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Montag, 22. September 2025

Horefelliflue - Joyride (6c, 11 SL, Erstbegehung)

Die Horefelliflue ist eine 350m hohe, eindrückliche Wand im Voralptal. Sie ist abgeschieden in einem einsamen Bergtal gelegen und doch zügig erreichbar. Durch ihre sonnige Lage besticht sie mit einer langen Saison von Spätfrühling bis Spätherbst. Faktoriert man noch den qualitativ hochwertigen, stark strukturierten Granit mit ein, so wird klar, dass man es hier mit einem richtigen Kletterparadies zu tun hat. Zwar schon die Freikletter-Pioniere in den 1980er-Jahren hier ihre Linien gelegt, danach fiel das Gebiet aber in einen Dornröschenschlaf. Heute ist dieser vorbei: mit Mastermind, Mondpalast und Absiits sind drei ältere Routen frisch saniert und mit Knecht Klemenz und der brandneuen und in diesem Beitrag exklusiv beschriebenen Joyride stehen zwei tolle Neutouren bereit. Das alles im gehobenen Plaisirbereich, da kann man nur noch viel Spass wünschen!

Die famose, 350m hohe Horefelliflue im Voralptal mit dem Verlauf unserer Route Joyride.

Erschliessung

Tag 1

Die Geschichte dieser Route beginnt mit der Begehung der Route Mastermind gleich links nebenan, welche auf den 23. Oktober 2021 datiert. Mit Kathrin und Larina verbrachte ich da einen magischen Tag im Voralptal bei sehr genussreicher Kletterei in tollem Fels. Schon beim Klettern spähten meine Augen nach möglichen Linien in dieser Wand, beim Abseilen konnte ich mich dann noch besser davon überzeugen, dass es diese Möglichkeit gäbe. Der Funke war sogleich gesetzt und die Ungeduld zur Realisierung wie immer riesig. Gut, dass auch der gleich folgende Sonntag (24. Oktober 2021) nochmals bestes Herbstwetter bot. Da konnte ich ja gleich nochmals an die Horefelliflue aufbrechen, um die Sache in Angriff zu nehmen. Mein Vater Sepp war dabei, um mich mit dem 80m-Seil vom Einstieg zu sichern, so sollten sich bestimmt zwei Seillängen ausgehen.

Fantastisches Ambiente beim Zustieg an unserem ersten Bohrtag mit dem Sustenhorn in Bildmitte.

So weit so gut, einmal vor Ort angekommen manifestierte sich dann trotz x-maligem Umwühlen des Rucksacks und seinem verstreuten Inhalt, dass ein mehr oder weniger unverzichtbares Utensil fehlte: der Hammer. Der Sohnemann hatte ihn für Handwerksarbeiten irgendwelche Lausbubensachen gebraucht, aus dem Bohrzeug entwendet und natürlich nicht zurückgelegt. Wie üblich hatte ich beim Packen auf dessen Vollständigkeit gezählt und nicht kontrolliert, ob wirklich alles da sei. Unverrichteter Dinge gleich wieder abzuzotteln war auch nicht die zu wählende Option, also war MacGyver-Improvisation gefragt. Mein Schlagwerkzeug bestand also aus einer Irniger-Standplatte, für mehr Zug am Gerät wurde mit Reepschnur ein Granitstein befestigt. 

Vielleicht wäre MacGyver auch auf eine bessere Lösung gekommen...

Ich kann euch sagen, es funktioniert so mässig. Erstens, die Vibrationen an der Hand sind ziemlich brutal - genau darum hat ein Hammer einen Holz- oder einen gedämpften Kunststoffstiel. Zweitens, der Zug von dieser Einrichtung ist miserabel. Das Einschlagen der Haken war eine richtige Pein. Mit dem noch frischen Bohrer ging's erst noch leidlich, doch mit dem Abstumpfen der Krone nach den ersten Löchern wird der Durchmesser etwas kleiner. Somit wurde es also immer schlimmer. Noch dazu lotterte immer wieder der angebrachte Stein, oder dann zerbrach er. Wie heisst es doch so schön (oder ähnlich): "Marmor, Stein und Hammer bricht, nicht aber unsere Zuversicht...". Mit diesem Motto kam ich noch etwas voran, nach 1.5 Seillängen war dann aber Schluss... die Motivation erschöpft, beziehungsweise die Zeit rum (eben schnell kam ich mit dem Impro-Hammer leider nicht voran). Trotzdem happy darüber das Projekt gestartet zu haben, machten wir uns auf den Heimweg. Danke Neni für deine Begleitung!

Das Projekt erfolgreich gestartet - ein zufriedener Tag!

Tag 2

Um diese Scharte auszuwetzen, zog es mich schon bald wieder nach Horefelli. Am Freitag 29. Oktober 2021 war es nochmals sonnig und ich machte mich alleine auf dem Weg - dieses Mal nach peinlicher Überprüfung von sämtlichem benötigtem Material, sprich also inklusive Hammer. Relativ zügig war ich im Rope Solo beim Umkehrpunkt angelangt und vollendete gleich die zweite Seillänge. Nun hiess es, auf den Boden zurückzukehren um das Seil zu lösen, dann ging's wieder hinauf. Im Anschluss bohrte ich die dritte Seillänge ein. Einige abstehende Schuppen und etwas durchzogenes Terrain konnte ich elegant rechts liegen lassen und eine prima Lösung mit guter Kletterei an einem kleinen Pfeiler finden. Weiter ging's auch gleich in die vierte Sequenz, wo der Beginn über eine Platte und neben einer kleinen Verschneidung auch ohne grosse Umschweife eingerichtet werden konnte. Selbst an der folgenden Steilstelle liess sich ideal ein BH platzieren und die nötigen Strukturen fürs Bezwingen dieser 6b-Passage waren da.

Der Start in L4 (6c), deren ersten Hälfte am Bohrtag 2 eingerichtet wurde.

Dies gab den Blick frei auf eine kompakte Platte. Ein paar Meter konnte man noch über gute Tritte leicht hochsteigen, aber dann wurde es superkompakt. Zweifel kamen auf: da gerade hinauf? Es schien auf den ersten Blick sehr herausfordernd, die bis dato angetroffenen Schwierigkeiten möglicherweise deutlich sprengend. Doch die Alternativen waren rar: links war komplette Fehlanzeige, da wäre es noch schwieriger gewesen. Etwas rechts zwar eine Rissspur, dafür eher steileres und kaum strukturiertes Terrain. Oder musste ich die Passage sogar ganz rechts durch eine grottenähnliche Struktur der angrenzenden Riesenverschneidung umgehen?!? Diese Linienführung wäre sehr indirekt gewesen, vom Gelände her unschön und da "im Bauch des Berges" wohl auch öfters nass. An diesem Tag kam ich zu keiner Entscheidung mehr. Sowieso, die Zeit war um und ich seilte ab.

Der Winter schickt einen Gruss, das war's für 2021. Die Saison an der Horefelli ist aber lang!

