b-Stelle, die man jedoch auch (eher logischer) links umgehen kann. Auf dem Band danach quert man scharf nach rechts, um dann an der etwas brüchigen Verschneidung bzw. auf der Rippe hinaufzuklettern.

Die markante Rampe, welche man in L9 (6b) nach dem Zusammentreffen mit der klassischen Steuri erklimmt.
L10, 6b+, 40m: Hier wartet nochmals recht schöne Wandkletterei, ebenso helfen zwei Verschneidungen beim Fortkommen. Der Stand befindet sich an etwas unlogischer und unbequemer Position, ein paar Meter weiter oben oder unten könnte man deutlich besser sichern?!?

Auftakt in L10 (6b+).
L11, 6b, 35m: Ziemlich alpin anmutende Kletterei bei gemässigter Schwierigkeit. Zuletzt folgt dann allerdings eine elegante und auch sehr fotogene Linksquerung.

Die elegante und fotogene Linksquerung am Ende von L11 (6b).
L12, 6c, 40m: Schon am ersten Überhang wartet eine Boulderstelle, welche etwas Blockierkraft erfordert. Nun ja, für heutige, indoortrainierte Leute kein allzu grosses Hindernis. Nach einem Rastpunkt wartet das nächste Problem, nämlich die markante (Verschneidungs-)Rampe zu erreichen. Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Lösungen beide geschafft, elegant war aber keine davon. Sprich, das ist wohl einfach ein Gewürge! Weiter geht's zwar originell, wenn auch wegen alpiner Felsqualität nicht sonderlich schön über die Rampe hinauf.

Rückblick aus der Rampe, kurz vor dem Routenende in L12 (6c).
Weiter zum Gipfel...

Um 15.45 Uhr erreichen wir, nach ziemlich genau 7:00 Stunden Kletterei, das eigentliche Ende der Route. Von hier könnte man Abseilen und zum Schluss über den Vorbau abklettern. Das stellt vermutlich den schnellsten Weg zurück nach Hause dar. Aber Achtung: es besteht definitiv das Risiko, mit dem Seil Steine zu lösen! Für uns war sowieso klar, dass wir die Tour mit einem Gipfelgang beschliessen würden. Das gehört für mich beim Klettern einer solchen Tour einfach dazu, da kann man nicht irgendwo mitten in der Wand wieder abseilen. Selbstverständlich ist der Weg über den Gipfel, insbesondere der wilde Abstieg, auch alpinistisch sehr lohnenswert! Somit also weiter...

L13, 2a, 25m: Eine schuttige und einfache Länge ohne fixe Sicherungen, auch das Legen von mobilen Sicherungen präsentiert sich schwierig. Zuerst etwas links hinauf, wo man nach etwa 10m mit dem Verlauf der klassischen NE-Wand zusammentrifft. Dann diagonal der logischen Linie entlang nach rechts hinauf zu Stand unmittelbar vor dem Grat, ca. 25m total.

L14, 4c, 30m: Unterhalb vom Grat links hinauf (H, Fixfriend) und in nicht mal ganz so trivialer Kletterei (2 BH) zu einem Kettenstand, erneut unmittelbar unterhalb des Gratverlaufs. Ein Verhauer über den Grat dürfte deutlich unangenehmer zu klettern sein.

Dem Gipfel entgegen in L15 (3a). 
L15, 3a, 50m: Nun ersteigt man direkt nach dem Stand den Grat und folgt diesem zum Vorgipfel (50m). Achtung, der Fels ist teils lose und es sind keine fixen Sicherungen vorhanden. Man muss sich also in alpinem Klettergelände absolut sicher bewegen können!

L16, 2a, 30m: Einfacher, horizontaler Grat, ca. 30m bis zum Gipfel.

