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Freitag, 9. August 2019

Salbit - Jimmy (6b+)

Die Jimmy (11 SL, 430m, 6b+) ist eine Kreation der Remy Brothers in der Zwillingsturm SE-Wand am Südgrat des Salbit. Sie verläuft in unmittelbarer Nachbarschaft des ungleich bekannteren Villigerpfeilers. Im Topo 'Salbit Erleben' wurde sie zwar schon immer mit der Höchstnote von 5 Sternen ausgezeichnet. Trotzdem geriet sie in Vergessenheit: die Ausrüstung war eher spartanisch, die Uraltbolts korrodiert und die Risse, nachdem nie geputzt wurde, teilweise zugewachsen. Das änderte sich im Herbst 2018 mit dem grandiosen Einsatz von Bunschi und Gefährten: die Risse wurden gereinigt, alle Haken mit neuem Inoxmaterial ersetzt und wo sinnvoll, auch die Linie korrigiert. Dies alles wollten wir mit unseren eigenen Sinnen erfahren und soviel vorweg, es war der Hammer!

Sicht auf den Zwillingsturm und die Route Jimmy. Der Einstieg und die ersten 2 Seillängen sind hier gut nachvollziehbar, der obere Teil ist zwar korrekt eingezeichnet, aber perspektivisch stark verzerrt. Rechts eingekreist ist die markante Aufschrift 'Clog'. In Originalauflösung sind rechts auch noch 2 Kletterer im Villiger-Pfeiler zu erkennen.
Nun, der Zustieg zum Salbit ist nicht eben kurz, insbesondere wenn man die Routen als Tagestour angehen möchte. Damals zur Ruska hatte ich mit Chris gerade gute 2 Stunden gebraucht. Zur Jimmy nahmen wir es ob der Hitze und der zusätzlich mitgeführten Flugausrüstung ein wenig gemütlicher. Reine Gehzeit brauchten wir etwas weniger als 2.5h, wobei hier eine halbstündige Pause auf der Terrasse der Salbithütte nicht mit eingerechnet ist. Diese machte aber durchaus Sinn, nicht nur für den Flüssigkeitsnachschub. Sondern auch, um vom Hüttenwart Richi die neusten Infos über die Jimmy einzuholen, sowie auch über die sonstigen Aktualitäten im Salbitgebiet informiert zu werden. An dieser Stelle nochmals herzlichen Dank dafür!

Der erste Blick auf's Salbitmassiv von wenig oberhalb des Reglibergs.
Auf den letzten Metern zum Einstieg lag noch Schnee, das wussten wir schon von der Konsultation der Webcam-Bilder. Bei ungünstigen Bedingungen (Hartschnee, Randkluft) kann das zur Herausforderung werden, das Gelände ist doch 35-40 Grad steil. Im Falle des Falles findet man unter einem grösseren Block mit roter Markierung noch einen alten, deponierten Pickel. Zur Zeit unserer Begehung stellte das alles kein Problem dar, der Schnee war weich und die Randkluft inexistent, d.h. man konnte einfach zum Fels marschieren. Entgegen den Skizzen in den alten Topos befindet sich der Einstieg weiter rechts als angegeben, nur 3-4m links von Clock & Stock, welche gross in weisser Farbe mit "CLOG" angeschrieben ist. Mit einer ersten Solo-Risskletterei über 5-6m gelangten wir vom Schnee zu 2 Stand-BH, bei vollständiger Ausaperung ist da womöglich bereits eine (kurze?) Seillänge fällig. Bis wir alles parat hatten und nochmals ausgiebig mit Sonnencrème eingeschmiert waren, wurde es ca. 11.45 Uhr.

Die grandiose Arena unter den Südgrattürmen. Nur noch das Schneefeld hinauf, dann geht's los!

L1, 55m, 6b+:
Entlang der Rissverschneidung geht es geradeaus aufwärts. Es dauert nicht allzu lange, bis man das erste Mal zu den Cams greift, weil die Kletterei ziemlich knifflig ist. Während es im Mittelteil dann vorerst einmal etwas gemässigter vorwärts geht, wird es zum Schluss nochmals richtig schwierig. In der V-Verschneidung müssen alle Register und Techniken eingesetzt werden (Spreizen, Jammen, Piazen, ...). In den alten Topos steht zwar nur eine Bewertung von 6a+, aber meinem Empfinden ist hier sicher eine 6b+ zu veranschlagen. Zum Stand hin war mir dann sowohl das Material wie auch das Seil ausgegangen, unsere 50m-Stricke reichten deutlich nicht und der Nachsteiger musste ein paar Meter nachfolgen.