Tag 3

Bis zur Fortsetzung sollte es einige Zeit dauern. Es war nicht die Ungewissheit über das Projekt. Aber im 2022 stand für mich im Göschener Tal der Abschluss des Gandschijen-Projekts (Up in the Sky, 7a+) im Fokus. Und im 2023 war ich mit den Recherchen für den Rätikonführer ausgelastet, zudem wollte ich die dortigen Projekte möglichst vor dem vermeintlichen Redaktionsschluss zum Ende bringen. So also 2024, und auch da wurde es wieder Herbst, bis ich am 29. September 2024 meine nächste Aufwartung an der Horefelli machte. Bis zum Erreichen des Vortriebspunkts dauerte es nun schon eine ganze Weile. Im Rope Solo will ja doch 2x geklettert, 1x abgeseilt und 1x gehault werden, das alles nacheinander und von derselben Person. Tja, der Solo-Erschliessungsmodus ist schon deutlich kommoder, wenn man von oben zur Baustelle gelangen kann - an der Horefelliflue war das aber keine Option, da das Top nur sehr aufwändig zu erreichen ist und die beiden existierenden Routen im Sektor nicht bis zum Ende der Wand führten.

So umfangreich ist die Foto-Ausbeute jeweils nicht, wenn man alleine Einbohren geht. Somit widmen wir diese visuelle Impression dem treuen, aber meistens doch eher etwas lästigen Begleiter namens Haulbag. Tja, es hat mich jeweils einige Nerven und Körner gekostet, bis der Sack beim Vortriebspunkt angekommen war - nicht nur an den Tagen, wo ich alleine unterwegs war.

Jedenfalls, ich wollte mir an diesem Solo-Bohrtag die Lage am Umkehrpunkt von 2021 nochmals zu Gemüte führen und dann nicht ewig Werweissen, sondern eine Entscheidung fällen und Anpacken. Meine Fazit vor Ort: "gredig obsi" war die sinnvollste Option. Alles andere wären mühsame und weniger attraktive Umwege gewesen - und dazu vielleicht noch nicht einmal einfacher. Eine gewisse Challenge war das Bohren der drei folgenden BH in dieser reibungslastigen 6c-Passage zwar durchaus - aber es gelang mir ohne Sturz und Würgerei. Erleichtert, dass sich dieses Fragezeichen in lohnende, gut freikletterbare und schwierigkeitsmässig in den Rahmen der Route passende Moves verwandelt hatte, konnte ich bald darauf Stand einrichten. Somit konnte ich zur Realisierung der fünften Seillänge schreiten, wo schöne Strukturen angenehmes Fortkommen und relativ kommode Bohrarbeit versprachen. Allzu weit kam ich trotzdem nicht mehr: ein stumpfer Bohrer (der harte Granit hier ist absolut unbarmherzig in dieser Hinsicht) und die Mitnahme eines nicht voll geladenen Akkus beendeten den Fortschritt, bevor das Tageslicht und meine Kräfte komplett zu Ende waren.

An genau dieser Stelle in L5 (6a) gab es an Tag 3 im 2024 nur noch ein halbfertiges Bohrloch, dementsprechend musste ich im Rope Solo zum darunter liegenden BH abklettern. Rund ein Jahr später und just im Moment, wo dieses Foto belichtet wurde, konnte es dann komplettiert werden. Wobei mich an jenem Tag auch wieder eine Akkupleite an einem relativ ungünstigen Ort ereilte...

Tag 4

So ganz alleine und gewürzt mit immer wieder ein paar Missgeschicken wäre es möglicherweise noch sehr lange gegangen, bis dieses Projekt sein Ende gefunden hätte. Glücklicherweise konnte ich Guido für die Mitarbeit begeistern. Zwar dauerte es auch wieder eine ganze Weile, bis wir am 31. August 2025 die benötigte Schnittmenge von Verfügbarkeit, Wetter und Bedingungen vorfanden. An sich verlief die Kletterei bis zum Ende der vierten Seillänge zügig und auch rotpunkt. Weniger Freude machte hingegen das Hieven des extraschweren Haulbags namens "gestrandeter Walfisch" über den geneigten, rauen und strukturierten Fels. Aber ja, irgendwann konnte es am halbfertigen zweiten Bohrloch in L5 weitergehen und grundsätzlich lief es trotz immer wieder anspruchsvollem Gelände flott vorwärts. Sämtliche Fragezeichen lösten sich mit gangbarer und sehr lohnender Kletterei auf, der einzige Bremser bzw. Zeitfresser war eine Akkupleite in etwa an der dümmsten Stelle in L6. So konstatierten wir nach dem Fertigstellen von L7, dass es nun wohl besser wäre, in die Mastermind zu queren und über diese noch zu deren Schluss bzw. dem Wandbuch zu klettern. Zu klären galt es nämlich die Frage, ob unsere Linie noch weiter bis zum Top der Wand führen sollte, oder ob am Ende von Knecht Klemenz und Mastermind ebenfalls Schluss wäre. Nun schon zum dritten Mal sperberte ich in die Wandpartien oberhalb hinauf, erneut ohne zu einem ganz eindeutigen Schluss zu kommen.

Typische Pose mit kritischem Erschliesserblick auf das, was da wohl kommen möge...

Tag 5

Zwei Tage später beim nächsten Packvorgang des Haulbags musste jedoch ein Entscheid fallen: 10 oder 40 Bohrhaken? 1 oder 3 Akkus? Das Teufelchen vom bequemen Homo Oeconomicus hatte eine klare Meinung dazu. Die Ware an den Einstieg zu schleppen war ja das eine (wo mir auch Guido wie immer sehr behilflich war). Doch den nervigen gestrandeten Walfisch nun schon ganze 7 Seillängen in die Höhe zu hieven war mir ehrlich gesagt eine grauenvolle Aussicht. Ob das dann auch wirklich entschädigt würde?!? Doch die Flinte gleich schon vorweg ins Korn zu werfen war auch keine Option und so biss ich in den sauren Apfel und erledigte diesen "Part of the Game". Zur "Abwechslung" durfte ich zwischen diesen Kraftakten elegant und leichtfüssig die schon weit fortgeschrittene Route klettern, bis ich mich an Stand 7 dann schwer behängte und das Schlussstück zum Wandbuch in Angriff nahm. Dies mit dem erschwerenden Wunsch im Gepäck, gleich einen sturz- und hängerfreien Durchstieg der Wand zu realisieren, es musste also im Onsight-Modus gebohrt werden. Was in diesem Gelände kräftemässig noch geht, aber vor allem für die Füsse eine heftige Belastung ist: es war schon eine gewisse mentale Energie nötig, nicht nach jedem gesetzten Bolt etwas zu rasten und kurz aus den Finken zu schlüpfen. 

Bei diesem Foto kann man die heftige Belastung der Füsse vielleicht fühlen?!?

