Diese Route wurde im Jahr 2001 von Thomas Wälti und Gefährten erschlossen. Zu grosser Bekanntheit hat sie es meines Wissens nie gebracht. Persönlich habe ich nur eine kleine Kontroverse um drei oder vier mit der Bohrmaschine hergestellte Kunstgriffe wahrgenommen (zu diesem Thema unten mehr). Und noch dazu einmal mitgeteilt erhalten, die Route sei eher mit 8a als mit 7c zu bewerten. So befand sie sich auch nicht auf der oberen Hälfte meiner Projektliste. Doch Daniel aspirierte auf die bisher vermutlich noch nie ausgeführte, komplette RP-Begehung und so nahm ich dankbar die Gelegenheit an, dieses Stück Fels kennenlernen zu können.
Hinweis: die Route wurde nach unserer Begehung von Daniel Benz im April 2025 saniert. Dabei hat er in Absprache mit dem Erschliesser Thomas Wälti in L1 drei zusätzliche und in L2 einen zusätzlichen BH gesetzt, in allen anderen Seillängen ist die Absicherungssituation gleich geblieben. Den schon getippten Erlebnisbericht von unserer Begehung habe ich jedoch nicht abgeändert.
Schöner Blick zum Pizol und ins Sarganserland, während Marcel in L1 (5c+) folgt. |
Es waren erst zwei Wochen vergangen, seit wir unsere Neutour Heimspiel an der Wangwand abgeschlossen hatten. So konnten wir den Zustieg routiniert angehen, für nähere Infos verweise ich auf meinen damaligen Beitrag. Am Ende steigt man jedoch nicht die Geröllrinne bei Beginn der Natursteinmauer hinauf, sondern schlägt an deren Ende den Erzweg ein, welcher einen unter die Nasenlöcher bringt. Dort gilt es am Wandfuss noch ca. 40m nach links zu queren. Der Start der Route ist nicht so einfach zu lokalisieren, weil der Einstieg nicht gekennzeichnet ist und der erste BH gute 15m ab Boden steckt. Somit ist es schwierig, in dieser Hinsicht konkret weiterzuhelfen. Topo interpretieren und nach oben spähen sind die besten Ratschläge. Um ca. 8.30 Uhr stiegen wir in die Route ein.
![]() |
Bottom-Up-Blick auf die Wangwand mit dem ungefähren Verlauf der Route Milzbrand. |
L1, 50m, 5c+ (-,x): Wenn man die Route mit einem Grafikprogramm bearbeiten könnte, dann würde man diesen Abschnitt ausschneiden und ein besseres Element reinposten. Es handelt sich um eine geneigte Platte, der Fels ist lottrig und die Kletterei unschön. Sowas könnte man noch hinnehmen, doch leider ist auch die Absicherung noch stark ungenügend. Wie erwähnt weit zum ersten Haken: erst zwar easy, am Ende vor dem Klipp aber dann doch nicht mehr. Und wenig nach dem Einhängen bewegt man sich schon wieder in No-Fall-Terrain, das eher zu schwierig und zu brüchig für solcherlei Tun ist. Augen zu und durch, muss das Motto lauten. Hinweis: nach der Sanierung stecken hier nun 9 BH und die Absicherung ist akzeptabel.
![]() |
Unschöne, eher brüchige und (zu) knapp abgesicherte Kletterei an diesem Vorbau in L1 (5c+). |
L2, 30m, 6b+ (**,xxx): Die gute Nachricht ist: es kommt deutlich besser, und zwar schon hier auf dieser Seillänge. Der Start noch nicht ganz einwandfrei, aber doch ordentlich, die Kletterei irgendwie weder einfach noch wirklich schwierig. Für die Crux würde ich hingegen nicht dieselben Attribute wählen. Sie ist einerseits zwingend zwischen den Haken zu meistern. Klar ist die Passage schlussendlich nicht extrem schwierig, aber doch wacklig und alles andere als trivial, mit schwierig zu erkennender Lösung. Eine sehr harte 6b+ nach Th. Wälti Bewertung um die Jahrtausendwende. Zum Ende hin dann toller Fels mit schönen Schlitzen. Hinweis: nach der Sanierung klettert sich diese Seillänge nun deutlich freundlicher.
L3, 40m, 6b (****,xxxx): Ein typischer Gonzen-Quergang entlang der Querfugen von rechts unten nach links oben, wie man ihn aus manch anderer Route (z.B. Ablöscher, Miss Marple) kennt. Hier ist die Felsqualität nun prima mit griffig-rauem Gestein. Gleich im ersten Stück bevor es nach links geht, kommt schon mal eine zupfige Stelle, umsonst stecken da nicht zwei Haken mit <2m Abstand. In der Folge geht die Kletterei mal besser und mal weniger einfach von der Hand. Ebenso stecken die Haken mal eng und mal weiter - die beiden Attribute korrespondieren allerdings nicht zu 100%. Gerade gegen Ende hin sieht man sich am hinteren Seilende doch einem fetten Pendler ausgesetzt. Die Kletterei da fühlte sich für eine 6b doch heftig pumpig an - Mindgame oder tatsächlich unterbewertet?