Die V-Verschneidung im oberen Teil von L1 (6b+) ist ziemlich anspruchsvoll zu klettern!
L2, 50m, 6a: Um die Ecke (der Start ist echt cool) geht's in die nächste Verschneidung. Vom Stand her sieht's echt steil aus und wir stellen uns auch wieder auf fordernde Kletterei (original 5c+) ein. Nachdem die Seitenwände hier mehr strukturiert sind und alles ein wenig griffiger daherkommt, fallen die Schwierigkeiten dann aber doch spürbar geringer aus als in L1. Der Stand nach dem Ausstieg auf die grasigen Terrassen eher etwas links zu finden.

Die zweite Seillänge (6a+) sieht nicht minder eindrucksvoll aus, entpuppt sich dann aber als etwas gängiger.
L3, 50m, 5a: Über grasige Bänder und einige felsige Aufschwünge geht's in diesem, am wenigsten attraktiven Abschnitt der Route wieder volle 50m vorwärts. Es stecken 3 neue BH, welche von weither sichtbar sind und den Weg weisen, kurz vor dem Stand dann auch noch ein alter Ring-BH.

L4, 60m, 6a: Hinein in den oberen Wandteil, der mit der markanten Verschneidung leicht rechts startet. Der Splitter Crack vom Villigerpfeiler befindet sich nur wenige Meter noch weiter rechts. Am Beginn der Verschneidung (d.h. nach 10-15m über einfaches Gelände) befinden sich nochmals 2 BH. Wer mit 50m-Seilen den nächsten Stand erreichen will, muss hier nochmals Halt machen. Ist jedoch nicht unbedingt nötig, das der Zweite bei "Seil aus" die einfachen ersten Meter gut folgen kann. Die Kletterei in der Verschneidung ist echt cool, gegen oben hin wird es immer schwieriger. Zuletzt dann links raus um die Kante zu Stand.

Der obere Wandteil mit seinen klar geschnittenen Linien, gesehen vom Stand nach L3.
L5, 25m, 6a: Wie in der Dawn Wall gibt's auch hier eine Loop Pitch! Die direkte Querung nach links ist sicher möglich, sieht und fühlt sich bei einer Anprobe aber ziemlich schwierig an (>6a?). Der logischere Weg führt vom Stand der Schuppe entlang 5m nach unten, dann 3m nach links und den Rissen entlang wieder hinauf. Dann weiter den Rissen entlang zu Kettenstand und Muniring, der für einmal schon ziemlich bald folgt.

Hand Jam in L5 (6a). Risshandschuhe (=Hand Jammies) zu tragen ist übrigens auf der ganzen Routen sinnvoll.
L6, 30m, 6a: Erneut geht's mit einer schwierigen Linksquerung los, diesmal ist der Move aber auch ohne Loop gut machbar. Danach weiter schön und anhaltend der Verschneidung entlang.

Fantastische Kletterei, immer der Sonne entgegen, auch in L6 (6a).
L7, 25m, 6b: Während man zuerst der Verschneidung folgt, erklettert sich das Dach mit dem Rechtsknick nicht dem Risssystem entlang, sondern rechts in der Wand. Dabei gibt es tatsächlich einen etwas kniffligeren Move (der zudem auch obligatorisch ist). Die Bewertung von 6b global gesehen vielleicht schon ok, im Vergleich zu vielen anderen Seillängen der Route fand ich diesen Abschnitt aber einfach.

Eine kurze Passage in Wandkletterei, das Rissdach wäre hier mühsamer zu klettern in L7 (6b).
L8, 25m, 6b+: Vom Stand im Niemandsland der feinen Rissspur entlang unters Dach und mit einem weiten Move nach links an die griffige Schuppe. Piazend aufwärts, die Griffe bleiben nicht ganz so gut und man tritt auf etwas brösmeligem Fels an. Die Crux kommt dann aber erst ganz am Schluss, wo man knifflig nach links um die Ecke muss - man finde die seichten Klemmer und sehe zu, dass die Pfoten nicht rausflutschen!

Feine Rissspur zu griffiger Schuppe, an welcher dann kräftig gepiazt werden will in L8 (6b+).
L9, 45m, 6b: Zuerst geht's noch gemässigt daher, es kommt wieder einmal die Double-Gaston-Technik zum Einsatz. Sowas braucht man ja eher selten, in der Jimmy aber längst nicht das einzige Mal. Ganz generell ist so, dass das Gelände zwar gar nicht allzu steil ist. Um rein auf Reibung anzutreten reicht es dann aber doch nicht, so dass man sich stets irgendwie hinpressen muss. Anyway, diese Seillänge geht dann in einen Riss über, wo schliesslich 3m rechts aussen in der Wand ein Standplatz ist. Dieser scheint mir schwierig zu erreichen und ich bin mangels aktuellem Topo verwirrt, da es gemäss den älteren Skizzen an dieser Stelle auch zum Kontakt bzw. Kreuzung mit dem Villigerpfeiler kommt. Daher also weiter dem Riss entlang. Mittels Jamming und Verklemmen der Füsse geht's, die Cams kommen zum Einsatz, gar nicht mal so einfach! Schliesslich gehen mir Seil und Material aus, doch ein Stand kommt keiner (derjenige rechts aussen wäre es eben doch!). Gerade beim Kreuzungspunkt mit dem Villigerpfeiler lässt sich aber mit BH und einer soliden Schlinge an einem Felskopf auf bequemer Trittleiste einer improvisieren. Vermutlich fast die bessere Lösung so!