Überrascht stellten wir fest, dass bei der Sanierung von Mastermind offenbar der von uns genutzte Weg im ersten Teil von L8 gewählt und später wieder abgebaut worden war. Das lag ganz sicher daran, dass das Sanierungsteam in der zweiten Hälfte dieses Abschnitts rechts durch einen Kamin mit losen Blöcken geklettert war. Da fand ich eine viel bessere Linie links davon, zum Glück auch mit perfekt zur Route passenden Schwierigkeiten. Guido schloss dann zügig auf und bald richteten sich unsere Blicke beim Wandbuch erneut nach oben. Sollen wir, oder sollen wir nicht?!? Nachschauen war die einzige Option um das zu klären. Es ging nicht allzu lange und das Setzen einer ersten Zwischensicherung in Form von einem BH war unumgänglich - und damit war der Stein definitiv ins Rollen geraten. Wie es sich zeigen sollte, war das keine schlechte Sache. Nach einem kurzen gratartigen Abschnitt war in L9 zwar ein Grasband zu überqueren, dann ging es jedoch mit lohnender Kletterei in gutem Fels weiter. Drei zusätzliche Seillängen mit absolut lohnender Kletterei wurden es schliesslich, bis wir im goldenen Abendlicht den letzten Standplatz am Top der Wand versenkten. Die Route war damit FERTIG erschlossen, gleichzeitig komplett ROTPUNKT geklettert und ein riesiger GENUSS war's für uns:  zufrieden konnten wir uns am Top den High-Five geben und den Heimweg antreten. Vielen herzlichen Dank Guido für deine wertvolle Mitarbeit bei diesem Projekt!

Finito Lavori! Nur die letzten Meter zum Top der Route fehlen Guido hier noch.

Zustieg

Los geht's bei der Voralpkurve (P.1402) an der Strasse ins Göschener Tal, wo man den markierten Wanderweg zur Voralphütte einschlägt. Gleich zu Beginn überquert man die Voralpreuss, dann geht's durch einige Kehren den Wald hinauf, bevor sich das Tal öffnet und man flacher taleinwärts geht. Nach einer Weile rückt die Horefelliflue in den Fokus. Es lohnt sich aber, geduldig zu bleiben. Nachdem man die geröllige Zone im Auslauf der Spicherribichelen überquert hat, wandert man weiter bis zu den Gebäuden der Alp Horefelli. Erst dort verlässt man den Wanderweg und strebt man dem Wandfuss entgegen, wobei sich auf der logischen Linie eine gute Pfadspur präsentiert. Beim Erreichen des tiefsten Punktes der Wand geht's noch etwas nach rechts hinauf, bevor man den Bereich erreicht, wo v.l.n.r. Knecht Klemenz, Mastermind und Joyride starten. Die Einstiege sind jeweils ca. 10m auseinander, jener von Joyride wenige Meter vor der markanten Verschneidung, mit eingemeisselten Initialen "JR" und Farbanschrift markiert. Die Koordinaten des auf 1900m gelegenen Einstiegs lauten CH LV95: 2'682'040, 1'170'165 bzw. WGS84: 46.677655, 8.510892. Der Zustieg umfasst gerade 500hm, bei zügigem Gehen sind diese in 1:00-1:15h gut machbar.

Unzweifelhaft, hier geht' los. Wie lange die Farbe wohl hält?!?

Routenbeschreibung

Horefelliflue - Joyride 6c (6b obl.) - 11 SL, 380m - M. Dettling & G. Arnold 2025
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

L1, 35m, 6a, 7 BH: Auf los geht's grad los, schon die ersten Meter erfordern gleich etwas beherztes Antreten, bevor man dann auf strukturiertem Fels zügiger voranschreiten kann. Wobei trotzdem "Augen auf" für den einfachsten Weg gilt, denn dieser verläuft nämlich nicht immer in direkter Hakenlinie. Im oberen Teil heisst es dann nochmals, Souplesse zu zeigen und die Füsse zügig über einen Wulst zu bringen, bevor der erste Standplatz über prima strukturierten Fels erreicht wird.

Toll strukturierter und sauberer Granit wartet in L1 (6a).

L2, 30m, 5c+, 8 BH: Nach unserem Gusto ist die die einfachste Sequenz im unteren Routenteil bis zum Wandbuch (nach L8). Los geht's mit genüsslicher Plattenkletterei, dann kurz einer Verschneidung entlang, wo die linke Seitenwand aber griffig strukturiert ist. Eine Hangelquerung bildet den originellen Abschluss, lässt einem jedoch sicherlich auch keine grauen Haare wachsen.

Die "Hangelquerung" in L2 (5c+) scheint doch mehr fuss- als fingerlastig zu sein 😁

L3, 35m, 6a+, 8 BH: Eher plattig, aber schön strukturiert pirscht man sich an einen ersten Wulst heran, welcher recht knifflig zu überwinden ist. Genussreiche, strukturierte Platten bringen einen dann zu einem kleinen Pfeiler, den man erst an Seitgriffen anpackt und dann mittels einiger perfekt platzierter Thank-God-Crimps entert. Zuletzt nach rechts zu einigen grossen Schuppen - sie sind gut verankert, trotzdem den Verstand walten lassen.

Am Start von L3 (6a+) am Bohrtag 4, welcher am ersten sonnigen Tag nach starken Regenfällen stattfand, zudem starteten wir tageszeitlich früh. Wie man sieht, war die Wand an jenem Tag tatsächlich stellenweise feucht, davor hatte ich dies noch nie so erlebt. Joyride liess sich nach dem Motto "hart am Wasser, aber daneben geht's vorbei" aber auch so gut klettern. Mit der Sonneneinstrahlung war die Feuchtigkeit zudem sowieso bald Geschichte.

L4, 35m, 6c, 9 BH: Ein Diagonalrail bringt einen zu einer kleinen Verschneidung, welche erst plattig und dann mit Hilfe eines Risses gemeistert wird. Bei der folgenden Steilstufe steht die Natur dem Freiklettergedanken unterstützend zur Hilfe: genau dort wo es sie braucht, sind Knubbel und Leisten - gut antreten und weit durchmoven muss man trotzdem. Das bringt einen zur plattigen Cruxzone. Erst geht's noch easy "Stägeli uuf", doch dann wird es fein. Erst entlang von einer Rissspur gewählt bewegen, dann entschieden plattig nach rechts zaubern zu einer Rissspur mit Leisten und an dieser hinauf. Das letzte Dächli erfordert nochmals einen beherzten Aufsteher, bevor es geschafft ist.

Hier sieht man die letzten Meter der Cruxlänge (L4, 6c), auf einem Foto weiter oben gibt's auch noch Impressionen von deren Start. Um jedoch zu sehen, wie es an der dazwischen liegenden Schlüsselstelle zur Sache geht, muss man sich vor Ort begeben. 