Der letzte Abschnitt zum Gipfel (L16 gemäss Beschreibung, rechts oben das Rosenhorn.
Um 16.30 Uhr sind wie schliesslich beide am Top. Das macht eine Dreiviertelstunde ab dem eigentlichen Routenende oder 7:45h vom Einstieg. Das Ambiente am Gipfel ist, so wie ich es in Erinnerung habe, grandios. Auf alle Seiten geht's steil runter, in der Nähe begeistern die wilden Zacken der anderen Engelhörner und Ausblicke ins Hochgebirge mit seinen Gletschern gibt's auch. Leider gibt's kein Gipfelbuch, das wäre hier oben doch sehr interessant! Nur die Gamelle vom Hofnarr ist einen Zacken weiter drüben/unten sichtbar, der Weg dorthin wäre aber doch recht aufwändig. Da schaue ich dann erst an dem Tag rein, wo ich über jene Route auf den Kingspitz klettere.

Abstieg

Nach einem Vesper machen wir uns um 16.45 Uhr wieder auf den Weg, der Weg nach Hause ist ja noch lang, die Wegfindung komplex und das Gelände nicht einfach. Es ist zwar mein Second Go auf dem Kingspitz-Normalweg, aber nach 16 Jahren bleibt da nicht mehr allzu viel im Gedächtnis haften. Zuerst geht's über den steilen, exponierten Westgrat runter - das Gelände ist gerade genügend "einfach" und genügend gestuft, um seilfrei abzuklettern. Seit meinem letzten Besuch sind hier aber doch etliche BH "gewachsen". Wer möchte, könnte sichern oder abseilen. Es wären aber viele kurze Strecken nötig, was sicher enorm viel Zeit in Anspruch nimmt. Man verlässt den Grat schliesslich durch die in der Literatur beschriebene Rinne, es ist der logische Weg. Man kommt so in einfacheres, aber immer noch steiles, schuttiges Gelände. Hier muss man nun zwingend seilfrei abkraxeln (nur zwischendurch 1x Abseilstelle vorhanden, kann jedoch gut abgeklettert werden).

Ein Mann auf verlorenem Posten? Wie im Text erwähnt ist die Routenfindung auf dem Abstieg nicht ganz trivial. Hier war ich aber definitiv korrekt unterwegs :-) Es handelt sich um das "steile, schuttige Gelände", wo man zwingend seilfrei abkraxeln muss. 
Schliesslich erreicht man unter dem Kastorsattel (oder Pollux?) das obere Ende der markanten, plattigen Rinne. Zu Beginn kann man auch hier im gestuften Gelände noch gut abklettern. Doch das Kernstück ist dann echt glatt sowie auch sehr exponiert. Hier haben wir 1x50m (Zwischenstand wäre vorhanden) zu einem schmalen Band abgeseilt, das sich (nach unten sehend) 10-15m rechts herauszieht. Dort am Grat zogen wir einen weiteren 1x50m-Abseiler ins Schrofengelände (nur 25m und den Rest abkraxeln ginge zur Not auch). Nun wird das Gelände wieder etwas weniger steil, so dass man über die Schrofen abkraxeln kann. Teilweise sind Wegspuren sichtbar, tendenziell muss man sich etwas nach rechts halten. Schliesslich gelangt man zu dem Punkt, wo man mit einem kurzen Aufstieg den Ochsensattel gewinnen kann. Da ich den dortigen Abstieg vom letzten Mal noch als rough und haarig in Erinnerung haben, wollen wir es diesmal mit dem Kingweg probieren. Dessen Wegspur lässt sich ausmachen, allerdings führt sie hinunter nach Rosenlaui und nicht retour zur Engelhornhütte. Darum gilt es, den Abzweiger Richtung Rosenlauistock bzw. zum Schönbidemli nicht zu verpassen. Im Gelände konnten wir ihn nicht ausmachen, erst 30hm weiter unten wurde es offensichtlich, dass wir bereits zu tief waren. Mit einer Bonusseillänge (seilfrei) in bestem plattigem Engelhornfels mit grossen Löchern war das Malheur rasch wieder korrigiert.