Mal ein bisschen Schatten war gar nicht schlecht, Sonne hatten wir an diesem Tag schon viel abbekommen. Allerdings für die Fotoqualität ist's nicht unbedingt förderlich ;-) Trotzdem kommt hier der anspruchsvolle Jam-Riss in L9 (6b) noch einigermassen zur Geltung. Es sei an dieser Stelle nochmals ausdrücklich erwähnt. Ich sichere hier nicht von einem offiziellen oder eingerichteten Standplatz, der improvisierte ist jedoch sehr gut.
L10, 25m, 6a+: Über den Aufschwung und weiter dem Riss entlang. Es wartet eine feine Stelle, der Rest entpuppt sich dann als deutlich gutmütiger. Man trifft schliesslich auf einen gemeinsamen Stand mit dem Villigerpfeiler.

L11, 30m, 6b+: Die glatte, fordernde Piazverschneidung geradeaus habe ich vom Villigerpfeiler her noch gut in Erinnerung. Unsere Route verlässt sie aber in ein paar Metern überhängend-griffiger Kletterei nach links (Crux). Ist man einmal um die Ecke, wartet nur noch (vermeintliches) Cruising-Gelände, das sich dann doch ein bisscshen schwieriger als gedacht entpuppt. Dennoch zügig geht's zum Stand am Top des Zwillingsturms.

Top of Zwillingsturm erreicht nach gut 5:00h anspruchsvoller, aber genialer Granitkletterei.
Wenige Minuten vor 17.00 Uhr und damit nach gut 5:00h Kletterei tragen wir uns im Wandbuch ein. Ich kann es nicht unterlassen, das Buch durchzublättern. Und siehe da, es ist fast exakt 10 Jahre her, seit ich mit Kathrin diesen Punkt via den Villigerpfeiler erreicht hatte. Das war nur wenige Wochen nach unserer Hochzeit und ein paar Monate vor der Geburt unserer Tochter gewesen. Tolle Erinnerungen, aber heia wie die Zeit vergeht - mir kommt es vor, als sei es erst gestern gewesen! An der Gipfelwand sind noch einige Seilschaften unterwegs. Wir aber begnügen uns mit einem Rundblick und denken dann bald ans Abseilen, es wartet ja doch noch ein zünftiges Restprogramm auf uns. Für den ersten Abseiler ist es definitiv geeigneter, nicht den Stand am Gipfel/Buch zu nutzen, sondern jenen wenige Meter tiefer in der Scharte. Nach knapp 50m befindet sich ein weiterer Abseilstand. Man könnte von dort nun über die Abseilpiste "Bärner Blitz" weiter, optimaler ist es jedoch, zum Stand nach L8 abzuseilen und dann in 5 weiteren Manövern über die Route zurück zum Einstieg, zuletzt reichten die Seile gerade knapp bis auf den Schnee, Dauer total ca. 1:00h.

Panorama vom Zwillingsturm, was für eine tolle Bergwelt!

Tiefblick auf den Salbit Westgrat. Bald erscheint ein neuer Artikel aus meiner Feder dazu!
Zurück am Einstieg bleibt uns dann keine Zeit zum Trödeln. Wir wollen ja noch in die Luft und die SE-Mulde unterhalb kriegt immer mehr Schatten, irgendwann wird der katabatische Abwind einsetzen. Wenige Meter unterhalb, beim Einstieg von Licht + Schatten ist es etwas flacher, hier wäre ein Start denkbar. Es hat aber nur 1 Schirm auf's Mal Platz und es ist trotzdem steil. So scheint es uns einfacher und zeitsparender, rasch 100hm durch den weichen Schnee abfahrend zu vernichten und dort auszulegen. Ein leichter Zug von hinten ist schon spürbar und wir müssen die Schirme entsprechend befestigen. Die Handgriffe sitzen aber routiniert und um 18.20 Uhr wird entschlossen abgehoben. Dank dem ideal geneigten Gelände geht's perfekt. Wir müssen nur ein wenig Vorfliegen an die Kante zum Voralptal, dort steht wie vermutet schon die erste Bombenthermik. Im Nu geht's aufwärts, es ist ein Kinderspiel, den Gipfel nochmals zu erreichen, ja sogar zu überhöhen. Die Fliegerei in solch starker Thermik mit dem Minimal-Equipment (Typ 1-Lagen-Plastikfolie mit ein paar Zahnseidefäden) ist durchaus speziell und sehr, sehr eindrücklich. Es geht aber gut und sowieso ist es mehr Kopfsache - mit dem Streckenschirm und dem Beinsack-Gurtzeug hat man zwar schon mehr Material um sich, aber eine geschützte Druckkabine ist das ja dann doch auch wieder nicht.