L5, 30m, 6a, 6 BH: Der logische (und schönste) Pfad führte den Erschliesser hier diagonal in prima strukturiertem Fels über 2 BH nach links hinaus. Es folgt dann die steilplattige Crux gerade hinauf, bevor man zurück nach rechts traversieren muss. So erreicht man schliesslich etwas vegetativ durchzogenes, einfaches Terrain. Es wird rechts über einen kleinen Grat zu bequemem Stand mit idealer Sitzgelegenheit erklommen.

Erst führt L5 (6a) über einen tollen Plattenschuss, am Ende navigiert man um den Jardin herum.

L6, 50m, 6a+, 10 BH: Eine lange Reise! In einem Winkel geht's vorerst in die Höhe, wobei das eine oder andere Mal die Lösung zu erkennen ist. Findet man diese, ist kein wirklich schwieriger Schritt dabei, knifflig ist's aber mehrmals. Schliesslich überwindet man ein kleines Überhängli und klettert dann viele Meter homogen schwierig über eine strukturierte, rampenartige Wand gegen das grosse, sperrende Dach hinauf.

Guido hoch über der Alp Horefelli im schön strukturierten Fels von L6 (6a+).

L7, 30m, 6b, 6 BH: Würde es aus dieser Sackgasse einen Ausweg geben? Da 10m oberhalb die Mastermind auf der einfachsten Linie quert, blieb nur die steile, rechte Seitenwand. Rissige Strukturen bieten sich da als Griffe und als Trittrampe an, so geht's recht gut - auch wenn man zu Beginn noch zwei klein-positive Crimps herzhaft zuschrauben muss. Einmal auf der oberen, liegenden Wand angelangt geht's einfacher daher, auch die Stufe am Schluss ist dank viel Struktur gut zu haben.

Die fotogene Stelle über die "Seitenwand" am Anfang von L7 (6b).

L8, 30m, 6b+, 7 BH: Der logische Weg führt einen der markanten Verwerfung entlang, bzw. man steigt im plattigen Gelände links daneben. So kommt man an den abschliessenden Steilriegel heran. Da herrscht kurz nicht die üppig-griffig-strukturierte, für die Horefelli typische Felsstruktur vor. Doch zuerst erlauben griffige Schuppen das Fortkommen, zuletzt wird's aber an einer Rissspur doch noch tricky, bevor Henkel in die Hand fallen und zum Stand mit dem Routenbuch (gemeinsam mit Mastermind und Knecht Klemenz) führen.

Nochmals eines von der (absolut freudvollen Erschliessungs-)Arbeit...

L9, 45m, 4a, 4 BH: Den Entdecker zieht's hier weiter - vorerst unschwierig einem kurzen Grat entlang, wobei man bei zweiten Haken am besten entschieden nach rechts in den grossen Jardin hält (dort einfach begehbar, weiter dem Grat entlang weniger gäbig). Nach ca. 10m folgen wieder schöne, geneigte und gut strukturierte Platten, über welche man zügig zum nächsten Stand gelangt.

Die bisher existierenden Routen enden bei der Position des Fotografen. Weiter geht's hier mit L9 (4a).

L10, 35m, 5c, 5 BH: Bei moderaten Schwierigkeiten geht's los, die Route führt über die plattige Verschneidungsrampe diagonal nach links hinauf. Das Gelände steilt sich schliesslich etwas auf, so dass am Auslauf der Verschneidung noch ein paar forderndere, plattige Moves zum vorletzten Stand (auf einem bequemen Band gelegen) nötig sind.

Eine lässige und gemütliche Kletterei bei sehr schönem Panorama in L10 (5c).

L11, 25m, 6a+, 5 BH: Es wartet noch ein toller Abschluss durch die hier wieder steilere Wand mit ihren griffigen Schuppen und Rissen. Da gilt es noch ein paar Mal zu überlegen, welches wohl der beste Weg ist. Luftig geht's zuletzt an die exponierte Kante, welche elegant gemeistert wird - die tolle Position wiegt hoffentlich den hier (wie so oft am Top einer Wand) zunehmenden Flechtenbewuchs auf, der die letzten Meter charakterisiert.

Bald geschafft! Marcel bohrt die letzte Zwischensicherung der Route in L11 (6a+).

Abseilen

Vom Routenende wird über die Route abgeseilt, alle Standplätze sind entsprechend eingerichtet. Dazu sind mind. 2x50m-Seile nötig, mit welchen alle Standplätze genutzt werden müssen (11 Manöver, wer sich traut kann den Stand nach L7 auslassen, 50m!). Bringt man 2x60m-Seile mit, so kann man von S11 -> S9, S8 -> S6, S5 -> S3 und S2 -> Boden noch 3-4 Manöver einsparen, auf diesen Strecken besteht auch keine grosse Gefahr eines Seilverhängers. Ein Fussabstieg ist nicht möglich, bzw. wäre sehr aufwändig, da zuerst steiles Schrofengelände erklommen werden muss und nachher ein grosser Umweg in Kauf zu nehmen ist.

Vor dem Abseilen heisst es zum Top klettern! Guido ist kurz davor, dieses zu erreichen (L11, 6a+).

Planungsgrundlagen, Absicherung & Topo

Die Route ist mit total 75 rostfreien Zwischen-BH und 22 Stand-BH vollständig und nach dem Standard Plaisir gut+ (Stufe 4/5) abgesichert. Die Haken wurden fair platziert, d.h. sie sind gut sichtbar, vor schwierigen Stellen kann immer geklippt werden und es sind dort keine gefährlichen oder weiten Stürze zu befürchten. Ein gewisser Anspruch ist im Vorstieg dennoch vorhanden, es heisst es auch zwischen den Haken zu klettern und im plattigen Granit auf die Füsse zu stehen, es kann nicht alles mit A0 ermogelt werden. Ebenso muss man im einfacheren, gut kontrollierbaren, griffig-trittigen Gelände (4a-5a) wiederholt auch Hakenabstände von 5-7m bewältigen. Mobile Sicherungsmittel sind nicht zwingend notwendig und können aufgrund der kompakten Felsstruktur nur vereinzelt angebracht werden, am ehesten noch in den letzten 2 Seillängen. Wenn man trotzdem Klemmgeräte mitführen möchten, dann machen wohl 0.3-1 oder 2 am meisten Sinn.

Dieses Foto ist von einer der beiden letzten Seillängen. Ganz konkret vom Ende von L10 (5c).

