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Freitag, 2. Mai 2025

Schattenwand - Chupferhode (6b)

Daheimbleiben an Ostern? Das hatten wir in der Vergangenheit nur gezwungenermassen im Pandemiejahr 2020 gemacht, sonst waren wir immer irgendwo unterwegs. Anders im 2025: mit der Selektion für die internationalen Boulderwettkämpfe ging Larina die Verpflichtung ein, voll aufs (Indoor-)Bouldern zu setzen und für die demnächst bevorstehenden Events zu trainieren. Das geht prima von daheim aus und rein wettertechnisch gab die Ostschweiz auch das her, was für des Vaters Outdoor-Zeitvertrieb nötig war. So blicke ich trotz Daheimbleiben auf sehr gelungene Ostern 2025 zurück. Zwei Vollgas-Indoor-Sessions mit Larina, einen 8a-Send am Fels und ein Bike & Climb Ropesolo-Tüürli, über welches an dieser Stelle berichtet wird.

Blick auf die Schattenwand. In deren linkem, etwas grasigem Teil befinden sich einige einfachere MSL in den Graden 5b/5c. Auf der kompakten Platte rechts aussen gibt's einige weitere Möglichkeiten. Dort bewegen sich die Schwierigkeitsgrade meist im Bereich von 6b bis 7a. 

Nun ja, Larina nahm sich den Rat der Trainer zu Herzen, jeweils kurzfristig am Morgen zu entscheiden, ob ein weiteres Training oder ein Ruhetag angesagt wäre. Für diesen Tag fiel die Entscheidung auf Restday, und so durfte ich mich nach einem Outdoor-Alternativprogramm besinnen. Der Situation entsprechend konnte/wollte ich nicht gar nicht so viel klettern. Aber nur Biken oder Laufen war mir dann doch ein bisschen zu wenig Salz in der Suppe. So entschied ich mich, zur von mir noch nie besuchten Schattenwand zu radeln und dort eine (oder mehrere) der kurzen, bestens abgesicherten MSL-Routen zu klettern. So kurzfristig und an Ostern einen Kletterpartner aufzutreiben war natürlich illusorisch, somit war ein Ropesolo die Methode der Wahl. Das ist aber eine Konzession, welche ich gerne zu Gunsten von Larinas flexibler und optimaler Trainingsgestaltung eingehe.

Unterwegs auf den Trails der Neuenalp. Gerade voraus Wisswand (wo ich im 2024 im Rahmen einer weiteren Bike & Climb Ropesolo-Tour unterwegs war), im Bildzentrum der Rotsteinpass und rechts der Wildhauser Schafberg.

Es ist schon fantastisch, welche Möglichkeiten wir in der Schweiz und ihrem dicht ausgebauten Flurtrassen- und Wegnetz haben. So konnte ich im Nesslau starten und komplett abseits vom Verkehr via Steinerberg - Neuenalp - Passhöhe P.1404 zum Gräppelensee und schliesslich steil hinauf zum Bikedepot beim Rietgarten P.1584 gelangen. Von da ist es nur eine kurze Traverse hinüber zur Alp Mutteli, von wo man mit 70hm und ein paar wenigen Minuten Aufstieg an die Schattenwand gelangt. Ein bisschen erstaunt war ich, dass zwei Seilschaften im linken Teil der Wand aktiv waren. Das erklärt sich aber bestimmt dadurch, dass diese im Plaisir Ost als ideale MSL-Einsteigertouren beschrieben sind.

Haha, auf wessen Gefahr denn sonst?

Im rechten Teil der Wand mit den schwierigeren Routen war hingegen niemand aktiv. Ich wollte den optischen Eindruck entscheiden lassen, wo ich einsteigen würde. Die attraktivsten Linien schienen mir jene der zuerst erschlossenen Agaraturm (6c+ A0) und Chupferhode (6b) zu sein. Schliesslich gab ich der letzteren mit ihrer sehr attraktiven Doppel-Wasserrille in L1 und einem superkompakten Plattenschild in L2 den Vorzug. Um 14.20 Uhr hatte ich alles parat und stieg ein.

Immer noch von der Biketour auf der Anreise, hier am Gräppelensee.

L1, 35m, 6a: Los geht's gemässigt über einige Stufen hinweg zur schon erwähnten Doppel-Wasserrille. An dieser geht's dann gleich heftig zur Sache. Heieiei, für eine 5c+ (SAC-Führer Alpstein) bzw. 6a (Plaisir Ost) ist das ganz schön schwierig. Ich konnte die Länge zwar onsighten, aber das fühlte sich für mich eher wie eine taffe 6b an. Und es ist auch noch zu erwähnen, dass ich nur den ersten Abschnitt (wo dies zwingend ist) rein an den Rillen kletterte. Nachher kann man sich einiger Griffe in den Rissen rechterhand bedienen. Auch in meinem Nachstieg war es jenseits von meinem Können, diese komplett zu ignorieren. Vielleicht ginge es mit Oldschool-Kletterfinken besser, welche sich ideal in den Rillen verklemmen lassen?!? Meine Treter sind sicher nicht erste Wahl für derlei Kapriolen.

Rückblick auf die tolle Wasserrille in L1 (6a hard). Nur den Abschnitt über die ersten drei BH muss man zwingend an der Rille klettern, dies ist die Crux. Bei den drei letzten Bolts bis zur Position des Fotografen wird es etwas steiler - da habe ich es nur mit den beiden Rillen nicht geschafft, sondern musste in die grasigen Risse (von hier aus gesehen) links greifen. Was natürlich vollkommen legitim ist, nur wäre es ohne noch schöner.