![]() |
Sehr schöner Fels, tolle Ambiance und eine harte Bewertung warten in L4 (6b). |
L4, 25m, 7c (****,xxxxx): Immerhin, das mit den tief(gestapelt)en Bewertungen ist nun vorbei. Diese Seillänge hatte Daniel im Zuge von weiteren "Hausaufgaben" gründlich ausgecheckt. So lief das bei ihm sehr flüssig und die Länge war im Nu gepunktet. Da war ich ja sehr gespannt, was auf mich wartete. Kurzum, es handelt sich um kräftige Wandkletterei an kleinen und kleinsten Leisten, wobei doch immer mal wieder ein Griff kommt, wo man sich Übersicht verschaffen kann. Wenn es hier ein Copy-Paste gab, dann könnte es das "Wagenrennen" (L5, 7c) von der Ben Hur gewesen sein. Vielleicht ist die Felsqualität hier am Gonzen nicht ganz so gut wie im Pendant an den Wendenstöcken, aber doch sehr schön. Mir lief es hier übrigens auch sehr gut: mit einem kurzen Hänger konnte ich die Länge in zwei überlappenden Hälften durchziehen, da war der Flash nicht weit weg. Somit: sicherlich nicht so hart bewertet wie die Längen davor.
Auf dem Foto wirkt die Felsqualität in L4 (7c) nicht so überzeugend wie von mir im Text beschrieben. |
L5, 30m, 7b (****,xxxx): Nochmals ein Prunkstück, der mit Querschlitzen gebänderte Fels sieht schon vom Stand aus richtig toll aus. Los geht's dann gleich volle Kanne mit einer so richtig fordernden Querung aus dem Stand raus. Dann heisst's Leistern ballern in den Querschlitzen. Und dabei zusehen, dass man die Übersicht über die Tritte behält und nicht irgendwo an miesen Slopern versauert. Ich wage hier den Hinweis, dass wir auf (die im Topo aufgezeigte und auf den ersten Blick einfachere) Traverse nach links an die Schuppe und wieder zurück verzichtet haben, Daniel hatte das so ausgebouldert. Was nun wirklich der einfachere Weg ist, bleibt an dieser Stelle ungeklärt. Nach diesem Abschnitt legt sich das Gelände dann etwas zurück, und wird damit gemässigter - wobei der Fels zunehmend etwas glatt und die Kletterei weniger attraktiv wird. Ich kam da gerade knapp im Nachstiegsflash durch, viel einfacher wie L4 kam es mir nicht vor.
Blick auf die steile, mit seichten Querschlitzen gespickte Wand in L5 (7b). |
L6, 30m, 6b (**, xxx): Hier gelangt man in die Zone einer grossen Terrasse (zuerst) und des Wangwandbandes (danach). Dementsprechend sieht das ein bisschen nach Gemüsegarten aus, wobei dann doch vorwiegend in kompaktem Fels geklettert wird. Erst über eine Platte nach links, dann von den Terrassenausläufern in eine Wand hinein mit einem Move, der für eine 6b noch reichlich tricky ist. Auch in der oberen Wand muss man sich eine Sequenz überlegen, wobei es gerade genügend an positiven Leisten gibt, damit die Kletterei im komfortablen Bereich bleibt. Der Fels ist nicht sonderlich schön da, aber insgesamt ist es doch noch ein witziger Abschnitt. Am Ende dann auf's geröllige Wangwandband, welches wir damals als Zustieg beim ersten Bohrtag vom Heimspiel genutzt hatten.
![]() |
Sieht einfach aus, klettert sich aber schwieriger wie man meint: L6 (6b). |
L7, 25m, 7a (***, xxxx): Es geht gleich kontrovers los, nämlich mit einem Bohrmaschinengriff. Oberhalb vom Band bestehen die ersten ca. 2m aus sehr mürbem Gestein. Irgendwie macht es den Eindruck, als ob es ohne den gebohrten Griff gar nicht so wirklich schwieriger wäre (täuscht aber evtl.), aber es wäre uncool, sich auf das Roulette einzulassen, ob das Gestein dem Boulderzug dann auch standhalten würde. Somit würde ich dieses Kunstwerk an der Stelle auf jeden Fall als sinnvoll bezeichnen - es stört wirklich gar nicht. Nachher trifft man dann auf prima rauen, wasserzerfressenen Fels. Nicht immer ganz so einfach, teils wendet man auch die Strategie an, welche die Ski-Weltcup-Fahrer als "hinters Tor fahren" und "in die Linie investieren" bezeichnen. Am härtesten fand ich jedenfalls im Rückblick schon den Start, der Rest der SL fühlte sich nicht mehr schwieriger an wie z.B. L3 oder L8.