Die Saison an der Horefelliflue dauert lange. Die Wand ist nach Süden ausgerichtet und in sonniger Lage. Nach Regenfällen trocknet die Horefelliflue recht zügig wieder ab - deutlich schneller jedenfalls als z.B. die Sandbalm-Platten beim Ausgangspunkt an der Voralpkurve. Jahreszeitlich geht's ab Anfang Juni sicherlich (fast) immer, oft kann sicher auch schon im Mai geklettert werden. Im Herbst geht die Horefelliflue, bis das Gelände unterhalb von 2000m eingeschneit wird. Selbst spät im Jahr geniesst man noch ein erstaunlich langes Sonnenfenster, so dass die Route von schnellen Seilschaften bis Ende November angegangen werden kann. Hier eine grobe Planungshilfe (ohne letzte Gewähr) mit den Zeiten, wo die Sonne den Wandfuss erreicht, bzw. den oberen Routenteil verlässt:

23.09. 09.45 - 17.30 (Sommerzeit)
23.10. 10.15 - 16.30 (Sommerzeit)
23.11. 09.15 - 14.15 (Winterzeit)
23.12. 09.45 - 14.00 (Winterzeit)

So, jetzt braucht es nur noch das Topo (PDF-Download), dann kann es losgehen 😀

Das Topo zu unserer Route Joyride an der Horefelliflue


Donnerstag, 11. September 2025

Wendenstöcke - Troja (7a+)

Zum Ende der Sommerferien gab es nach 3 Jahren Absenz endlich wieder einmal Ausflug an die Wendenstöcke, der Initiative von Bernat sei Dank! Wie so oft hatten wir uns auch dieses Mal bei der Routenwahl aufgrund der vielen Möglichkeiten etwas schwer getan. Schliesslich fiel unsere Wahl auf die bisher selten begangene Troja am Excaliburpfeiler. Sie erhiesch grössten Respekt: erstbegangen durch Profi-Alpinist Roger Schäli und Wenden-Urgestein Michal Pitelka, im Topo mit 7a obligatorisch und expo angegeben und die wenigen Internet-Einträge berichteten von langen Runouts und teilweise zweifelhaftem Fels. Wir wollten es genauer herausfinden und siehe da: wir trafen auf affengeile, athletisch-steile Henkelkletterei an weitestgehend bestem Fels und dies erst noch bei einer prima Absicherung. Das Resultat: einer meiner bisher besten Klettertage an den Wendenstöcken!

Der stolze Excaliburpfeiler an den Wendenstöcken mit dem Verlauf von Troja.

Wegen einem gewissen Gewitterrisiko am Abend starteten den Zustieg schon um 6.05 Uhr und liefen den gewohnten Weg hinauf zum Einstieg am Excaliburpfeiler. Viel hat sich dabei gegenüber früher nicht geändert, einiges aber doch: kürzliche Starkregenfälle haben den Graben beim Parkplatz (und einen Teil von diesem selbst) mit Geröll und Geschiebe aufgefüllt und überflutet, weiter nimmt die Wegspur mal kurz einen anderen Verlauf wie früher. Das sind aber alles Details, wichtig ist nur eines: keinesfalls über die steilen Schrofen direkt zum Einstieg gehen, sondern im gestuft-felsigen Gelände in der Falllinie vom Elefantenohr aufsteigen, bis man horizontal über Bänder zum Einstieg bei zwei Sanduhren queren kann. Um 7.20 Uhr waren wir da und legten um ca. 7.40 Uhr mit der Kletterei los.

Morgenstimmung am Einstieg.

L1, 40m, 6b: Diese Länge hatte ich schon 3x zuvor geklettert (für Excalibur, Lancelot und Blaue Lagune). Mehr oder weniger auf los geht's los: ein erstes Überhängli, dann kurz nach links zu gleich mal recht fordernder Plattenkletterei. Während ich mich früher da jeweils mit grossem Respekt hochgezittert hatte, lief es dieses Mal sehr flüssig. Im zweiten Teil dann etwas einfacher bei grösseren Sicherungsabständen. Erst wieder leicht rechts, dann gerade hoch.

Plattige Kletterei zum warm werden in L1 (6b).

L2, 40m, 6b: Für die Troja ist es definitiv günstiger und logischer, hier die häufiger gekletterte, linke Variante zu wählen. Achtung, wie auch die erste Länge ist sie nur teilsaniert, d.h. teilweise stecken noch altertümliche Kronenbohrhaken. Daher nicht optimal für längere Sturzübungen, aber das ist auch nicht nötig. In feiner Kletterei geht's gut abgesichert nach links hinaus auf die Kante, dann jenseits von dieser hinauf. Das Ende ist dann sehr gesucht. Während es links erst via Wasserrillen und dann Schrofen zugänglich wäre, locken zwei Bolts in kompakte Wandabschnitte mit Löchern, welche nochmals 6b-Moves bieten. Achtung, die Kombi von Absicherung und Sturzgelände ist da ist nicht gerade optimal.

Die Querung nach links hinaus auf die Kante charaktersiert L2 (6b).

L3, 30m, Gehgelände: Linkshaltend über Schrofen zum eigentlichen Excaliburpfeiler zum gemeinsamen Einstieg von Zonda und Troja (mit verblasster blauer Farbe angeschrieben). Achtung, es gibt da keine Standhaken, man kann jedoch Cams platzieren. Der Start der beiden Routen (bzw. der erste BH) ist dann gemeinsam, Zonda zieht dann links weg.

L4, 50m, 6c+: Knallerplatte lautet das Programm hier, wie so üblich in der ersten Länge an diesem Pfeiler. In wunderbar gefinkeltem Fels schreitet man hier in die Höhe, wirklich sehr genussreich. Zudem auch recht homogen schwierig, eine klare Crux konnten wir nicht ausmachen. Während man zwischen den schön in gerader Linie steckenden Haken durchaus manchen Schritt tun und einige Schleifen klettern muss, so kann man ohne Zweifel sagen: gut abgesichert. Auch das BH-freie Ende der Seillänge löst sich prima auf. Am markanten Dachbogen lassen sich sichere Cams versorgen. Für die einfachste Linie steigt man dann nicht direkt über das Dach hinweg, sondern geht etwas tiefer rechts hinaus. Oben liegt dann nochmals ein guter Cam in einer Schuppe, so gelangt man ohne Angst und Knieschlottern zum Stand.

Die 50m lange Seillänge über die Knallerplatte von L4 (6c+) ist ein absolutes Highlight.
Die Gegenperspektive: der Fels in L4 (6c+) ist genial strukturiert und kletterfreundlich.

L5, 15m, 6c+: Kurz, hat es aber in sich! Also zuerst einmal: wie Spuren am Stand davor und danach, sowie der Hakentyp zeigen, wurde diese SL offenbar schon früher vor der eigentlichen Erschliessung von Troja geklettert und auf anderem Weg erreicht?!? Die kompakte Wandstufe will bei enger BH-Absicherung reibungslastig und mit ein paar Leisten und Löchlein erklettert werden, wobei es die richtige Sequenz zu ertüfteln gilt. Nach unserem Empfinden sind die Moves hier klar schwieriger wie in L1. Dieselbe Bewertung zu vergeben kann aber aufgrund der Gesamtanforderung/Länge aber schon Sinn machen.

L5 (6c+) ist zwar nur kurz, bietet aber knifflige technische Wandkletterei.