L2, 35m, 6b: Puh, nochmals schwieriger bewertet, das konnte ja heiter werden. Dieser kompakte Steilplatten-Schild à la Rätikon ist sicherlich das absolute Highlight der Route. Über eine längere Strecke ist die Kletterei anhaltend und es gilt, sauber auf der gefinkelten Wand anzutreten und kleine Kratzer und grössere Sloper zur Stabilisierung zu nutzen. Angst und Bange muss einem dabei aber nicht werden, die Absicherung ist in diesem Abschnitt hallenmässig und fast übertrieben gut - es stecken ca. 16 BH auf dieser Länge. Im oberen Drittel lassen die Schwierigkeiten dann etwas nach, die Kletterei bleibt aber bis zum Schluss sehr attraktiv.

Rückblick auf den Crux-Teil von L2 (6b), anhaltende Steilplatte mit seichten Wasserrillen, super!!!

L3, 30m, 6a: Die letzte Seillänge wartet nochmals mit schöner Kletterei auf, ist aber in ihrem Anspruch deutlich tiefer als die beiden vorangehenden. Als die Crux empfand ich eine Passage in der Mitte über einen kleinen Wulst hinweg. Zuletzt endet die Route ziemlich abrupt bei einem unbequemen Stand, bevor das Gelände oberhalb schrofig wird.

Griffstrukturen in L3 (6a) - fantastisch!

In der Gegend von 16.10 Uhr und damit nach etwas weniger als 2 Stunden Kletterei hatte ich das volle Ropesolo-Programm (Vorstieg, Abseilen, Nachstieg) erledigt und die Route onsight geklettert. Für den Weg zurück an den Einstieg sind 3 Abseilmanöver à 30m auszuführen. Ich hatte korrekt spekuliert, das von mir mitgeführte 60m-Seil war gerade genügend lang. Aber Achtung, wer es mir gleichtut: es reicht jeweils nur knapp. Weil die Wand inzwischen ihrem Namen gerecht im Schatten lag, ein lästig-kühler Föhnwind aufgekommen war und die Zeit auch schon fortgeschritten war, entschied ich mich gegen eine zweite Route. Ich war gut auf meine Kosten gekommen und das gemeinsame Abendessen daheim war die attraktivere Wahl. Somit retour zum Bike, auf dem Heimweg verzichtete ich auf Umwege über Trails und fuhr möglichst direkt (via Laui - Unterwasser) ins Tal - eine nur kleine Klettertour war es, aber doch ein absolut gelungener und spassiger Ausflug!

Glücklich darüber, diesen Ausflug in einer solch schönen Ausflug genossen haben zu können 🥰

Facts

Schattenwand - Chupferhode 6b (5c+ obl.) - 3 SL, 100m - Ott/Wiesmann 1988, saniert 2007 - ***;xxxxx
Material: 1x60m-Seil, 14 Express

Kurze, aber sehr schöne MSL-Route in vorzüglichem Schrattenkalk à la Rätikon. Die Kletterei an Wasserrillen und über Steilplatten begeistert absolut. Seit der Sanierung im Jahr 2007 ist die Absicherung mit vielen rostfreien Bohrhaken fast übertrieben gut. Weitestgehend kann man die Schwierigkeiten A0 bewältigen, wer es also einmal probieren will, hat hier die Chance. Um die Route dann aber freizuklettern, muss man hingegen im plattig-technischen 6b-Gelände schon einigermassen versiert sein. Gleich nebenan gibt's noch weitere Möglichkeiten für attraktive 3-SL-Routen, so ergibt sich falls gewünscht ein voller MSL-Tag. Details zum Gebiet und den Routen findet man im Plaisir Ost oder im SAC-Kletterführer Alpstein.

3 Kommentare:

  1. Lieber Marcel, vielleicht willst du einmal ein paar Zeilen zu deinem rope-solo setup schreiben.

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    1. Ja, das wurde schon verschiedentlich angefragt. Ich habe es bisher aus verschiedenen Gründen jedoch immer ausgeschlagen. Erstens will ich Rope Solo nicht unbedingt bewerben. Zweitens findet man online schon viele verschiedene Tutorials dazu. Und drittens ist mein Setup "as simple as possible" und braucht mit einem handelsüblichen, unmodifizierten Grigri und einem Ropeman keine Spezialausrüstung.

      Jedenfalls, ich kann mir vorstellen, dass ein solches Tutorial durchaus hohe Klickzahlen erreichen würde. Und vielleicht würde es auch etwas Ordnung im Tutorial-Dschungel schaffen, so à la "das braucht es wirklich, wenn man es einmal probieren will". Noch wichtiger sind aber ein paar Tricks und Kniffs, welche einerseits die Praktikabilität deutlich erhöhen und das Risiko klar verringern. Viele wesentliche davon hat Edelrid schon in einem Artikel mit Video zusammengefasst, der für Rope-Solo-Aspiranten Pflichtkonsum ist.

      https://edelrid.com/ch-en/knowledge/knowledge-base/lead-rope-solo

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  2. Vielen Dank für die Antwort und den Link auf das Video. Sehr gute Analyse und einige Punkte, die ich bisher nicht bedacht habe.

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