Eine schöne und ziemlich ausdauernde Querung wartet am Ende von L7 (7a). Wenn der Vorsteiger keinen Cam legt wie im Bild sichtbar, so könnte es im Nachstieg dann doch einen fetten Pendler geben. |
L8, 25m, 6c, (***, xxx): Coole Wandkletterei, hart bewertet! Die Auftaktpassage ist gleich steil. Auch wenn es optisch nach recht grossgriffigem Gelände aussieht, so manifestiert sich dies nicht wie gewünscht. Kurzum, es heisst richtig Guzzi zu geben, erst recht für eine 6c. Nach ca. 10m lässt es dann etwas nach. Es gilt noch, die Linie links um einen Dachausläufer herum zu finden, bevor man oberhalb von diesem auf einer nicht allzu schwierigen Rampe mit einem Runout nach rechts hinaus traversiert.
Diese Rampe gilt es am Ende von L8 (6c) zu beschreiten. |
L9, 25m, 7a, (****, xxx): Kaum eine der Seillängen bietet so viel Abwechslung wie diese. Der Start mit einer Wandstufe schon einmal etwas öttelig. Der Fels ist zwar scharf aber gleichzeitig auch sloprig, mit meinem Tapes hatte ich da etwas Mühe, den nötigen Grip zu finden. Weiter traversiert man nach links über eine Platte - ziemlicher Runout da, aber das Gelände wird zum Glück einfacher. Als nächster Punkt wird eine Wandstufe angepackt, ein paar Leistenmoves um 6b+/6c werden gefordert. So kommt man zum Dach, welches sehr athletisch überwunden wird. Die nötigen Griffe sind aber da. Die logische und auch einfachste Kletterlinie nutzt dann die mässig gut im Spalt ob dem Dach verwachsenen Blöcke. Im Topo steht da "tief hinausqueren", was dann wohl gleich eine ganze Ecke schwieriger wäre?!? Nun denn, die Blöcke blieben an ihrem Ort und werden das bestimmt weiterhin tun. De fakto ist all das aber nur das Vorgeplänkel für die finale Crux, welche rätikonlike mit ein fetzenscharfen Zäcklein aufwartet und fussreibungstechnisch fordernd ist - eine geniale Passage, ob dem super Fels geht's auch an einem Hauch von Nichts!
Eine super Slab wartet am Ende von L9 (7a). |
L10, 25m, 7c, (**, xxxxx): Zum Dessert nun noch die schwierigste Seillänge, welche leider nicht so ein Genuss ist. Hier ändert der bis zu diesem Punkt bestens strukturierte und raue Fels zu eher glatt, kompakt, geschlossen, blank und irgendwie auch unschön. Vorerst hilft ein Riss über die ersten paar Meter noch zu zügigem Fortschritt, bei dessen Ende und der da nötigen Linksquerung ist dann aber subito fertig mit lustig. Tritte gibt es fast keine mehr, als Griffe stehen (zumindest vor meinem geistigen Auge) zwei aufgebesserte Leisten im Zentrum. Diese müssen gekonnt geriegelt werden, um im nächsten Abschnitt an einem in die blanke Wand gebohrten Dreifingerloch trittlos auf üble Sloper zu ziehen, welche schliesslich den Exit in flacheres Gelände erlauben. Über dieses zunehmend grasig und zuletzt etwas mühsam hinauf in den Wald, wo man das Routenende bei 1 BH und einer Seilschlinge findet. Im Topo war diese Länge mit "7c (?)" bewertet. Daniel meint, dass die 7c schon stimme könne, man müsse halt genau wissen, was zu tun sei. Ich bin nicht in der Position, wirklich einen Bewertungsvorschlag einzubringen, da ich die schwierigsten Moves zu wenig ausprobiert habe. Sicherlich ist es klar die schwierigste Seillänge der Route und ich würde mich in dieser Hinsicht noch auf die Äste rauslassen, dass wenn L4 eine 7c ist, man für L10 eher zu einer höheren Einstufung greifen müsste.