L6, 40m, 7a: Nach rechts zieht eine einfache Rampe, nach links wäre es womöglich auch zugänglich, aber nach Troja geht's schlicht und einfach gerade voraus. Jedenfalls ist das der Pfad, welchen die Hakenlinie vorgibt. Die einfachste Linie findet man hingegen etwas darum herum mäandrierend, aber das ist genau richtig so. Die Seillänge ist wohl anhaltend und braucht etwas Ausdauer, eine wirklich schwierige Stelle konnten wir jedoch nicht ausmachen. Für Wenden-Standards sicherlich eine gutmütige 7a, oder mit anderen Worten: da haben wir wohl die richtige Linie gefunden. Das soll aber nicht abwertend tönen: die Henkelkletterei im griffig-rauen Gestein ist einfach fabelhaft!

Der Blick voraus auf die steile, griffige und anhaltende L6 (7a).
Der Blick zurück zeigt die hammermässige Felsqualität.

L7, 30m, 7a+: Bernat meint zu mir aufgrund von Topo und Ferndiagnose "this one could be a bit more bouldery". Und damit trifft er den Nagel durchaus auf den Kopf. Insgesamt auch eine affengeile Länge, auch wenn die ersten Meter nicht durch Gestein der ersten Güteklasse führen (die mässig gut verankerte Schuppe rechts besser pfleglich behandeln!). Nachher ist's dann aber top: an guten Griffen über die Steilstufe, dann mit deutlicher Rechtsschleife zum dritten BH und einfacher hinauf an den zweiten Wulst mit der Crux. Kräftige Moves an Seitgriffen bieten da die Lösung, dies bei Top-Absicherung. Vor der Pause am Stand gilt es dann noch eine plattige Verschneidung zu meistern.

Die athletische Crux in L7 (7a+) hat Bernat geschafft, nun wartet noch die plattige Verschneidung.

L8, 35m, 7a+: Hier befindet man sich unterhalb vom grossen Dach, welches wenige Meter rechts von der Excalibur mit der charakteristisch-luftigen Passage über die Seitwand gemeistert wird; Troja geht hingegen direkt drüber. Die ersten Meter bis unter den Überhang gehen gut, auch wenn die Felsqualität da kurz nicht erste Sahne ist. Die nicht ganz horizontale Dachpassage im grossen Überhang trumpft dann wirklich mit 1a-Henkeln auf. Wer öfters mal in einer Boulderhalle rumturnt, wird da kaum Probleme haben. Am schwierigsten ist noch der Ausstieg ins wieder vertikalere Terrain am Schluss, aber auch das löst sich auf. Gefolgt wird dies von traumhafter Kletterei an guten Griffen in Top-Gestein: nie mega schwierig, nie banal, somit genial.

Am Dach in L8 (7a+) gibt's 1a-Henkel, da kann man nicht nur, sondern muss eine Pose werfen.
Das Ende der Seillänge (L8, 7a+) trumpft mit absolut göttlichem Gestein auf!

L9, 40m, 7a: Das ist jetzt eben die Expo-Pitch, wobei ganz so wild oder gefährlich dünkte es uns nicht. Der erste BH steckt nicht gerade eben nah und am Ende von einer reibungslastigen Rampe auch etwas wacklig zu klippen - geht aber schon. Als nächste Sicherung wartet dann leider nur eine mässig gute SU-Schlinge. Die Crimpy-Wandkletterei ist zwar gut kontrollierbar, nach meinem Gusto aber mehr oder weniger die Hauptschwierigkeit dieser Länge - auch da, ein paar Mal kräftig zuschrauben, dann geht es schon. Es kommen dann wieder BH, die Moves am nächsten Überhang sind richtig cool und gut gesichert, der Runout danach ist problemlos. Beim BH am nächsten Wulst stellen sich nochmals Fragezeichen: da scheint der Weg nach rechts auf die Rampe der Excalibur absolut logisch (einfachste Lösung) und man weiss nicht so recht, ob man nochmals steil ins Ungewisse klettern soll. Die Antwort ist aber ja: Troja geht tatsächlich dort hoch. Es kommen noch 2 SU (u.U. mit fixer Schlinge), das Terrain ist griffig und es löst sich gut auf. Zuletzt erreicht man dann die Kante, der Fels wird etwas lottrig und es geht nach rechts zu gemeinsamem Stand aller Routen in diesem Bereich.

Über diese Rampe ist der erste BH in L9 (7a) etwas weit anzuklettern.

L10, 30m, 6c: Dieses Teilstück gehört formell zur Excalibur, war aber trotzdem neu für mich. Es wurde erst bei der Sanierung im 2011 eingerichtet und war bei meiner damaligen Begehung im 2007 noch nicht existent. Die Länge führt nochmals in steiles Gelände - schon gutgriffig, aber irgendwie dann doch nicht ganz so easy und man muss ein wenig schauen, wie es aufgeht. Erst gut gesichert mit 2 BH, dann 2 SU-Schlingen (obwohl die zweite etwas rechts abseits ist, dürfte es besser sein daran vorbeizuklettern), bevor es an einem letzten BH vorbei auf die einfache, aber ungesicherte Abdachung geht. Achtung, da liegen viele lose Steine herum. Trotzdem ist diese neue Variante die viel bessere Lösung als die ursprüngliche 4c, wo man die vollen 30m ungesichert im Lottergelände zu klettern hatte.

Panorama am Top vom Excaliburpfeiler. What a place to be!

Etwas vor 14.00 Uhr waren wir nach rund 6:15h an Kletterei am Top, und dies mit einer beiderseits einwandfreien Onsight/Flash-Begehung, wow! Ich erinnere mich, bei den früheren Begehungen gerne im exklusiven Gipfelbuch gelesen zu haben. Doch dieses war nirgends mehr auffindbar, selbst der Steinmann am Top des Pfeilers (welcher nur wenige Meter an Prominenz aufweist) hatte das Zeitliche gesegnet. Letzterem konnten wir Abhilfe schaffen und weil der Himmel noch freundlich aussah, gab es keinen Grund zur Eile. Schliesslich warfen wir die Seile aus und glitten über die Excalibur in die Tiefe. Das geht recht effizient, einzig der Stand unter dem Dach ist nicht so einfach zu erreichen. Zurück am Wandfuss erhielten wir Besuch von der Steinbock-Gang und entschlossen uns, vor dem Abstieg noch einen Blick ins links oberhalb des Einstiegs gelegene Biwak zu werfen. Die Installationen sind zwar noch vorhanden, werden aber scheinbar nicht mehr gepflegt/genutzt und sind am Verfallen. Auch das sehr interessante Biwakbuch mit seinen lesenwerten Stories konnte ich nicht mehr auffinden. Prinzipiell wäre es langsam an der Zeit, hier einmal eine Aufräumaktion durchzuführen und die Überbleibsel ins Tal zu tragen. 

Man sieht's, die Steinbock-Gang hat ganz klare Erwartungen an uns.