Abseiler in der plattigen Rinne, hier abzuklettern wäre doch ziemlich gewagt!
Auf der Rippe zum Schönbidemli eröffnet sich ein sehr schöner Blick auf die Rosenlauistock Südwand - lädt richtig zum Klettern ein, was wir ja auch schon dann und wann gemacht haben ;-). Von dieser Stelle kann man vermutlich auch hinüberqueren zu den Einstiegen am Rosenlauistock oder (unsere Variante) über schwache Wegspuren aufs Bidemli runterkraxeln. Von dort heisst es ziemlich genau horizontal queren, bis man auf die deutliche Wegspur von/zur Rosenlauistock Südwand trifft. Mit etwas Auf und Ab unter der NW-Wand durch gelangt man schliesslich zügig zur Engelhornhütte (18.30 Uhr) und gleich weiter zur Rychenbachalp (19.00 Uhr, 2:15h für den Abstieg vom Gipfel, total 11:40h für die Tour) wo sich der Kreis schliesst. Wow, das war jetzt eine ausgedehnte und abenteuerliche Runde durch die Hasli-Rockies, gewürzt mit vielen tollen Klettermoves und Ausblicken.

Facts

Kingspitz - Trumpfkönig 7a+ (6c obl.) - 16 SL, 580m - Piola/Anker 1988 - ***;xxxx
Material: 2x50m-Seile (allenfalls 1x50m machbar), 12 Express, kein mobiles Material nötig

Alpines Sportklettern oder sportliches Alpinklettern? Irgendwo im Grenzbereich zwischen diesen beiden Genres bewegt sich der Trumpfkönig. Die Kingspitz NE-Wand ist ein grosses Gemäuer in eindrücklicher Umgebung, nur schon der Weg über den Vorbau fordert Spürsinn und alpine Fähigkeiten. Während die Route selber seit der Sanierung prima mit rostfreiem Material abgesichert ist (obere Grenze von xxx, bzw. untere Grenze von xxxx), so ist die Felsqualität nicht überall top. Die zentralen Seillängen 3-8 bieten super Kletterei in prima Fels. Davor und danach sollte der Kletterer aber auch etwas Übung haben im pfleglichen Umgang mit dem Gestein. Nach meinen persönlichen Gusto lässt es sich aber auch dort immer sicher, genussvoll und mit Spass klettern. Endgültig alpin bei spärlicher Absicherung wird's dann auf dem Gipfelausstieg über die klassische Route und auf dem langen Kraxelabstieg. Zur Not kann man zwar auch dort inzwischen an manchen heiklen Passagen sichern. Doch einerseits explodiert so ganz sicher der Zeitplan, andererseits gilt es immer noch, auf weiten Strecken im exponierten Schrofengelände seilfrei abzukraxeln und den besten Weg zuverlässig zu identifizieren (es sind keine Markierungen vorhanden). Rein von der Felsqualität her darf man dem Trumpfkönig wohl höchstens drei Sterne (***) attestieren. Als Gesamterlebnis war es für mich persönlich aber definitiv 5-Star-Deluxe! Wie bereits erwähnt, ist die Route seit der Sanierung gut abgesichert, es warten aber trotzdem noch einige zwingende Passagen. Die Crux zum Hochkommen ist wohl die 7a in L5 und auch die 6b+ in L7 ist nochmals etwas allegro, insgesamt ist wohl ca. 6c obligatorisch. Mobiles Sicherungsmaterial haben wir keines mitgenommen und auf dem Trumpfkönig auch nicht gebraucht. Punktuell könnte man allerdings schon hier und da noch etwas legen (eher kleines Material, d.h. Keile oder Cams 0.2-1). Auf dem Gipfelausstieg wären die Klemmer hingegen schon hilfreich, sonst ist's durchaus kühn (wenn auch unschwierig). Zuletzt: Vorsicht, wenn sich andere Kletterer in der Wand (d.h. auch in der klassischen NE-Wand) befinden, herrscht Steinschlaggefahr!!! Es ist für mich schwierig einzuschätzen, wie gross diese tatsächlich ist - jedenfalls sicher markant höher wie z.B. am Wellhorn. In dieser Hinsicht trafen wir es optimal, da wir die ganze Wand für uns alleine hatten.

Topo vom Erstbegeher Daniel Anker nach der Sanierung anno 2016 - vielen Dank!