Von L10 (7c) gibt's keine repräsentativen Fotos, hier der Exit in den Wald am Ende. |
Um ziemlich genau 16.00 Uhr und damit nach 7:30h Kletterei hatten wir es geschafft. Wie gewünscht konnte sich Daniel die durchgehend sturzfreie RP-Begehung der Route sichern. Nach unserem Wissen war diese Leistung bisher noch nie vollbracht worden, in der letzten Seillänge stand sogar eine freie Begehung der Moves noch aus. For the record: Daniel hatte die Route im Jahr 2006 und damit 19 Jahre zuvor bereits einmal Ground-Up begangen (kein RP) und kürzlich an 3 Tagen die schwierigsten Seillängen (jeweils von oben kommend im Toprope-Solo) ausgecheckt und eingeübt. Alles dann gleich beim ersten Go im Vorstieg umzusetzen und durchzuziehen ist aber hohe Schule - eine Topleistung, höchsten Respekt! Meinerseits verbleibt auf den ersten 9 SL ein einziger Hänger in der 7c von L4, den Rest konnte ich im Nachstieg flashen - damit war ich sehr zufrieden. In L10 verdient meine "Leistung" dann wenig Würdigung: ich habe nicht alle Moves freigeklettert, bzw. es gar nicht ernsthaft probiert. Der eher unschöne Fels, die Kunstgriffe und die knallharte Natur der Sache luden wenig dazu ein. Zudem war Daniel mit leichtestmöglichem Gepäck/Kleidung in diese Crux gestartet und war nun am zugigen Ausstieg den Elementen der Natur ausgeliefert. Da wechselte ich gerne in den Wasserträger-Modus und schloss so zügig wie möglich ans Top auf.
Das Abseilen geht leider nicht immer so smooth wie hier über die steile L4 (7c). |
Wir hielten uns nicht länger auf, sondern machten uns subito ans Abseilen. Dieses gestaltete sich nicht ganz so gäbig, wie man es gerne hätte. Beim ersten Manöver ist das Seilabziehen schwierig, dann sind die Standplätze im steilen Gelände seitlich versetzt, im Bereich der Terrasse unterhalb des Wangwandbands stören Sträucher und Bäume und beim Abziehen am Stand nach L1 droht eine sehr hohe Gefahr für einen Seilverhänger. Dieser blieb uns erspart (mit Glück, nicht mit Verstand!) und so hatte uns Terra Firma wieder. In Retrospekt wäre es gar nicht unklug, am Top die etwa 20-30m zum Ausstieg vom Heimspiel zu wechseln, wo sich das Abseilen deutlich effizienter und kommoder gestaltet. Die so fällige Geröllquerung im Einstiegsbereich könnte man hinsichtlich des Komfortgewinns beim Abseilen gerne hinnehmen. Das spielte nun aber keine Rolle mehr. Wir trabten retour zu den Bikes und gönnten uns wie 2 Wochen davor wieder den fägigen Gonzen-Downhill. Ich bin jetzt schon gespannt, welches Abenteuer mich als nächstes in dieses Gebiet zurückbringen wird.
Facts
Wangwand - Milzbrand 7c (6c obl.) - 10 SL, 300m - Th. Wälti / Chr. Angst / U. Götz - ***;xxx-xxxxx
Material: 2x50m-Seile, 13 Express, evtl. kleine Cams & Cam 2
Bisher selten begangene Route, welche mit Ausnahme von L1 und L10 in weitgehend tollem Fels verläuft. Insgesamt als absolut lohnend einzuschätzen mit vielen coolen Metern an steiler Kletterei in prima wasserzerfressenem Fels. Der Wermutstropfen sind ein paar durchzogene Abschnitte und die Kunstgriffe, wobei zu sagen ist, dass es ohne diese definitiv nicht ginge. Die Absicherung ist etwas wechselhaft, von fordernd im einfacheren Gelände bis zu den eng gebohrten, A0 machbaren Cruxlängen. Im Vergleich dazu ist das Heimspiel im moderaten Gelände besser gesichert, in den schwierigen Passagen hingegen anspruchsvoller. Mobile Absicherung ist nicht zwingend nötig, in den Quergängen aber (auch für den Nachstieg) angenehm. Hier der Link zum Topo, welches Daniel im Anschluss an die Sanierung angefertigt hat.
Links zu früheren Gonzen-Berichten
Planggwand / Silence (1996)
Gonzenwand / Ä guats Gfühl (2001)
Erzhus / Nimbostratus (2007)
Gonzenwand / Wachmeister Studer (2007)
Gonzenwand / Metronom (2011)
Gonzenwand / Miss Marple (2012)
Gonzenwand / Django (2016)
Gonzenwand / Plattänani (2020)
Gonzenwand / Füürsetzer (2020)
Gonzenwand / Ablöscher (2020)
Annagrethli / Gretchenfrage (2024)
Wangwand / Heimspiel (2025)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Ich freue mich über Ergänzungen zu diesem Blog via Kommentarfeld!
Kontakt: mdettling74@gmail.com.