Zügig, aber mit der nötigen Vorsicht stiegen wir über das steile Gelände zurück Richtung Wendenalp. Mehr oder weniger mit unserem Eintreffen dort fielen doch noch einige Tropfen vom Himmel, welcher sich erstaunlich zügig verdunkelt hatte. Dies sollte uns nicht weiter stören oder behelligen, doch es rief eindrücklich in Erinnerung, wie delikat die Kletterei an den Wendenstöcken bei Gewittergefahr sein kann. Die Lage kann sich deutlich schneller verändern, wie man in der Wand oder selbst im exponierten Teil des Zustiegs reagieren kann. Mich hat es zum Glück nie erwischt, bzw. ich hatte immer ausreichend defensiv geplant. So ging auch meine persönliche #43 am Massiv mit einem grossen Glücksgefühl zu Ende. Eine perfekte Begehung, gleichzeitig mit der 7a+ eine persönliche Onsight-Bestleistung an den Wenden und dies auf einer Route, wo ich lange Zeit Hemmungen hatte, überhaupt erst einen Versuch zu starten. Sicherlich einer der besten meiner sehr vielen guten Klettertage an den Wenden, und sportlich gesehen bis dato vermutlich sogar der wertvollste. Auf bald wieder, kann man da nur sagen!

Facts

Wendenstöcke - Troja 7a+ (6c obl.) - 10 SL, 350m - Schäli/Pitelka/Iff 2004 - ****;xxx/xxxx
Material: 2x50m-Seile, 12 Express, Cams 0.2-2

Eine absolute Top-Kletterei mit bestechender Linie am Excalibur-Pfeiler. Nach drei Seillängen mit eher steilplattiger Kletterei (L1, L2, L4) geht's bis zum Ausstieg mit gutgriffig-steiler, athletischer Kletterei weiter. Der Fels ist dabei bis auf zwei, drei kurze, einfachere und absolut problemlose Abschnitte von bester Qualität. Für mich ist es absolut unverständlich, warum Troja nicht viel populärer ist: aus meiner Optik ist sie in vielerlei Hinsicht mit einer Patent Ochsner vergleichbar. Die Bewertungen sind für Wenden-Massstäbe absolut fair und realistisch. Auch die Absicherung darf man gerne als gut bezeichnen: klar, wir reden hier von Wenden-Standards, es hat nicht alle 2m einen BH und die Strategie A0 ist höchstens von beschränktem Nutzen. Die Bolts sind aber fair gesetzt, es gibt keine krassen Runouts und auch keine schwierigen Stellen weitab der letzten Sicherung. Ich meine, 6c obl. ist ausreichend, Troja gehört nicht in die "7a obl."-Liga wie Transocean, Blaue Lagune, Das 11. Gebot, Batman oder Tsunami. Am anspruchsvollsten ist wohl effektiv L9 (7a), wobei das "expo" für uns nicht wirklich nachvollziehbar war (d.h. es drohen keine gefährlichen Stürze mit Auf-/Anprallgefahr). Hier und da, insgesamt aber doch eher nur punktuell sind Cams zu legen. Ein Set von 0.2-2 ist dementsprechend mitzuführen. Die Grösse 3 hatten wir dabei, fanden jedoch keine Einsatzmöglichkeit dafür. Ein präzises schematisches Topo habe ich bisher nirgends gefunden, daher habe ich selbst eines angefertigt (Download in voller Auflösung). Die besten und neusten Infos zum Gebiet findet man sonst im Extrem West, Band II.

Mein Topo zur Troja, hier geht's zum Download in voller Auflösung.

Montag, 1. September 2025

Pic de l'Aigle - Maëlstrom (7a)

Mit Larinas Teilnahme an der Jugend-WM und dem Trip nach Helsinki schrumpften unsere Sommerferien in den französischen Hautes-Alpes im 2025 auf ein Minimum zusammen. Mit nur 8 Klettertagen mussten wir uns auf "das Beste vom Guten" beschränken. Eine MSL im Massif des Cerces in der Nähe vom Col du Galibier gehörte da ganz eindeutig dazu, schliesslich galt es auch die schon über 7 Sommer fortgeführte Tradition zu bewahren. Nach zwei Limit-Sportklettertagen war das stabile Hochsommerwetter gegeben und der Wunsch nach etwas Erholung von den harten Moves präsent. So beschlossen wir, weder die längste noch die härteste Route anzugehen, welche für uns drin gelegen wäre. Trotzdem ist die hier beschriebene Maëlstrom kein "halbes Programm": toller Fels, eindrückliche Kletterei und ein super Ambiente charakterisieren diese Mega-Route.

Die fabelhafte Wand des Pic de l'Aigle mit dem Verlauf der Route Maelstrom.

Der von mir schon mehrfach beschriebene Vorteil der Wände um den Col du Galibier liegt darin, dass ein früher Aufbruch weder nötig noch vorteilhaft ist. Nach einem gesunden Schlaf und einem ausführlichen Zmorge machten wir uns in der zweiten Vormittagshälfte auf den Weg. Um 12.35 Uhr starteten wir schliesslich zu Fuss bei Les Mottets (2140m). Sprich, im Gegensatz zu unserer ersten Tour am Berg hatten wir noch die (schlimmer als) rätikonmässig holprige Piste von der Passstrasse bei Plan Lachat genutzt, um bis zur Barrieren-Absperrung zu fahren. Mehrheitlich den Kehren der Strasse folgend erreichten wir das Militärcamp bei Les Rochilles (2412m, 13.05 Uhr), wo allerhand Betrieb war (mehr dazu später). Nun gilt es noch, über ein Wiesen-Geröllgemisch, teilweise auf Wegspuren zum Einstieg zu gehen, welchen wir mit dem Fototopo problemlos anlaufen und identifizieren konnten (13.20 Uhr). Um 13.45 Uhr starteten wir mit der Kletterei.

Start zur Tour bei der Barriere von Les Mottets (2140m).

L1, 35m, 6a: An einem griffigen Riss geht's gleich steil in die Höhe, für die ausgegebene Bewertung doch gar nicht mal so einfach. Im oberen Teil dann einige Aufschwünge, bevor das Gelände abflacht und einfacher, ja am Ende gar etwas schrofig wird.

Schrofiger Ausstieg aus der sonst lässigen L1 (6a), hinten das Militärcamp Les Rochilles.

L2, 40m, 2a: Eine einfache Traverse, meist im Gehgelände, mit ein paar Kletterzügen im einfachen Fels. Es sind 4 BH vorhanden, grob gilt es sich Richtung 10 Uhr zu halten, sonderlich schwierig ist die Orientierung nicht.

Die zweite Länge ist noch als Zustieg zur eigentliche Kletterei am Pfeiler zu verbuchen.

L3, 35m, 6b: Hier geht's nun richtig los, wobei man auf den ersten Metern noch etwas Schonfrist erhält (gestufte Kletterei von noch nicht Top-Qualität). Letztere kommt aber: in steilplattigem Gelände gilt es entschlossen anzutreten, teilweise sind einige weite Moves an guten Griffen durchzuriegeln. Es ist anhaltend und recht komplex, eine taffe 6b! Hinweis: nach ca. 20m sieht man an einer Stelle den nächsten Haken nicht, dort geht es in Richtung 13 Uhr weiter (nicht den scheinbar einfacheren Weg nach links nehmen!)