Hey ho, let's go! 2 Minuten Surf in schön weichem Schnee zum Startplatz.
Auf jeden Fall ist es genial, auf diese Art und Weise das Salbit-Massiv aus einer neuen Perspektive zu sehen. Irgendwann ist dann doch Zeit, um sich auf den Heimweg zu machen. Das dauert, sind doch noch über 2000hm zu vernichten und es trägt selbst über dem Tal draussen sehr gut. Auch die Landung ist dann eher auf der sportlichen Seite. Der Talwind ist zwar nicht überaus stark, aber jojomässig geht's mal runter und dann doch wieder rauf. Gut jedenfalls, wenn man bereits bei früherer Gelegenheit und anderem Material Erfahrung in solchen Conditions gesammelt hat. Der Schlüssel liegt ganz einfach darin, Geduld zu haben und sich auf das Pilotieren zu konzentrieren. Auch wenn der Boden schon nahe scheint, die Sache ist erst gegessen, wenn beide Füsse auf der Erde sind. Etwas nach 19 Uhr nach einer knappen Flugstunde setzen wir schliesslich auf. Alles perfekt gelaufen, bis auf eine am Schirm versteckte Biene, die mich beim Zusammenlegen noch sticht - wow, war das ein Tag!

Hier habe ich mich dann einmal getraut, die Pfoten von den Bremsen zu nehmen und ein Foto zu machen. Mitten über dem Tal, und immer noch fast höher als der Salbit. Das war schon ein  unglaublicher Thermik-Hammertag, schliesslich ist es zum Zeitpunkt des Fotos schon nach 18.30 Uhr abends!

Facts

Salbit Zwillingsturm - Jimmy 6b+ (6b obl.) - 11 SL, 430m - C. & Y. Remy 1988, saniert R. Bunschi et al. 2018 - *****;xxx(x)
Material: 2x50m-Seile, 14 Express (min. 6 verlängerbare), Cams 0.3-3, evtl. 0.3-1 doppelt, evtl. Keile

Grandiose Granitkletterei entlang von vielen, dank der Sanierung im 2018 nun sauberen Rissen und Verschneidungen. Die Route kann meiner Meinung nach mit den besten Granit-Gustostücklein der Welt mithalten, so dass ich gerne die Höchstnote von 5 Sternen vergebe. Einzig die so richtig ausgesetzte Linie in einer steilen Wand bleibt der Jimmy vorbehalten - die Kletterei ist oft etwas "liegend", bei dafür nicht so stark strukturiertem Fels. Mit einer Bewertung von 6b+ und vielen Seillängen im Bereich 6a mag die Route als "an easy day" erscheinen. Dies täuscht jedoch, es warten viele fordernde Klettermeter und die Bewertungen sind granittypisch hart. Im Vergleich zu manch anderer, moderner Kalktour kann man gerne überall einen Buchstabengrad hinzuzählen und z.B. die mit 7a bewertete Sacremotion am Chli Bielenhorn würde ich aus Gesamtsicht als einfacher betiteln. Die Absicherung mit besten Inoxmaterial ist seit der Sanierung sehr gut, muss jedoch vielerorts mit Cams noch vervollständigt werden, was sehr gut möglich ist und sich bei den vielen Rissen auch anbietet. Wer die Schwierigkeiten im Griff hat, kommt mit 1 Set Cams 0.3-3 durch. Wer üppiger und weniger taktisch legen will, ist möglicherweise um ein zweites Set vom 0.3-1 froh. Ein präzises Topo in gedruckter Form gibt es derzeit nicht. Die beste Literatur ist der Führer "Salbit Erleben", welcher jedoch den Stand vor der Sanierung zeigt und bzgl. aktuellem Routenverlauf und Absicherung nicht mehr wirklich stimmig ist. Unten findet ihr meine Skizze. Ich habe unterwegs keine Notizen gemacht, die Angaben zur Anzahl Bolts und den gelegten Cams sind daher ohne ganze exakte Gewähr, geben aber hoffentlich doch einen guten Anhaltspunkt.

Topo der Jimmy am Salbit Zwillingsturm


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