Prima Plattenkletterei in tollem Fels mit eher vertikal ausgerichteten Strukturen (L3, 6b).

L4, 40m, 6b+: Nochmals eine anhaltende, plattige und fordernde Seillänge. Der Fels ist wohl rau, aber irgendwie doch schlabbrig-glatt mit wenig horizontaler Struktur, was mich sehr ans Schweizereck im Rätikon erinnert hat. Nach zwei Dritteln steigt man zu einem Break aus, die eindrücklich-plattige Traverse der Schlusswand löst sich dann gut auf, wenn man die richtige Beta findet.

Knallerplatte am Ende von L4 (6b+). Das hier im Bild löst sich gut auf, vorher ist es aber fordernd.

L5, 20m, 6c: Nun wird es deutlich steiler und der Charakter der Route wechselt zu steiler Tropflochkletterei. Schon bald einmal gilt es einen richtig harten Blockierer zu vollführen. Ich dachte mir erst "sowas kann nicht die 6c-Lösung sein", habe dann aber doch keine bessere Alternative gefunden. Nach etwas Dranbleiben werden die Griffe grösser und mit etwas links/rechts an der Kante gelangt man zum Stand.

Nicht so repräsentatives Bild vom einfacheren Ende der steilen Tropflochkletterei in L5 (6c).

L6, 35m, 7a: Bisher hatten sich alle Längen hart angefühlt, so machte ich mich für die Crux auf etwas gefasst. Ein kurzer, eher plattiger Auftakt führt zur Kante, wo man im leicht überhängenden Gelände an zwei diagonalen Tropfloch-Rails für Fortschritt sorgen muss. Da eng gebohrt, wäre A0 problemlos, doch der Onsight gelang mir überraschend easy. 1-2x kräftig aus einem Gaston riegeln, dann geht's ähnlich wie in der Länge zuvor mit links/rechts an der Kante deutlich griffiger und einfacher (6b) zum Stand.

Auch in der Cruxlänge flacht das Terrain am Ende ab und führt zu einem bequemen Stand (L6, 7a).

L7, 30m, 6c+: Zuletzt kommt noch ein richtiger Knaller mit Ausdauerkletterei in steilem Tropfloch-Gelände. Zwar geniesst die Länge im Internet nicht die beste Presse ("rocher ultra aggressif", "râpe à fromage", usw.). Doch ich klettere gerne in scharfem Fels und fand das einfach mega! Nach einem zupfigen Start geht's anhaltend und in luftiger Position zur Sache, gegessen und gepunktet ist es erst mit dem letzten Piaz-Überhängli, super!

Auch dieses Foto zeigt nicht das, was im Text steht. Erst die letzten Meter in L7 (6c+) sind geschenkt.

Dass uns dies (bzw. eine beidseitig einwandfreie Onsight- bzw. Flash-Begehung) gelang ist zwar nicht selbstverständlich, dürfte aber vermutlich auch nicht für allzu grosses Erstaunen oder Beifall sorgen. Muss es natürlich auch nicht, aber die ganze Wand ohne Sturz und Hänger zu beschreiten erhöht halt eben den Erlebniswert gleich nochmals deutlich - deshalb ist das immer das ultimative Ziel. Jedenfalls, um 18.15 Uhr waren wir am Top, somit hatten wir 4:30h gebraucht. Doch einen Grund zu pressieren gab es nicht, also genossen wir es ausgiebig und bis sich Larina jeweils an jedem Stand in bzw. aus ihren engen Comp-Kletterfinken geschält hat, vergehen durchaus Minuten... in dieser Hinsicht fruchten meine Appelle zur Verwendung von etwas grösser bemessenem Schuhwerk bei den nicht ganz so matchentscheidenden Tätigkeiten an Fels und Plastik leider gar nicht.

Fantastisches Panorama am Top - ils disent "bucolique".

Nach einer Pause bei schönster Abendstimmung und Top-Aussicht auf die rückseitigen Bergseen machten wir uns auf den Fussabstieg. Ein Abseilen macht hier überhaupt keinen Sinn: es wäre sehr umständlich und die Route ist nicht dafür eingerichtet, ein notfallmässiger Rückzug ginge aber schon. Zügig geht's im Bereich der Krete (Wegspuren vorhanden) abwärts zum Col des Rochilles und hinab zum Militärcamp. Und eben, dieses war mit dem Helikopter Squad der französischen Armee besetzt. Immer mal wieder war mit den eindrücklichen Riesenbrummern tagsüber eine Runde gedreht worden, für entsprechende Unterhaltung an den Standplätzen war also gesorgt. Nun: wie wir da zum Camp liefen, kamen Offiziere und Soldaten gleich dahergelaufen und empfingen uns wie Helden. Mit den Bergen und der Kletterei offenbar nicht vertraut, waren sie äusserst beeindruckt von unserer Kletterei durch die (vom Camp gesehen durchaus eindrückliche) Wand. Umso mehr, als sie sich gewahr wurden, dass da noch ein 15-jähriges Girl mit von der Partie war. Ein lustiger Austausch war es (parfois ça vaut la peine de bien parler français) und definitiv nicht der Zeitpunkt für ein Understatement, dass die Maelstrom für uns jetzt nicht "that big a deal" gewesen sei. Das wäre zwar durchaus korrekt, im Vordergrund steht aber sowieso das tolle Berg- und Klettererlebnis.

A+, wir kommen sicher wieder!

Facts

Pic de l'Aigle - Maëlstrom 7a (6b obl.) - 7 SL, 240m - Déglise/Laferrière/Millot 2011 - ****;xxxx
Material: 1x oder 2x50m-Seil, 12 Express, Cams/Keile nicht nötig

Eine eher kurze, aber doch eindrückliche Kletterei welche zwar nicht mitten durch die steile Westwand am Pic de l'Aigle führt, aber doch über einen Pfeiler auf einen kecken Turm im rechten Teil. Bis auf die Schrofenzone in L2 wartet qualitativ hochwertige Kletterei: zuerst ein Riss, dann fordernde Platten und in den letzten drei steilen Seillängen verschärfte Tropflochcrimperei. Für die Höchstnote von 5 Sternen reicht es insgesamt nicht ganz, aber ein sehr, sehr gut gibt es auf jeden Fall. Die Absicherung mit verzinkten BH ist prima ausgefallen. In den plattigen Abschnitten von L3 und L4 heisst es auch zwischen den Haken mal noch gescheit auf die Füsse zu stehen. In den steilen Tropflochlängen danach sind die Abstände dann deutlich kürzer und die Kletterei schien mir wenig obligatorisch. Gedruckte Literatur zum Pic de l'Aigle gibt es meines Wissens nicht, informativ ist C2C und das Topo der Erschliesser.

Hier geht's los!